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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 23.10.2006
Aktenzeichen: 14 Sa 625/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 123
1. Hat ein Arbeitnehmer betriebseigene Materialien für private Zwecke bearbeitet und heimlich aus dem Betrieb entfernt, kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vor die Wahl stellen, selbst zu kündigen oder eine fristlose Kündigung zu erhalten.

2. Eine darin liegende Androhung einer fristlosen Kündigung stellt keine widerrechtliche Drohung im Sinne des § 123 BGB dar, so dass der Arbeitnehmer seine Eigenkündigung nicht aus diesem Grund anfechten kann.


Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 31.01.2006 - 1 Ca 1949/05 h - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Anfechtung einer Eigenkündigung, die der Kläger am 05.04.2005 ausgesprochen hat.

Der zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung 48 Jahre alte Kläger, der verheiratet und für ein Kind unterhaltsverpflichtet ist, war seit dem 02.08.1971 für die Beklagte tätig. Er arbeitet zuletzt in Teilzeit mit 6 Stunden pro Tag und erzielte eine monatliche Vergütung von 1.800,00 €.

Am 30.03.2005 fand ein Mitarbeiter der Beklagten bearbeitete Aluminiumbleche (15 qm 0,7 mm Alublech) in der Werkstatt der Beklagten. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger, der in der Werkstatt arbeitete und einen Schlüssel zur Werkstatt hatte, bereits gegangen. Die Bleche, die aus dem der Beklagten gehörenden Material gefertigt worden waren und für deren Bearbeitung ein Zeitraum von ca. 2 Stunden anzusetzen war, wurden fotografiert und an der Fundstelle in der Werkstatt belassen.

Der Vorgesetzte des Klägers beabsichtigte, den Kläger am nächsten Morgen auf diese Bleche anzusprechen.

Am nächsten Tag, dem 31.03.2005 waren die Bleche nicht mehr da. Als der Kläger bei Arbeitsbeginn auf die Bleche angesprochen wurde und mit den Fotos konfrontiert wurde, erklärte er, er habe die Bleche für private Zwecke angefertigt und mitgenommen. Er habe noch mitteilen wollen, dass das Privatbleche seien, die er bezahlen wolle. Dem Kläger wurde mitgeteilt, dass der Vorfall Konsequenzen haben werde und diese mit der Geschäftsleitung besprochen werden müssten. Ab dem nächsten Tag wurde der Kläger auf der Baustelle in Hürth-Knappsack eingesetzt.

Am 05.04.2005 kam es zu einem Gespräch zwischen dem Kläger und den Personalverantwortlichen der Beklagten. In diesem Gespräch teilte Herr B im Beisein des Betriebsratsmitglieds Herr R dem Kläger mit, dass die Geschäftsleitung entschieden habe, dass Arbeitsverhältnis aufgrund des Vorfalls zu beenden. Der Kläger wurde vor die Wahl gestellt, entweder selbst eine Kündigung zum 30.04.2005 auszusprechen oder eine fristlose Kündigung durch die Beklagte zu erhalten. Nachdem Herr B dem Kläger diese Varianten aufgezeigt hatte, wurde das Gespräch für etwa eine Stunde unterbrochen. In dieser Zeit hatte der Kläger Gelegenheit mit dem Betriebsratsmitglied Herrn R alleine zu sprechen. Ferner nahm er die Gelegenheit war, zwei Telefongespräche zu führen.

Als das Gespräch dann fortgesetzt wurde, schrieb und unterschrieb der Kläger eine handschriftliche Kündigungserklärung (Blatt 10 d.A.) und übergab diese der Beklagten.

