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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 04.08.2003
Aktenzeichen: 2 Sa 461/03
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 203
Ein Krankenhaus kann verpflichtet sein, den Namen eines Patienten zu benennen, wenn dieser ein Streitgespräch der Arbeitnehmer untereinander wahrgenommen haben soll und der deswegen abgemahnte Arbeitnehmer anderenfalls nicht in der Lage ist, den Gegenbeweis anzutreten.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 Sa 461/03

Verkündet am 04. August 2003

In Sachen

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 04.08.2003 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Olesch als Vorsitzende sowie die ehrenamtliche Richterin Runckel und den ehrenamtlichen Richter Winthuis

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 25.02.2003 - 4 Ca 4462/02 - wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Beseitigung einer Abmahnung aus der Personalakte des Klägers.

Der Kläger ist seit dem 01.11.1977 als Krankenpfleger bei dem Beklagten, der ein Dialysezentrum unterhält, beschäftigt.

Zwischen dem Kläger und einer weiteren Mitarbeiterin, der Zeugin K , fand am 01.04.2002 ein Gespräch statt, dessen Inhalt und Umstände zwischen den Parteien streitig sind. Mit der Abmahnung vom 09.08.2002 behauptet der Beklagte, der Kläger habe gegenüber der Zeugin K geäußert: "Dir werde ich nicht mehr helfen. Du wirst schon sehen, was du davon hast. Von mir erhältst du keine Informationen mehr". Weiterhin rügt er, dass dieses Streitgespräch in Anwesenheit eines Patienten erfolgt sei. Der Kläger bestreitet den Inhalt des Streitgespräches und behauptet, die Zeugin K habe ihm gegenüber ehrabschneidende Bemerkungen gemacht, die er sich verbeten habe. Hierzu habe er die Zeugin Kaussen ausdrücklich aus dem Patientenzimmer gebeten, so dass keinerlei Streitgespräch in Anwesenheit eines Patienten geführt worden sei.

Der Beklagte hat für die Richtigkeit seiner Behauptungen Beweis angetreten durch Vernehmung der Zeugin K . Er hat sich erst- und zweitinstanzlich geweigert, den Namen des Patienten zu nennen, der nach seiner Behauptung bei dem Streitgespräch anwesend war.

Erstinstanzlich ist der Beklagte verurteilt worden, die Abmahnung vom 09.08.2002 aus der Personalakte zu entfernen. Der Beklagte habe insoweit keinen geeigneten Beweisantritt für die Anwesenheit des Patienten erbracht. Hinsichtlich der weiteren Inhalte des Streitgespräches sei dies nicht aufzuklären gewesen, da die Abmahnung auch dann aus der Personalakte zu entfernen ist, wenn nur ein Teil der dort behaupteten Tatsachen falsch oder nicht erweislich sind. Dem Beklagten bleibe es vorbehalten, eine neue Abmahnung mit dem Teilinhalt "Streitgespräch unter Kollegen" zu erteilen.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Berufung und beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Aachen vom 25.02.2003 - 4 Ca 4462/02 - die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte vertritt erneut die Ansicht, dass er auf Grund der ärztlichen Schweigepflicht Name und Anschrift des bei dem Streitgespräch anwesenden Patienten nicht nennen dürfe. Das Gericht müsse wenigstens die Zeugin K hören. Insoweit sei es ausreichend, wenn die Zeugin K bestätige, dass irgendein Patient bei dem Gespräch anwesend gewesen sei.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige und fristgerechte Berufung ist nicht begründet. Die Abmahnung vom 09.08.2002 war aus der Personalakte zu entfernen, da zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie in Bezug auf die Anwesenheit eines Patienten bei dem Streitgespräch unwahre Tatsachen zu Lasten des Klägers enthält.

Die Beweislast für die inhaltliche Richtigkeit der in einer Abmahnung aufgestellten Tatsachenbehauptungen trägt der Arbeitgeber. Die Abmahnung ist zu entfernen, wenn die behaupteten Tatsachen nicht zu beweisen sind, da hierdurch das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers verletzt wird (§§ 12, 1004 Abs. 1 BGB analog). Dabei stellt die Behauptung, bei dem Streitgespräch sei ein Patient anwesend gewesen, eine eigenständige Tatsache dar, da der Beklagte in dem Zusammenhang der Abmahnung gerade rügt, dass unbeteiligte Dritte den Streit zwischen den Kollegen wahrnehmen konnten und hierdurch das Ansehen des Beklagten geschmälert werde.

