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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 15.10.2007
Aktenzeichen: 2 TaBV 33/07
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 103
Verzehrt ein Betriebsratsmitglied Speisen, die nicht mehr an Restaurantgäste veräußert werden können, sondern entweder in den Müll geworfen werden oder zum Verzehr durch die Belegschaft freigegeben werden, ohne ausdrückliche Zustimmung aber in Anwesenheit eines zur Freigabe berechtigten Managers, so kann in der Einzelfallabwägung auch der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zumutbar sein. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn eine unklare Weisungslage besteht, das ungenehmigte Verzehren in der Vergangenheit folgenlos geblieben ist und wegen der Offensichtlichkeit der Tat keinerlei Unrechtsbewusstsein bestand.
Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 01.06.2007 - 5 BV 11/07 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren darum, ob die Zustimmung zur fristlosen Kündigung der Betriebsratsvorsitzenden der Antragstellerin, der Beteiligten zu 3, durch das Arbeitsgericht zu ersetzen ist gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG.

Die Arbeitgeberin betreibt als Franchisennehmer ein P Restaurant. Die Betriebsratsvorsitzende ist seit dem 19.01.2001 als Rotationskraft mit 29 Monatsstunden zu einem Stundenlohn von 7,40 € bei der Antragstellerin beschäftigt. Sie ist überwiegend am Wochenende eingesetzt und studiert während der Woche außerhalb von K .

Die Mitarbeiter der Antragstellerin haben im Betrieb die Gelegenheit während ihrer Pause ein sog. Personalessen auf Kosten der Arbeitgeberin zu sich zu nehmen. Die Gegenstände des Personalessens sind limitiert. Gemäß vom Betriebsrat unterzeichnetem Aushang vom 23.03.2006 gehören hierzu Pizza mit 3 Belägen, Salat, Nudelprodukte ohne Chicken, Vorspeisen (Country Potatoes, Pommes). Knoblauchprodukte sind nicht als Personalessen zugelassen. Die Abwicklung des Personalessens erfolgt dergestalt, dass das gewählte Essen als Personalessen in der Kasse boniert wird und der Bon durch einen in der Schicht zuständigen Vorgesetzten (Restaurant General Manager oder Assistent Restaurant Manager) freigegeben wird.

Am 06.01.2007 nahm die Beteiligte zu 3. unter Einhaltung des vorgesehenen Verfahrens ein Personalessen in Form eines Salats in Anspruch. Zusätzlich wärmte sie sich noch 2 Knoblauchbrote zum eigenen Verzehr. Diese Knoblauchbrote waren nicht boniert und weder von dem zuständigen Restaurant General Manager, dem Zeugen R , noch von dem Assistent Restaurant Manager, dem Zeugen H , der Klägerin freigegeben worden.

Eine Portion Knoblauchbrot besteht aus 4 Scheiben, wobei die Arbeitgeberin 4 verschiedene Sorten für die Kunden im Angebot hat. Dies sind die Sorten Klassik, Mozzarella, Tunfisch und Tomate.

Bei der Arbeitgeberin kann es zur Fehlproduktionen kommen. Dies kann einmal dadurch geschehen, dass ein Restaurantgast eine Speise zurückgehen lässt, weil er sie nicht bestellt hat und sie falsch von der Servicekraft boniert worden ist. Zum Anderen kann es zu Fehlproduktionen dadurch kommen, dass zwar der Bon dem Produkt entspricht, welches der Gast bestellt hat, jedoch durch Verlesen oder Unaufmerksamkeit ein falsches Gericht hergestellt wird. Gerichte, die nicht unmittelbar einem Kunden zugeordnet werden können oder bei denen der Bon fehlt, werden zunächst auf dem Pizzaofen abgestellt. Es wird sodann versucht zu klären, zu welchem Tisch das Gericht gehört oder ob bei einer Retoure evtl. an einem anderen Tisch dieses Gericht zufällig zwischenzeitlich bestellt worden ist. Auf dem Ofen werden auch Gerichte abgestellt, wenn das Hauptgericht zu früh zubereitet wurde und der Gast noch nicht mit den Vorspeisen fertig ist. Letztlich werden die Fehlprodukte, die nicht mehr serviert werden können, vernichtet. Handelt es sich um eine Fehlbonierung der Servicekraft wird dies von einem der vorgesetzten Manager im Computer korrigiert, das fehlerhafte Gericht storniert und das richtige Gericht in Auftrag gegeben, handelt es sich um eine anderweitige Fehlproduktion, beispielsweise durch Unaufmerksamkeit beim Lesen des Bestellbons in der Küche, so soll diese Fehlproduktion in eine Liste eingetragen werden, anhand derer zu einem späteren Zeitpunkt der Computer korrigiert wird. Durch die Arbeitgeberin zugelassen ist es, dass die vorgesetzten Manager Fehlproduktionen auf Nachfrage zum Verzehr an die Mitarbeiter freigeben. Hierdurch kann zum einen der Aufwand für das Personalessen erspart werden, zum Anderen verkürzen Mitarbeiter an stressigen Tagen (insbesondere samstags) die Pause, wenn sie nicht auf die Zubereitung eines Personalessens warten müssen.

