Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 08.05.2006
Aktenzeichen: 2 TaBV 22/06
Rechtsgebiete: BetrVG, ZPO


Vorschriften:

BetrVG § 19
BetrVG § 18
BetrVG § 4
ZPO § 935
ZPO § 940
Eine voraussichtlich nichtige Wahl eines Betriebsrats kann im Wege der einstweiligen Verfügung abgebrochen werden. Nichtig ist die Wahl eines Betriebsrats, wenn ein Teil der Wahlberechtigten bereits einen eigenen Betriebsrat gebildet hat. Auch wenn diese erste Wahl wegen möglicherweise gegebener Verkennung des Betriebsbegriffs anfechtbar ist, so ist eine Doppelzuständigkeit von 2 Betriebsräten für dieselben Mitarbeiter nicht zulässig.
Tenor:

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 27.04.2006 - 22 BVGa 18/06 - abgeändert:

Dem Antragsgegner wird aufgegeben, die Betriebsratswahl, die aufgrund des Wahlausschreibens vom 13. März 2006 eingeleitet wurde und auf den 9. Mai 2006 terminiert wurde, abzubrechen. Soweit eine Neuwahl vor Rechtskraft des Verfahrens 8 BV 247/05 Arbeitsgericht Köln durchgeführt wird, sind die 47 Mitarbeiter mit der Funktion "Bezirksverkaufsleiter (BVL)" bzw. "BVL-Koordinator" nicht auf der Wählerliste zu führen.

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten um den Abbruch einer Betriebsratswahl im gemeinsamen Betrieb der Hauptverwaltung der Beteiligten zu 5) und 6).

Die Beteiligte zu 5) unterhält mehrere Werke, die als eigenständige Betriebe organisiert sind und in denen sie Knabbergebäck und Chips herstellen lässt. In den einzelnen Produktionsstätten sind jeweils Betriebsräte gewählt worden. In der Hauptverwaltung "Werke" in K war bislang kein Betriebsrat gewählt. Die Beteiligte zu 6) vertreibt die Produkte der Beteiligten zu 5). Sie hat hierzu einzelne Zentrallager eingerichtet, von denen aus der Vertrieb durch den Außendienst im Wege der sogenannten "Frischdienstorganisation" vorgenommen wird. Diese Frischdienstreisenden besuchen auf vorgegebenen Kundentouren den Einzelhandel, Tankstellen und Kioske. In den Auslieferungslagern wurden ebenfalls Betriebsräte gebildet. Die Hauptverwaltung "Vertrieb" befindet sich ebenfalls in Köln.

Daneben bestehen Arbeitsverträge mit 47 Bezirksverkaufsleitern ("BVL") bzw. Bezirksverkaufsleiterkoordinatoren. Diese Mitarbeiter werden von vier Vorgesetzten geführt. Sie arbeiten über ganz D verteilt und sind für das sogenannte "Großflächengeschäft" zuständig. Dabei handelt es sich um große Handelsketten im Lebensmittelbereich wie z. B. R , r , t oder H . Diese Großflächenkunden werden von Spediteuren aus eigenen Lagern beliefert. Auch der Regalservice für diese Kunden wird im Regelfall durch die Spediteure durchgeführt und gehört anders als bei den sogenannten Frischdienstreisenden nicht zum Aufgabengebiet der Bezirksverkaufsleiter. Bei den sogenannten Bezirksverkaufsleiterkoordinatoren handelt es sich um Springer im BVL-Bereich zur Vertretung im Krankheits- und Urlaubsfall. Die Bezirksverkaufsleiter sind in keinen betrieblichen Ablauf eingegliedert. Auch ihre Vorgesetzten arbeiten nicht überwiegend in der Hauptverwaltung.

Die Bezirksverkaufsleiter haben im Jahre 2002 einen Betriebsrat gewählt. Die Wahl wurde nicht angefochten. Im Jahr 2003 haben die Mitarbeiter der Hauptverwaltung der Beteiligten zu 6) (Hauptverwaltung "Vertrieb") ebenfalls einen Betriebsrat gewählt. Bei dieser Betriebsratswahl haben die Bezirksverkaufsleiter nicht mitgewählt. Der Betriebsrat "BVL" ist Ende 2005 zurückgetreten. Am 16.12.2005 wurde ein neuer Betriebsrat für Bezirksverkaufsleiter und Bezirksverkaufsleiterkoordinatoren gewählt, der Beteiligte zu 1). Diese Betriebsratswahl ist angefochten worden. Hierüber wird vor dem Arbeitsgericht Köln das Verfahren - 8 BV 247/05 - geführt.

