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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 13.05.2002
Aktenzeichen: 2 Sa 1191/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 519 b
Ist eine Berufung durch Beschluss als unzulässig verworfen worden, weil die Berufungsschrift verspätet eingegangen sei, so ist eine erneute Berufung mit der Begründung, das Zustelldatum des ersten Verwerfungsbeschlusses sei unrichtig, wegen der Rechtskraftswirkung des ersten Verwerfungsbeschlusses unzulässig.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 2 Sa 1191/01

Verkündet am: 13.05.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 13.05.2002 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Olesch als Vorsitzende sowie die ehrenamtlichen Richter Alfter und Zimmermann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin vom 12.11.2001 gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 22.06.2001 - 5 Ca 714/01 - wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten, der bis zum 14.02.2000 bei ihr als Bürovorsteher tätig war, die Zahlung von 7.719,72 DM. Diesen Betrag hat der Beklagte am 27.09.1999 von Herrn G F in bar entgegengenommen und diesem quittiert. Herr F schuldete der Klägerin Vergütung für Steuerberatungsleistungen.

Nachdem in erster Instanz zunächst streitig war, ob der Beklagte diesen Betrag bei der Klägerin abgegeben hat und insbesondere der Kasse der Klägerin zugeführt hat, ist in der mündlichen Verhandlung vom 13.05.2002 unstreitig geworden, dass der Beklagte den Betrag seinem Privatvermögen einverleibt hat. Er hat hierzu klargestellt, dass der sog. Kassenbericht, von dem erstinstanzlich die Rede war und in dessen Besitz sich die Beklagte befinden soll, die Abrechnung über ein Verrechnungskonto ist, in welches im Wege des Kontokorrent die von ihm für die Klägerin getätigten Ausgaben, wie zum Beispiel Reisekosten, Fahrtkosten, Telefongebührenbegleichung ebenso eingestellt wurden wie Barbeträge, die er von Kunden entgegengenommen und für sich verbraucht hat. Mit Kassenbericht sei nicht eine Barkasse gemeint, sondern ein Verrechnungskonto, welches die interne Bezeichnung "Kasse" getragen habe. Dieses Konto habe bei seinem Ausscheiden eine Forderung seinerseits gegenüber der Klägerin von mehr als 170.000,00 DM ausgewiesen.

Erstinstanzlich wurde die Klage abgewiesen mit der Begründung, die Klägerin sei zur Vorlage ihrer Buchungsunterlagen verpflichtet gewesen und habe, da sie behauptet habe solche nicht zu besitzen, nicht widerlegen können, dass der Beklagte die eingenommenen Gelder ordnungsgemäß bei der Klägerin abgeliefert habe.

Das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.06.2001, in der die Klage abgewiesen wurde, wurde dem Klägerprozessbevollmächtigten am 29.06.2001 zugeleitet. Hiergegen legten die Prozessbevollmächtigten eingehend am 30.07.2001 vor dem unzuständigen Landesarbeitsgericht Düsseldorf Berufung ein. Der Berufungsschriftsatz wurde an das Landesarbeitsgericht Köln weitergeleitet und ging dort am 31.07.2001 ein. Die "beigefügte Ausfertigung" des angefochtenen Urteils war die Protokollabschrift vom 22.06.2001. Mit Schreiben vom 03.08.2001 wurden die Klägerprozessbevollmächtigten darauf hingewiesen, die am 31.07.2001 eingegangene Berufung sei nicht innerhalb der Frist des § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG begründet worden.

Mit Schreiben vom 09.08.2001 am selben Tag beim Landesarbeitsgericht Köln eingegangen, vertraten die Klägerprozessbevollmächtigten die Rechtsansicht, die Berufungsfrist beginne erst zu laufen, nachdem das Urteil zugestellt wurde. Die Berufungsbegründungsfrist könne daher noch nicht abgelaufen sein. Weiter wiesen sie darauf hin, lediglich auf Grund der Protokollabschrift Berufung eingelegt zu haben. Hierauf antwortete der Vorsitzende der 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln, die Rechtsansicht sei unzutreffend, die Berufungsbegründungsfrist beginne mit der Berufungseinlegung zu laufen. Mit Schreiben vom 15.08.2001 begehrten die Klägerprozessbevollmächtigten Rechtsberatung dahingehend, ob eine neue Berufungsfrist zu laufen beginne, wenn das Urteil erster Instanz in vollständiger Form zugestellt werde. Sie zitierten insoweit den ZPO-Kommentar von Zöller, wonach bei Versäumung der Berufungsbegründungsfrist eine erneute Berufung innerhalb der Berufungsfrist eingelegt werden könne.

In der Sitzung am 17.08.2001 entschied die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln ohne mündliche Verhandlung wie folgt: Die Berufung der Klägerin vom 30.07.2001 gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 22.06.2001 - 5 Ca 714/01 - wird kostenpflichtig als unzulässig verworfen. In den Gründen dieser Entscheidung wird ausgeführt, dass das Urteil erster Instanz der Klägerin am 29.06.2001 zugestellt wurde (wie im Übrigen von dem Prozessbevollmächtigten zunächst angegeben worden war) und dass die Berufungsfrist auf Grund des Eingangs der Berufung am 31.07.2001 überschritten wurde.

Am 12.10.2001 wurde das vollständige Urteil an die Klägerprozessbevollmächtigten zugestellt. Die hiergegen erneut eingelegte Berufung ging am 12.11.2001 beim Landesarbeitsgericht Köln ein.

