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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 18.09.2006
Aktenzeichen: 14 Sa 295/06
Rechtsgebiete: TzBfG


Vorschriften:

TzBfG § 15 Abs. 5
1. Als eine unbefristete Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages wegen Weiterarbeit über das vereinbarte Befristungsende hinaus, kann sich der Arbeitnehmer gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG nur berufen, wenn der Arbeitgeber nicht unverzüglich widersprochen hat.

2. Ein solcher Widerspruch kann konkludent auch darin liegen, dass der Arbeitgeber vor Befristungsende schriftlich auf das Auslaufen des befristeten Arbeitsvertrages hinweist und zugleich das Angebot eines weiteren befristeten Arbeitsvertrages macht.


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 19.01.2006 - 8 Ca 3072/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit der Befristung der mit dem Kläger geschlossenen Arbeitsverträge.

Der 1974 geborene Kläger war bei der Beklagten zunächst aufgrund eines Aushilfsarbeitsvertrages vom 28.05.2002 in der Zeit vom 01.06. bis 31.08.2002 beschäftigt.

Mit Schreiben vom 30.08.2002 (Bl. 174 d. A.) wies die Beklagte darauf hin, dass der mit dem Kläger abgeschlossene Aushilfsarbeitsvertrag vereinbarungsgemäß am 31.08.2002 ende und dass der Kläger für die Zeit vom 01.09.2002 bis zum 30.09.2003 einen befristeten Arbeitsvertrag erhalte, den er zum Zeichen seines Einverständnisses spätestens zum 06.09.2002 unterschrieben zurückreichen sollte.

Dieser Arbeitsvertrag sah vor (Bl. 4 ff. d. A.), dass der Kläger in dieser Zeit als Lagerverwalter in der Sendezentrale beschäftigt wurde. Als Sachgrund der Befristung ist die Vertretung einer Mitarbeiterin angegeben.

Hintergrund dieses Vertrages war, dass die Mitarbeiterin Frau E h für die Zeit bis zum 30.09.2003 Elternzeit beantragt hatte. Frau E sollte in dieser Zeit von Herrn M vertreten werden, dieser von Frau C . Aufgabe des Klägers war es, in dieser Zeit Frau C , die bisher als Lagerverwalterin gearbeitet hatte, zu vertreten. Mit Schreiben vom 29.04.2003 beantragte Frau E die Verlängerung ihrer Elternzeit bis zum 25.03.2005 (Bl. 42 d. A.).

Daraufhin schlossen die Parteien am 15.08.2003 (Bl. 8 ff. d. A.) einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag, in dem vorgesehen war, dass der Kläger für die Zeit vom 01.10.2003 bis zum Ende des Erziehungsurlaubs der Frau E am 25.03.2005 befristet weiterhin als Lagerverwalter beschäftigt werden sollte. Als Befristungsgrund war angegeben die Vertretung einer Mitarbeiterin, die vorübergehend andere Aufgaben wahrnehme (§ 17 des Arbeitsvertrages, Bl. 11 d. A.).

Nach Ende der Elternzeit am 25.03.2005 kehrte Frau E nicht auf ihren alten Arbeitsplatz zurück, sondern wurde für die Beklagte an anderer Stelle in Teilzeit tätig.

Die Beklagte setzte nach diesem Zeitpunkt den Mitarbeiter Herrn A als Lagerverwalter in der Sendezentrale ein, der befristet berufsunfähig war und nach seiner Berufsunfähigkeit bei der Beklagten beschäftigt werden musste.

Mit der am 30.05.2005 bei Gericht eingegangenen Klage machte der Kläger die Rechtswidrigkeit der Befristungen geltend und verlangte die unbefristete Weiterbeschäftigung als Lagerverwalter.

Durch Urteil vom 19.01.2006 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen (Bl. 63 ff. d. A.).

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein Anliegen weiter verfolgt.

Der Kläger trägt vor, er habe nach Ende des Aushilfsarbeitsverhältnisses am 31.08.2002 weitergearbeitet und erst am 06.09.2002 den weiteren befristeten Arbeitsvertrag unterzeichnet. Daher sei ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Es liege eine formnichtige Befristungsabrede vor, die nicht geheilt werden könne.

Der dritte befristete Vertrag für die Zeit ab 01.10.2003 sei nur ein unselbständiger Annex gewesen, da er auf demselben Umstand, nämlich der Elternzeit von Frau E , beruht habe.

