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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 20.12.2004
Aktenzeichen: 2 Sa 695/04
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1
Eine Betriebsvereinbarung, nach der das Arbeitsverhältnis von Mitarbeitern, die die Arbeitszeit verkürzen, nicht vor dem Ablauf der Geltungsdauer der Betriebsvereinbarung (1 Jahr) endet, verkürzt den Auswahlbereich der Sozialauswahl bei trotzdem erforderlichen Kündigungen nicht zu Lasten von Mitarbeitern, die sich der Arbeitszeitverkürzung nicht anschließen.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 Sa 695/04

Verkündet am 20. Dezember 2004

In Sachen

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 20.12.2004 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Olesch als Vorsitzende sowie die ehrenamtlichen Richter Gehrdt und Kusel

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 16.12.2003 - 17 Ca 7577/03 - wird auf deren Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Von der Darstellung des erstinstanzlichen Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Mit der Berufungsbegründung hat die Beklagte vorgetragen, sie habe im Bereich Verticals am Standort K 22 Mitarbeiter beschäftigt, wobei sie sich betriebsbedingt von vier Mitarbeitern, unter denen der Kläger ist, durch Kündigung trennen wolle. Sie habe dabei alle diejenigen Mitarbeiter aus der Sozialauswahl herausgenommen, auf die die Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitverkürzung vom 18.12.2002 unmittelbar Anwendung finde bzw. die als außertarifliche Mitarbeiter entsprechende individualvertragliche Vereinbarungen abgeschlossen hätten. Deshalb hätten zur Umsetzung des unternehmerischen Sparkonzepts alle diejenigen Mitarbeiter gekündigt werden müssen, die keinem besonderen Kündigungsschutz unterlagen. Die Betriebsvereinbarung lautet hinsichtlich der zugesagten Beschäftigungssicherung wie folgt:

§ 6 Beschäftigungssicherung

Für die Laufzeit dieser Vereinbarung wird grundsätzlich gegenüber den Betroffenen keine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen. Sollte dennoch eine betriebsbedingte Kündigung im Sinne des § 1 KSchG erforderlich sein, wird die Entlassung infolge der betriebsbedingten Kündigung frühestens mit dem Ende der Absenkung der Arbeitszeit wirksam.

Mit den nicht unter diese Regelung fallenden AT-Mitarbeitern, die freiwillig eine dieser Betriebsvereinbarungen entsprechende Regelung vereinbaren, wird der Ausschluss der Wirksamkeit betriebsbedingter Kündigungen für die Dauer der Arbeitszeitverkürzung individualvertraglich vereinbart.

Diese Betriebsvereinbarung war kündbar und endete spätestens mit dem 31.12.2003. Die Betriebsparteien hatten eine Nachwirkung ausgeschlossen. Ferner enthielt die Betriebsvereinbarung eine Nachverhandlungsklausel, die wie folgt lautete:

Sollte sich die Situation des Unternehmens nicht grundsätzlich während der Laufzeit dieser Vereinbarung verändern, verhandeln die Geschäftsleitung und der Betriebsrat rechtzeitig vor dem Auslauf der Vereinbarung, um eine Verlängerung um ein weiteres Jahr. Verändert sich die Situation des Unternehmens vor Ablauf dieser Vereinbarung nachhaltig, verhandeln Geschäftsleitung und Betriebsrat über eine vorzeitige Beendigung der Vereinbarung.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 16.12.2003 - 17 Ca 7577/03 - die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige und fristgerechte, insbesondere innerhalb der absoluten Berufungsfrist eingegangene Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Die Kündigung des Klägers ist gemäß § 1 des auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Kündigungsschutzgesetzes sozial nicht gerechtfertigt, da die Beklagte hinsichtlich der Sozialauswahl von einem fehlerhaften Auswahlkreis ausgegangen ist. Die Herausnahme von Mitarbeitern aus dem Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer auf Grund der Betriebsvereinbarung vom 18.12.2002 sowie der individualrechtlich vereinbarten Unkündbarkeit außertariflicher Mitarbeiter rechtfertigt ein Abweichen von den gesetzlichen Regelungen zur Sozialauswahl nicht. Denn die Betriebsvereinbarung regelt gerade keinen absoluten Kündigungsschutz dieser Mitarbeiter. Auf die im Arbeitsrecht diskutierte und bislang noch nicht vom BAG entschiedene Frage, ob grundsätzlich eine einzelvertragliche oder durch Betriebsvereinbarung herbeigeführte Unkündbarkeit bestimmter Mitarbeiter die kündigungsschutzrechtlich erworbene Position eines anderen Mitarbeiters beeinträchtigen kann, kommt es vorliegend deshalb nicht an. Insbesondere ist der vorliegende Rechtsstreit nicht mit demjenigen des LAG Düsseldorf (Urteil vom 25.08.2004 - 12 (3) Sa 1104/04 - DB 2004, Seite 2588) vergleichbar. Denn die bei der Beklagten anwendbare Betriebsvereinbarung bewirkt keinen absoluten Kündigungsschutz der Mitarbeiter, die sich zur Arbeitszeitverkürzung bereit erklärt haben. Dies ergibt sich unmittelbar bereits aus dem Wortlaut des § 6 der Betriebsvereinbarung. Zum einen heißt es dort, dass während der Laufzeit der Vereinbarung grundsätzlich keine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen wird. Die Betriebsvereinbarung regelt sofort im nächsten Satz, dass solche betriebsbedingten Kündigungen jedoch sehr wohl von den Betriebsparteien für möglich gehalten wurden und dass diese nicht generell ausgeschlossen sind, sondern lediglich die Wirkung einer betriebsbedingten Kündigung erst mit dem Ende der Laufzeit der Betriebsvereinbarung eintreten soll. Damit ergibt sich, dass der auf Grund der Betriebsvereinbarung bzw. der analogen individualrechtlichen Vereinbarung mit AT-Mitarbeitern gegebene Kündigungsschutz lediglich den Entlasszeitpunkt nach hinten verschob, nicht aber generell den Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung gegenüber den geschützten Arbeitnehmern untersagte.