Am 06.01.2007 befand sich der vorgesetzte Manager, der Zeuge R zu dem Zeitpunkt, als die Beteiligte zu 3. die beiden Knoblauchbrote zum Erwärmen in den Ofen schob, in ca. 1 m Abstand von der Beteiligten zu 1. Er beobachtete die Zubereitung, ohne zunächst einzuschreiten. Nachdem die beiden Scheiben Knoblauchbrot fertig gebacken waren, sprach der Zeuge R die Beteiligte zu 3. an. Sowohl der genaue Zeitpunkt dieses Gesprächs, insbesondere ob die Beteiligte zu 3. bereits mit dem Verzehr fertig war, als auch der nähere Inhalt des Gesprächs, ist streitig.

Die Beteiligte zu 3. hat hierzu erklärt, dass es im Betrieb üblich sei, Fehlbestellungen zu verzehren. Auf dem Pizzaofen hätte ein Teller mit 4 bereits erkalteten Scheiben Knoblauchbrot gestanden. Sie habe den am Pizzaofen beschäftigten Mitarbeiter S gefragt, ob es sich um eine Fehlproduktion handele und diese übrig sei, was dieser bejaht habe. Daraufhin habe sie 2 der 4 Brote genommen und erneut aufgewärmt. Da dies alles in Anwesenheit des Managers R geschehen sei, habe sie keine Veranlassung gesehen, noch ausdrücklich zu fragen, denn es habe jederzeit die Möglichkeit für den Zeugen R bestanden, Einspruch gegen die Verwendung der Knoblauchbrote zu erheben. Zudem sei es so, dass diese Brote auch objektiv keinesfalls mehr an Kunden hätten verkauft werden können, da sie kein 2. Mal erwärmt werden können. Dass die Brote kalt waren, ergebe sich bereits daraus, dass sie sie für sich erneut in den Ofen geschoben habe. Unstreitig hat die Beteiligte zu 3. auf die spätere Nachfrage des Zeugen R sofort eingeräumt, dass dies nicht boniert sei. Nach Behauptung der Arbeitgeberin habe die Beteiligte zu 3. noch erklärt, sie mache, was sie für richtig halte und der Zeuge R mache, was er für richtig halte.

Nachdem das Arbeitsgericht die Zustimmung zur fristlosen Kündigung der Beteiligten zu 3. nicht ersetzt hat, beantragt die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 11.06.2007 - 5 BV 11/07 - aufzuheben und die Zustimmung des Beteiligten zu 2. zur außerordentlichen Kündigung der Beteiligten zu 3. zu ersetzen.

Die weiteren Beteiligten beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen zu der Frage, ob die von der Beteiligten zu 3. aufgewärmten Knoblauchbrote eine Fehlproduktion waren sowie, ob das Verzehren von Fehlproduktionen betriebsüblich und insbesondere ohne Zustimmung der Schichtleiter/Manager zulässig ist. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll der Sitzung vom 15.10.2007 verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin war zurückzuweisen, da die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung der Betriebsratsvorsitzenden nicht nach § 103 Abs. 2 BetrVG ersetzt werden konnte. Unter Berücksichtigung aller Umstände ist die beabsichtigte außerordentliche Kündigung der Beteiligten zu 3. aus wichtigem Grund nicht gerechtfertigt.

Die nach § 103 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds ist durch das Arbeitsgericht zu ersetzen, wenn ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB gegeben ist, also Tatsachen vorliegen, aufgrund derer der Arbeitgeberin unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann (vgl. BAG vom 16.12.2004 - 2 ABR 7/04 - m. w. N.).

Dabei wird regelmäßig die Prüfung des wichtigen Grundes zunächst dahingehend vorgenommen, ob der abstrakte Sachverhalt grundsätzlich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, sodann wird in einer 2. Stufe unter Berücksichtigung der Einzelheiten des konkreten Falles eine Abwägung der Interessen beider Vertragsteile vorgenommen.

