Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 10.12.2007
Aktenzeichen: 14 Sa 1148/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 615 Satz 2
1. Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer muss sich im Annahmeverzugszeitraum nur solchen Zwischenverdienst anrechnen lassen, der kausal durch das Freiwerden der Arbeitskraft ermöglicht wurde (im Anschluss an BAG, Urteil vom 06.09.1990 - 2 AZR 165/90).

2. Eine Anrechnung scheidet daher regelmäßig aus, wenn hinsichtlich Teilzeittätigkeit und Zwischenverdiensttätigkeit keine Kollision der Arbeitszeiten besteht.


Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 30.05.2007 - 7 Ca 4064/06 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch um Annahmeverzugslohn der Klägerin.

Die am 20.05.1962 geborene Klägerin war seit April 1995 als Reinigungskraft für die Beklagten, die ein Reinigungsunternehmen betreibt, tätig. Ihr monatlicher Lohn betrug durchschnittlich 607,93 € brutto. Mit der Begründung, der Reinigungsumfang sei reduziert worden, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 28.01.2005 zum 28.02.2005.

Die von der Klägerin hiergegen erhobene Kündigungsschutzklage hatte vor dem Arbeitsgericht Erfolg (Urteil vom 02.03.2006). Die dagegen eingelegte Berufung wurde durch Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 23.10.2006 - 14 Sa 611/06 - zurückgewiesen.

Mit ihrer am 19.05.2006 bei dem Arbeitsgericht Köln eingereichten und später mehrfach erweiterten Klage machte die Klägerin Annahmeverzugslohn für die Zeit von März 2005 bis zuletzt Februar 2007 in Höhe von 607,93 € pro Monat geltend und ließ sich dabei das in der Zeit vom 01.03.2005 bis zum 28.02.2006 bezogene Arbeitslosengeld anrechnen.

Durch Urteil vom 30.05.2007 gab das Arbeitsgericht der Klage auf Annahmeverzugslohn insoweit statt, als die Klägerin Vergütung für die Zeit März 2006 bis Februar 2007 in Höhe von 7.295,16 € verlangt hatte. Hingegen wies das Arbeitsgericht die Klage, soweit sie sich auf den Zeitraum März 2005 bis Februar 2006 bezog, ab, weil die Klägerin insoweit die tarifvertragliche Verfallfrist nicht eingehalten habe. Ebenso wurde ein erstinstanzlich noch geltend gemachter Urlaubsabgeltungsanspruch abgewiesen, weil das Arbeitsverhältnis fortbestehe.

Gegen dieses Urteil hat nur die Beklagte Berufung eingelegt.

Die Beklagte macht geltend, der Klägerin stehe auch für die Zeit von März 2006 bis Februar 2007 kein Annahmeverzugslohn zu. Denn insoweit bestehe ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten, weil die Klägerin keine ausreichende Auskunft über ihren Zwischenverdienst erteilt habe. Auf das Auskunftsverlangen, das die Beklagte mit Schriftsatz vom 29.05.2007 (Bl. 65 d. A.) geltend gemacht habe, sei im Kammertermin am 30.05.2007 durch die Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärt worden, dass die Klägerin ab dem 01.03.2007 eine neue Arbeitsstelle habe. Nachdem der Prozessbevollmächtigten der Klägerin im erstinstanzlichen Kammertermin entgegen gehalten worden sei, dass eine Auskunft der Bundesknappschaft vorliege, wonach die Klägerin bereits seit dem 01.01.2006 ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis ausgeübt habe, sei seitens der Klägerseite mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 01.06.2006 reagiert und zugegeben worden, dass die Klägerin bereits seit dem 01.01.2007 auf ihrer alten Arbeitsstelle tätig sei.

Zudem habe die Prozessbevollmächtigte der Klägerin in jenem Schreiben vom 01.06.2007 eingeräumt, dass die Klägerin im Jahre 2006 für einen Zeitraum von 5 Wochen einer geringfügigen Beschäftigung nachgegangen sei. Vor diesem Hintergrund mache die Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht geltend. Ergänzend beruft sich die Beklagtenseite darauf, dass sie die Klägerin mit Schreiben vom 17.03.2006, zugestellt am 20.03.2006 aufgefordert habe, um 9:00 Uhr die Arbeit bei der K für die Beklagte aufzunehmen. Dem sei die Klägerin nicht nachgekommen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 30.05.2007 - 7 Ca 4064/06 -,

die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Klägerseite macht geltend, die Beklagte habe erst einen Tag vor dem erstinstanzlichen Kammertermin mit Schriftsatz vom 29.05.2007 Auskunft über erzielten Zwischenverdienst begehrt. Dies sei offensichtlich erst zu diesem späten Zeitpunkt erfolgt, um den Rechtsstreit zu verzögern. Ein Zurückbehaltungsrecht könne die Beklagte nicht geltend machen, denn die Klägerin habe durch ihre Prozessbevollmächtigte noch am 01.06.2007 vollständig Auskunft über erzielte Zwischenverdienste erteilt. Darüber hinaus hat die Klägervertreterin unter Verweis auf ihr Schreiben vom 28.03.2006 an die Beklagtenseite vorgetragen, sie habe die Beklagtenseite zur Weiterbeschäftigung der Klägerin aufgefordert, die Beklagte habe hierauf jedoch nicht reagiert.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlage Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht der Klägerin die Annahmeverzugsvergütungsansprüche für die Zeit ab dem 01.03.2006 zugesprochen.