Mit Schreiben vom 15.04.2005 (Blatt 39 d. A.) erklärte der Kläger die Rücknahme seiner Kündigung, weil ihm in unzulässigerweise gedroht worden sei, den Diebstahl als Kündigungsgrund im Zeugnis aufzuführen.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben über die Frage, ob dem Kläger die Aufnahme des Diebstahlvorwurfs in das Zeugnis angedroht wurde durch Vernehmung des Herrn B und des Herrn R . Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Kammerverhandlung des Arbeitsgerichts Aachen vom 31.01.2006 Bezug genommen (Blatt 80 ff. d. A.).

Durch Urteil vom 31.01.2006 hat das Arbeitsgericht die Klage auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abgewiesen, weil der Kläger für seine Behauptung, es sei unzulässigerweise gedroht worden, beweisfällig geblieben sei (Urteil Blatt 88 ff. d. A.).

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Berufung.

Der Kläger räumt ein, das Material ohne Bezahlung und vorherige Information seines Vorgesetzten mitgenommen zu haben. Es sei aber üblich gewesen, dass man Privatmaterial habe zusammenstellen und mitnehmen können. Es sei üblich gewesen, jeweils dem Vorgesetzten Bescheid zu geben und später den Wert in eine gesonderte Kasse einzuzahlen. Er habe versucht diesbezüglich seinem Vorgesetzten Herrn S zur erreichen. Dieser sei am fraglichen Tag jedoch nicht erreichbar gewesen.

Die Eigenkündigung sei unter unzulässiger Drohung und Täuschung seitens der Beklagten zustande gekommen. Denn Herr B habe dem Kläger am 05.04.2005 erklärt, er werde, wenn der Kläger nicht selber kündige, den Diebstahlsvorwurf ins Zeugnis schreiben. Die erstinstanzliche Beweisaufnahme habe dies bestätigt. Zwar hätten beide Zeugen das Gegenteil versichert, jedoch sei aus beiden Zeugenaussagen auch abzuleiten, dass dem Kläger gedroht worden sei, den Diebstahlsvorwurf in die Papiere aufzunehmen. Mit "Papieren" sei aber offensichtlich auch das Zeugnis gemeint gewesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 31.01.2006, Aktenzeichen - 1 Ca 1949/05 h - abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 05.04.2005 oder einen Aufhebungsvertrag vom 30.04.2005 nicht aufgelöst wurde.

Die Beklagte beantragt,

Die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte bestreitet nachdrücklich, den Kläger durch unzulässige Drohung zur Kündigung seines Arbeitsverhältnisses veranlasst zu haben.

Herr B habe nicht beabsichtigt, den Diebstahlsvorwurf in das Zeugnis aufzunehmen, habe dies dem Kläger auch nicht angedroht. Bei den Arbeitspapieren, die Herr B angesprochen habe, gehe es vor allem um die Arbeitsbescheinigung für die Agentur für Arbeit. Aus den Aussagen beider Zeugen ergebe sich, dass mit dem Begriff "Papiere" das Zeugnis nicht gemeint gewesen sei.

Weitere Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht und mit überzeugenden Gründen hat das Arbeitsgericht die auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses des Klägers gerichtete Klage abgewiesen.

I. Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist sie statthaft gemäß § 64 ArbGG und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II. In der Sache hatte die Berufung keinen Erfolg.

Zur Begründung kann insoweit auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen werden. Zur Unterstreichung und im Hinblick auf den Vortrag der Parteien in der Berufungsinstanz ist folgendes festzuhalten.

1. Das Arbeitsverhältnis ist durch die wirksame Kündigung des Klägers vom 05.04.2005 zum 30.04.2005 aufgelöst worden. Die Kündigung des Klägers ist formwirksam gemäß § 623 BGB, denn die erforderliche Schriftform ist eingehalten.

2. Eine wirksame Anfechtung der Kündigung des Klägers gemäß § 123 BGB wegen Täuschung oder Drohung liegt nicht vor. Dabei kann zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen werden, dass sein Schreiben vom 15.04.2005, in dem er die Rücknahme der Kündigung erklärt, als Anfechtungserklärung im Sinne des § 124 BGB zu werten ist.

