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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 26.01.2004
Aktenzeichen: 2 Sa 1216/03
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

-
Ob eine pauschale Überstundenabgeltung durch übertarifliche Vergütung sittenwidrig oder unwirksam ist, bedarf der Einzelfallauswertung. Besteht die Gesamtarbeitszeit aus Leistungszeit und dazwischen liegenden Wartezeiten, in denen die Arbeit auf Abruf aufgenommen werden muss, so können diese Zeiten eine Gesamtpauschalierung rechtfertigen.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 Sa 1216/03

Verkündet am 26. Januar 2004

In Sachen

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 26.01.2004 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Olesch als Vorsitzende sowie die ehrenamtlichen Richter Hudec und Nigmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 03.06.2003 - 13 Ca 2682/03 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Die zulässige und fristgerechte Berufung des Beklagten führte zur Abänderung des Urteils und zur Klageabweisung.

Die vom Kläger geltend gemachte Überstundenforderung war zunächst abzuweisen, da diese nicht rechtzeitig schriftlich geltend gemacht wurde. Dabei kann dahinstehen, dass auch die zweite Stufe der Verfallfrist, die rechtzeitige Klageerhebung nicht nachweisbar ist, da bislang weder in dem Verfahren 13 Ca 174/03 noch in dem vorliegenden Verfahren der Eingang einer Klageschrift vor dem 05.03.2003 feststellbar ist.

Bereits die erste Stufe der Verfallfrist, die schriftliche Geltendmachung ist durch das Schreiben vom 06.01.2003 nicht gewahrt worden. Zwischen den Parteien ist ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen worden, in dem unter anderem der nicht allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag für das Güterverkehrsgewerbe Nordrhein-Westfalen vereinbart worden ist. Dieser Tarifvertrag sieht eine sechswöchige Frist zur schriftlichen Geltendmachung nach Fälligkeit vor. Nach Ziffer 10 des Arbeitsvertrages war die Vergütung zum Monatsende fällig. Die Geltendmachung vom 06.01.2003 ist allerdings deshalb nicht ausreichend, weil sie nicht geeignet ist, dem Beklagten hinreichend Inhalt und Umfang der Forderung klarzumachen. Weder hat der Kläger hierbei die Lohnbasis genannt, noch die Anzahl der Überstunden, die seiner Ansicht nach bezahlt werden sollen. Zwar hat er die Gesamtzahl der geleisteten Stunden genannt, jedoch reichte dies nicht aus, um durch eine einfache Rechenaufgabe die Höhe der geltend gemachten Forderung zu errechnen. Denn zum einen lässt sich nicht erkennen, welchen Grundlohn der Kläger für sich für anwendbar hält, von dem aus die Stundenvergütung berechnet werden soll, noch ergibt sich, von welcher Regelstundenzahl der Kläger ausgeht. Insoweit sieht der Tarif hinsichtlich der Lohngruppen verschiedene Eingruppierungen vor, wobei es Sache des Klägers gewesen wäre, mit der Geltendmachung darzustellen, welche dieser Eingruppierungen er denn für zutreffend hält und damit als Berechnungsbasis zu Grunde legt. Auch die Regelstundenzahl von 39 Wochenstunden ergibt sich aus dem Bezirksmanteltarifvertrag nur für Tätigkeiten außerhalb des Güter- und Möbelfernverkehrs. Ob der Kläger tatsächlich diese Regelstundenzahl bei der Geltendmachung zu grunde gelegt hat oder eine andere, ergibt sich aus dem Schreiben vom 06.01.2003 nicht.

Damit war das Geltendmachungsschreiben nicht geeignet, im Sinne der vom Bundesarbeitsgericht (8 AZR 366/00 vom 17.05.2001, NZA 02 S. 910) dargelegten Grundsätze Inhalt und Umfang der Forderung so außer Streit zu stellen, dass ggf. die Erhebung einer Klage hierdurch vermieden werden kann.

