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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 13.06.2007
Aktenzeichen: 3 Sa 469/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
Die Erklärung eines Arbeitnehmers, wegen der im nächsten Monat bevorstehenden Vollendung seines 65. Lebensjahres habe er einen Antrag auf Rente zum darauf folgenden Monatsersten gestellt und er wolle nunmehr seinen Resturlaub nehmen und am nächsten Monatsersten in Rente gehen, stellt im vorliegenden Fall eine Eigenkündigung dar.
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 16.03.2007 - 2 Ca 8459/06 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über den Zeitpunkt der Beendigung eines zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses sowie über hieraus resultierende Annahmeverzugsansprüche des Klägers.

Der am 18.06.1941 geborene Kläger war seit 1958 bei der Beklagten als Sachbearbeiter, zuletzt aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 23.06.1969 beschäftigt. In diesem Vertrag heißt es in Ziff. 3 unter anderem:

"in jedem Fall jedoch endet das Arbeitsverhältnis - ohne dass es einer Kündigung bedarf - mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Angestellte das 61. Lebensjahr vollendet."

Einen Monat vor Vollendung seines 65. Lebensjahres, am 18.05.2006, übersandte der Kläger der Beklagten ein Schreiben folgenden Wortlauts:

"Da ich am 18. Juni 2006 mein 65. Lebensjahr vollende, habe ich am 10. Mai 2006 Antrag auf Rente zum 01. Juli 2006 gestellt. Eine Kopie des Rentenantrages habe ich Herrn S übergeben.

Ab dem 30. Mai möchte ich meinen Resturlaub nehmen und am 01. Juli 2006 in Rente gehen."

Unter dem 07.06.2006 erteilte die Beklagte dem Kläger ein Zeugnis, in dem es unter anderem wie folgt heißt:

"Herr G vollendet am 18. Juni 2006 sein 65. Lebensjahr und hat der A mitgeteilt, dass er am 01.07.2006 in Ruhestand geht.

Wir danken Herrn G ausdrücklich für seine lange Betriebszugehörigkeit, wir wünschen ihm für seine Zukunft vor allem Gesundheit und würden uns sehr freuen, wenn Herr G weiterhin Kontakt zu unserem Hause hält."

Seit dem 01.07.2006 bezieht der Kläger Altersrente sowie eine Betriebsrente von der bei der Beklagten bestehenden Unterstützungskasse.

Am 04.07.2006 fand in den Räumen der Beklagten eine Verabschiedung des Klägers statt, in deren Rahmen ihm durch den Vorstand der Beklagten, Herrn M , ein Präsentkorb überreicht wurde und sowohl der Vorstand als auch der anwesende Betriebsratsvorsitzende zum Ausdruck brachten, dass der Kläger mit dem 30.06.2006 aus den Diensten der Beklagten ausgeschieden sei. Schließlich machte der Kläger mit Schreiben seines jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 13.10.2006 einzelne inhaltliche Änderungen bezüglich des ihm erteilten Zeugnisses geltend. Dabei ging es unter anderem um eine Korrektur des Beendigungsdatums auf den 31.12.2006. Am 17.10.2006 erschien schließlich der Kläger bei der Beklagten und bot seine Arbeitskraft bis zum 31.12.2006 an. Der Vorstand der Beklagten lehnte dies ab.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, entsprechend der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen habe sein Arbeitsverhältnis nicht bereits zum 30.06.2006, sondern erst zum 31.12.2006 sein Ende gefunden. Das Schreiben des Klägers vom 18.05.2006 stelle keine Eigenkündigung dar, so dass die Beklagte unter Annahmeverzugsgesichtspunkten seit dem persönlichen Angebot des Klägers am 17.10.2006 zur Zahlung der vertragsgemäßen Vergütung an den Kläger verpflichtet sei.

Der Kläger hat beantragt,

a) festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht vor dem 31.12.2006 endet;

b) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.966,84 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.12.2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, Ziff. 3 des Arbeitsvertrages könne objektiv nur so verstanden werden, dass das Arbeitsverhältnis automatisch mit Ablauf des Monats ende, in dem der Kläger sein 65. Lebensjahr vollendet habe. Im Übrigen stelle das Schreiben des Klägers vom 18.05.2006 eine Eigenkündigung des Klägers dar. Dieser habe unmissverständlich erklärt, dass er sich gegen die Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses und für dessen Beendigung entschieden habe.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 16.03.2007 die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, das Arbeitsverhältnis des Klägers sei durch dessen Schreiben vom 18.05.2006 zum 30.06.2006 wirksam beendet worden. Dieses Schreiben sei gemäß §§ 133, 157 BGB als Kündigungserklärung auszulegen. Durch die Formulierung "in Rente gehen" habe der Kläger klar zum Ausdruck gebracht, dass er seinen bisherigen Status als Arbeitnehmer ändern wolle. Die vorgenannte Formulierung meine im allgemeinen Sprachgebrauch nicht nur den Beginn des Bezugs von Altersrente, sondern auch das Ende der bisher ausgeübten beruflichen Tätigkeit. Der Kläger habe insgesamt deutlich gemacht, dass er künftig nicht mehr für die Beklagte arbeiten möchte. Bestätigt werde dies durch die in demselben Schreiben beantragte Resturlaubgewährung sowie durch das weitere Verhalten beider Parteien in der Folgezeit.

