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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 07.10.2003
Aktenzeichen: 2 Ta 304/03
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 2 Abs. 1
ArbGG § 5 Abs. 1
Die Qualifizierung eines Vertragsverhältnisses als Arbeitsverhältnis setzt die Weisungsgebundenheit des Vertragspartners, die Eingliederung in die Arbeitsorganisation und das Vorhandensein eines arbeitgeberseitigen Direktionsrechts voraus. Erbringt ein Berater im Auftrag seines Vertragspartners Beratungsleistungen gegenüber einem Dritten, so folgt die Notwendigkeit der zeitlichen Abstimmung mit dem Dritten aus der Beratungsaufgabe und nicht aus einem arbeitgeberseitigen Weisungsrecht. Auch die Kontrolle der erbrachten Leistungen und die Aufforderung die Leistungen innerhalb vorgegebener Frist gegenüber dem Vertragspartner zu dokumentieren, folgen aus der Natur der Beratungsleistung. Verbleibt es innerhalb der Rahmenbedingungen bei freier Arbeitzeit und freiem Arbeitsort und dient die Weisungsbefugnis lediglich der Erfolgskontrolle, handelt es sich i. d. R. nicht um ein Arbeitsverhältnis.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN BESCHLUSS

2 Ta 304/03

In Sachen

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln am 07.10.2003 - ohne mündliche Verhandlung - durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Olesch als Vorsitzende

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Rechtswegbeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 01.07.2003 - 14 Ca 13540/02 - wird auf dessen Kosten zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Der Kläger macht im vorliegenden Verfahren restliche Vergütung sowie die Feststellung eines Schadensersatzanspruches wegen verzögerter Vergütungszahlung dem Grunde nach geltend.

Der Kläger, der als Rechtsanwalt und Versicherungsberater firmiert, schloss am 22.01.2000 einen Vertrag mit der Beklagten als "Resident Team Leader". Der Tätigkeit lag eine Ausschreibung zu Grunde, wonach es Hauptaufgabe des Stelleninhabers war, Beratungstätigkeiten in L im Hinblick auf den geplanten EU-Anschluss zu erbringen. Begünstigte der Beratung war das l Finanzministerium sowie die S , die staatliche l Versicherungsaufsichtsbehörde. Besonderer Schwerpunkt der Tätigkeiten war es, im Hinblick auf durchzuführende und geplante Gesetzesänderungen Einfluss im Hinblick auf EU-Konformität zu nehmen. Das Projekt wurde im Zusammenarbeit mit der EU-Organisation "Phare" durchgeführt, welche gezielte Hilfestellung bei der EU-Erweiterung gegenüber den Beitrittsstaaten leistet.

Die Vergütung des Klägers war im Vertrag als Tagesvergütung ausgestaltet. Es war vorgesehen, dass innerhalb einer Vertragslaufzeit von zehn Kalendermonaten eine maximale Gesamtzeit von 150 Mann-Tagen geleistet wird. Der Vertrag war ausdrücklich als freier Mitarbeitervertrag gestaltet. In Art. 2 wurde darauf hingewiesen, dass insbesondere nicht erwartet wird, dass der Arbeitsplatzinhaber ausschließlich die volle Zeit an dem Projekt arbeitet. Für die Projekttätigkeit wurde V im Vertrag als offizieller Arbeitsort vereinbart. Der Kläger war nach dem Vertrag den Weisungen und Anordnungen des Projektmanagers unterworfen. Ihm waren Berichtspflichten auferlegt. Die tatsächlich erteilten und vom Kläger in dem vorliegenden Verfahren dokumentierten Weisungen bezogen sich im Wesentlichen auf Fristsetzungen für Berichte und Arbeitsergebnisse. Weisungen, die sich auf die Inhalte der Beratung bezogen, hat der Kläger nicht geschildert.

Der Kläger vertritt die Ansicht, er sei Arbeitnehmer der Beklagten gewesen, weshalb sich die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit ergebe. Die Beklagte habe seinen Arbeitsort in V vorgeschrieben. Dort sei auch die Arbeitszeit, nämlich von 9:00 Uhr bis zum Betriebsschluss der S vorgegeben gewesen. Bei durchschnittlich 15 Arbeitstagen im Monat sei seine gesamte Arbeitskraft dort gebunden gewesen. Die erteilten Weisungen zur Abgabe von Berichten und Dokumentationen hält er für Weisungen im Rahmen eines arbeitsvertraglichen Anweisungsverhältnisses.

Die Beklagte ist der Ansicht, dem Kläger sei genügend Zeit verblieben, seine eigene geschäftliche Tätigkeit als Rechtsanwalt und Versicherungsberater weiterzuführen. Sie habe weder die einzelnen Arbeitstage festgelegt, noch im Übrigen Lage und Dauer der Tätigkeit in V . Diese sei vielmehr durch den Direktor der S bestimmt worden, da die Beratungsinhalte hauptsächlich diesem gegenüber zu erbringen gewesen seien.

