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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 27.11.2006
Aktenzeichen: 14 Sa 396/06
Rechtsgebiete: SGB IX


Vorschriften:

SGB IX § 91
SGB IX § 90 Abs. 2 a
1. Der Schwerbehindertenkündigungsschutz greift jedenfalls dann ein, wenn der Arbeitnehmer mehr als drei Wochen vor einer Kündigung die Feststellung der Schwerbehinderung beantragt hat.

2. Verzögerungen bei der Weiterleitung und Bearbeitung eines gestellten Antrages können dem Arbeitnehmer nicht als unterlassene Mitwirkung gemäß § 90 Abs. 2 a SGB IX zugerechnet werden.


Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 20.01.2006 - 5 Ca 763/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch um den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und darauf beruhende Annahmeverzugslohnansprüche.

Der am 29.11.1944 geborene Kläger war seit dem 18.07.1995 als Kellner bei der Beklagten zu einer Monatsvergütung von 1.521,75 € beschäftigt.

Am 13.11.2004 erlitt der Kläger während der Arbeit eine epileptischen Anfall, der notärztlich behandelt werden musste.

Mit Schreiben vom 16.12.2004 (Bl. 50 d. A.) forderte die Beklagte den Kläger auf, die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden, da es fraglich sei, ob der Kläger seinen Beruf als Kellner weiter ausüben könne, da laut allgemeiner ärztlicher Auskunft derartige Krampfattacken mit Epilepsie immer wieder erneut vorkommen könnten.

Mit Kündigungsschreiben vom 10.01.2005 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 28.02.2005 aus krankheitsbedingten Gründen (Bl. 4 d. A.).

Hiergegen wandte sich der Kläger mit Klageschrift vom 18.01.2005, bei Gericht eingegangen am 21.01.2005, in der er darauf hinweisen ließ, dass er einen Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter gestellt habe.

Am 17.01.2005 begab sich der Kläger in Begleitung seines Lebensgefährten, Herrn C , zur Arbeitsstelle. Trotz Aufforderung durch den Geschäftsführer der Beklagten weigerte sich Herr C , den Betrieb der Beklagten zu verlassen. Im weiteren Verlauf kam es zu tätlichen Angriffen des Herrn C gegen den Geschäftsführer der Beklagten und gegen eine weitere Mitarbeiterin der Beklagten. Der Kläger bestärkte Herrn C darin, trotz des Hausverbots zu bleiben und sagte: "Der bleibt hier.". Erst nachdem die herbeigerufene Polizei eintraf, verließ Herr C letztlich den Betrieb.

Wegen dieses Vorfalls kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos durch Kündigungsschreiben vom 20.01.2005.

Mit Bescheid vom 14.02.2005 (Bl. 25 f. d. A.) stellte das Versorgungsamt die Schwerbehinderung des Kläger mit einem Grad der Behinderung von 50 % fest. Der Bewilligungsbescheid lautet:

"Ihre Schwerbehindertenrechtsangelegenheit

Ihr Antrag vom 27.12.2004

BESCHEID

Sehr geehrter Herr R ,

auf Ihren Antrag stelle ich ab 27.12.2004 fest:

Ihr Grad der Behinderung (GdB) beträgt

50 (fünfzig).

In der Begründung des Bescheides hieß es zum Ausweisinhalt (siehe Bl. 26 d.A.):

"Ausweisinhalt

Der Ausweis erhält folgende Eintragungen :

- den festgestellten Grad der Behinderung von 50

- den Gültigkeitsbeginn 27.12.2004 (Das ist der Eingang des Antrages, der zur Schwerbehinderteneigenschaft geführt hat)"

Mit Schreiben vom 14.02.2005 (Bl. 68 d. A.) teilte die Mitarbeiterin des Versorgungsamtes, Frau T , dem Kläger mit, dass sein Antrag am 27.12.2004 eingegangen sei.

Im Gütetermin am 22.02.2005 legte der Kläger seinen Schwerbehindertenausweis vor. Daraufhin beantragt die Beklagtenseite mit Antrag vom 22.02.2005 (Bl. 43 d. A.) erneut die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung wegen des Vorfalls vom 17.01.2005, nachdem ein früherer Antrag mit Bescheid vom 14.02.2005 ( Bl. 41 f. d. A.) abgelehnt worden war, weil der Kläger nicht als schwerbehinderter Mensch anerkannt sei.