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft gemäß § 64 ArbGG. Sie ist auch fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II. In der Sache hatte die Berufung keinen Erfolg. Mit zutreffenden Erwägungen hat das Arbeitsgericht der Klägerin Annahmeverzugsvergütung für die Zeit ab März 2006 zugesprochen. Die hiergegen in der Berufungsinstanz vorgebrachten Einwendungen der Beklagtenseite greifen nicht durch.

1. Die Klägerin hat den Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung gemäß § 615 Satz 1 BGB. Die Beklagte hat sich in Annahmeverzug befunden. Aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln vom 23.10.2006 - 14 Sa 611/06 - steht fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten nicht aufgelöst werden konnte, weil die Kündigung rechtswidrig war.

Aus der unrechtmäßigen Kündigung folgt der Annahmeverzug der Beklagten. Ein wörtliches Angebot ist im Fall der rechtsunwirksamen Kündigung gemäß § 296 BGB entbehrlich, da dem Arbeitgeber die nach dem Kalender bestimmte Mitwirkungshandlung obliegt, dem Arbeitnehmer für jeden Tag einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und den Arbeitseinsatz des Arbeitnehmers fortlaufend zu planen und durch Weisungen zu konkretisieren (siehe BAG Urteil vom 19.01.1999 - 9 AZR 679/97 -, NZA 1999, Seite 925).

2. Der Anspruch der Klägerin ist nicht durch ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagtenseite ausgeschlossen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann ein solches Zurückbehaltungsrecht bestehen, wenn ein Arbeitnehmer über die Höhe seines Zwischenverdienstes unvollständige Angaben macht oder ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erteilten Auskunft über den Zwischenverdienst bestehen (siehe BAG Urteil vom 29.07.1993 - 2 AZR 110/93 -, NZA 1994, Seite 116).

Hierzu ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass die Auskunft vollständig erteilt ist und begründete Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft nicht bestehen. Hervorzuheben ist, dass die Beklagtenseite, wie sie selbst vorträgt, mit Schriftsatz vom 29.05.2007, also einen Tag vor dem erstinstanzlichen Kammertermin, um Auskunft über die Zwischenverdienste gebeten hat. In dem einen Tag später stattfindenden Kammertermin war die Klägerin persönlich nicht anwesend. Die Klägervertreterin hat in diesem Kammertermin erklärt, die Klägerin habe ab dem 01.03.2007 eine anderweitige Beschäftigung. Dabei musste auch dem Beklagtenvertreter klar sein, dass diese ohne Rücksprache mit der Klägerin erfolgte Angabe gegebenenfalls einer Überprüfung bedurfte. Mit Schreiben vom 31.05.2007, also einen Tag nach dem Kammertermin, hatte die Beklagtenseite darauf hingewiesen, dass die Klägerin im Jahre 2006 für einen Zeitraum von fünf Wochen einer geringfügigen Beschäftigung nachgegangen sei und bereits seit dem 01.01.2007 für die Firma P an ihrem alten Arbeitsort arbeitete. Nur einen Tag später, unter dem Datum des 01.06.2007 hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin daraufhin mitgeteilt, dass die Klägerin tatsächlich im Jahre 2006 fünf Wochen einer geringfügigen Beschäftigung nachgegangen sei und dass die Klägerin bereits seit dem 01.01.2007 an ihrem alten Arbeitsort für die Firma P tätig sei. Damit standen beide Umstände unstreitig fest. Die zu erteilende Auskunft war mit dem Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 01.06.2007 vollständig erteilt. Auch die Beklagtenseite trägt nicht vor, dass über die im Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 01.06.2007 mitgeteilten Umstände hinaus noch weitere Zwischenverdienste vorlägen. Anhaltspunkte dafür, dass die mit Schreiben vom 01.06.2007 erteilte Auskunft unrichtig oder unvollständig sein könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen nicht erteilter oder unvollständiger oder unrichtiger Auskunft kann sich die Beklagte folglich nicht berufen.

3. Anrechenbarer Zwischenverdienst im Sinne des § 615 Satz 2 BGB liegt nicht vor. Vorliegend hat die Klägerin bei der Beklagten nur eine Teilzeitbeschäftigung ausgeübt. Sie wäre nicht gehindert gewesen, auch im laufenden Arbeitsverhältnis ein weiteres Teilzeitarbeitsverhältnis einzugehen, soweit dies nicht zeitlich mit dem bei der Beklagten eingegangenen Arbeitsverhältnis kollidiert hätte. Deshalb ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer sich im Annahmeverzugszeitraum nicht jeden anderweitig erzielten Verdienst anrechnen lassen muss, sondern nur einen solchen, der kausal durch das Freiwerden der Arbeitskraft ermöglicht worden ist. Solche Anhaltspunkte für die Kausalität können sich sowohl aus objektiven als auch aus subjektiven Umständen ergeben (siehe BAG Urteil vom 06.09.1990 - 2 AZR 165/90 -, NJW 1991, Seite 1002).