Zudem habe das Arbeitsgericht die Darlegungs- und Beweislast verkannt, denn dem Kläger komme dem Beweis des ersten Anscheins zugute dafür, dass ein sachlicher Grund nicht vorliege. Denn die Prognose des Arbeitgebers über die Rückkehr der Frau E auf ihren alten Arbeitsplatz und damit den Entfall der Vertretungsnotwendigkeit habe sich nicht bestätigt. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an den Befristungsgrund höher seien, je länger die Befristung dauere.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils Arbeitsgericht Köln vom 19.01.2006 - 8 Ca 3072/05 - festzustellen, dass zwischen den Parteien über den 25.03.2005 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

Die Beklagtenseite beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die vereinbarten Befristungen für rechtswirksam.

Unrichtig sei die Darstellung des Klägers, er habe nach Ablauf des ersten Aushilfsarbeitsvertrages, also nach dem 31.08.2002, zunächst ohne vertragliche Vereinbarung weitergearbeitet. Tatsächlich sei der zweite befristete Vertrag, wie sich aus der Vertragsurkunde selbst ergebe, von beiden Vertragsparteien am 30.08.2002 unterschrieben worden. Im Übrigen könne sich der Kläger auf eine eventuelle Formnichtigkeit des zweiten befristeten Arbeitsvertrages schon deshalb nicht berufen, weil er diesen nicht fristgerecht innerhalb der Klagefrist angegriffen habe. Der dritte befristete Vertrag für die Zeit vom 01.10.2003 bis zum 25.03.2005 sei im Übrigen kein Annex zu dem vorangegangenen Vertrag. Denn erst durch den nachträglich mitgeteilten Verlängerungswunsch der Frau E in Bezug auf ihre Elternzeit sei eine neue Vertretungsnotwendigkeit entstanden. Bei Abschluss des dritten befristeten Arbeitsvertrages habe es keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass Frau E nach der Elternzeit nicht auf ihren Arbeitsplatz zurückkehren werde.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft nach § 64 ArbGG. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II. In der Sache hatte die Berufung keinen Erfolg. Zutreffende hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass keine Gründe bestehen, die zur Rechtsunwirksamkeit der Befristungen führen würden.

Unter Bezugnahme auf die zutreffenden erstinstanzlichen Urteilsgründe ist zur Unterstreichung und im Hinblick auf den Vortrag des Klägers in der Berufungsinstanz folgendes bedeutsam:

1. Aus der Weiterarbeit über den 31.08.2002 hinaus kann der Kläger nicht den Bestand eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses ableiten.

Der Kläger stützt sich insoweit auf § 15 Abs. 5 TzBfG, wonach ein Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Zeit, für das es eingegangen ist, als auf unbestimmte Zeit verlängert gilt, wenn die Fortsetzung mit Wissen des Arbeitgebers geschieht und der Arbeitgeber nicht unverzüglich widerspricht.

Dabei kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob zum Tätigkeitsbeginn des zweiten befristeten Arbeitsvertrages am 01.09.2002 der zu Grunde liegende Vertrag von beiden Vertragsparteien bereits unterschrieben war, wie die Beklagtenseite behauptet, oder ob der Kläger seine Unterschrift erst am 06.09.2002 geleistet hat. Denn unabhängig hiervon war durch das Schreiben der Beklagtenseite vom 30.08.2002 (Bl. 174 d. A.) ausreichend klargestellt, dass die Arbeitgeberseite in ausreichender Weise dem Zustandekommen eines unbefristeten Vertrages widersprochen hat.

Denn ein Widerspruch im Sinne des § 15 Abs. 5 TzBfG ist auch konkludent möglich, insbesondere dadurch, dass rechtzeitig vor Beginn der Beschäftigung das Angebot eines neuen befristeten Vertrages gemacht wird (siehe Ascheid/Preis/Schmidt Großkommentar zum Kündigungsrecht 2.Auflage, § 15 TzBfG Rz. 71; Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht, 2. Auflage, 2006 § 15 TzBfG Rz. 23).

Das Schreiben vom 30.08.2002 enthielt ein solches Angebot und wies zudem darauf hin, dass der Aushilfsarbeitsvertrag am 31.08.2002 sein Ende finde.

Damit war in ausreichender Weise und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die Arbeitgeberseite jedenfalls dem Zustandekommen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses widersprechen wollte.

2. Aufgrund dessen ist zwischen den Parteien ab dem 01.09.2002 bis zum 30.09.2003 ein befristetes Arbeitsverhältnis zustande gekommen.