Unstreitig bilden die Hauptverwaltung der Beteiligten zu 5) (Hauptverwaltung "Werke") und die Hauptverwaltung der Beteiligten zu 6) (Hauptverwaltung "Vertrieb") in einer gemeinsamen Betriebsstätte einen gemeinsamen Betrieb. Deshalb wurde mit Wahlausschreiben vom 13.03.2006 eine Betriebsratswahl eingeleitet, die neben 106 in der gemeinsamen Hauptverwaltung beschäftigten Frauen und 89 in der Hauptverwaltung beschäftigten Männern, die 47 Bezirksverkaufsleiter mit beinhaltete. 37 der Bezirksverkaufsleiter haben Beschwerde gegen die Aufnahme in die Wählerliste erhoben. Diese wurde vom Wahlvorstand, der im vorliegenden Verfahren der Antragsgegner ist, zurückgewiesen. Der Wahlvorstand vertritt die Ansicht, die 47 BVL seien trotz der Tatsache, dass sie bereits einen eigenen Betriebsrat gebildet haben, zur Wahl des Betriebsrates der Hauptverwaltung wahlberechtigt, da der Betriebsbegriff bei der Wahl des BVL-Betriebsrates offensichtlich verkannt worden sei. Die Gruppierung erfülle nicht die Voraussetzungen, die für die Wahl eines Betriebsrats nach § 4 BetrVG erforderlich sind. Insbesondere fehle es an einer eigenständigen Organisation.

Aufgrund der Zurechnung der Bezirksverkaufsleiter zur gemeinsamen Hauptverwaltung würde der neu zu errichtende Betriebsrat neun Personen umfassen, von denen ein Betriebsratsmitglied frei zu stellen wäre. In diesem Fall wären die Frauen das Minderheitsgeschlecht und mit mindestens 4 Betriebsratssitzen zu berücksichtigen. Bleiben die Bezirksverkaufsleiter unberücksichtigt, so kann der Betriebsrat nur aus sieben Mitgliedern bestehen und die Männer wären das Minderheitsgeschlecht. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht haben die Beteiligten darüber hinaus mitgeteilt, dass die Bezirksverkaufsleiter wegen der Ungewissheit des Ausgangs des vorliegenden Verfahrens vorsorglich eine eigene Liste aufgestellt haben, um für den Fall nicht ohne Vertreter zu bleiben, dass der BVL-Betriebsrat aufgelöst wird und die Interessen der Bezirksverkaufsleiter durch den Betriebsrat der Hauptverwaltung wahrgenommen werden. Die Antragsteller sind der Ansicht, dass die geplante Betriebsratswahl unter Berücksichtigung der 47 Bezirksverkaufsleiter, die bereits betriebsverfassungsrechtlich durch einen eigenen Betriebsrat repräsentiert werden, nichtig sei, da eine Doppelwahl betriebsverfassungsrechtlich unzulässig sei. Der durch das Betriebsverfassungsgesetz garantierte Bestandsschutz für anfechtbar gewählte Betriebsräte sei bei der vorliegenden Wahl auch dann zu berücksichtigen, wenn es später zu einer Auflösung des BVL-Betriebsrats komme. Insbesondere sei es den Arbeitgeberinnen nicht zumutbar, in Angelegenheiten, die die 47 Bezirksverkaufsleiter betreffe, während der Dauer des Anfechtungsverfahrens zwei Betriebsräte anhören zu müssen. Auch sei es nicht handhabbar, wenn diese beiden Betriebsräte auf Grund der sich überschneidenden Zuständigkeit zu unterschiedlichen Regelungen hinsichtlich der Betroffenen kämen. So sei der Abschuss von sich wiedersprechenden Betriebsvereinbarungen denkbar. Da auch Betriebsvereinbarungen eines anfechtbar gewählten Betriebsrates zu beachten seien, entstehe für die Zeit bis zum Abschluss des Wahlanfechtungsverfahrens eine Konfliktlage, die nur dadurch beseitigt werden könne, dass zunächst der Betriebsrat in der Hauptverwaltung ohne die 47 Bezirksverkaufsleiter gewählt werde.