Nachdem das Integrationsamt durch Bescheid vom 07.03.2005 (Bl. 51 f. d. A.) einer weiteren geplanten außerordentlichen Kündigung wegen des Vorfalls vom 17.01.2005 zustimmte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut außerordentlich durch Kündigungsschreiben vom 08.03.2005 (Bl. 29 d. A.).

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 20.01.2006 (Bl. 124 ff. d. A.) die letztgenannte Kündigung vom 08.03.2005 für rechtmäßig gehalten, nicht aber die vorangegangene fristlose Kündigung vom 20.01.2005, weil der Kläger sich insoweit auf den Schwerbehindertenschutz berufen könne, weil diesbezüglich von der bindenden Bescheidwirkung des Schwerbehindertenbescheides auszugehen sei, in dem als Datum der Antragstellung der 27.12.2004 festgelegt sei. Die fristgerechte Kündigung vom 10.01.2005 sei rechtsunwirksam, weil ein personenbedingter Kündigungsgrund nicht vorliege. Aus diesen Gründen habe der Kläger auch Annahmeverzugslohnansprüche für die Zeit bis zum Ausspruch der rechtswirksamen Kündigung vom 08.03.2005.

Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Die Berufung des Klägers stützte sich darauf, dass auch die Kündigung vom 08.03.2005 rechtsunwirksam sei.

Demgegenüber verfolgte die Berufung der Beklagtenseite das Ziel, die Klage auch hinsichtlich der vorangegangenen Kündigungen und der darauf beruhende Annahmeverzugslohnansprüche abzuweisen.

Für sein Begehren beantragte der Kläger im Berufungsrechtszug Prozesskostenhilfe. Das erkennende Gericht hat durch Beschluss vom 31.07.2006 das diesbezügliche Prozesskostenhilfebegehren des Klägers zurückgewiesen, da hinsichtlich der Rechtswirksamkeit der Kündigung vom 08.03.2005 für den Kläger keine hinreichende Erfolgsaussicht bestand.

Der Kläger hat daraufhin seine Berufung zurückgenommen.

Die Beklagtenseite trägt zur Begründung ihrer Berufung vor, der Kläger könne sich auf den Schwerbehindertenschutz nicht berufen. Der Kläger habe vor Ausspruch der Kündigung keinen Antrag gestellt. Die Beklagte beruft sich insoweit auf die Bescheinigung des Versorgungsamtes vom 16.01.2006 (Bl. 118 d. A.). Ein Antrag sei erst am 11.02.2005, wenn nicht überhaupt erst am 14.02.2005 eingegangen. In der Kammerverhandlung vom 04.09.2006 hat die Beklagtenseite aufgeführt, dass bis zum 14.02.2005 kein Antrag auf Schwerbehinderung beim Versorgungsamt Köln eingegangen sei und bis jetzt kein Antrag von dem Bezirksamt P weitergeleitet und eingegangen sei. Die Schwerbehinderung des Klägers sei auch nicht offensichtlich gewesen. Dagegen spreche im Übrigen auch, dass der Kläger selbst vom 29.12.2004 (Bl. 214 d. A.) sich darauf berufen habe, dass er für den bisher ausgeübten Beruf nach Genesung voll belastbar sei.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 20.01.2006 - 5 Ca 763/05 - die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Kläger macht geltend, der Schwerbehindertenschutz greife hier schon deshalb, weil die Schwerbehinderung offenkundig gewesen sei. Der Beklagen sei bewusst gewesen, dass es sich bei den Anfällen um solche aufgrund Epilepsie gehandelt habe, und habe diesbezüglich sogar Erkundigungen bei einem Arzt eingeholt. Bezeichnend sei insoweit auch, das Kündigungsschreiben der Beklagten vom 10.01.2005, in dem die Kündigung damit begründet worden sei, dass es sich dabei nicht um einen einmaligen Vorfall gehandelt habe.

Zudem macht der Kläger geltend, rechtzeitig einen Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter gestellt zu haben.

