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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 04.09.2007
Aktenzeichen: 14 Ta 184/07
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 5
Wird einem Arbeitnehmer ein Kündigungsschreiben ausgehändigt und gibt dieser das Kündigungsschreiben kurze Zeit später zurück, so ist vom Zugang der Kündigung auszugehen, da die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand (im Anschluss an BAG, Urteil vom 04.11.2004 - 2 AZR 17/04 - NZA 2005, 513).
Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Siegburg vom 01.06.2006 - 3 Ca 603/07 G - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage.

Der Kläger war langjährig bei der Beklagten als Maschinenführer zu einem monatlichen Entgelt von zuletzt rund 2.000,00 € beschäftigt.

Mit Schreiben vom 14.08.2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 28.02.2007 (Bl. 11 d. A.).

Am 29.09.2006 erhob der Kläger Kündigungsschutzklage verbunden mit dem Antrag auf nachträgliche Zulassung der Klage.

Hierzu hatte der Kläger vorgetragen, ein Kündigungsschreiben habe er zu keinem Zeitpunkt im Original erhalten. Erst am 25.09.2006 sei ihm eine Kopie ausgehändigt worden.

Der Kläger hat beantragt,

die verspätete Klage nachträglich zuzulassen.

Die Beklagte hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, das Kündigungsschreiben sei dem Kläger anlässlich eines Gesprächs mit der Geschäftsleitung am 14.08.2006 durch den Zeugen G übergeben und verlesen worden. Der Kläger sei aufgefordert worden, das Schreiben mitzunehmen. Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben über die Frage, ob dem Kläger am 14.08.2006 das Kündigungsschreiben übergeben wurde und ob es mit ihm zusammen durchgelesen und erklärt wurde und ob der Kläger trotz der Aufforderung, das Schreiben mitzunehmen, dieses nicht mitgenommen habe, durch Vernehmung der Zeugen K , S und G (Beweisbeschluss vom 10.01.2007, Bl. 38 d. A.).

Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Kammerverhandlung vor dem Arbeitsgericht Siegburg vom 02.05.2007 (Bl. 51 ff d. A.) Bezug genommen.

Gegen diesen, in berichtigter und vollständiger Form, am 15.06.2007 zugestellten Beschluss hat der Kläger mit Schriftsatz vom 20.06.2007 sofortige Beschwerde einlegen lassen.

Zur Begründung trägt der Kläger vor, in dem Gespräch vom 14.08.2006 sei ausschließlich über Schadensverursachung und die Verpflichtung des Klägers zur Schadenswiedergutmachung gesprochen worden. Der Prokurist, Herr G habe ihm einen Zettel zur Unterschrift vorgelegt. Er habe diesen Zettel unterschreiben sollen, damit eine Schadensersatzvereinbarung zustande komme. Er habe in diesem Zusammenhang dann erklärt, er könne den Brief nicht lesen. Nichts desto weniger habe ihm Herr G diesen Brief in die Hand gegeben. Er habe diesen Brief jedoch nicht gelesen, sondern lediglich auf dem Schreibtisch des Herrn G abgelegt. Er habe dazu erklärt, er könne diesen Brief nicht lesen. Er habe darum gebeten, ihm diesen Brief nach Hause zu schicken. Er habe den ihm überreichten Brief auch nicht längere Zeit in der Hand gehalten. Auch sei ihm der Brief nicht vorgelesen worden. Er habe den Brief wieder auf den Schreibtisch des Herrn G abgelegt. Der Kläger habe noch erklärt, man möge ihm den Brief nach Hause schicken, damit seine Kinder ihm den Brief übersetzen könnten.

Herr G habe auch erklärt, wenn er den Zettel nicht unterschreibe, würde er gekündigt.

Angesichts dieses Sachverhalts könne nicht von dem Zugang einer Kündigung ausgegangen werden. Möglicherweise sei dem Kläger eine Kündigung untergeschoben worden. Zum anderen habe der Kläger nicht die zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme gehabt.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Siegburg vom 01.06.2007 - 3 Ca 603/07 G - die Kündigungsschutzklage des Klägers nachträglich zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte stellt darauf ab, dass die Beweisaufnahme ergeben habe, dass der Kläger der deutschen Sprache durchaus mächtig sei. Aus der Beweisaufnahme habe sich auch ergeben, dass der Kläger am 21.02.2007 eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben habe.

Die Weigerung des Klägers, in dem Gespräch am 14.08.2006 das Kündigungsschreiben mitzunehmen, ändere der Wirksamkeit des Zugangs der Kündigung nichts.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zurückgewiesen.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft nach § 5 Abs. 4 Satz 2 KSchG. Sie ist auch innerhalb der für die sofortige Beschwerde geltenden Frist eingelegt und begründet worden.