Das Arbeitsgericht Köln hat den Rechtsstreit an das Landgericht verwiesen, da es die klassische Einbindung in eine arbeitgeberseitige Organisations- und Weisungsstruktur nicht für gegeben gehalten hat. Gegen diese am 24.07.2003 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 08.08.2003 sofortige Beschwerde eingelegt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- Streitstandes wird gemäß § 313 ZPO auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Anlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige und fristgerechte sofortige Beschwerde ist unbegründet, da das Arbeitsgericht den Rechtsstreit zu Recht an das zuständige Landgericht Köln verwiesen hat. Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ist nicht gegeben, da der Kläger nicht Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnliche Person ist im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 ArbGG ist.

Der Kläger ist nicht Arbeitnehmer, da er nicht auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages in persönlicher, d. h. weisungsgebundener Abhängigkeit fremdbestimmte Arbeit für einen anderen, den Arbeitgeber leistet. Die persönliche Abhängigkeit findet ihr Ausprägung insbesondere darin, dass der Arbeitnehmer seine Leistung im Rahmen der vom Arbeitgeber bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen hat und die Eingliederung in die betriebliche Arbeitsorganisation dadurch deutlich wird, dass der Arbeitnehmer hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der Tätigkeit aber auch hinsichtlich Inhalt und Durchführung der Tätigkeit dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (BAG AP Nr. 42 und Nr. 45 zu § 611 BGB Abhängigkeit ständige Rechtsprechung). Nicht maßgeblich ist dabei, wie die Parteien das Vertragsverhältnis bezeichnen, sondern wie dieses tatsächlich durchgeführt wird.

Legt man die vorgenannte Definition zu Grunde, so war der Kläger nicht in die Arbeitsorganisation der Beklagten eingegliedert und dort weisungsgebunden tätig. Insbesondere die Tatsache, dass nur der Beginn nicht aber das genaue Ende der Dienstleistung des Klägers bezeichnet war, belegt, dass eine Weisungsgebundenheit des Klägers hinsichtlich Dauer und Lage der Arbeitszeit nicht gegeben ist. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass der Kläger innerhalb eines Zehnmonatszeitraums die einzelnen Arbeitstage selbst bestimmen konnte. Er hatte sich dabei allerdings an die Bedürfnisse der Begünstigten, d. h. des litauischen Finanzministeriums und des Direktors der S , der Hauptnutznießer der Beratungstätigkeit des Klägers sein sollte, anzupassen. Hierbei handelt es sich aber gerade nicht um die Arbeitsorganisation der Beklagten oder um von ihr vorgegebene, angewiesene Arbeitszeitkriterien, sondern um Bindungen, die sich aus der Besonderheit der Aufgabe, die der Kläger wahrnehmen sollte, ergaben. Die Beratungsleistung hatte sich nach den Bedürfnissen des zu Beratenden zu richten und musste mit diesem abgesprochen werden, ohne dass jedoch der zu Beratende wiederum dem Kläger hätte insoweit Weisungen erteilen können. Die Abstimmung der Beratungszeiten ergab sich vielmehr aus der Natur der Tätigkeit "Beratung" als solcher. Zudem hat der Kläger Zeitübersichten vorgelegt, in denen er Tätigkeitstage auch auf Wochenendtage verteilt. Unterstellt man, der Kläger wäre berechtigt gewesen, seine Leistungen am Wochenende zu erbringen, so ergibt sich durch die Vorgabe, in ca. zehn Monaten rund 150 Mann-Tage zu erbringen, dass der Kläger etwa die Hälfte eines Monats zur freien Verfügung und unter Berücksichtigung angemessener Freizeit ein Drittel des Monats zur anderweitigen Ausübung seiner Beratungstätigkeit zur Verfügung hatte. Damit konnte der Kläger im Wesentlichen die zeitliche Lage der geschuldeten Leistung frei bestimmen. Soweit Einschränkungen gegeben waren dadurch, dass der Kläger verpflichtet war, an bestimmten Meetings teilzunehmen, beruht auch dies auf der Besonderheit der Beratungsaufgabe sowie auf der der Beklagten vorbehaltenen Möglichkeit, die Beratungsergebnisse zu kontrollieren.

Auch die vom Kläger vorgelegten Beispiele konkreter Weisungen beziehen sich darauf, dass die Beklagte den Nachweis der Arbeitsergebnisse des Klägers verlangt und hierfür Fristen setzt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der überwiegende Teil der Weisungen in der Phase der Auflösung des Vertragsverhältnisses und insbesondere deshalb erfolgte, weil die Beklagte mit den Ergebnissen der Tätigkeit des Klägers nicht zufrieden war. Hieraus resultiert der relativ enge zeitliche Rahmen innerhalb dessen die Beklagte zu Ende des Vertragsverhältnisses vom Kläger Leistungen einfordert, die sie von diesem bereits zu einem früheren Zeitpunkt erwartet hatte. Trotz der zeitlichen Vorgaben verblieb dem Kläger aber auch hier ein hohes Maß an zeitlicher Gestaltungsfreiheit, da die Beklagte zum festgesetzten Termin lediglich das Leistungsergebnis zu prüfen wünschte, jedoch keine Vorgaben für Ort und Zeit der Bearbeitung der schriftlich gewünschten Dokumentation machte.