Hierzu könne sich der Kläger auch auf die Feststellungen in dem Anerkennungsbescheid berufen, wonach die Schwerbehinderung ab dem 27.12.2004 festgestellt worden sei.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Das Gericht hat ausgehend vom Beweisantrag der Beklagten Beweis erhoben über die Frage des Antragseingangs durch Vernehmung der Zeugen Frau T und Herr L . Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Kammerverhandlung vom 27.11.2006 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis erst durch die fristlose Kündigung vom 08.03.2005 aufgelöst worden ist und dem Kläger bis zu diesem Zeitpunkt Annahmeverzugslohnansprüche zustehen.

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft gemäß § 64 ArbGG. Sie ist auch fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II. In der Sache hatte die Berufung keinen Erfolg. Zu Recht ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass die Kündigungen vom 10.01.2005 und vom 20.01.2005 rechtsunwirksam waren und das Arbeitsverhältnis erst durch die Kündigung vom 08.03.2005 aufgelöst worden ist, so dass dem Kläger bis zu diesem Zeitpunkt auch die Vergütung zustand.

1. Nicht mehr streitig ist zwischen den Parteien, dass das Arbeitsverhältnis jedenfalls durch die außerordentliche Kündigung vom 08.03.2005 beendet worden ist. Zwar hat sich der Kläger ursprünglich auch im Berufungsverfahren gegen diesen insoweit abweisenden Teil des erstinstanzlichen Urteils gewandt. Er hat jedoch, nachdem das erkennende Gericht den diesbezüglichen Prozesskostenhilfeantrag mangels Erfolgsaussicht zurückzugewiesen hat, seine Berufung rechtswirksam zurückgenommen, so dass insoweit Rechtskraft eingetreten ist.

2. Das Arbeitsverhältnis ist nicht durch die vorherige Kündigung vom 10.01.2005 zum 28.02.2005 beendet worden. Zutreffend hat hierzu bereits das Arbeitsgericht in seinem Urteil ausgeführt, dass die Kündigung bereits gegen § 1 Abs. 2 KSchG verstößt, weil sie sozial nicht gerechtfertigt ist. Eine krankheitsbedingte Kündigung käme nur in Betracht, wenn aufgrund bisheriger krankheitsbedingter Ausfallzeiten eine negative Prognose hinsichtlich der weiteren Arbeitsfähigkeit gestellt werden könne (siehe BAG, Urteil vom 29.04.1999 - 2 AZR 431/98 -, NZA 1999, Seite 978; BAG Urteil vom 12.04.2002 - 2 AZR 148/01 -, NZA 2002, Seite 1.081).

Hierfür ist nichts dargetan. Die Tatsache der Schwerbehinderung allein rechtfertigt eine solche negative Prognose schon deshalb nicht, weil eine Arbeitsleitung trotz Schwerbehinderung möglich ist. Die Beklagte hat die diesbezüglichen Urteilsgründe in der Berufungsinstanz nicht angegriffen, andererseits auf die vom Kläger überreichte ärztliche Bescheinigung von D . D . B vom 29.12.2004 Bezug genommen, in dem dem Kläger bescheinigt wurde, weiterhin für seinen bisherigen Beruf voll belastbar zu sein.

Angesichts dessen verstößt die ordentliche Kündigung vom 10.01.2005 gegen § 1 Abs. 2 KSchG, so dass das Arbeitsgericht zutreffend die Rechtsunwirksamkeit dieser Kündigung festgestellt hat.

3. Die fristlose Kündigung vom 20.01.2005 ist ebenfalls rechtsunwirksam und hat nicht zu einer früheren Auflösung des Arbeitsverhältnisses geführt.

Die Kündigung ist bereits deshalb rechtsunwirksam, weil sich der Kläger auf den Schwerbehindertenkündigungsschutz der §§ 91, 85 SGB IX berufen kann. Der Kläger war im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung schwerbehindert wie der Bescheid des Versorgungsamtes ausweist.

a. Auf die Ausnahmevorschrift des §§ 90 Abs. 2 a SGB IX kann sich die Beklagtenseite nicht berufen. Nach dieser Bestimmung entfällt der Sonderkündigungsschutz dann, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht nachgewiesen ist und das Versorgungsamt nach Ablauf der Frist des § 69 Abs. 1 Satz 2 eine Feststellung wegen fehlender Mitwirkung nicht treffen konnte.