Eine solche Kausalität ist weder für die 5-wöchige Tätigkeit im Jahre 2006, noch für die Tätigkeit ab dem 01.01. bis zum 28.02.2007 ersichtlich. Hinsichtlich der vorübergehenden 5-wöchigen Tätigkeit in 2006 sind keine Umstände ersichtlich, die eine solche zusätzliche Tätigkeit neben einer weiteren Arbeit für die Beklagten ausgeschlossen hätte. Insbesondere hätte eine solche nur wenige Wochen umfassende geringfügige Tätigkeit auch während eines Urlaubs der Klägerin ausgeübt werden können.

Auch hinsichtlich der Tätigkeit für die Firma P am alten Arbeitsort ab dem 01.01.2007 kann eine solche Kausalität nicht festgestellt werden. Denn die Beklagte hatte im Kündigungsschutzprozess vorgetragen, dass der Beschäftigungsbedarf für die Klägerin am alten Arbeitsort infolge einer Auftragsreduzierung durch die Firma M ohnehin entfallen war, so dass eine Weiterbeschäftigung an jener Stelle für die Beklagte ohnehin nicht in Betracht gekommen wäre, so dass auch keine Kollision festgestellt werden kann. Dies wird durch das Arbeitsangebot der Beklagten vom 17.03.2006 unterstrichen, mit dem die Beklagte die Klägerin aufgefordert haben will, ab dem 20.03.2006 um 9:00 Uhr bei der K in K -D zur Arbeit zu erscheinen (Schreiben der Beklagten vom 17.03.2006, Bl. 159 d. A.). Damit ist aber festzuhalten, dass sich die Beschäftigung bei der K für die Beklagte und die Beschäftigung für die Firma P bei der M ohnehin nicht ausgeschlossen hätten. Dies gilt auch in zeitlicher Hinsicht. Denn die Klägerin hat, wie sie auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 10.12.2007 bekundet hat, für die Firma P bei der M in der Zeit von morgens 5:00 Uhr bis 8:00 Uhr gearbeitet, während die Tätigkeit, die die Beklagte der Klägerin bei der K zuweisen wollte, erst um 9:00 Uhr beginnen sollte. Eine zeitliche Kollision liegt damit nicht vor.

Bereits mit Beschluss der Kammer vom 24.09.2007 (Bl. 118 ff. d. A.), mit dem der Antrag der Beklagtenseite auf Einstellung der Zwangsvollstreckung zurückgewiesen wurde, ist die Beklagtenseite auf die einschlägige Rechtsprechung hingewiesen worden, wonach nur solcher Zwischenverdienst anzurechnen ist, der kausal durch das Freiwerden der Arbeitskraft infolge der Kündigung ermöglicht worden ist. Da es an dieser Kausalität nach den vorgetragenen Umständen mangelt, kommt eine Anrechnung nicht in Betracht.

4. Die Beklagte kann sich schließlich nicht darauf berufen, die Klägerin müsse es sich anrechnen lassen, nicht auf das Beschäftigungsangebot der Beklagten vom 17.03.2006 eingegangen zu sein. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob vorliegend dieses Angebot die Voraussetzungen einer zumutbaren Prozessbeschäftigung erfüllt (siehe dazu BAG Urteil vom 13.07.2005 - 5 AZR 578/04 -, NZA 05, Seite 1348).

Denn die Beklagte hat trotz des Bestreitens der Klägerin, dieses Schreiben erhalten zu haben, keinen Beweis dafür anzutreten vermocht, dass der Klägerin dieses Angebot zugegangen ist. Im Gegenteil hat die Klägerseite durch das Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 28.03.2006 (Bl. 155 f. d. A.) die Arbeitskraft der Klägerin ausdrücklich angeboten und angefragt, wann die Mandantin zur Arbeit erscheinen solle. Auf dieses Angebot hat die Beklagtenseite unstreitig nicht reagiert, obwohl dies nahe gelegen hätte, angesichts des wenige Tage vorher verfassten Schreibens vom 17.03.2006. Angesichts dieser Umstände kann das Vorliegen des Angebots einer Prozessbeschäftigung durch die Beklagte nicht festgestellt werden. Eine Anrechnung gemäß § 615 Satz 2 BGB kommt schon aus diesem Grunde nicht in Betracht.

3. Insgesamt hatte die Berufung der Beklagten aus den dargestellten Gründen keinen Erfolg und musste mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen werden.

Da die Rechtssache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung hatte, sondern auf der Anwendung höchstrichterlich geklärter Rechtsgrundsätze auf den Einzelfall beruhte, kam die Zulassung der Revision nicht in Betracht.

Ende der Entscheidung

Zurück