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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 26.06.2006
Aktenzeichen: 3 (11) Sa 81/06
Rechtsgebiete: BGB, KSchG, HGB


Vorschriften:

BGB § 626
KSchG § 1
HGB § 60
HGB § 74
1. Ein Verstoß gegen das allgemeine Wettbewerbsverbot stellt im bestehenden Arbeitsverhältnis einen an sich zur außerordentlichen Kündigung berechtigenden Umstand dar.

2. Dies gilt im Grundsatz auch dann, wenn der Wettbewerbsverstoß nach erfolgter arbeitgeberseitiger Kündigung nach Ablauf der Kündigungsfrist bei gleichzeitig anhängiger Kündigungsschutzklage geschieht. Allerdings kommt wegen der in diesem Fall für den Arbeitnehmer bestehenden besonderen Konfliktsituation den Einzelfallumständen eine herausgehobene Bedeutung zu. Hier sind insbesondere der Grad der Vorwerfbarkeit, der zeitliche Zusammenhang mit dem beendeten Arbeitsverhältnis sowie Art und Umfang der Auswirkungen der Konkurrenztätigkeit auf den Geschäftsbetrieb des früheren Arbeitgebers zu berücksichtigen.

3. Für eine analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB fehlt es in dieser Sachverhaltskonstellation an der erforderlichen Regelungslücke.


Tenor:

1. Das Versäumnisurteil vom 22.03.2006 wird aufrecht erhalten.

2. Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgerechten arbeitgeberseitigen Kündigung.

Der Kläger war seit dem 01.03.1990 bei der R N GmbH & Co KG, deren Geschäftsführer der nunmehrige Mitgeschäftsführer der Beklagten, Herr R N war, als Verkaufsingenieur beschäftigt. Seine durchschnittliche monatliche Bruttovergütung betrug 5.260,- €. Mit Schreiben vom 12.07.2004 kündigte die R N GmbH & Co KG das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31.12.2004. Bereits kurze Zeit nach Ausspruch der Kündigung wurde beim Amtsgericht Bonn am 20.07.2004 über das Vermögen der früheren Arbeitgeberin des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet, und der Insolvenzverwalter kündigte das Arbeitsverhältnis wegen Betriebsschließung erneut mit Kündigungsschreiben vom 26.08.2004 zum 30.11.2004. Im Anschluss an die Kündigungen korrespondierten der Kläger und Herr R N über den Wortlaut des zu erteilenden Zeugnisses. Das letzte diesbezügliche Schreiben des Klägers datiert auf den 04.01.2005 und endet mit folgenden Sätzen:

"... Über den fragwürdigen Wahrheitsgehalt des Restes Ihres o.g. werde ich mich auf diesem oder anderem Niveau nicht äußern. Die wirklichen Fakten und Hintergründe sollten Ihnen selbst bekannt sein.

Ich bitte Sie um eine möglichst baldige und kommentarlose Zusendung des korrigierten Zeugnisses sowie jegliche Kontaktaufnahme durch die Geschäftsleitung und durch Mitarbeiter Ihres Hauses zu unterlassen."

Die gegen die Wirksamkeit beider Kündigungen erhobene Kündigungsschutzklage wies das Arbeitsgericht Siegburg mit Urteil vom 01.09.2005 - 1 (2) Ca 3122/04 - ab. Auf die Berufung des Klägers änderte das Landesarbeitsgericht Köln mit Urteil vom 30.01.2006 - 14 (13) Sa 1359/05 - die erstinstanzliche Entscheidung ab, gab der Kündigungsschutzklage statt und stellte die Unwirksamkeit beider Kündigungen fest. Zwischenzeitlich hatte die Beklagte, die am 09.07.2004 als Auffanggesellschaft gegründet worden war, "ein etwa bestehendes Arbeitsverhältnis" mit Schreiben vom 28.11.2005 fristlos, hilfsweise fristgerecht gekündigt. Gegen die Wirksamkeit dieser Kündigung wendet sich der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit.