Es kann dahinstehen, ob der Beklagte für die grundsätzlich von ihm zu beweisende Tatsache der Patientenanwesenheit überhaupt ausreichenden Beweis angetreten hat durch Vernehmung der Zeugin K . Denn diese Zeugin war zwar unmittelbar an dem Streitgespräch beteiligt, kann allerdings allenfalls aus eventuellen Reaktionen des Patienten Informationen darüber bezogen haben, ob dieser das Streitgespräch wahrgenommen hat oder ob dieses möglicherweise so leise oder so weit entfernt vom Patienten geführt wurde, dass eine Beeinträchtigung der Interessen des Beklagten ohnehin nicht gegeben war, weil der Patient das Streitgespräch trotz räumlicher Anwesenheit nicht mitbekommen hat. Selbst die Zeugin K könnte insoweit den Beweis lediglich durch Schilderung von Indizien erbringen. Demgegenüber hat der Beklagte die Möglichkeit, das unmittelbare Beweismittel, nämlich den Patienten selbst, der den Vorfall erlebt haben soll, zu benennen. Insoweit mag es dem Beklagten freigestellt sein, grundsätzlich auch den Beweis der Haupttatsache durch Vernehmung von Zeugen über Hilfstatsachen, die den Schluss auf die Haupttatsache zulassen, zu erbringen. Ob die entsprechende Haupttatsache bewiesen ist, wäre danach Sache der Beweiswürdigung nach durchgeführter Beweisaufnahme.

Vorliegend kann allerdings unterstellt werden, dass die Zeugin K die Behauptung "es war ein Patient anwesend, der das Gespräch wahrgenommen hat" bestätigt und dass das Gericht die Zeugin auch für glaubwürdig hält. Denn dann müsste der Kläger in die Lage versetzt werden, dieses Ergebnis der Beweisaufnahme zumindest erschüttern zu können. Er müsste dabei die negative Tatsache "kein Patient war anwesend" jedoch nicht dadurch beweisen, dass er alle Patienten benennt, die sich bei dem Beklagten aufhielten. Der Beweis negativer Tatsachen erfolgt dadurch, dass der Beweisgegner die positive Tatsache (Patient X, Y anwesend) substantiiert darlegt und der Beweisführer widerlegt, dass gerade dieser Patient anwesend war. Dann ist erwiesen, dass gar kein Patient anwesend war. Die Nennung irgendeines anderen Namens kommt danach nicht mehr in Betracht. Der Beklagte hat insoweit dem Kläger die Führung des effektiven Gegenbeweises vereitelt, als er den Namen des Patienten nicht angegeben hat, der das Gespräch mitgehört haben soll.