2. In der Sache hatte die sofortige Beschwerde des Klägers keinen Erfolg. Zu Recht ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass dem Kläger am 14.08.2006 eine Kündigung zugegangen ist, seine Kündigungsschutzklage mithin verspätet war und einen Antrag auf nachträgliche Klagezulassung keinen Erfolg haben konnte. Auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts wird verwiesen. Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Beschwerdeverfahren ist Folgendes hervorzuheben.

a. Zunächst steht fest, dass dem Kläger am 14.08.2006 ein Schreiben überreicht worden ist und dass dieses Schreiben eine Kündigung enthielt. Dies ergibt sich insbesondere aus der vom Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme. Die hierzu vernommenen Zeugen K , S und G haben unabhängig voneinander bestätigt, dass es sich bei dem am 14.08.2006 überreichten Schreiben um ein Kündigungsschreiben handelte.

b. Dieses Schreiben ist dem Kläger auch zugegangen.

Dies ergibt sich bereits aus seinen eigenen Ausführungen in der Beschwerdeschrift. In der Beschwerdeschrift hat der Kläger ausführen lassen, dass er diesen Brief in die Hand bekommen hat. Er habe ihn jedoch nicht gelesen, sondern lediglich auf dem Schreibtisch des Herrn G abgelegt und darum gebeten, ihm diesen Brief nach Hause zu schicken, damit er ihn sich dort von seinen Kindern übersetzen lassen könne.

Damit steht der Zugang des Schreibens fest. Denn Zugang setzt nicht Kenntnis voraus. Entscheidend ist, ob die Willenserklärung derart in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hatte, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Bei Erklärungen unter Anwesenden ist eine schriftlich verkörperte Erklärung zugegangen, wenn sie durch tatsächliche Übergabe in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt ist (siehe BGH Urteil vom 15.06.1998 - II ZR 40/97 -, NJW 1998, Seite 3344).

Der Zugang ist also in dem Augenblick bewirkt, in dem das Schriftstück in die Hände des Empfängers gelangt. Dies ist hier geschehen, denn nach dem eigenen Vortrag der Klägerseite in der Beschwerdeschrift hat der Kläger das fragliche Schreiben am 14.08.2006 in die Hand bekommen. Damit hatte er die Möglichkeit es zu behalten und sich vom Inhalt, gegebenenfalls unter Heranziehung von Übersetzungshilfe, Kenntnis zu verschaffen. Eventuell fehlende Sprachkenntnisse hindern den Zugang nicht, denn der Empfänger hat jederzeit die Möglichkeit, das empfangene Schreiben sich übersetzen zu lassen. Es ist daher überzeugend, wenn das Arbeitsgericht in seinem Beschluss darauf hinweist, dass es vollkommen unverständlich bleibt, weshalb der Kläger auf einem Zusenden des Schreibens beharrt hat, um es übersetzen zu lassen, da dies auch ohne weiteres in der Weise möglich gewesen wäre, dass der Kläger das ihm übergebene Schriftstück mitgenommen und zu Hause sich von seinen Kindern hätte übersetzen lassen. Für den Zugang reicht es, wie das Arbeitsgericht mit Recht ausgeführt hat, aus, wenn die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht. Diese Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand aber bereits mit der Übergabe des fraglichen Schreibens, das der Kläger hätte mitnehmen und sich übersetzen lassen können. Daher stehen auch gegebenenfalls mangelnde Sprachkenntnisse einem Zugang nicht entgegen.

Der Zugang wird schließlich nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Kläger das Schreiben, nachdem er es in die Hand genommen hatte, nicht behalten, sondern auf den Schreibtisch des Herrn G zurückgelegte hat. Diese Verweigerung der Kenntnisnahme hebt den Zugang der Willenserklärung nicht auf. Denn für den Zugang einer schriftlichen Kündigungserklärung unter Anwesenden ist nicht darauf abzustellen, ob der Empfänger die Verfügungsgewalt über das Schriftstück dauerhaft behält. Es genügt die Aushändigung und Übergabe des Schriftstücks, so dass der Empfänger jedenfalls die Möglichkeit hatte, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen (siehe BAG Urteil vom 04.11.2004 - 2 AZR 17/04 -, NZA 2005, Seite 513).

Aus diesem Grund ist es irrelevant, dass der Kläger das Schreiben, nachdem er es zunächst in die Hand genommen hatte, später auf den Schreibtisch des Herrn G wieder zurückgelegt hatte.

Der Kläger kann schließlich nicht mit dem Argument durchdringen, die Kündigung sei ihm untergeschoben worden. Hiergegen spricht schon das Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Arbeitsgericht, denn die Zeugen haben übereinstimmend ausgesagt, dass in dem Gespräch am 14.08.2006 über die Kündigung des Klägers gesprochen worden ist und dem Kläger das Kündigungsschreiben sogar vorgelesen worden ist. Relevante Angriffe gegen das Beweisergebnis und die Beweiswürdigung durch das Arbeitsgericht bringt die Klägerseite nicht vor.

Unabhängig hiervon bestand für den Kläger, selbst wenn er sich über den Inhalt des Schreibens vom 14.08.2006 nicht im Klaren war, jedenfalls die zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme, denn er hätte das Schreiben behalten und sich - soweit notwendig - übersetzen lassen können.

Damit ist in jedem Fall von einem Zugang des Kündigungsschreibens am 14.08.2006 auszugehen.

c. Die erst am 29.09.2006 erhobene Kündigungsschutzklage ist daher verspätet. Ausreichende Gründe, die die verspätete Klageerhebung entschuldigen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

3. Die sofortige Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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