Das Arbeitsgericht hat die Klage im Gütetermin vom 16.12.2006 durch unechtes Versäumnisurteil abgewiesen und zur Begründung unter Berufung auf die seinerzeitige erstinstanzliche klageabweisende Entscheidung in dem Verfahren 1 (2) Ca 3122/04 ausgeführt, es fehle bereits an einem bestehenden Arbeitsverhältnis zu der Beklagten. Ein Betriebs(teil)übergang auf die Beklagte sei nicht erfolgt, da das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die wirksame Kündigung des seinerzeitigen Insolvenzverwalters der R N GmbH & Co KG wirksam beendet worden sei. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 10-13 d.A. Bezug genommen.

Gegen dieses ihm am 30.12.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.01.2006 Berufung eingelegt und diese am 13.02.2006 begründet. Er hat unter Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Vortrag weiter die Auffassung vertreten, sein Arbeitsverhältnis sei gemäß § 613a BGB auf die Beklagte übergegangen. Er hat sich insoweit auf die Entscheidung des LAG Köln in dem Verfahren 14(13) Sa 1359/05 berufen und das Vorliegen jeglicher Kündigungsgründe bestritten. Die Beklagte ist im Termin zur mündlichen Verhandlung am 22.03.2006 nicht aufgetreten, und das Landesarbeitsgericht hat antragsgemäß ein klagestattgebendes 1. Versäumnisurteil verkündet. Gegen dieses ihr am 24.03.2006 zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 30.03.2006, der am 31.03.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, Einspruch eingelegt, den sie wie folgt begründet:

Sie trägt vor, der Kläger habe entgegen einer sowohl bei der Insolvenzschuldnerin als auch der Beklagten bestehenden Anweisung das von ihm benutzte Notebook für eine Woche bis zum 01.12.2004 mit nach Hause genommen, um sich die auf dem Notebook gespeicherten Kundendaten anzueignen. Die so erworbenen Kundendaten habe er in der Folgezeit genutzt, um Kunden gezielt im Rahmen seiner neuen Tätigkeit anzusprechen. Die Beklage habe sich ihrerseits nach Erhalt des klägerischen Schreibens vom 04.01.2005 an die dort geäußerte Bitte gehalten, jegliche weitere Kontaktaufnahme zu unterlassen. Demgegenüber sei der Kläger zwischenzeitlich zusammen mit einem früheren Arbeitskollegen, Herrn W , konsequent in Konkurrenztätigkeit zur Beklagten getreten. Er habe beispielsweise der Fa. K M - und F , einem Altkunden der Beklagten bzw. der Insolvenzschuldnerin, ein Angebot unterbreitet und dabei darauf hingewiesen, dass die dort vorhandenen Z -Messmaschinen von ihm gewartet werden könnten. Das gleiche gelte für die Fa. L , einen weiteren alten Kunden der Beklagten, den der Kläger ebenfalls abgeworben habe.

In Anbetracht dieses wettbewerbswidrigen Verhaltens ist die Beklagte der Auffassung, sie sei zur außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung berechtigt. Unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 1970 meint sie, der Kläger dürfe, solange er vertraglich an die Beklagte gebunden sei, seine Stellung nicht dazu ausnutzen, um Kunden für eigene Zwecke zu werben. Dieses allgemeine Wettbewerbsverbot gelte nach einer Folgeentscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 1991 auch im gekündigten Arbeitsverhältnis, wenn und solange der Arbeitnehmer mit seiner Kündigungsschutzklage deutlich mache, dass er weiterhin vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ausgehe. Immer wenn ein Arbeitnehmer Leistungen aus einem Arbeitsverhältnis beziehen wolle, müsse er sich auch selbst vertragstreu verhalten.

Die Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil vom 22.03.2006 aufzuheben und die gegnerische Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

das Versäumnisurteil vom 22.03.2006 aufrechtzuerhalten.