Die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers folgt auch nicht aus der dem Vertrag zu Grunde liegenden Beschreibung der Anforderung an den Teamleader im technischen Angebot. Vielmehr beschreibt das technische Angebot, dass heißt die Ausschreibung lediglich die Voraussetzungen, die der Teamleader mitbringen soll. Er muss Erfahrungen aus wenigstens 20 Jahre Tätigkeit im Versicherungsgeschäft mitbringen und soll (zum Zeitpunkt der Bewerbung) erfahrener Versicherungsmitarbeiter sein oder gewesen sein. Hieraus folgt nicht, dass die Tätigkeit für die Beklagte im Wege eines Arbeitsverhältnisses erbracht wird. Vielmehr kann der vom Kläger nur in englisch und unvollständig vorgelegten Ausschreibung gerade entnommen werden, dass der Teamleader im Rahmen der EU-Direktiven dem Direktor der S im Hinblick auf die Aufgaben beratend zur Seite steht, die sich im Rahmen des Anschlusses von Litauen an die EU, insbesondere bei zukünftigen litauischen Gesetzgebungsverfahren ergeben.

Damit war auch durch die Aufgabenstellung als solche bereits der Arbeitsort festgelegt, nicht aber durch die Ausübung von arbeitgeberseitigem Weisungsrecht. Es war nicht zu erwarten, dass der Direktor der S dem Kläger den Ort der Beratungsleistung überlassen würde, vielmehr ergab sich hinsichtlich der konkreten Zusammenarbeit mit dem Direktor der S der Ort der Arbeitsleistung in V und im Gebäude der S aus der Aufgabenstellung. Soweit dem Kläger andere Tätigkeiten oblagen, konnte er das eingerichtete Büro nutzen oder falls die dort vorhandenen technischen und Kommunikationsmittel nicht benötigt wurden, seine Tätigkeit mittels Laptop an einem von ihm gewählten Ort erbringen. Individuelle Weisungen hinsichtlich des Arbeitsortes, die über das Maß dessen hinaus gingen, was die Beklagte zur Erfolgs- und Leistungskontrolle benötigte, insbesondere Weisungen, die Arbeit im Büro der Beklagten in K zu erbringen, sind nicht erteilt worden.

Damit bleibt es bei der Feststellung, dass der Kläger in der ihm konkret übertragenen Projekttätigkeit nicht Arbeitnehmer der Beklagten war.

Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger als arbeitnehmerähnliche Person einzuordnen wäre. Die hierfür erforderliche wirtschaftliche Unselbstständigkeit hat der Kläger nicht in ausreichender Weise dargestellt. Insbesondere ergeben sich Zweifel daraus, dass der Kläger als Rechtsanwalt firmiert und damit typischerweise seine wirtschaftliche Existenzgrundlage durch Aufträge wechselnder Auftraggeber sichert. Die ihm zur Verfügung stehende freie Zeit war durchaus ausreichend, um nicht auf die ausschließliche Verwertung seiner Arbeitskraft im Vertragsverhältnis mit der Beklagten angewiesen zu sein. Wenn es zudem zutrifft, dass der Kläger die Ausschreibungsvoraussetzungen, nämlich wenigstens 20 Jahre leitender Angestellter im Versicherungsgewerbe gewesen zu sein erfüllt hat, so wäre es Sache des Klägers gewesen, seine Vermögenslage im Einzelnen zu schildern, da eine arbeitnehmertypische Schutzbedürftigkeit nur dann angenommen werden kann, wenn übrige Einnahmequellen einschließlich Vermögen und Zinseinnahmen selbst unter erheblicher Einschränkung des Lebenshaltungsstils nicht ausreichen, um sich "über Wasser zu halten" (BAGE 14 Seite 17). Eine Bindung an die Beklagte in der Weise, dass ohne deren Auftrag die wirtschaftliche Existenzgrundlage entfallen würde, kann damit nach dem vom Kläger dargestellten Sachverhalt nicht angenommen werden. Ob darüber hinaus die wirtschaftliche Abhängigkeit auch deshalb zu verneinen ist, weil die Aufgaben des Klägers von vornherein auf ca. 150 Mann-Tage beschränkt waren und deshalb eine wirtschaftliche Unselbstständigkeit im Sinne einer Auftragsabhängigkeit bereits nicht begründen konnten, kann dahinstehen.

Da der Kläger mit dem von ihm eingelegten Rechtsmittel unterlegen ist, trägt er die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 97 Abs. 1 ZPO. Die Rechtsbeschwerde wurde mangels allgemeiner Bedeutung des Rechtsstreits nicht zugelassen.

Ende der Entscheidung

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