Das Arbeitsgericht hat die geplante Betriebsratswahl nicht abgebrochen sondern seine Entscheidung damit begründet, dass nach dem bisherigen Vortrag eine ganz überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass das Wahlanfechtungsverfahren hinsichtlich des von den Bezirksverkaufsleitern gewählten Betriebsrates zur Auflösung dieses Betriebsrates führe. Dann sei es nicht zumutbar sehenden Auges einen fehlerhaften verkleinerten Betriebsrat zu wählen, um später erstmals unter Berücksichtigung des zutreffenden Betriebsbegriffs neu zu wählen. Hiergegen richten sich die Antragsteller mit ihrer sofortigen Beschwerde.

Sie beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Arbeitsgerichts Köln - 22 BVGa 18/06 - vom 28.04.2006 im Wege der einstweiligen Verfügung den Abbruch der vom Antragsgegner und Beschwerdegegner mit Wahlausschreiben vom 13.03.2006 eingeleiteten und auf den 09.05.2006 terminierten Betriebsratswahl zum gemeinsamen Betrieb der Firma I und der Firma I anzuordnen und dem Antragsgegner und Beschwerdegegner aufzugeben, unverzüglich ein neues ordnungsgemäßes Wahlverfahren einzuleiten;

hilfsweise, das vom Antragsgegner und Beschwerdegegner mit Wahlausschreiben vom 13.03.2006 eingeleitete Wahlverfahren zum Betriebsrat im Gemeinschaftsunternehmen der Firma Intersnack Vertriebs GmbH und der Firma I wie folgt zu korrigieren:

Von der Wählerliste "Männer" zum Wahlausschreiben vom 13.03.2006 werden nachfolgende aufgelistete 47 Mitarbeiter mit der Funktion Bezirksverkaufsleiter (BVL) " BVL-Koordinator" gestrichen:

A F Bezirksverkaufleiter

B H Bezirksverkaufleiter

B W BVL-Koordinator

B O Bezirksverkaufleiter

C J Bezirksverkaufleiter

D H BVL-Koordinator

D D Bezirksverkaufleiter

D K D Bezirksverkaufleiter

E H Bezirksverkaufleiter

E T Bezirksverkaufleiter

En H J Bezirksverkaufleiter

F A Bezirksverkaufleiter

G S Bezirksverkaufleiter

G W Bezirksverkaufleiter

H W Bezirksverkaufleiter

H H BVL-Koordinator

H M BVL-Koordinator

I W Bezirksverkaufleiter

K J Bezirksverkaufleiter

K M Bezirksverkaufleiter

K G Bezirksverkaufleiter

K P Bezirksverkaufleiter

L B Bezirksverkaufleiter

Lö H Bezirksverkaufleiter

M R Bezirksverkaufleiter

M K Bezirksverkaufleiter

M H Bezirksverkaufleiter

M H J BVL-Koordinator

M M Bezirksverkaufleiter

N R Bezirksverkaufleiter

P S Bezirksverkaufleiter

Pi L Bezirksverkaufleiter

P L BVL-Koordinator

R R Bezirksverkaufleiter

Ri W Bezirksverkaufleiter

R U Bezirksverkaufleiter

S R Bezirksverkaufleiter

S H Bezirksverkaufleiter

S R BVL-Koordinator

S E Bezirksverkaufleiter

S M Bezirksverkaufleiter

S Mi Bezirksverkaufleiter

S P Bezirksverkaufleiter

S H BVL-Koordinator

Si H BVL-Koordinator

Ti A BVL-Koordinator

W R Bezirksverkaufleiter

Der zu wählende Betriebsrat besteht insgesamt aus 7 Mitgliedern.

Die wahlberechtigten Männer als Minderheitsgeschlecht und die auf sie entfallenen Betriebsratssitze auszuweisen.

Dem Antragsgegner und Beschwerdegegner aufzugeben, das Wahlausschreiben entsprechend den vorstehenden Ziffern 2) und 3) zu korrigieren und dem Antragsgegner und Beschwerdegegner für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen diese Verpflichtung ein Ordnungsgeld, das in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, ersatzweise Ordnungshaft, anzudrohen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hat in der mündlichen Verhandlung zusätzlich noch darauf hingewiesen, dass die Untersagung der Betriebsratswahl, so wie sie mit Wahlausschreiben vom 13.03.2006 eingeleitet wurde dazu führen könne, dass ein zu klein gewählter Betriebsrat möglicherweise nicht angefochten werde, so dass es bei erfolgreicher Anfechtung der Wahl des BVL-Betriebsrates dazu kommen könne, das gleichwohl der für alle zu bildende Betriebsrat während der nächsten Wahlperiode nur aus sieben Mitarbeitern bestehe.