Der Kläger trägt vor, er habe nach Ausspruch der ersten Kündigung auf Wunsch des Herrn N weiter Leistungen für die Insolvenzschuldnerin erbracht. Er habe zu keinem Zeitpunkt eine weitere Tätigkeit verweigert. Insbesondere dürfe seine Äußerung im Schreiben vom 04.01.2005 nicht isoliert betrachtet, sondern müsse im Zusammenhang mit dem Streit um die Zeugnisformulierung gesehen werden. Im übrigen habe er sogar Tätigkeiten für die jetzige Beklagte erbracht und dafür gesorgt, dass neue Kunden und neue Aufträge akquiriert wurden. Das Notebook habe er berechtigterweise mit nach Hause genommen, da eine gegenteilige Anweisung nicht existiert habe. Ein Zugriff auf die Daten sei ohnehin nur "online" innerhalb des Hauses der Beklagten möglich gewesen. Keinesfalls habe er sich Kundendaten angeeignet.

Der Kläger trägt weiter vor, er habe in der Zeit vom 01.05.2005 bis 31.10.2005 mit Förderung der Agentur für Arbeit versucht, selbstständig tätig zu sein. Dies habe er wegen Erfolglosigkeit eingestellt und sei seither arbeitslos. Im übrigen sei er mit Kenntnis der Agentur für Arbeit lediglich in geringem Umfang im Rahmen einer Nebentätigkeit für die Fa. W des ehemaligen Mitarbeiters W tätig. Auch im Rahmen dieser Tätigkeit habe er jedoch keine Kunden der Beklagten gezielt angesprochen, um diese abzuwerben.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Der form- und fristgerecht eingelegte Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 22.03.2006 hat in der Sache keinen Erfolg. Das Versäumnisurteil ist gemäß § 343 Satz 1 ZPO aufrechtzuerhalten.

1. Die Berufung des Kläger ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

2. Das Rechtsmittel des Klägers hat auch in der Sache Erfolg. Die zulässige Klage ist begründet, denn die streitgegenständliche Kündigung vom 28.11.2005 ist rechtsunwirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet. Dies gilt sowohl für die fristlose, als auch für die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung der Beklagten.

a) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist hierfür eine zweistufige Prüfung durchzuführen. Zunächst ist zu klären, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls an sich geeignet ist, einen Kündigungsgrund zu bilden. Erst nach Bejahung dieser Frage ist dann im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung das Einzelfallurteil zu fällen (vgl. beispielsweise BAG, Urteil vom 25.03.2004 - 2 AZR 341/03 - EzA § 626 BGB 2002 Nr. 6 m. w. N.). Darüber hinaus kann die Kündigung gemäß § 626 Abs. 2 BGB nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen, nachdem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat.

bb) Unter Anwendung dieser Rechtsprechungsgrundsätze ist zunächst festzuhalten, dass ein Verstoß gegen das allgemeine Wettbewerbsverbot als ein an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneter Umstand in Betracht kommt (vgl. BAG, Urteil vom 06.08.1987 - 2 AZR 226/87 - AP Nr. 97 zu § 626 BGB; BAG, Urteil vom 16.08.1990 - 2 AZR 113/90 - EzA § 4 KSchG n.F. Nr. 38; APS/Dörner, 2. Aufl., § 626 BGB Rz. 290; KR-Fischermeier, 7. Aufl., § 626 BGB Rz. 460; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl., Rz. 721 jeweils m. w. N. aus der Rechtsprechung).

Das gilt jedoch in dieser Allgemeinheit zunächst nur für die Dauer des bestehenden Arbeitsverhältnisses (so bereits BAG, Urteil vom 24.04.1970 - 3 AZR 324/69 - AP Nr. 5 zu § 60 HGB). Nach Ausspruch einer Kündigung fällt die rechtliche Beurteilung ungleich schwieriger. Zwar besteht im Falle der Unwirksamkeit der Kündigung das Arbeitsverhältnis rechtlich fort, so dass bei formaler Betrachtung das oben Gesagte in gleicher Weise gelten müsste. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass bis zur Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung beide Parteien über die Wirksamkeit der Kündigung im Ungewissen sind. Hierdurch entsteht insbesondere für den Arbeitnehmer eine nicht zu übersehende Zwangslage. Einerseits müsste er sich zur Vermeidung einer weiteren Kündigung jeglicher Tätigkeit enthalten, die als Wettbewerbsverstoß gewertet werden könnten. Andererseits wäre er für den Fall der Wirksamkeit der Kündigung über einen relativ langen, unter Umständen mehrjährigen Zeitraum gehindert, seine Existenzgrundlage anderweitig zu sichern.