Dieses Ende der Laufzeit fiel mit dem Ablauf der Kündigungsfrist der Kündigung, die dem Kläger ausgesprochen wurde zusammen. Selbst wenn also andere Arbeitnehmer kürzere Kündigungsfristen gehabt hätten, so wäre bei richtiger Sozialauswahl dasselbe finanzielle Ergebnis für die Sanierung des Betriebes herausgekommen wie bei der Kündigung des Klägers. Diese wirkte nämlich ebenfalls wegen der einzuhaltenden Kündigungsfrist zum 31.12.2003. Das wirtschaftliche Ergebnis der Betriebssanierung konnte deshalb ohne weiteres auch durch Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer, der unter die Betriebsvereinbarung fiel, erreicht werden.

Zudem kann auch aus der Schlussformel über die Nachverhandlungsoption beschlossen werden, dass auch der Fall einer weiteren wirtschaftlichen Verschlechterung dazu führen konnte, die Betriebsvereinbarung vorzeitig außer Kraft zu setzen, um die erforderlich werdenden weiteren betriebsbedingten Kündigungen unter Wahrung der korrekten Sozialauswahl durchführen zu können. Insgesamt ergibt sich damit, dass jedenfalls auf Grund der Betriebsvereinbarung keine Benachteiligung von Mitarbeitern erfolgen sollte, die sich an der Arbeitszeitverkürzung nicht beteiligen konnten oder wollten. Vielmehr war durch die kurze Laufzeit der Regelung und durch die Möglichkeit, diese zunächst auszusetzen, um notwendige Anpassungen des Personalstandes durch Kündigungen umzusetzen und sodann eine neue Betriebsvereinbarung abzuschließen sichergestellt, dass ein Eingriff in erworbene soziale Besitzstände nicht eintreten konnte. Hierbei kann zudem weiterhin noch berücksichtigt werden, dass die gesamte Betriebsvereinbarung dann nicht in Kraft getreten wäre, wenn die beabsichtigte Verringerung der Anzahl der Mitarbeiterkapazitäten um mindestens 54 nicht zustande gekommen wäre. Grundlage war also, dass bei Abschluss der Vereinbarung auch von Arbeitgeberseite prognostiziert wurde, dass bei Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung für keinen Arbeitnehmer eine Kündigung ausgesprochen werden musste, weil nämlich der bei Inkrafttreten der Betriebsvereinbarung für erforderlich gehaltene Kapazitätsabbau erreicht worden war. Hätte sich die erforderliche Anzahl von Mitarbeitern nicht entschlossen, bei der Arbeitszeitreduzierung mitzuwirken, so hätte die Beklagte sogleich ein Restrukturierungsprogramm mit Kündigungen umgesetzt. Die nachträgliche Änderung, wonach selbst der durchgeführte Kapazitätsabbau nicht ausreichend war, kann deshalb durchaus als Grundlage der vorzeitigen Beendigung der BV angesehen werden. Auch in diesem Fall wäre die regelmäßige Sozialauswahl zur Anwendung gelangt.

Damit steht insgesamt fest, dass die Kündigung deshalb unwirksam ist, weil die Beklagte in den Kreis der vergleichbaren Mitarbeiter sozial weniger schutzwürdige Mitarbeiter nicht einbezogen hat, weil sie diese auf Grund der Betriebsvereinbarung für kündigungsgeschützt hielt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision wurde nicht zugelassen, da wegen der Besonderheit der Betriebsvereinbarung die grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage der Herausnahme aus der Sozialauswahl durch Vereinbarung von Unkündbarkeit nicht entscheidungserheblich war.

Ende der Entscheidung

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