II. Die zulässige und fristgerechte Beschwerde ist begründet. Denn die beabsichtigte Betriebsratswahl im gemeinsamen Betrieb der Hauptverwaltung der Beteiligten zu 5 ) und 6) unter Mitwirkung der 47 Bezirksverkaufleiter wäre nichtig.

In laufende Betriebsratswahlen kann im Wege der einstweiligen Verfügung nur eingegriffen werden, wenn die Wahl mit Sicherheit als nichtig anzusehen wäre. (Hessisches LAG 9. Kammer Beschluss vom 05.04.2002 - 9 TaBVGa 64/02 -; Juris; mit weitern Nachweisen)

Die Wahl eines Betriebsrates für einen Betrieb oder Betriebsteil, in dem bereits ein (nicht nichtiger) Betriebsrat gewählt ist, ist nichtig, denn die Zuständigkeit von zwei Betriebsräten für ein und denselben Betriebsteil ist nach dem Betriebsverfassungsgesetz unmöglich. Diese betriebsverfassungswidrige Situation kann auch nicht für eine Übergangszeit toleriert werden. (vgl. Hessisches LAG 9. Kammer Beschluss vom 5. April 2002 - 9 TaBVGa 61/02 - Juris)

Die Betriebsratswahl durch die 47 Bezirksverkaufsleiter bzw. BVL-Koordinatoren ist nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar nach § 19 BetrVG. Es spricht einiges dafür dass diese Wahl unter Verkennung des Betriebsbegriff aus § 4 BetrVG zustande gekommen ist und insbesondere eine eigenständige Organisation im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nicht gegeben ist. Andererseits geht die herrschende Rechtssprechung davon aus, dass Betriebsratswahlen unter Verkennung des Betriebsbegriffs lediglich anfechtbar sind. Der Betriebsrat bleibt damit bis zur Rechtskraft des Anfechtungsverfahrens im Amt. Er nimmt die gesetzlichen Beteiligungsrechte wahr und ist vom Arbeitgeber wie ein ordnungsgemäß gewählter Betriebsrat zu behandeln. Zu dem spricht gegen die Nichtigkeit der BVL-Betriebsratswahl auch, dass der Vorgänger des im Dezember gewählten Betriebsrates seit dem Jahr 2002 unangefochten im Amt war, ohne dass die Problematik durch ein Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG geklärt wurde. Ebenso wenig hatte sich in der Vergangenheit ein Problembewusstsein dahingehend entwickelt, dass die gefundene Betriebsvertretungsstruktur durch § 3 BetrVG mittels Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung abgesichert werden könnte.

Da somit die Wahl des BVL-Betriebsrats nicht nichtig war, ist dieser Betriebsrat, letztendlich deshalb, weil seine Wahl als erste Wahl erfolgte, zunächst als für diese Arbeitnehmergruppe amtierender Betriebsrat allein vertretungsberechtigt.

Auch wenn man dem Arbeitsgericht in der Beurteilung folgt, dass eine große Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass die Bezirksverkaufsleiter ihrer Organisation nach nicht eigenständig im Sinne des § 4 S. 1 Ziff. 2 BetrVG sind, so sind die Rechtsfolgen, die bei Zulassung einer Doppelvertretung eintreten würden nicht nur für den Arbeitgeber sondern auch für die Betroffenen Arbeitnehmer und die von ihnen gewählten Vertreter unzumutbar.

Die Doppelvertretung führt nicht nur dazu, dass der Arbeitgeber für alle Mitbestimmungstatbestände, die die 47 Bezirksverkaufsleiter betreffen, während der Dauer des Anfechtungsverfahrens, die auf ca. 2 Jahre geschätzt werden kann, zwei Betriebsräte beteiligen muss. Dies kann auch zur Folge haben, dass alle betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten (z.B. Zustimmungsersetzungsverfahren) doppelt zu führen wären mit entsprechenden doppelten Anwaltskosten. Widersprechende Entscheidungen könnten nicht ausgeschlossen werden, so dass es dem Arbeitgeber unmöglich wäre, sich selbst wenn er wollte, rechtstreu zu verhalten.