Diese Konfliktsituation hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 25.04.1991 (2 AZR 624/90 - AP Nr. 104 zu § 626 BGB) grundlegend gewürdigt und nach eingehender Darstellung des insoweit im Schrifttum bestehenden Meinungsstreits eine vermittelnde Auffassung vertreten. Danach führt nicht bereits der Ausspruch einer außerordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung zur sofortigen Befreiung von dem für die rechtliche Dauer des Arbeitsverhältnisses bestehenden Wettbewerbsverbot, wenn der Arbeitnehmer die Wirksamkeit dieser Kündigung gerichtlich angreift. Wegen des nach § 626 BGB erforderlichen schuldhaft, vorwerfbaren Verhaltens des Arbeitnehmers sind vielmehr der Grad dieses Verschuldens sowie Art und Auswirkung der Konkurrenztätigkeit für die weitere Interessenabwägung und damit für die Wirksamkeit der Kündigung von entscheidender Bedeutung (vgl. BAG, Urteil vom 25.04.1991, a. a. O.). Ähnlich hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 12.03.2003 (VIII ZR 197/02 - EzA § 89a HGB Nr. 2) entschieden und die Prüfung der Wirksamkeit einer außerordentlichen Folgekündigung eines Handelsvertreters wegen Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit nach vorheriger fristloser Kündigung ausdrücklich von einer Abwägung aller Umstände des Einzelfalls abhängig gemacht. Das Landesarbeitsgericht Köln hat demgegenüber in einer Entscheidung vom 14.07.1995 (9 Sa 484/95 - LAGE § 60 HGB Nr. 4) für die arbeitgeberseitige Forderung nach einem Unterlassen von Wettbewerbshandlungen in einem solchen Fall das gleichzeitige Angebot einer Karenzentschädigung nach §§ 74 ff. HGB verlangt (zustimmend Gravenhorst, Anm. zu BGH, Urteil vom 12.03.2003, a. a. O.; APS/Dörner, a.a.O., § 1 KSchG Rz 325).

Die erkennende Kammer schließt sich der Rechtsprechung von Bundesarbeitsgericht und Bundesgerichtshof an und geht auch bei einem Wettbewerbsverstoß eines gekündigten Arbeitnehmers nach Ausspruch einer außerordentlichen bzw. nach Ablauf der Kündigungsfrist bei einer ordentlichen Kündigung von einem an sich zur Kündigung berechtigenden Sachverhalt aus, wenn der gekündigte Arbeitnehmer gleichzeitig die Unwirksamkeit der Kündigung gerichtlich geltend macht.

Allerdings führt die sodann auf der zweiten Prüfungsstufe vorzunehmende Berücksichtigung sämtlicher Einzelfallumstände vorliegend zur Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung. Gerade in der oben dargestellten besonderen Konfliktsituation der Wettbewerbsausübung nach Ausspruch einer arbeitgeberseitigen Kündigung kommt der Einzelfallsituation besondere Bedeutung zu (vgl. BAG, Urteil vom 25.04.1991, a. a. O.; BGH, Urteil vom 12.03.2003, a .a. O.).

Insoweit ist als erstes der Grad der Vorwerfbarkeit zu ermitteln, den die vermeintliche Konkurrenztätigkeit des Klägers begründet. Dabei ist zunächst grundlegend zwischen der Aufnahme einer eigenen selbstständigen Tätigkeit am Markt und einer Tätigkeit als Arbeitnehmer für ein bestehendes Konkurrenzunternehmen zu differenzieren. Letzteres ist deutlich geringer zu gewichten, da es dem Arbeitnehmer, der am gekündigten Arbeitsverhältnis festhalten will, wie seine Kündigungsschutzklage deutlich macht, ersichtlich nur um eine Übergangslösung geht, um den Zeitraum der Ungewissheit bis zum Vorliegen einer gerichtlichen Entscheidung zu überbrücken (vgl. BAG, Urteil vom 25.04.1991, a. a. O.). Die Beklagte wirft dem Kläger vor, er arbeite für die neue Firma des ebenfalls bei ihr ausgeschiedenen früheren Mitarbeiters W als dessen Angestellter und benennt hierzu zwei Kunden. Gleichzeitig kann sie aber den Einwand des Klägers, dies sei nur in wenigen Einzelfällen im Rahmen einer geringfügigen Nebentätigkeit geschehen, nicht entkräften. Ebenfalls unbestritten hat der Kläger diese Nebentätigkeit der Agentur für Arbeit angezeigt und sie mit Billigung der Arbeitsverwaltung ausgeübt. Insgesamt liegt damit auch nach dem eigenen Vortrag der Beklagten allenfalls ein Fehlverhalten des Klägers vor, das in der aktuellen, besonderen Kündigungssituation lediglich einen geringen Vorwerfbarkeitsgrad aufweist.