Hinsichtlich der 1. Stufe der Prüfung legt auch die erkennende Kammer die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde, wonach strafrechtlich relevante Handlungen, die sich gegen das Vermögen des Arbeitgebers richten, stets eine schwerwiegende arbeitsvertragliche Loyalitätsverletzung beinhalten und das in den Arbeitnehmer gesetzte Vertrauen in erheblicher Weise enttäuschen.

Nach Ansicht der Kammer wäre es deshalb unzweifelhaft für eine fristlose Kündigung ausreichend gewesen, wenn die Beteiligte zu 3. sich Knoblauchbrot zubereitet hätte, welches zuvor noch nicht erwärmt worden war bzw. noch geeignet gewesen wäre, an Restaurantgäste veräußert zu werden. Von diesem Sachverhalt geht die erkennende Kammer nach der Beweisaufnahme jedoch nicht aus. Vielmehr steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass es sich bei den beiden aufgewärmten Scheiben um solche handelte, die mit 2 weiteren Scheiben, insgesamt als vollständige Portion, bereits aufgebacken worden waren und als Fehlproduktion auf dem Pizzaofen standen.

Die Kammer glaubt dem Zeugen R nicht, soweit er erklärt hat, es hätten keine fehlproduzierten Knoblauchbrote auf dem Pizzaofen gestanden. Unabhängig davon, dass alle anderen Zeugen, insbesondere der von der Beteiligten zu 3. angesprochene Zeuge S , bestätigt haben, dass die Knoblauchbrote als Fehlproduktion auf dem Ofen standen, ist die Aussage des Zeugen R insoweit widersprüchlich, als er zunächst ganz genau gesehen haben will, wie sich die Beteiligte zu 3. Knoblauchbrote zubereitete, hierzu aber nicht geschildert hat, dass die Beteiligte zu 3. diese Brote auch vom regulären Aufbewahrungsort, nämlich dem Kühlschrank entnommen hat. Auch hätte ihm, wenn er doch so genau beobachtet hat, schon zu diesem Zeitpunkt auffallen müssen, dass die Beteiligte zu 3. nur 2 Brote zubereitet und damit nicht die Menge, die einer Bestellung durch einen Gast entspricht. Gegen die Richtigkeit der Aussage des Zeugen R spricht auch, dass er bei näheren Nachfragen z. B. zu der Frage, ob die Beteiligte zu 3. die Brote noch zusätzlich belegt habe, unsicherer wurde und lediglich noch schildern konnte, dass er den Oberkörper der Beteiligten zu 3., der oberhalb des Pizzaofens zu sehen war, beobachtet hat und hieraus geschlossen hat, sie habe Mozzarella auf die Brote gelegt, während er aufs erste Nachfragen uneingeschränkt behauptet hat, die Beteiligte zu 3. habe diese Brote für sich frisch fertig gemacht. Ebenso wurde die Aussage des Zeugen R unsicher, als es um die Frage ging, wann genau er die Beteiligte zu 3. angesprochen hat, ob dies bereits in der Küche war oder erst, nachdem die Beteiligte zu 3. sich bereits zum Verzehren im Aufgang zum Aufenthaltsraum hingesetzt hatte. Gegen die Richtigkeit, dass auf dem Ofen definitiv nichts gestanden habe spricht auch, dass selbst der Schichtführer/Manager H geschildert hat, dass es an einem Samstag durchschnittlich zwischen 15 und 30 Fehlproduktionen gibt. Berücksichtigt man, dass der 06.01.2007 noch in den Weihnachtsschulferien lag und an einem solchen Tag die Kölner Innenstadt besonders gut besucht ist, so erscheint es unglaubhaft, dass auf der Abstellfläche des Pizzaofens überhaupt nichts stand. Demgegenüber ist die Kammer überzeugt, dass die Beteiligte zu 3. sich 2 von 4 Knoblauchbroten aufwärmte, weil sie bereits erkaltet waren und dass sie zuvor sich bei dem am Ofen arbeitenden Mitarbeiter S erkundigt hat, ob diese Brote tatsächlich eine Fehlproduktion und damit übrig seien. Weiterhin ist es nach Ansicht der Kammer durch die Beweisaufnahme erwiesen, weil von allen Zeugen übereinstimmend bestätigt wurde, dass Knoblauchbrote, die bereits einmal für einen Gast erwärmt worden sind, kein weiteres Mal erwärmt werden können, ohne derart an Qualität zu verlieren, dass sie nach den Qualitätsstandards der Arbeitgeberin nicht mehr an Gäste verabreicht werden. Anders ausgedrückt: Knoblauchbrot, welches als Fehlproduktion bereits erkaltet ist kann, soweit es nicht von der Belegschaft verspeist wird nur noch vernichtet werden. Ein wirtschaftlicher Wert ist dem Gegenstand anders als in der BAG-Entscheidung vom 11.12.2003 (2 AZR 236/03) nicht mehr zuzumessen. In dieser Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts waren die 62 Miniflaschen mit Alkoholika vom Bundesarbeitsgericht wenigstens noch mit einem Restwert von 20,00 € bewertet worden, den der Arbeitgeber auch dann noch realisieren konnte, nachdem die Flaschen bereits buchhalterisch abgeschrieben waren. Der vorliegende Fall unterscheidet sich insoweit, als wegen der besonderen Art des Knoblauchbrotes nur noch der baldige Verzehr durch das Personal in Frage kam oder die Vernichtung.