Auch den Arbeitnehmern ist nicht zuzumuten, ihre Rechtsansicht, sie hätten bereits einen wirksamen Betriebsrat für sich gewählt, aufzugeben und sich im Widerspruch hierzu an den Betriebsratswahlen im gemeinsamen Betrieb zu beteiligen, um hierdurch ein Organ zu schaffen, welches in Konkurrenz zu dem erstgewählten Betriebsrat tritt. Zwar haben die Bezirksverkaufsleiter für die nunmehr untersagte Betriebsratswahl eine eigene Liste eingereicht, um nicht ohne Einfluss auf dieses Gremium zu bleiben, falls es nicht zum Wahlabbruch gekommen wäre. Letztendlich zumutbar wäre ihnen aber eine Mitarbeit in diesem Betriebsrat nicht gewesen. Hier ist auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu dem Lauf der Verfallsfrist für Ansprüche des Arbeitgebers auf Rückzahlung überzahlter Beträge nach Abschluss eines Statusverfahrens hinzuweisen (BAG vom 09.02.2005 - 5 AZR 175/04 -). Das BAG hat in ständiger Rechtsprechung die Ansicht vertreten, dass es einem Arbeitgeber nicht zumutbar ist, einerseits im Statusverfahren bis zu dessen rechtskräftigen Abschluss die Ansicht zu vertreten, der oder die Klägerin sei freier Mitarbeiter andererseits aber zur Wahrung der Verfallfristen parallel hierzu einen Prozess zu führen, in dem der Arbeitgeber dann selbst die Rechtsansicht vertreten muss, der Prozessgegner sei Arbeitnehmer/Arbeitnehmerin. Es ist deshalb vorliegend weder den von den Bezirksverkaufsleitern gewählten Betriebsräten zumutbar, in einem gemeinsamen Betriebsrat mitzuarbeiten und gleichzeitig die Ansicht zu vertreten, nicht wirksam in diesen Betriebsrat hineingewählt zu sein. Noch ist es den Arbeitnehmern zumutbar, an der Wahl zu einem gemeinsamen Betriebsrat mit zuwirken, nachdem sie zunächst selbst die Streichung von der Wählerliste verlangt haben. Dass tatsächlich aus rein pragmatischen Gründen doppelgleisig gehandelt wurde, verdeutlicht gerade, welche Konfliktlage sowohl innerhalb der betroffenen Arbeitnehmergruppe der Bezirksverkaufsleiter als auch in dem zu wählenden (zu großen) Betriebsrat entstehen würde.

Auch die Möglichkeit, dass die nach Abbruch der jetzigen Betriebsratswahl durchzuführende Wahl des verkleinerten Betriebsrates nicht angefochten wird, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Bei Unwirksamkeit der Wahl des BVL-Betriebsrats erstreckt sich die Regelungsmacht des "zu kleinen" Betriebsrats auch auf die Bezirksverkaufsleiter, ohne dass diese völlig außerhalb einer betriebsverfassungsrechtlichen Vertretung blieben. Würde man die jetzt abgebrochene Wahl zulassen, könnte umgekehrt der Fall eintreten, dass, zum Beispiel wegen Fristversäumung, sowohl die Entscheidung rechtskräftig wird, dass die Bezirksverkaufsleiter ordnungsgemäß einen Betriebsrat gewählt haben, als auch dass der Betriebsrat der Hauptverwaltung zu Recht für diese Mitarbeiter mit gewählt worden ist. Es bestünde also die Möglichkeit, dass bei Durchführung der Betriebsratswahl am 09.05.2006 auf Dauer, jedenfalls für diese Wahlperiode beide Betriebsräte mit ihrer Doppelzuständigkeit im Amt bleiben. Dieses Ergebnis kann nur durch den Wahlabbruch im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren vermieden werden.

Gerade wegen der oben im einzelnen aufgeführten Konsequenzen ist die Wahl von 2 Betriebsräten für denselben Belegschaftsteil im BetrVG nicht vorgesehen und nichtig. Es ist nicht zumutbar, auch nur für die Zeit der Durchführung des Wahlanfechtungsverfahrens einen auf diese Weise zustande gekommenen Betriebsrat zu akzeptieren.

Trotz des erheblichen Eingriffs in die beabsichtigte Betriebsratswahl und trotz der gegen die Rechtmäßigkeit der Wahl des BVL-Betriebsrats sprechenden Wahrscheinlichkeit stellt der Wahlabbruch die einzige Möglichkeit dar, um erheblichen Schaden von Arbeitgebern und Belegschaft aufgrund der nicht regelbaren widersprüchlichen Konfliktlage bei Doppelvertretung von Arbeitnehmern durch zwei Betriebsräte zu vermeiden.

Ein weiteres Rechtsmittel ist im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht gegeben.



Ende der Entscheidung

Zurück