Hieran war er nicht etwa aus Gründen der ärztlichen Schweigepflicht gehindert. Dabei handelt es sich vorliegend nicht um eine Frage des Zeugnisverweigerungsrechts aus § 383 Nr. 6 ZPO. Denn es geht nicht darum, ob der Beklagte verpflichtet ist, eine Zeugenaussage zu tätigen. Vielmehr könnte der Beklagte nur dann gehindert sein, den Patientennamen bekannt zu geben, wenn er sich hierdurch strafbar im Sinne des § 203 StGB machen würde. Danach war der Beklagte allerdings nicht gehindert, den Patientennamen bekannt zu geben. Zum einen ist die bloße Anwesenheit im Hause des Beklagten kein Geheimnis im Sinne des § 203 StGB, sondern eine offenkundige Tatsache, da das Betreten des Gebäudes ohne weiteres von jeder anderen Person beobachtet werden kann (vgl. Schönke-Schröder, StGB, 26. Auflage, Rdnr. 6). Durch Bekanntgabe des Patientennamens und damit der Anwesenheit in den Räumen des Beklagten wird zudem nichts über die konkret schutzwürdigen Belange des Patienten, insbesondere Einzelheiten seiner Erkrankung offenbart. Zudem war der Beklagte berechtigt, gerade in Wahrung eigener Interessen den Patientennamen bekannt zu geben, da die Nichtbekanntgabe für ihn zu den prozessualen Nachteilen führt, dass zu Gunsten des Klägers zu unterstellen ist, dass dieses einzige ihm zugängliche effektive und außerhalb der Parteien stehende Beweismittel zumindest die Aussage der Zeugin K erschüttert hätte. Dem Kläger war es nicht auf andere Weise möglich, einen in gleicher Weise außerhalb der Prozessparteien stehenden Zeugen zu benennen, da die von ihm angeführte Zeugin K -D gerade nicht in dem Nebenzimmer anwesend war, in dem nach der Behauptung des Beklagten der Patient sich befunden hat und diese nach der Darstellung des Klägers nicht einmal ein Streitgespräch aus einem Nebenzimmer gehört hat. Wenn sie schon nichts gehört hat, weil sie sich in einem anderen Zimmer aufhielt, kann sie deshalb erst recht nichts dazu bekunden, in welchem Nebenzimmer der Kläger sich mit der Zeugin K befunden hat und somit auch nicht über die Anwesenheit oder Nichtanwesenheit eines Dritten in diesem Zimmer sagen.

Der Beklagte steht letztendlich auch nicht anders dar, wie ein Arbeitgeber, der sich im Kündigungsschutzprozess zum Nachweis von Fehlleistungen seines Arbeitnehmers nur auf Mitarbeiteraussagen stützt, während die betroffenen geschädigten Kunden nicht benannt werden. Auch hier muss dem Arbeitnehmer die Entlastung möglich gemacht werden, wenn auch der Arbeitgeber eine Belastung der Beziehung zu seinen Kunden befürchtet.

Diese Überlegungen befinden sich auch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 05.12.1995 - X ZR 121/93 -). Danach ist der Inhaber eines Zahnlabors, der Schadensersatzansprüche aus entgangenem Gewinn gegen einen Handwerker, der das Labor stillgelegt hat, geltend macht, diesem gegenüber verpflichtet, die Patientennamen und Behandlungsinhalte zu nennen, wenn er Schadensersatz konkret berechnet. Denn dem Handwerker muss es möglich sein, die Patienten als Zeugen dazu zu benennen, dass der tatsächliche Leistungsumfang geringer war als in der Schadensersatzberechnung des Laborinhabers angegeben. Für nicht zulässig hat der BGH in diesem Zusammenhang lediglich die Abtretung der Schadensersatzforderung an einen Dritten gehalten, da hierdurch unnötig eine Erweiterung des kenntniserhaltenden Personenkreises erfolgen würde. In gleicher Weise hat auch das Bundesverwaltungsgericht (Entscheidung vom 19.04.2000; 2 WDB 2/00) entschieden, dass selbst bei einem anerkannten privaten Geheimhaltungsinteresse das Interesse an der Wahrheitsfindung dieses überwiegen kann.

Die Bekanntgabe des Patientennamens, die somit nicht gegen §203 StGB verstößt, war damit zumindest aus Gründen der Waffengleichheit erforderlich, da der Beklagte sich ebenfalls auf eine Zeugin für seinen Vortrag stützt, die außerhalb der Prozessparteien steht, während dem Kläger ein solcher Zeuge nicht zur Verfügung steht. Dieses Verhalten führt in der Gesamtabwägung jedenfalls dazu, dass auch eine Vernehmung der Zeugin K nicht erforderlich war, sondern zu unterstellen ist, dass die Beklagte auf Grund der Beweisvereitelung des Gegenbeweises jedenfalls eine Überzeugung des Gerichts von der zu beweisenden Tatsache nicht herbeiführen konnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision wurde mangels allgemeiner Bedeutung nicht zugelassen, zumal es dem Beklagten unbenommen ist, dem Kläger eine neue Abmahnung zu erteilen, die ohne den Vorwurf der Patientenanwesenheit den weiteren Inhalt der bisher erteilten Abmahnung wiederholt.

Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 72 a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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