Diese gesetzliche Bestimmung ist so zu verstehen, dass der Kündigungsschutz unangetastet bleiben soll, wenn ohne Verschulden des Antragstellers noch keine Schwerbehindertenfeststellung bis zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung getroffen werden konnten (siehe Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 7. Auflage, § 90 SGB IX, Randziffer 5).

b. Zwar ist im einzelnen streitig, welche Veränderungen die seit dem 1.5.2004 geltende Neuregelung herbeigeführt hat. Nach der früheren Rechtslage war es für den Schwerbehindertenkündigungsschutz ausreichend, wenn ein entsprechender Antrag vor dem Zugang der Kündigung gestellt worden war,

s. BAG Urteil vom 20.1.2005 - 2 AZR 675/03, NZA 2005, 2796.

Darüber hinaus konnte der Schwerbehindertenkündigungsschutz auch ohne Antragstellung dann bestehen, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber über die körperlichen Beeinträchtigungen und die beabsichtigte Antragstellung in Kenntnis gesetzt hatte,

siehe BAG Urteil vom 7.3.2002 - AZR 612/00, NZA 2002, 1145.

Die Neuregelung hat die Frage aufgeworfen, ob der Schwerbehindertenkündigungsschutz nur noch dann eingreift, wenn das Anerkennungsverfahren innerhalb einer Mindestfrist von drei Wochen bzw. bei der Notwendigkeit fachärztlicher Begutachtung sieben Wochen vor Zugang der Kündigung eingeleitet worden ist, siehe Griebeling, NZA 2005, 494ff u. Bitzer NZA 2006, 1082.

Einigkeit besteht aber darüber, dass jedenfalls dann, wenn das - erfolgreiche - Antragsverfahren mindestens drei Wochen vor Zugang der Kündigung eingeleitet wurde und keine Notwendigkeit fachärztlicher Begutachtung besteht, der Sonderkündigungsschutz für Schwerbehinderte eingreift, siehe LAG Rheinland-Pfalz 12.10.2005 - 10 Sa 502/05, NZA-RR 2006, 186, LAG Düsseldorf 29.3.2006 - 17 Sa 1321/05 - Betriebsberater 2006, 2140 Henssler/Willemsen/Kalb Arbeitsrecht Kommentar 2.Aufl. 2006 § 85 SGB IX Rz. 12 ff Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht 7. Aufl. § 90 SGB IX Rz 5.

c. Deshalb kann der Sonderkündigungsschutz nur dann ausgeschlossen sein, wenn zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs die Schwerbehinderung weder nachgewiesen noch rechtzeitig das Anerkennungsverfahren eingeleitet worden ist. Soweit - wie im vorliegenden Fall - eine fachärztliche Begutachtung für die Entscheidung über den Anerkennungsantrag nicht erforderlich ist, kann als Frist nur die Dreiwochenfrist des § 14 Absatz 2 SGB IX zugrunde gelegt werden. Nur bei nicht rechtzeitiger Einleitung des Antragsverfahrens könnte von einer unterlassenen Mitwirkung des Arbeitnehmers gesprochen werden.

4. Im vorliegenden Fall ist von der Richtigkeit des Schwerbehindertenbescheides vom 14.02.2005 (Bl. 25 f. d. A.) auszugehen. Dieser Bescheid stellt mit bindender Wirkung die Einleitung des Anerkennungsverfahrens für den 27.12.2004 fest, so dass ausgehend hiervon ein zeitlicher Abstand von mehr als drei Wochen zum Zugang der streitgegenständlichen Kündigung besteht.

a. In dem Bescheid ist angegeben "Ihr Antrag vom 27.12.2004". In der Bescheidfeststellung selbst heißt es:

"Sehr geehrter Herr R ,

auf Ihren Antrag stelle ich ab 27.12.2004 fest:".