Auch die zeitliche Komponente spricht für eine geringe Vorwerfbarkeit. Das gilt neben dem geringen Umfang der behaupteten Konkurrenztätigkeit auch für den Zeitpunkt ihres Beginns. Nimmt ein Arbeitnehmer mehr oder weniger nahtlos nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Konkurrenztätigkeit auf, so fällt dies regelmäßig schwerer ins Gewicht als ein möglicher Wettbewerbsverstoß nach einer längeren Unterbrechung. Vorliegend datiert die Beklagte die von ihr behaupteten Konkurrenztätigkeiten nicht. Die beiden von ihr vorgetragenen Kundenanfragen erfolgten sogar mehrere Monate nach Ausspruch der Kündigung im Februar und März 2006. Auch der späte Kündigungstermin rund ein Jahr nach Ablauf der Kündigungsfrist der vorherigen Kündigung des Insolvenzverwalters spricht deutlich gegen einen zeitlichen Zusammenhang der Konkurrenztätigkeiten mit dem gekündigten Arbeitsverhältnis.

Das Gleiche gilt für die Auswirkungen der behaupteten Konkurrenztätigkeit auf den Geschäftsbetrieb der Beklagten. Auch insoweit fehlt jeglicher konkreter Tatsachenvortrag der Beklagten. Zwar wird vorgetragen, der Kläger habe das Notebook mit den Kundendaten vertragswidrig mit nach Hause genommen, um sich Kundendaten anzueignen, und er habe Kunden gezielt angesprochen. Es fehlt jedoch jeglicher substanziierter Vortrag der Beklagten dazu, welche Kunden und welche Aufträge die Beklagte aufgrund des behaupteten wettbewerbswidrigen Verhaltens des Klägers verloren haben will.

Schließlich hat sich der Kläger, anders als von der Beklagten dargestellt, von dieser auch nicht endgültig abgewandt. Die Beklagte misst dem Schreiben des Klägers vom 04.01.2005 eine falsche Bedeutung zu. Dieses Schreiben darf nicht isoliert, sondern kann nur im Zusammenhang mit der seinerzeit geführten Kontroverse um den zutreffenden Zeugniswortlaut richtig verstanden werden. Vorangegangen war ein Schreiben des Herrn N vom 22.12.2004, in dem dieser dem Kläger eine deutlich unterdurchschnittliche Arbeitsleistung bescheinigt und dies mit persönlichen Anwürfen ("bitte auch nicht die Kritik aus Ihrem persönlichen Bereich übersehen, sehr starker, sagen wir Aftershave-Geruch den ganzen Morgen") verbunden hatte. Wenn der Kläger in seiner Antwort dann um eine "möglichst baldige und kommentarlose Zusendung des korrigierten Zeugnisses" und um "Unterlassung jeglicher Kontaktaufnahme durch die Geschäftsleitung und durch Mitarbeiter" bittet, so steht dies ausschließlich im Zusammenhang mit der Zeugniserteilung. Eine Abkehr von der Beklagten vermag die Kammer hierin nicht zu erkennen.

