Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 06.06.2005
Aktenzeichen: 2 Sa 211/05
Rechtsgebiete: TzBfG


Vorschriften:

TzBfG § 14 Abs. 1 Nr. 7
Zu den Voraussetzungen einer Befristung wegen Vergütung aus Haushaltsmitteln nach § 14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG.
Tenor:

Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 25.11.2004 - 22 Ca 4977/04 - wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand: Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines befristeten Arbeitsvertrages. Das beklagte Land betreibt in Köln zusammen mit anderen Ländern eine Zentralbibliothek für Medizinische Fachliteratur. Bei dieser können Dokumentenlieferungen bestellt werden. Dies erfolgt in der Weise, dass Bücher gescannt oder Artikel kopiert werden und an die Besteller versandt werden. Diese Abteilung, in der die Klägerin beschäftigt wird, untergliedert sich in das sogenannte Magazin (dort werden Normalbestellungen erledigt) und den sogenannten Direktversand (dort werden Eilbestellungen bearbeitet). Ein großer Teil der Eilbestellungen erfolgt über den s e. V., bei dem der Nutzer die gewünschten Artikel per Internet bestellen kann. Aufgrund von Urheberrechtsproblemen mit dem englischsprachigen Ausland wurde die Lieferung ins Ausland mit dem 20.09.2003 eingestellt. Die Klägerin, im Jahre 1959 geboren, verheiratet, zwei Personen unterhaltspflichtig wurde erstmals durch Vertrag mit dem 15.01.2001 als Aushilfsangestellte befristet eingestellt. Dieses Arbeitsverhältnis dauerte bis zum 14.02.2002 im Anschluss daran wurde ein befristeter Vertrag bis zum 31.12.2002 geschlossen, ein weiterer bis zum 30.09.2003 und ein weiterer bis zum 31.12.2003. Am 08.12.2003 schlossen die Parteien den hier streitigen Vertrag, der eine Befristung bis zum 30.04.2004 beinhaltet. In diesem Vertrag ist die Klägerin als Zeitangestellte bezeichnet. Als Befristungsgrund ist § 14 Abs. 1 Nr. 7 des TzBfG vereinbart. Zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses letzten befristeten Vertrages war der Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 2004 in NRW noch nicht verabschiedet worden. Aufgrund § 5 Abs. 1 LHO wurden am 04.12.03 allgemeine Verwaltungsvorschriften zur vorläufigen Haushalts- und Wirtschaftsführung im Haushaltsjahr 2004 in Kraft gesetzt. Nach Ziffer 2.2 dieser Verwaltungsvorschriften durften die nachgeordneten Behörden für die vorläufige Haushaltsführung die Ausgabeermächtigung des Haushaltsplans 2003 zugrunde legen, sofern nicht die im Entwurf des Haushaltsplans 2004 vorgesehenen Ansätze niedriger lagen. Unter Ziffer 2.3 der Verwaltungsvorschriften war geregelt, dass Personalausgaben für Aushilfskräfte bis zur Verabschiedung des Haushaltsplanes nur bis zur Höhe von 10 % der nach Ziffer 2.2. festzustellenden Obergrenze ausgegeben werden durften. Allerdings durfte dieser Verfügungsrahmen für vor dem 01.01.2004 begründete und bis zur Verabschiedung des Haushalts fällige Verpflichtungen überschritten werden. Der endgültige Haushalt für das Jahr 2004 rechnete mit Einnahmen in Höhe von 579.000,00 € aus den Gebühren für den Leihverkehr (Titel 119 11 im Einzelplan 06 072). Hinsichtlich der Ausgaben bestimmt der Haushaltsplan unter Titelgruppe 65, dass für das Jahr 2004 ein Betrag von 600.000,00 € unter Titel 472 65 (Vergütungen und Löhne für Aushilfen) zur Verfügung steht. Die Vorbemerkung hierzu besagt, dass die Ausgaben nur in Höhe der Isteinnahmen bei den Titeln 119 11 und 119 12 geleistet werden dürfen. Zu Lasten des Titels 427 65 (Vergütungen und Löhne für Aushilfen) sollen nur befristete Dienstverträge abgeschlossen werden. Das beklagte Land vertritt die Ansicht, dass sich damit aus dem Haushaltsplan ergebe, dass Aushilfen im Direktleihverkehr nur aufgrund befristeter Verträge