Ferner ist in den Gründen hinsichtlich des Ausweisinhalts (Bl. 26 d. A.) wörtlich ausgeführt:

"Ausweisinhalt

Der Ausweis erhält folgende Eintragungen:

- den festgestellten Grad der Behinderung von 50

- den Gültigkeitsbeginn 27.12.2004 (Das ist der Eingang des Antrages, der zur Schwerbehinderteneigenschaft geführt hat).

Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei dem Bescheid vom 14.02.2005 um einen Verwaltungsakt, der auch hinsichtlich des Antragsdatums bindende Feststellungen enthält.

b. Diese Feststellung bezüglich des Antragseingangs am 27.12.2004 ist durch die Beweisaufnahme, die aufgrund der beklagtenseits gestellten Beweisanträge durchgeführt wurde, nicht widerlegt worden, sondern im Gegenteil in ihrer Plausibilität belegt worden.

Dabei geht die Kammer von den glaubhaften Bekundungen der Zeugen Frau T und Herr L aus.

aa. Die Vernehmung der Zeugen hat zunächst bestätigt, dass es durchaus nicht ungewöhnlich ist, dass Anträge auf Schwerbehindertenanerkennung über ein Bezirksamt gestellt werden. Die Zeugin T hat hierzu ausgeführt, es sei gut möglich und komme vor, dass Bezirksämter entsprechende Antragsformulare für die Anerkennung als Schwerbehinderte vorhielten. Es komme auch vor, dass solche Anträge über die Bezirksämter eingingen. Der Zeuge L hat diese Angabe bestätigt. Er hat ausgesagt, es sei selbstverständlich möglich, dass Anträge auch über ein Bezirksamt gestellt würden. Es handele sich dabei um die Antragstellung bei unzuständigen Leistungsträgern. Selbstverständlich sei es aber so, dass dann, wenn ein Antragsteller diesen Antrag bei einem unzuständigen Leistungsträger stelle, dies so gewertet werde, als habe er diesen Antrag zu diesem Zeitpunkt beim Versorgungsamt gestellt. Es sei eindeutig geregelte Praxis, dass bei solchen Anträgen, die bei einer unzuständigen Leistungsstelle eingingen, stets dieser Eingangszeitpunkt als der Antragszeitpunkt gewertet werde.

bb. Für den konkreten Fall hat die Zeugin T ausgesagt, dass sie es für glaubhaft gehalten habe, dass der Kläger angegeben habe, am 27.12.2004 einen Antrag über das Bezirksamt K -P gestellt zu haben. Die Zeugin hat ferner gesagt, dass in dem Bescheid vom 14.02.2005 als Datum und Gültigkeitsbeginn weiterhin der 27.12.2004 angegeben sei, weil sie davon ausgegangen sei, dass die Angabe des Klägers, den Antrag am 27.12.2004 über das Bezirksamt K -P gestellt zu haben, als weiterhin richtig angesehen habe.

Dem entspricht es auch, dass die Zeugin in dem Schreiben vom 14.02.2005 (Bl. 68 d. A.), gerichtet an den Kläger ausgeführt hat, dass sein Antrag am 27.12.2004 eingegangen sei. Die Zeugin hat andererseits glaubhaft deutlich gemacht, dass sich der Eingangsstempel auf dem Antragsformular (Bl. 99 ff. d. A.), der als handschriftliches Eingangsdatum den 14.02.2005 ausweist, daraus erklärt, dass an diesem Tag der Kläger die Kopie eines Antrages persönlich überreicht hat.

cc. Widerlegt ist die Annahme, dass der Kläger erstmals anlässlich persönlicher Vorsprache am 14.02.2005 einen Antrag gestellt hätte. Denn anhand der vom Zeugen L überreichten Antragskopie mit Eingangsstempel 11.02.2005 ist deutlich geworden, dass unabhängig von der Vorsprache des Klägers jedenfalls ein weiterer Antrag vor dem 14.02.2005 beim Versorgungsamt eingegangen ist. Dies hat auch die Zeugin T bestätigt, die ausgeführt hat, dass eine Antragskopie später postalisch eingegangen ist.