Die Berufung war aber auch deshalb begründet, weil die geltend gemachte Zahlungsforderung dem Kläger nicht zusteht. Insoweit hat das Bundesarbeitsgericht am 17.04.2002 (5 AZR 644/00) die Unwirksamkeit einer pauschalen Überstundenabgeltungsklausel nur insoweit anerkannt, als diese mit einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag in Konkurrenz stand. Das Bundesarbeitsgericht hat dabei ausdrücklich offen gelassen, ob eine solche Klausel im Einzelfall nach § 242 BGB ggf. unwirksam sein kann. Dies wird unter anderem mit der Begründung vertreten, der Arbeitnehmer könne nicht erkennen, welche Leistung geschuldet sei. Da das Arbeitszeitgesetz jedoch Höchstgrenzen der zulässigen Arbeitszeit enthält, besteht insoweit nach Ansicht der erkennenden Kammer keine Unsicherheit über das höchst mögliche Maß geschuldeter Arbeitsleistung.

Dass die Vergütung insgesamt zu niedrig und sittenwidrig wäre, hat der Kläger nicht darzustellen vermocht. Insbesondere in Arbeitsbereichen, in denen neben der eigentlichen Arbeitsaufgabe vielfach Leerlaufzeiten entstehen, die als Arbeitsbereitschaft zur Arbeitszeit hinzuzuzählen sind, müssen diese Leerlaufzeiten nicht zwingend mit der gleichen Vergütung bezahlt werden wie die eigentlichen Leistungsstunden. Das Arbeitszeitgesetz sieht insoweit nur vor, dass ein bestimmtes Höchstmaß an Arbeitszeit aus Gründen der körperlichen Beanspruchung nicht überschritten werden darf. Nicht geregelt ist (mit Ausnahme der Nachtarbeit), dass jede Arbeitsstunde im Sinne des Arbeitszeitgesetzes auch den gleichen Wert hat. Gerade in Branchen wie dem Speditionsgewerbe sind Arbeitsgestaltungen denkbar, bei denen der Fahrer nicht mit dem Entladen und Beladen des Lkw beschäftigt ist. Diese Zeiten, die deshalb zur Arbeitszeit hinzuzählen, weil der Arbeitnehmer im Regelfall sofort mit dem Ende des Beladens seine Fahrtätigkeit wieder aufnehmen muss, können wertmäßig anders bewertet werden als Fahrzeiten. Aus diesem Grunde erscheint es ein nachvollziehbares Bedürfnis, anstelle einer akribischen Auswertung der Fahrtenschreiberscheiben und Zuordnung von Fahrtstunden und Wartestunden zu verschiedenen Vergütungssätzen, dem Arbeitnehmer einen gleichbleibenden Monatssatz an Vergütung zuzusichern und die Abrechnungsmühen zu ersparen. Es kann deshalb nicht gesagt werden, dass die zwischen den Parteien vereinbarte Lohngestaltung sittenwidrig im Sinne des § 242 BGB ist. Denkbar wären natürlich auch Vertragsgestaltungen, die die maximale Gesamtstundenzahl ausdrücklich benennen. Da der Kläger jedoch bei dem Beklagten nicht seine erste Tätigkeit als Lkw-Fahrer angetreten hatte, dürften ihm die Arbeitszeiten und Gepflogenheiten im Güterverkehrsgewerbe nicht unbekannt gewesen sein. Er hätte durch Nachfragen bei Abschluss des Arbeitsvertrages klarstellen können, welche maximale Gesamtarbeitszeit der Beklagte mit der Vergütungsvereinbarung für abgegolten hielt.

Zudem ist die Forderung auch noch fehlerhaft berechnet gewesen. Legt man den Tarifstundenlohn von 9,49 € zu Grunde und eine 39-Stunden-Woche, so belief sich der tarifliche Regelverdienst für den Monat November für 163,8 Stunden auf 1.554,02 €. Legt man die vom Kläger geleisteten Stunden zu Grunde und berücksichtigt man hierbei keine Pause, so ergibt sich eine Klageforderung für die Überstunden von 637,83 €, auf die der Kläger sich 95,98 € anrechnen lassen muss, die er bereits mit der gezahlten Vergütung erhalten hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Revision wurde mangels allgemeiner Bedeutung nicht zugelassen.



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