Gegen dieses ihm am 05.04.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.04.2007 Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Er ist weiterhin der Auffassung, der in dem Schreiben vom 18.05.2006 enthaltene Hinweis auf den wenige Tage zuvor gestellten Rentenantrag sei eine bloße Tatsachenerklärung. Dies gelte umso mehr, als ein Arbeitsverhältnis unproblematisch neben dem Rentenverhältnis bestehen könne. Der in dem vorgenannten Schreiben enthaltene Hinweis auf eine beabsichtigte Resturlaubsnahme ab dem 30.05.2006 stelle lediglich einen Urlaubsantrag dar. Außerdem müsse im Rahmen der Auslegung berücksichtigt werden, dass an die Eindeutigkeit einer Kündigungserklärung strenge Anforderungen zu stellen seien. Schließlich hat der klägerische Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Berufungsverhandlung geltend gemacht, der Kläger habe mit seinem Schreiben vom 18.05.2006 allenfalls den vermeintlich zum 30.06.2006 eintretenden Befristungsablauf bestätigen wollen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln - 2 Ca 8459/06 - vom 16.03.2007 abzuändern und

a) festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht vom dem 31.12.2006 geendet hat;

b) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.966,84 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.12.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und hält zunächst weiterhin an ihrer Rechtsauffassung fest, dass bereits nach den richtig verstandenen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen von einem Ende des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2006 durch Befristungsablauf auszugehen sei. Im Übrigen geht sie mit dem Arbeitsgericht davon aus, dass das Schreiben des Klägers vom 18.05.2006 jedenfalls eine wirksame Eigenkündigung darstelle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG) und form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die Kammer schließt sich der sorgfältigen und überzeugenden Begründung des Arbeitsgericht uneingeschränkt an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Bezug. Die Ausführungen des Klägers in der Berufungsinstanz geben lediglich zu folgenden ergänzenden Ausführungen Anlass:

1. Das Arbeitsverhältnis des Klägers zu der Beklagten ist durch das Schreiben vom 18.05.2006 zum 30.06.2006 beendet worden. Dieses Schreiben des Klägers stellt eine Eigenkündigung dar. Dies ergibt die Auslegung der in diesem Schreiben enthaltenen Willenserklärungen des Klägers.

a) Der Inhalt von Willenserklärungen ist nach §§ 133, 157 BGB objektiv unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu bestimmen. Der in der auszulegenden Erklärung oder in dem auszulegenden Verhalten verkörperte rechtlich maßgebliche Wille ist zu ermitteln. Hierfür sind die jeweiligen Erklärungen oder das Verhalten der Vertragsparteien jeweils aus Sicht des Erklärungsempfängers so auszulegen, wie dieser sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte und musste. Bei dieser Auslegung sind alle den Parteien erkennbaren Begleitumstände, die für den Erklärungsinhalt von Bedeutung sein können, zu berücksichtigen. Hierzu gehören vornehmlich das Verhalten der Parteien vor und nach Vertragsschluss, ihre Interessen und der Zweck einer Abmachung (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. Urteil vom 09.07.2003 - 10 AZR 564/02 -, NZA 2004, 1184).

b) Diese Auslegungskriterien hat das Arbeitsgericht an die Erklärung des Klägers in seinem Schreiben vom 18.05.2006 angelegt. Aus der Sicht der Beklagten als Erklärungsempfängerin kann das Schreiben vom 18.05.2006 nur als Eigenkündigung verstanden werden. Der Hinweis auf die Vollendung des 65. Lebensjahres und auf den Umstand, dass der Kläger am 01.07.2006 "in Rente gehen" wollte, lässt sich nach der allgemeinen Verkehrssitte nur als Erklärung einer Beendigung des bestehenden Arbeitsvertrages erklären. Wenn jemand "in Rente" gehen will, so ist dies umgangssprachlich gleichbedeutend damit, dass er aus dem aktiven Arbeitsverhältnis ausscheidet und ab dem genannten Zeitpunkt Rentner sein wird. Es entspricht der allgemeinen Üblichkeit im Erwerbsleben, dass jemand, der mit Vollenden der Regelaltersgrenze rentenbezugsberechtigt wird und ab diesem Zeitpunkt Rente bezieht, gleichzeitig sein Arbeitsverhältnis beendet. Die vom Kläger nunmehr im vorliegenden Verfahren aufgezeigte Möglichkeit eines Hinzuverdienstes zur Rente, also der Fortführung einer beruflichen Tätigkeit nach Erreichen der Regelaltersgrenze stellt demgegenüber den absoluten Ausnahmefall dar.