Dabei hat der Zeuge L auch den Widerspruch aufklären können, der vermeintlich dadurch bestand, dass sich aus der Bescheinigung des Herrn S vom Versorgungsamt ergab, dass am 11.02.2005 noch kein Antrag eingegangen sei. Denn der Zeuge L hat hierzu nachvollziehbar ausgeführt, dass die Antragskopie, die den Eingangsstempel 11.02.2005 trägt, aufgrund des Posteingangsstempels am 11.02.2005 zwar bereits in der Poststelle des Versorgungsamtes war, aufgrund des Postlaufs aber noch nicht auf dem Schreibtisch der zuständigen Sachbearbeiter.

Nach allem steht fest, dass jedenfalls bereits vor dem 14.02.2005 ein Antrag gestellt worden war. Dies wiederum bestätigt die Angabe des Klägers, der nach Aussage der Zeugin T das Gespräch am 14.02.2005 damit begonnen hat, dass er nach dem Verbleib seines beim Bezirksamt köln-Porz gestellten Antrages fragte.

dd. Hinsichtlich der Herkunft des am 11.02.2005 beim Versorgungsamt eingegangenen Antrages konnte der Zeuge L nicht ausschließen, dass dieser Antrag vom Bezirksamt K -P eingesandt worden war. Der Zeuge L hat hierzu gesagt, es könne durchaus sein, dass der Antragseingangsstempel 11.02.2005 über das Bezirksamt K -P zum Versorgungsamt gekommen sei. Die Aussage der Zeugin Frau T liefert ebenfalls keinen Beleg dafür, dass der Antrag mit Eingangsstempel 11.02.2005 nicht vom Bezirksamt K -P gekommen sein könnte. Die Zeugin hat hierzu ausgesagt, eine Kopie des Antrages sei postalisch eingegangen. Sie können aber nicht mehr sagen von welchem Absender, weil das Couvert nicht aufbewahrt worden sei.

Letztlich kann dahinstehen, ob die Antragskopie mit Eingangsdatum 11.02.2005 über das Bezirksamt K -P eingegangen ist. Dies ist jedenfalls eine Möglichkeit, die durch die Beweisaufnahme nicht widerlegt werden konnte. Der Zusatz auf Seite 4 der Antragskopie "Antrag am 27.12.2004 vom Bezirksamt K -P weitergeleitet" wäre erklärbar, wenn man von dem Vortrag des Klägers in der Kammerverhandlung am 27.11.2006 ausgeht, wonach er diesen Zusatz persönlich auf Anraten von Frau S auf die Kopie des Antrages geschrieben hat. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass der ursprüngliche Antrag des Klägers vom Bezirksamt K -P überhaupt nicht weitergeleitet oder fehlgeleitet oder von dritter Seite unmittelbar, beispielsweise durch Frau Sch eingesandt worden ist.

ee. Eine Notwendigkeit, dem dazu nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist in der Kammerverhandlung vom 27.11.2006 gestellten Beweisantrag der Beklagtenseite auf Vernehmung von Frau Sch als Zeugin nachzugehen, bestand nicht. Denn entscheidend ist, dass das Versorgungsamt von der Richtigkeit der Darstellung des Klägers ausgegangen ist, einen Antragseingang am 27.12.2004 im Bescheid zugrunde gelegt hat und auch seither keinen Anlass gesehen hat, diese bindenden Feststellungen des Bescheides vom 14.02.2005 später abzuändern. Dies hätte gemäß §§ 48, 49 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) erfolgen müssen, wenn das Versorgungsamt nachträglich zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass die Darstellung des Klägers bezüglich Antragseingangs 27.12.2004 falsch gewesen wäre. Mit Recht hat das Versorgungsamt keine Abänderung des Bescheides vorgenommen. Die Zeugin T hat hierzu ausgeführt, dass in dem Bescheid auf Anerkennung als Datum und Gültigkeitsbeginn weiterhin der 27.12.2004 angegeben worden sei, weil sie davon ausgegangen sei, dass die Angabe des Klägers, den Antrag am 27.12.2004 über das Bezirksamt K -P gestellt zu haben, als weiterhin richtig angesehen habe. Auch der Zeuge L hat bestätigt, dass man keinen Anlass für eine Änderung des Bescheides und des dort angegebenen Gültigkeitsbeginns gesehen habe.