beschäftigt werden dürfen. Dies sei ein sachlicher Grund nach § 14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG. Zudem habe bei Abschluss des Vertrages am 08.12.2003 aufgrund der vorläufigen Haushaltführung grundsätzlich kein unbefristeter Vertrag abgeschlossen werden dürfen. Das Ende der Befristung sei so gewählt worden, dass der Vertrag endete, als die endgültigen Ausführungsbestimmungen zum Haushalt 2004 vorlagen. Auch habe damit gerechnet werden müssen, dass wegen der Urheberrechtsstreitigkeiten und der Einstellung des Direktleihverkehrs mit dem englischsprachigem Ausland die Anzahl der Leihvorgänge derart zurückgehen würde, dass mit Ende des befristeten Vertrages eine Vergütungsmöglichkeit für die Klägerin nicht mehr bestehe. Letztlich sei es ohnehin nur möglich, die Mitarbeiter im Direktleihverkehr befristet zu beschäftigen, da man nie wisse, welche Einnahmen getätigt werden könnten, und nach dem Haushaltsgesetz jedenfalls nicht mehr Ausgaben als Einnahmen getätigt werden dürften. Die Klägerin vertritt demgegenüber die Ansicht, dass ein rechtfertigender Grund für die Befristung des Arbeitsvertrages gegeben sein müsse, die Haushaltssituation hierfür nicht ausreichend sei und behauptet, dass der Wegfall der Direktleihe nach E und U allenfalls zwei von 2000 Bearbeitungen betreffe. Aus der von ihr vorgelegten Gesamtstatistik der Dokumentlieferung im Jahr 2003, deren Zahlen von der Beklagten nicht bestritten wurden, ergebe sich, dass die Einstellung des Leihverkehrs nach U und G keinen Arbeitsrückgang bewirkt habe, da im November die eingegangenen Anfragen immer noch höher lagen als bspw. in den Monaten Februar, April, Mai, Juni, August und Oktober 2003. Im übrigen bedürfe es der Darlegung, dass gerade auch ihr Arbeitsplatz vorhersehbar wegfallen sollte, da neben ihr auch eine Anzahl weiterer befristeter Beschäftigter eingesetzt ist, wobei nach dem Vortrag der Beklagten neben der Klägerin noch weitere 5 Arbeitnehmer, die zuvor befristet beschäftigt waren, in 2004 nicht mehr weiterbeschäftigt werden. Das Arbeitsgericht hat die Klage und den Weiterbeschäftigungsanspruch zugesprochen. Mit der Berufung beantragt das beklagte Land, das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 25.11.2004 - 22 Ca 4977/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Beide Parteien vertiefen ihren Sachvortrag zur Frage der Auslegung des § 14 Nr. 7 TzBfG. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen. Entscheidungsgründe: Die zulässige und fristgerechte Berufung des beklagten Landes ist nicht begründet. Die Voraussetzungen für eine wirksame Befristung des Arbeitsvertrages vom 08.12.2003 nach § 14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG sind nicht gegeben. Nach dieser Vorschrift ist die Befristung durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind und er entsprechend beschäftigt wird. Unabhängig davon, welchen konkreten Inhalt man dieser Vorschrift beimisst, konnte das Gericht bereits nicht feststellen, dass die für die Bezahlung der Klägerin in der Zeit vom 01.01.2004 bis 30.03.2004 in Anspruch genommenen Mittel haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt waren. Bei Abschluss des Arbeitsvertrages lag der Landeshaushalt für das Jahr 2004 noch nicht vor. Die von der Beklagten zitierten Regelungen der Verwaltungsvorschriften zur vorläufigen Haushalt- und Wirtschaftsführung im Haushaltsjahr 2004 ergeben zunächst nicht, dass während der Dauer der vorläufigen Haushaltsführung ausschließlich befristete Verträge abgeschlossen werden dürfen. Ziffer 2.3. der Verwaltungsvorschriften besagt lediglich, dass eine bestimmte Obergrenze der Ausgaben während der Zeit der vorläufigen Haushaltsführung nicht überschritten werden darf. Ein allgemeines Verbot, den Haushaltsgesetzgeber