Mit der am 10.12.2001 eingegangenen Berufungsbegründung trägt die Klägerin vor, dass es dem Beklagten untersagt gewesen sei, Barzahlungen von Mandanten entgegenzunehmen. Auf den Vortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ihren Vortrag dahingehend ergänzt, dem Beklagten sei auch die Führung des Kontokorrentkontos nicht erlaubt gewesen. Der Kläger habe Einnahmen von Kundengeldern nicht gegen eigene Forderungen verrechnen dürfen. Es bestehe in soweit kein Kontokorrent.

Der Beklagte hält die Berufung vom 12.11.2001 für unzulässig, da auf Grund des Beschlusses der 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts vom 17.08.2001 mit Rechtskraft festgestellt sei, dass die Berufungsfrist verstrichen und damit die Berufung unzulässig sei.

Er führt hierzu eine Entscheidung des OLG Frankfurt vom 09.06.1983 und eine Entscheidung des BGH vom 07.05.1981 an. Danach besage die Rechtskraft des Verwerfungsbeschlusses, dass das Landesarbeitsgericht bereits die Ingangsetzung und den Ablauf der Berufungsfrist geprüft habe, insoweit Fakten festgestellt habe und deshalb an diese Feststellungen gebunden sei. Eine andere Kammer könne deshalb nicht zu dem Ergebnis gelangen, in Wahrheit habe die Berufungsfrist noch überhaupt nicht begonnen zu laufen.

Der Klägervertreter beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 22.06.2001 - 5 Ca 714/01 - wird abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 7.719,72 DM nebst 9,62 % Zinsen seit dem 28.09.1999 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung in erster Linie als unzulässig hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin vom 12.11.2001 gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 22.06.2001 ist unzulässig, da dieser die Rechtskraft des Verwerfungsbeschlusses vom 17.08.2001 entgegensteht.

Die erkennende Kammer folgt der von dem Beklagten zitierten Rechtssprechung und Literatur, wonach auch Verwerfungsbeschlüsse nach § 519 b ZPO a. F. Rechtskraftwirkung entfalten. Dabei ergibt sich grundsätzlich der Umfang der Rechtskraft aus der Entscheidungsformel, für deren Auslegung Tatbestand und Entscheidungsgründe, insbesondere auch der dort in Bezug genommene Parteivortrag heranzuziehen ist. Danach ergibt sich aus den Gründen des Beschlusses vom 17.08.2001, dass das Landesarbeitsgericht insoweit festgestellt hat, dass bereits am 31.07.2001 die Berufungsfrist gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 22.06.2001 abgelaufen war. Weiter wird in dem Beschluss zu Grunde gelegt, dass das angefochtene Urteil am 29.06.2001 zugestellt wurde.

Zwar ist im Nachhinein erkennbar, dass das von den Klägerprozessbevollmächtigten mitgeteilte Zustellungsdatum lediglich das Datum ist, zu dem das Protokoll erster Instanz bei den Klägerprozessbevollmächtigten einging. Gleichwohl ist die Entscheidung vom 17.08.2001 weder durch die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln noch durch die nunmehr geschäftsplanmäßig für die erneute Berufung zuständige 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln abänderbar. Mit der neuen Berufung begehrt die Klägerin gerade die Feststellung, dass am 29.06.2001 tatsächlich kein Urteil zugestellt wurde und deshalb am 31.07.2001 die Berufungsfrist noch überhaupt nicht abgelaufen war. Würde die erkennende Kammer diesen Vortrag zu Grunde legen, würde sie aber gerade in die Rechtskraft des vorgehenden Beschlusses eingreifen, denn sie würde die Prüfung des Fristablaufs und der ordnungsgemäßen Ingangsetzung der Berufungsfrist erneut vornehmen und insbesondere dadurch die Tatsachenfeststellungen des Beschlusses vom 17.08.2001 revidieren. Da in der Arbeitsgerichtsbarkeit die Revisionsbeschwerde gegen Verwerfungsbeschlüsse nur dann möglich ist, wenn sie im Einzelfall zugelassen wurde, ist insoweit auch zu akzeptieren, dass bei fehlerhafter Behandlung einer Fristberechnung die Rechtskraft des Verwerfungsbeschlusses zur endgültigen Streitbeilegung und Prozessbeendigung führt.

Zudem ist vorliegend auch zu berücksichtigen, dass die Klägerprozessbevollmächtigten nicht nur durch ihre fehlerhafte Berufungseinlegung vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf, sondern auch durch die von ihnen gewählten Mitteilungen, das Urteil sei am 29.06.2001 zugestellt worden, selbst die Grundlage für den Verwerfungsbeschluss vom 17.08.2001 geschaffen haben.

Insbesondere kann die Mitteilung, das Urteil sei am 29.06.2001 zugestellt worden, als Empfangsbekenntnis gewertet werden, so dass sich hieraus der Wille ergibt, das Protokoll als Urteilsausfertigung entgegenzunehmen. Zudem hätten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin ihre Berufung zurücknehmen können, so dass es nicht zu dem Verwerfungsbeschluss vom 17.08.2001 gekommen wäre und die Rechtskraftprobleme nicht aufgetreten wären.

Letztlich ist der vorliegende Fall identisch mit dem vom OLG Frankfurt am 09.06.1983 (4 UF 84/83, NJW 1983 Seite 2395) entschiedenen Fall. Es kann keine Rolle spielen, weshalb zwischen dem Gericht und den Parteien streitig ist, ob eine Berufungsfrist durch wirksame Zustellung in Lauf gesetzt worden ist oder ob dies nicht der Fall war. Da dieses jedenfalls Inhalt der Prüfung des Beschlusses vom 17.08.2001 war, ergreift die Rechtskraft dieses Beschlusses auch die vorliegende Berufung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision wurde wegen der allgemeinen Bedeutung zugelassen.

Ende der Entscheidung

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