Auch sämtliche weitere Begleitumstände sprechen eindeutig für die klägerseits gewollte Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dies gilt zunächst für die im Schreiben vom 18.05.2006 beantragte Gewährung seines Resturlaubes. Sieht man dies im Zusammenhang mit dem Erreichen der Altersgrenze, so kann die begehrte Gewährung des Resturlaubs nur dahin verstanden werden, dass sämtlicher noch bestehender Urlaubsanspruch vor endgültiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Natura gewährt werden soll. Bei einer Fortführung des Arbeitsverhältnisses würde eine Resturlaubsgewährung keinen Sinn machen. Vielmehr hätte der Kläger dann einen gewöhnlichen Urlaubsantrag gestellt.

Weitere in die gleiche Richtung gehende Umstände sind die vom Kläger im Grundsatz nicht beanstandete Zeugniserteilung sowie die erfolgte Verabschiedung aus dem aktiven Berufsleben zum 30.06.2006. Würde man das Schreiben des Klägers vom 18.05.2006 in dem nunmehr von seinem Prozessbevollmächtigten vorgetragenen Sinne als bloße Tatsachenerklärung ohne Kündigungscharakter verstehen wollen, so wäre nicht nachvollziehbar, warum der Kläger ohne weiteren Protest zum 30.06.2006 seine Arbeit eingestellt, das Arbeitszeugnis entgegengenommen und seiner eigenen Verabschiedung aus dem aktiven Berufsleben zum 30.06.2006 beigewohnt hat. Bei einer bloßen Tatsachenerklärung und einem über den 30.06.2006 hinaus fortbestehenden Arbeitsverhältnis hätte nichts näher gelegen, als jedenfalls am 01.07.2006 weiter zur Arbeit zu erscheinen und keinesfalls an der eigenen Verabschiedung teilzunehmen.

c) Schließlich führt auch der Einwand des klägerischen Prozessbevollmächtigen in der mündlichen Berufungsverhandlung, der Kläger habe jedenfalls in dem Schreiben vom 18.05.2006 keine Kündigung erklären wollen, zu keinem anderen Ergebnis. Der Klägervertreter rügt damit das seiner Meinung nach fehlende Erklärungsbewusstsein des Klägers zur Abgabe einer Kündigungserklärung.

Ein solches Erklärungsbewusstsein ist jedoch nicht notwendiger Bestandteil der Willenserklärung. Die nach dem BGB bestehende Freiheit in der Wahl der Erklärungshandlung nimmt den Erklärenden gleichzeitig in die Verantwortung. Ihm und nicht dem Erklärungsempfänger muss das "Erklärungsrisiko" angelastet werden. Ein Verhalten oder eine Aussage, die sich für den Erklärungsempfänger als Ausdruck eines bestimmten Rechtsfolgewillens darstellen, sind dem Erklärenden daher auch dann als Willenserklärung zuzurechnen, wenn er kein Erklärungsbewusstsein hatte (BGH, Urteil vom 07.06.1984 - IX ZR 66/83, NJW 1984, 2279; BGH, Urteil vom 02.11.1989 - IX ZR 197/88, NJW 1990, 454; BGH, Beschluss vom 19.09.2002- V ZB 37/02, NJW 2002, 3629; Palandt/Heinrichs, BGB 66. Auflage 2007, Einführung vor § 116 Rz. 17 m. w. N.). Dementsprechend kommt es auf ein besonderes Erklärungsbewusstsein des Klägers nicht an. Bei der von ihm abgegebenen Erklärung, am 01.07.2006 in Rente gehen und vorher seinen Resturlaub nehmen zu wollen, musste er davon ausgehen, dass diese von der Beklagten als Eigenkündigung zum 30.06.2006 verstanden wird. Die Beklagte ist daher als Erklärungsempfängerin auch entsprechend schutzbedürftig. Aus ihrem Verhalten, nämlich der Zeugniserteilung und der offiziellen Verabschiedung des Klägers zum 30.06.2006 ist unmissverständlich zu entnehmen, dass sie das vorgenannte Schreiben des Klägers und die darin enthaltene Erklärung auch genau in diesem Sinne verstanden hat.

2. Aus der damit feststehenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2006 folgt gleichzeitig die Unbegründetheit der klägerischen Zahlungsansprüche. Nach Vertragsende fehlt es hierfür an einer Anspruchsgrundlage.

III. Nach allem war somit die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Wegen der erfolglosen Einlegung des Rechtsmittels ist der Kläger gemäß §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO verpflichtet, die Kosten der Berufung zu tragen.

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen. Insbesondere ging es nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, da die Entscheidung auf den Umständen des Einzelfalls beruht.

Ende der Entscheidung

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