Die Kammer legt der Bewertung des Sachverhalts allerdings zugrunde, dass die Arbeitgeberin das Eigentum an den Broten noch nicht aufgegeben hatte, auch wenn zu dem Zeitpunkt, zu dem sich die Beteiligte zu 3. die Brote wieder erwärmte, eine wirtschaftliche Verwertung nicht mehr möglich war. Nur dann, wenn sich die Beteiligte zu 3. die Brote aus dem Mülleimer geholt hätte, wäre ein Eigentumsdelikt mit Sicherheit auszuschließen. So hat sie zumindest noch in die Verfügungsmöglichkeit der Arbeitgeberin eingegriffen, zu entscheiden, welcher Mitarbeiter ggf. die Brote verzehren darf. Eine vorherige generelle Zustimmung seitens der Arbeitgeberin war insoweit durch die Beweisaufnahme nicht festzustellen.

Unter Berücksichtigung der gesamten betrieblichen Besonderheiten und auch des Verhaltens des in der Küche anwesenden R kommt die erkennende Kammer bei der in der 2. Stufe vorzunehmenden, umfassenden Interessenabwägung jedoch dazu, dass das Beendigungsinteresse der Arbeitgeberin das Bestandsinteresse des Arbeitnehmers nicht überwiegt. Der vorliegende Fall ist vergleichbar der BAG-Entscheidung vom 16.12.2004 (2 ABR 7/04), bei dem das Bundesarbeitsgericht berücksichtigt hat, dass die vom Betriebsratsmitglied an sich genommenen Gegenstände vom Arbeitgeber ohnehin zu einem späteren Zeitpunkt als Müll entsorgt worden wären. In der zitierten Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass keine nachteiligen wirtschaftlichen Auswirkungen im Rechtskreis der Arbeitgeberin festzustellen waren und dies bei der Interessenabwägung berücksichtigt. Gleiches kann auch im vorliegenden Fall festgestellt werden.

Darüber hinaus ist in der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass zwar alle befragten Manager geschildert haben, dass grundsätzlich die Erlaubnis eines Managers erforderlich ist, um Fehlproduktionen verzehren zu dürfen, dass allerdings von Manager zu Manager unterschiedlich streng die Erlaubnis erteilt wird und das teilweise von Managern auch festgestellt wurde, dass Fehlproduktionen ohne vorherige Freigabe verzehrt wurden, ohne dass hieraus irgendwelche Konsequenzen für das anwesende Küchen- und Bedienungspersonal erfolgten. Wenn die Arbeitgeberin angesichts der grundsätzlichen Genehmigungsfähigkeit des Verzehrs von Fehlproduktionen es unterbinden will, dass Arbeitnehmer sich an den Fehlproduktionen selbst bedienen, so muss sie dafür Sorge tragen, dass solche Fälle aufgeklärt werden und dass der Belegschaft klar vor Augen geführt wird, dass auch der Verzehr von Fehlproduktionen, die später im Müll landen, den Diebstahlsbegriff erfüllen. Solange Manager schulterzuckend dulden, dass während ihrer Abwesenheit Pizzastücke aus Fehlproduktionen verzehrt werden, so kann dies dazu führen, dass auf Dauer ein Unrechtsbewusstsein beim Verzehr verschwindet.