Mit Recht hat im Übrigen das Arbeitsgericht bereits darauf hingewiesen, dass jedenfalls alle etwaigen Mängel dadurch geheilt sind, dass der Kläger keine Klage innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist nach dem Befristungsablauf 30.09.2003 entsprechend § 17 TzBfG erhoben hat.

Denn Rechtsmängel der Befristung können nur gerügt werden, wenn rechtzeitig Klage erhoben worden ist (siehe BAG, Urteil vom 09.02.2000 - 7 AZR 730/98 - , NZA 2000, S. 721 f. ).

3. Für den dritten befristeten Arbeitsvertrag vom 01.10.2003 bis zum 25.03.2005 liegt, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, ein ausreichender Befristungsgrund vor. Dies gilt selbst dann, wenn man den dritten Vertrag als Annex zum zweiten befristeten Arbeitsvertrag ansieht. Die Formvorgabe des § 14 Abs. 4 TzBfG ist eingehalten.

Ein ausreichender Befristungsgrund liegt gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG vor. Denn der Kläger ist zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt worden.

Ausgangspunkt sowohl für den zweiten als auch für den dritten befristeten Arbeitsvertrag war, dass die Arbeitnehmerin Frau E in Elternzeit ging und diese später verlängerte. Dies hat unstreitig zu einer mittelbaren Vertretungskette geführt, in deren Folge Herr M Frau E vertreten hat, Frau C Herrn M vertreten hat und schließlich der Kläger Frau C vertrat.

Eine solche mittelbare Vertretung erfüllt die Anforderungen des § 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG (siehe Ascheid/Preis/Schmidt, Großkommentar zum Kündigungsrecht 2. Auflage § 14 TzBfG Rz. 335).

Zur Zeit des Vertragsschlusses des letzten und hier maßgebenden befristeten Vertrages, wie auch zur Zeit des vorangehenden zweiten befristeten Vertrages lag ein wirksamer Befristungsgrund im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG vor.

Denn Frau E hat zunächst Elternzeit bis zum 30.09.2003 beantragt und später eine Verlängerung bis zum 25.03.2005.

Entscheidend für die rechtliche Beurteilung ist, ob der Arbeitgeber zur Zeit des Vertragsschlusses die Prognose stellen konnte, dass bis zum jeweiligen Befristungsendpunkt ein Vertretungsbedarf bestehen würde.

Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen. Denn unstreitig gab es bei Vertragsabschluss keine besonderen Anhaltspunkte dafür, dass Frau E nach Ende der Elternzeit nicht auf ihren Arbeitsplatz zurückkehren würde. Ein Arbeitgeber muss grundsätzlich davon ausgehen, dass ein Arbeitnehmer, der Elternzeit beantragt, nach Ende der Elternzeit auf seinen Arbeitsplatz zurückkehren und damit ein ihm zustehendes Recht wahrnehmen will.

Anderes könnte nur gelten, wenn aufgrund besonderer Umstände schon bei Beantragung der Elternzeit ganz überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Arbeitnehmer nicht zurückkehren will. Solche Umstände sind im vorliegenden Fall weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die vom Arbeitgeber zutreffend gestellte Prognose wird nicht dadurch nachträglich widerlegt, dass der Arbeitnehmer tatsächlich nicht wieder auf seinen alten Arbeitsplatz zurückkehrt. Denn dies liegt zunächst einmal in der Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers, der seinen in der Inanspruchnahme von Elternzeit liegenden Entschluss, nach Ende der Elternzeit auf den alten Arbeitsplatz zurückkehren zu wollen, jederzeit revidieren kann.

Es ist daher festzustellen, dass der sachliche Grund im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG bei Vertragsabschluss nach dem unstreitigen Sachverhalt vorhanden war, sodass es auf weitergehende Überlegungen zur Darlegungs- und Beweislast nicht mehr ankommt.

Im Übrigen wäre die Beklagte, selbst wenn sich später herausgestellt hätte, dass der Vertretungsbedarf über die Elternzeit von Frau E hinaus fortbestehen sollte, frei in ihrer Entscheidung darüber gewesen, ob und in welcher Weise sie diesen Vertretungsbedarf zukünftig deckt.

III. Aus den dargestellten Gründen konnte die Klage des Klägers keinen Erfolg haben. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Der Berufung des Klägers musste daher der Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision konnte nicht zugelassen werden, insbesondere hatte die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung.

Ende der Entscheidung

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