durch unbefristete Verträge über den Zeitpunkt der vorläufigen Haushaltsführung hinaus zu binden, ist den Verwaltungsvorschriften jedoch nicht zu entnehmen. Im übrigen wird regelmäßig das Budgetrecht der zukünftigen Haushaltsgesetzgeber präjudiziert, wenn Beamtenernennungen und Festeinstellungen erfolgen. Den allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur vorläufigen Haushaltsführung kann deshalb keine Aussage über das "wie" der rechtlichen Verpflichtung (befristet oder unbefristet) entnommen werden sondern nur wie viel Geld bis zur endgültigen Verabschiedung bereits aufgrund vorläufiger Haushaltsführung verbraucht werden darf. Auch aus dem endgültig zustande gekommenen Haushalt ergibt sich nicht, dass die Mittel des Titels 427 65 nur für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind im Sinne des § 17 Abs. 1 Nr. 7. Zum einen bezeichnet der Titel selber als Verwendungszweck lediglich die Vergütung von Aushilfen. Eine bestimmte Gestaltungsform des Arbeitsvertrages ist dem Titel deshalb nicht zu entnehmen. Bei den Vorbemerkungen zur Titelgruppe 65 heißt es dementsprechend auch nur, zu Lasten des Titels 427 65 sollen nur befristete Dienstverträge abgeschlossen werden. Eine ausschließliche Bestimmung zur Vergütung von Arbeitnehmern mit befristeten Arbeitsverträgen kann dem nicht entnommen werden. Vielmehr ist der Wortlaut allenfalls als Empfehlung zu verstehen oder als Wunsch. Hätte der Gesetzgeber eine zwingende Verwendung für befristete Vertragsverhältnisse vorsehen wollen, so hätte der Wortlaut lauten müssen: Zu Lasten des Titels 427 65 dürfen ausschließlich befristete Dienstverträge abgeschlossen werden. Auch die Tatsache, dass der Haushaltsgesetzgeber vorgegeben hat, für die Erfüllung von Kundenaufträgen im Direktleihverkehr nur diejenigen Einnahmen aufzuwenden, die sich aus dem Gebührenaufkommen ergeben und keine weiteren Steuermittel hierfür zur Verfügung zu stellen, rechtfertigt die Befristung des mit der Klägerin geschlossenen Vertrages nicht. Denn die Ungewissheit über die Entwicklung von Gebühreneinnahmen ist ebenso wenig ein Befristungsgrund wie die Ungewissheit eines Bauunternehmers, ob er nach Abschluss eines Projektes einen weiteren Bauauftrag erhalten wird. Die Arbeitsaufgabe als solche, nämlich die Abwicklung des Direktleihverkehrs ist nicht zeitlich begrenzt. Eine gesetzgeberische Vorgabe, diesen Tätigkeitsbereich einzustellen und in Zukunft entfallen zu lassen, läßt sich dem Haushaltsgesetz gerade nicht entnehmen. Das beklagte Land hat auch nicht vorgetragen, dass es bei Abschluss des letzten befristeten Arbeitsvertrages am 08.12.2003 bereits konkrete Berechnungen dazu angestellt hat, inwieweit mit einem sicheren Rückgang des Gebührenaufkommens zu rechnen war, der die Befristung aller Arbeitsverträge rechtfertigte. Zum einen fehlt es hier an der Darstellung der Gebühreneinnahmen und der Umrechnung in sämtliche davon bezahlten Arbeitsstunden, sowie an der Darlegung einer Prognose, mit welcher Einnahmesumme für die Zeit ab Mai 2004 gerechnet wurde und an der Umrechnung, wie viele der beschäftigten Arbeitnehmer hierdurch entbehrlich werden würden. Dabei kann es nicht als rechtfertigender Grund berücksichtigt werden, wenn die Erwartung, einen Arbeitsplatz sicher abbauen zu müssen zur Rechtfertigung von mehr als einer Befristung herangezogen werden soll. Zudem wurden solche konkreten Zahlen dem Personalrat nicht mitgeteilt. Auch der Wegfall des Leihverkehrs mit dem englischsprachigen Ausland rechtfertigt die Befristung des Arbeitsvertrages mit der Klägerin nicht. Bereits zum 20.09.2003 waren sämtliche Tätigkeiten, die dieses Gebiet betrafen, eingestellt worden. Bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages am 08.12.2003 war eine Veränderung des Beschäftigungsbedarfs