Weiter zu berücksichtigen ist, dass nicht ausschließlich die Manager darüber entscheiden, wann Fehlprodukte in den Müll gelangen, sondern dass auch die Küchenmitarbeiter von sich aus Fehlprodukte selbstständig entsorgen, so ist zum Einen nicht von der Hand zu weisen, dass die Beteiligte zu 3. glauben durfte, es reiche zur Genehmigung des Verzehrs der Knoblauchbrote die Nachfrage bei dem am Pizzaofen beschäftigten Mitarbeiter, der ihr bestätigt hat, dass es sich um eine Fehlproduktion und damit übrig gebliebenes Essen handelte, zum Anderen konnte sie erkennen, dass die Brote, soweit nicht ein anderer Mitarbeiter sie essen würde, in den Müll geschmissen wurden und zum Dritten befand sich der vorgesetzte Manager in unmittelbarer Nähe und beobachtete ihr Handeln, ohne unverzüglich einzuschreiten. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass die Beteiligte zu 3. das Schweigen des Mitarbeiters R als stillschweigende Zustimmung gewertet hat. Dies kann auch deshalb angenommen werden, weil alle Zeugen erklärt haben, dass für die Entscheidung, ob eine Fehlproduktion an Mitarbeiter herausgegeben wird, lediglich als Kriterium relevant ist, ob die Mahlzeit noch an einen Kunden herausgegeben werden kann und ob deshalb noch gewartet werden muss, ob sich noch eine Zuordnung zu einem Tisch finden lässt bzw. noch eine Bestellung von einem Kunden aufgegeben wird, der zufällig genau dieses Essen bestellt. Für die Kammer steht damit fest, dass die Beteiligte zu 3. dann, wenn der Zeuge R unmittelbar bei Beginn des Hantierens mit dem Knoblauchbroten eingeschritten wäre und dies der Beteiligten zu 3. verboten hätte, diese sich an dessen Anweisung gehalten hätte. Die Kammer geht nicht davon aus, dass die Kommunikation in der Küche der Arbeitgeberin derart förmlich abläuft, dass die Frage nach der Freigabe von Fehlproduktionen im Sinne eines förmlichen Antrags gegenüber dem Manager geäußert wird. Vielmehr durfte die Beteiligte zu 3. nach ihrer Nachfrage bei dem Zeugen S und dem offensichtlichen Hantieren mit 2 von 4 nicht mehr verwertbaren Knoblauchbroten von dem nonverbalen Einverständnis des Zeugen R ausgehen.

Die Wertung der erkennenden Kammer, dass jedenfalls im konkreten Fall die Einhaltung der Kündigungsfrist zumutbar gewesen wäre und damit die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB nicht gegeben sind, entspricht auch der Wertung des Landesarbeitsgerichts Köln im so genannten "Fisch-Fall" vom 24.08.1995 (5 Sa 504/95). Kommt man zu dem Ergebnis, dass die Arbeitgeberin wenigstens noch die hypothetische Kündigungsfrist hätte einhalten können, so kann die Zustimmung zur Kündigung nicht ersetzt werden.

Die Tatsache, dass die Beteiligte zu 3. ein Knoblauchprodukt verzehrt hat, welches grundsätzlich als Personalessen nicht zulässig ist, rechtfertigt weder für sich gesehen noch im Zusammenhang mit den zuvor festgestellten Tatsachen den Ausspruch der fristlosen Kündigung, da insoweit eine Abmahnung geeignet wäre, zukünftige Pflichtverletzungen abzustellen. In der Abwägung wurde auch berücksichtigt, dass die Beteiligte zu 3. offensichtlich keinerlei Unrechtsbewusstsein hatte. Dass sie auf Nachfrage des Zeugen R sofort einräumte, dass die beiden Knoblauchbrotscheiben nicht boniert waren, zeigt auch, dass die Beteiligte zu 3. im konkreten Fall überhaupt nicht die Vorstellung hatte, eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung zu begehen. Auch dies spricht dafür, dass die betriebliche Organisation innerhalb der Küche und bzgl. des Umgangs mit Fehlproduktionen entgegen den Anweisungen an die Manager laxer gehandhabt wurde, als es die Arbeitgeberin wahr haben will. Konkrete Schulungen oder Informationsveranstaltungen für das Personal und klar strukturierte und auch den nachgeordneten Mitarbeitern bekannte Verhaltensweisen im Umgang mit Fehlproduktionen sind deshalb nach Überzeugung der Kammer im Betrieb der Arbeitgeberin nicht vorhanden gewesen oder nicht mit der Deutlichkeit umgesetzt worden, die einen Rückschluss darauf zuließen, dass es der Beteiligten zu 3. bewusst gewesen sein muss, eine Eigentumsverletzung vorzunehmen.

Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen, da die Entscheidung auf der Einzelfallabwägung beruht.

Ende der Entscheidung

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