Ein ausreichender Anfechtungsgrund liegt nicht vor.

a) Kein Anfechtungsgrund ergibt sich zunächst daraus, dass die Beklagte für den Fall, dass der Kläger nicht selbst kündigen würde, eine fristlose Kündigung angedroht hat. Nach der Rechtsprechung liegt nur dann eine widerrechtliche Drohung im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB vor, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung hätte ziehen dürfen. Nicht erforderlich ist, dass die angedrohte Kündigung, wenn sie ausgesprochen worden wäre, sich in einem Kündigungsschutzprozess als in jeder Hinsicht rechtsbeständig erwiesen hätte (BAG Urteil vom 12.08.1999, Aktenzeichen - 2 AZR 832/98 -, NZA 2000, Seite 27 ff.).

Im vorliegenden Fall bestand, wie bereits das Arbeitsgericht ausgeführt hat, aller Anlass, eine außerordentliche Kündigung in Erwägung zu ziehen. Denn der Kläger hatte die bearbeiteten Aluminiumbleche aus dem Betrieb der Beklagten entwendet und damit einen Diebstahl begangen. Zugleich hatte er in erheblichem Umfang zuvor Arbeitszeit darauf verwendet, privatnützige Tätigkeit zu verrichten, in dem er die Bleche bearbeitete.

Der Kläger hat keine schlüssige Darstellung dafür vorgetragen, warum er nicht, bevor er mit der Bearbeitung der Bleche begann, seinen Vorgesetzten um das Einverständnis gebeten hat. Er hat ferner keine Erklärung dafür geliefert, warum er nicht zuvor seinen Vorgesetzten informiert hat.

Soweit er sich darauf beruft, Herr S sei am 30.03.2005 nicht erreichbar gewesen, führt dies zu keiner anderen Sichtweise. Denn es erklärt nicht, weshalb der Kläger nicht schon in den Tagen zuvor Herrn S informieren konnte. Es erklärt auch nicht, warum der Kläger Herrn S zumindest nicht auf Handy angerufen und auf dessen Mailbox eine Nachricht hinterlassen hat.

Bereits dadurch, dass der Kläger eigenmächtig Material der Beklagten bearbeitete, hatte er Fakten geschaffen, ohne zuvor die Beklagte zu informieren. Infolge der Bearbeitung war das Material für betriebliche Zwecke offensichtlich nicht mehr brauchbar, da der Kläger es speziell für seine Verwendungszwecke zugeschnitten hatte. Es belastet den Kläger zudem, dass er das Material heimlich aus dem Betrieb entfernt hat. Er hat es nicht bei Arbeitsende am 30.03.2005 offen mitgenommen, sondern offenbar unter Nutzung eines Schlüssels zur Werkstatt am Abend des 30.03.2005 heimlich entfernt.

Angesichts dieser Sachlage durfte ein verständiger Arbeitgeber, worauf bereits das Arbeitsgericht zu Recht hingewiesen hat, eine fristlose Kündigung in jedem Fall in Erwägung ziehen.

b) Eine Widerrechtlichkeit der Drohung ergibt sich auch nicht aus einem Zeitdruck, unter den der Kläger bei seiner Entscheidung gesetzt worden wäre. Hier ist zunächst zu berücksichtigen, dass den Kläger das Gespräch am 05.04.2005 nicht unvorbereitet traf. Denn ihm war bereits anlässlich des Gesprächs am 31.03.2005 gesagt worden, dass sein Verhalten Konsequenzen haben werde. Zudem ist zu berücksichtigen, dass in dem Gespräch am 05.04.2005, dass letztlich zur Eigenkündigung des Klägers führte, eine einstündige Unterbrechung gewährt wurde, die der Kläger unter anderem zur Führung von Telefonaten genutzt hatte.