Danach überwiegt in der konkreten Interessenabwägung gerade auch unter Berücksichtigung der besonderen Konfliktsituation, in der sich der Kläger nach Ausspruch der ersten betriebsbedingten Kündigung im Hinblick auf die erforderliche Sicherung seines Lebensstandards befunden hat, das Interesse des Klägers am Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse der Beklagten an einer sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Für eine analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB, wie sie von der 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln vorgeschlagen worden ist, besteht danach kein Raum. Derartige Sachverhalte sind mit allgemeinen kündigungsrechtlichen Grundsätzen vollständig erfassbar und interessengerecht lösbar. Eine zur Analogie berechtigende Regelungslücke besteht mithin nicht.

cc) Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung scheitert darüber hinaus auch an § 626 Abs. 2 BGB. Es fehlt jeglicher konkreter Sachvortrag der Beklagten dazu, wann der kündigungsberechtigte Mitgeschäftsführer der Beklagten erstmalig von konkreten Konkurrenztätigkeiten des Klägers Kenntnis erlangt haben will. Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB trägt jedoch der kündigende Arbeitgeber (vgl. BAG, Urteil vom 17.08.1972 - 2 AZR 359/71 - AP Nr. 4 zu § 626 BGB Ausschlussfrist; BAG, Urteil vom 28.03.1985 - 2 AZR 113/84 - AP Nr. 86 zu § 626 BGB; Küttner/Eisemann, Personalbuch, 13. Aufl. Kündigung außerordentliche Rz 91; HWK/Sandmann, § 626 BGB Rz478 jeweils m. w. N.).

b) Auch soweit die Kündigung hilfsweise als ordentliche Kündigung ausgesprochen worden ist, ist sie rechtsunwirksam, denn die Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 1 KSchG sozial ungerechtfertigt.

aa) Die allgemeinen Anwendbarkeitsvoraussetzungen der §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG sind unstreitig erfüllt.

bb) Die Kündigung ist gemäß § 1 Abs.2 KSchG sozial ungerechtfertigt, denn sie ist nicht durch Gründe, die im Verhalten des Klägers liegen, bedingt. Nach dieser Vorschrift liegt ein verhaltensbedingter, die Kündigung rechtfertigender Grund immer dann vor, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten eine Vertragspflicht schuldhaft verletzt hat, das Arbeitsverhältnis dadurch konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien billigenswert und angemessen erscheint (BAG, Urteil vom 17.06.2002 - 2 AZR 62/02 - EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59; BAG, Urteil vom 24.06.2004 - 2 AZR 63/03 - EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65 jeweils m. w. N.).

Ebenso wie die außerordentliche Kündigung scheitert auch die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung jedenfalls im Rahmen der hier gleichermaßen vorzunehmenden Interessenabwägung. Denn es überwiegt, wie oben dargestellt, das Fortführungsinteresse des Klägers deutlich gegenüber dem Auflösungsinteresse der Beklagten. Dies gilt nicht nur in Bezug auf die sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses, sondern auch hinsichtlich der Beendigung als solcher. Tragfähige Anhaltspunkte für ein überwiegendes, billigenswertes Interesse der Beklagten an einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses sind nicht ersichtlich. Dieses muss in Anbetracht der konkreten Konfliktsituation des Klägers vielmehr deutlich hinter dem Interesse des Klägers an einem Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses zurücktreten. Vereinzelte, nicht näher datierte oder jedenfalls mehr als ein Jahr nach Ausspruch der Kündigung erfolgte Wettbewerbsverstöße des Klägers sind in der konkreten Situation keinesfalls derart gravierend, dass sie einen solchermaßen großen Vertrauensverlust hervorrufen könnten, um eine Auflösung rechtfertigen zu können. Im Gegenteil spricht vielmehr alles für ein berechtigtes Vorgehen des Klägers, wenn er sich in seiner Situation als gekündigter Arbeitnehmer um eine anderweitige Tätigkeit bemüht, ohne gleichzeitig sein generelles Interesse an einer Fortführung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten aufzugeben. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund der verkürzten Bezugszeiträume von Arbeitslosengeld.

c) Nach allem war somit das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten und in der Sache unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung festzustellen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 91 Abs. 1, 343 Satz 1 ZPO. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen. Insbesondere betrifft die Rechtssache keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, da die Kammer der höchstrichterlichen Rechtsprechung folgt und die Entscheidung zudem auf den besonderen Umständen des Einzelfalls beruht.

Ende der Entscheidung

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