Festzuhalten ist damit, dass die Zeugen nach wie vor von der Richtigkeit der Version des Klägers ausgingen, zugleich aber deutlich machen wollten, dass bei ihnen im Versorgungsamt ein Antrag erst am 11. bzw. 14.02.2005 eingegangen war. Angesichts dieser Sachlage wäre es aber nicht dem Kläger anzulasten, wenn der Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter verspätet oder gar nicht weitergeleitet worden wäre. Denn nach der Ausnahmevorschrift des § 90 Abs. 2 a SGB IX entfällt der Sonderkündigungsschutz nur dann, wenn rechtzeitige Feststellungen des Versorgungsamtes wegen unterlassener Mitwirkung des Antragstellers unterblieben sind. Da ein Antrag auch bei einer unzuständigen Stelle gestellt werden kann und der dortige Antragseingang maßgebend ist, wie der Zeuge L ausgesagt hat, reichte die Antragstellung dort aus.

Die Nichtweiterleitung oder verspätete Weiterleitung können deshalb einem Antragsteller nicht als unterlassene Mitwirkung vorgehalten werden.

Dass der Kläger jedenfalls beim Bezirksamt K -P einen Antrag gestellt hatte, wird unterlegt dadurch, dass er bereits in seiner Klageschrift vom 18.01.2005 angeben ließ, er habe einen Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter gestellt. Dies wäre sinnvoll nicht erklärbar, wenn er sich erstmals am 14.02.2005 um seine Anerkennung als Schwerbehinderter bemüht hätte.

Insgesamt muss es daher bei den bindenden Feststellungen des Schwerbehindertenbescheides bleiben. Dieser weist den 27.12.2004 als Antragsdatum aus. Tatsachen, die diese bindenden Feststellungen des Anerkennungsbescheides widerlegen könnten, haben sich aus der Beweisaufnahme nicht ergeben. Vielmehr ergibt sich, dass das Versorgungsamt mit Recht davon abgesehen hat, den Bescheid diesbezüglich gemäß §§ 48, 49 Verwaltungsverfahrensgesetz zu korrigieren.

Damit ist von der Richtigkeit des Bescheides nach wie vor auszugehen.

c. Die Schwerbehinderung ist der Beklagtenseite auch rechtzeitig mitgeteilt worden. Dabei kann dahin stehen, ob sie nicht bereits offenkundig war, wofür insbesondere spricht, dass die Beklagtenseite in ihrem Antrag auf Zustimmung zur Kündigung an das Integrationsamt vom 04.02.2005 (Bl. 17 ff. d. A.) vorgetragen hatte, dass man davon ausgehe, dass diese epileptischen Anfälle auch Anlass und Grund des Antrages auf Anerkennung einer Schwerbehinderung seien, und das Versorgungsamt, wie die Zeugin Tillmann nachvollziehbar dargelegt hat, dem Anerkennungsantrag noch am Tage der Bearbeitung stattgegeben hat.

Für die Mitteilung einer Schwerbehinderung ist jedenfalls eine Frist von drei Wochen nach Zugang der Kündigung ausreichend (siehe BAG Urteil vom 12.01.2006 - 2 AZR 539/05 - DB 2006, Seite 1502).

Im vorliegenden Fall war die Tatsache, dass sich der Kläger auf den Schwerbehindertenschutz berufen wollte, jedenfalls durch die am 27.01.2005 zugestellte Kündigungsschutzklage mitgeteilt worden, so dass dies im Hinblick auf die fristlose Kündigung vom 20.01.2005 rechtzeitig war.

Die Kündigung vom 20.01.2005 ist daher nicht rechtswirksam. Das Arbeitsverhältnis ist erst durch die Kündigung vom 08.03.2005 aufgelöst worden.

5. Bis zum Beendigungszeitpunkt am 08.03.2005 kann der Kläger daher die ausstehende Vergütung nach § 615 BGB beanspruchen. Einwendungen gegen die Höhe hat die Beklagtenseite nicht geltend gemacht, so dass auch insoweit das arbeitgerichtliche Urteil nicht beanstandet werden kann.

III. Insgesamt hatte die Berufung der Beklagtenseite keinen Erfolg und musste mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen werden.

Die Revision konnte nicht zugelassen werden, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hatte und kein Fall der Divergenz vorlag.

Ende der Entscheidung

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