c) Nicht widerrechtlich ist die Drohung, im Falle einer fristlosen Kündigung, den Kündigungsvorwurf in die Arbeitsbescheinigung für die Agentur für Arbeit aufzunehmen. Denn der Arbeitgeber ist insoweit verpflichtet, gegenüber der Arbeitsverwaltung zutreffende Angaben zu machen.

d) Für die Behauptung, es sei in rechtswidriger Weise damit gedroht worden, den Diebstahlsvorwurf in das Zeugnis aufzunehmen, ist der Kläger beweisfällig geblieben. Aus den Ausführungen der erstinstanzlich vernommenen Zeugen ergibt sich dies nicht.

Der Zeuge R hat definitiv verneint, dass dem Kläger für den Fall der fristlosen Kündigung angedroht worden sei, die Beklagte werde den Diebstahlsvorwurf ins Zeugnis schreiben. Es sei lediglich gesagt worden, im Fall der fristlosen Kündigung werde der Kläger dies in seinen Papieren haben.

In gleicher Weise hat sich der Zeuge B geäußert, der ausgeführt hat, dass er dem Kläger gesagt habe, der Vorwurf werde im Kündigungsschreiben Ausdruck finden.

In diesen Äußerungen liegt keine rechtswidrige Drohung. Denn die Beklagte war im Fall einer fristlosen Kündigung berechtigt, dies in den Arbeitspapieren, insbesondere in der Bescheinigung für die Agentur für Arbeit und im Kündigungsschreiben selbst anzugeben.

Nicht gefolgt werden kann der Annahme der Klägerseite, mit der Formulierung "Papiere" sei auch gemeint gewesen, dass die fristlose Kündigung und deren Gründe im Zeugnis aufgeführt werden würden. Entscheidend ist, dass im Falle einer fristlosen Kündigung das "krumme" Beendigungsdatum in ein Zeugnis auf jeden Fall hätte aufgenommen werden müssen.

Denn nach § 109 Abs. 1 Satz 2 Gewerbeordnung muss schon ein einfaches Zeugnis wahrheitsgetreue Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit des Arbeitnehmers enthalten. Insoweit wäre eine eventuelle Drohung, im Falle einer fristlosen Kündigung das daraus resultierende "krumme" Beendigungsdatum in ein einfaches Arbeitszeugnis aufzunehmen, nicht rechtswidrig, sondern entspräche den Pflichten des Arbeitgebers.

Nicht ohne weiteres zu den Arbeitspapieren gehört ein qualifiziertes Zeugnis nach § 109 Abs. 1 Satz 3 Gewerbeordnung.

Ein solches qualifiziertes Arbeitszeugnis wird nur erteilt, wenn der Arbeitnehmer es verlangt. Ob ein solches Verlangen gestellt wird, kann der Arbeitgeber im vorhinein nicht beurteilen. Es kann daher im vorliegenden Fall nicht als vom Begriff Arbeitspapiere als mitumfasst angesehen werden. Deshalb kann aus der Ankündigung, den Vorwurf in die Arbeitspapiere aufzunehmen, nicht geschlossen werden, dies beziehe sich auf ein qualifiziertes Zeugnis, zumal die Beteiligten nicht wissen konnten, ob der Kläger angesichts des Sachverhaltes überhaupt ein qualifiziertes Zeugnis verlangen würde.

Von einer rechtswidrigen Drohung durch die Beklagte kann daher nicht ausgegangen werden.

III. Die Eigenkündigung des Klägers ist daher rechtswirksam und hat das Arbeitsverhältnis zum 30.04.2005 aufgelöst. Das erstinstanzliche Urteil hatte daher Bestand. Die Berufung des Klägers musste kostenpflichtig gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen werden.

Die Revision konnte nicht zugelassen werden; insbesondere hatte die Rechtssache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung sondern beruhte auf der Anwendung höchstrichterlich geklärter Rechtsgrundsätze.

Ende der Entscheidung

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