zwischen Januar 2004 und April 2004 aufgrund dieses Sachverhalts deshalb nicht mehr zu erwarten, denn weniger als null ist nicht mehr möglich. Selbst wenn man hinsichtlich der Auslegung der Vorbemerkung der Titelgruppe 65 im Haushalt anderer Ansicht wäre und dem Haushaltsplan entnehmen würde, dass für das Jahr 2004 ein Betrag von 600.000,00 € ausschließlich zur befristeten Beschäftigung von Aushilfen in der deutschen Zentralbibliothek für Medizin zur Verfügung gestellt wurden, rechtfertigt dieses nach Ansicht der Kammer keine Befristung nach § 14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG, da insoweit das Gesetz europarechtskonform auszulegen wäre. Denn ein Sonderrecht für den öffentlichen Dienst, welches keine der europarechtlichen Vorgaben des § 5 Nr. 1 a - 1 c der Rahmenvereinbarung zur Richtlinie 99/70 EG erfüllt, wäre nicht zulässig. Aus diesem Grunde kann es nicht ausreichen, wenn anstelle eines materiellen Sachgrundes lediglich Haushaltsmittel für befristete Beschäftigte ausgewiesen werden. Anders als im Hochschulrahmengesetz a. F., welches den identischen Wortlaut zu § 14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG enthielt, enthält das TzBfG keine zeitliche Höchstgrenze, welche beim Hochschulrahmengesetz vorgesehen war. Eine europarechskonforme Auslegung des neuen Gesetzestextes muss deshalb dazu führen, dass der haushaltsrechtlichen Vorgabe wenigstens ein dem Titel zu entnehmender Sachgrund zugrunde liegt. Die vorliegende bloße Ungewissheit über die zukünftigen Einnahmen aus dem Direktleihverkehr sind als solcher Sachgrund jedoch nicht ausreichend. Auch ist dem Titel eine zeitlich begrenzte Aufgabe oder eine zeitlich begrenzte Finanzierung, deren Enddatum bereits feststeht, nicht zu entnehmen. Auch unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass der Gesetzgeber im wesentlichen nur die bisherige BAG Rechtsprechung zu den Befristungsgründen umsetzen wollte und insbesondere in der Begründung zu § 14 Nr. 7 TzBfG von "zeitlich begrenzten Haushaltsmitteln" die Rede ist. Dies ist aber etwas anderes als die im Wortlaut festgelegte Regelung "Mittel, die für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind". Der Wortlaut lässt die zeitlich unbegrenzte Ausweisung von Mitteln zu, die nur zur Erfüllung von befristet abgeschlossenen Arbeitsverträgen ausgegeben werden dürfen, während die Materialien davon ausgehen, dass die Haushaltsmittel zeitlich begrenzt zur Verfügung stehen und zeitlich begrenzt ausgegeben werden sollen. Dabei war hierzu in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass die Einschränkung, dass der jeweilige Haushalt höchstens als Doppelhaushalt für 2 Jahre festgestellt werden kann, keine solche ausreichende zeitliche Begrenzung darstellt. Vielmehr musste sich die zeitliche Begrenzung aus Gründen außerhalb der Haushaltsperioden ergeben. Eine dem Wortlaut entsprechende weite Auslegung des § 14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG würde zudem ermöglichen, dass innerhalb des Haushaltsjahres und bis zur vollständigen Erschöpfung des Titels in beliebiger Stückelung Befristungen vereinbart werden könnten, solange nur die Bezahlung aus dem für die Befristungen vorgesehenen Titel erfolgt. Solchen Befristungen ist ein Sachgrund für den einzelnen Vertrag nicht mehr zu entnehmen. Das Gericht folgt mit diesem Auslegungsergebnis damit den nachfolgend zitierten Literaturstellen: Dörner Der befristete Arbeitsvertrag Rn. 211; Ascheid/Preiss/Schmidt Kündigungsrecht 2. Auflage, § 14 TzBfG, Rn. 224 ff.; Hänsler/Willemsen/Kalb Arbeitsrecht Kommentar § 14 TzBfG, Rn. 53 jeweils m. w. N. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision wurde wegen der allgemeinen Bedeutung des Rechtsstreits zugelassen.

Ende der Entscheidung

Zurück