Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 03.09.2003
Aktenzeichen: 3 Sa 516/03
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1
Verteilt der Arbeitgeber die bislang von einem Arbeitnehmer im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung (hier 20 Stunden/Woche) ausgeübten Tätigkeiten zum Teil auf einen anderen Arbeitnehmer (im Umfang jeweils variabel nach dessen freier Arbeitskapazität) und vergibt er die verbleibenden Tätigkeiten an dritte Unternehmen, liegt ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG grundsätzlich vor. Wendet sich der gekündigte Arbeitnehmer hiergegen nur mit dem Argument, der andere Arbeitnehmer verfüge über keine freien Arbeitskapazitäten, ist die Kündigung wegen der verbleibenden Fremdvergabe sozial gerechtfertigt.
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 06.02.2003 - 3 Ca 366/02 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung. Von einer erneuten Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 06.02.2003 verurteilt, dem Kläger ein Endzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt und hat im übrigen den Bestandsschutzantrag, den Weiterbeschäftigungsantrag sowie den Antrag auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf Blatt 96 ff. d. A. Bezug genommen. Gegen dieses ihm am 08.04.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.05.2003 Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 u. 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Ausnahme des Antrags auf Zeugniserteilung zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis ist durch die streitgegenständliche Kündigung der Beklagten rechtswirksam zum 28.02.2002 beendet worden.

Die Kündigung ist nicht nach § 1 Abs. 2 KSchG, dessen Anwendbarkeitsvoraussetzungen unstreitig erfüllt sind, sozialwidrig.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. zuletzt BAG, Urteil vom 27.06.2002 - 2 AZR 489/01 -, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 119; BAG, Urteil vom 26.09.2002 - 2 AZR 636/01 -, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 124 jeweils m. w. N.) können sich betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG aus innerbetrieblichen Umständen (Unternehmerentscheidungen wie z. B. Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder durch außerbetriebliche Gründe (z. B. Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) ergeben. Diese betrieblichen Erfordernisse müssen "dringend" sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebs notwendig machen. Die Kündigung muss wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein (BAG, Urteil vom 17.06.1999 - 2 AZR 241/99 -, NZA 1999, 1098, 1099). Bei Kündigungen aus innerbetrieblichen Gründen muss der Arbeitgeber darlegen, welche organisatorischen oder technischen Maßnahmen er angeordnet hat und wie sich die von ihm behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf die Beschäftigungsmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirken (BAG, Urteil vom 24.10.1979 - 2 AZR 940/77 -, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 13). Von den Arbeitsgerichten ist voll nachzuprüfen, ob eine derartige unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt; eine solche unternehmerische Entscheidung ist selbst nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihrer Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG, Urteil vom 29.03.1990 - 2 AZR 269/89 -, BAGE 65, 61; BAG, Urteil vom 27.06.2002 - 2 AZR 489/01 -, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 119). Die Missbrauchskontrolle hat sich unter anderem daran zu orientieren, dass durch die Wertung der Willkür und des Missbrauchs der verfassungsrechtlich geforderte Bestandsschutz nicht unangemessen zurückgedrängt wird. Neben Verstößen gegen gesetzliche und tarifliche Normen zählen hierzu vor allem Umgehungsfälle (BAG, Urteil vom 26.09.2002 - 2 AZR 636/01 -, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 124).

Diese Voraussetzungen eines dringenden betrieblichen Erfordernisses zur Kündigung liegen vor. Die Beklagte hat die Organisationsentscheidung getroffen und durchgeführt, die Stelle des "Projektleiter Umweltschutz" ersatzlos einzusparen. Diese Entscheidung war verbunden mit der weiteren Organisationsentscheidung, die bislang vom Kläger im Rahmen einer Halbtagsbeschäftigung auf dieser Stelle ausgeübten Tätigkeiten künftig teilweise von dem Abteilungsleiter A ausüben zu lassen, der auf Grund eines beendeten Großprojekts in erheblichem Umfang über freie Kapazität verfügte. Die Beklagte hat sich weiter entschlossen, danach noch verbleibende Tätigkeiten fremd zu vergeben und den geringfügigen Sachbearbeitungsanteil von der Sachbearbeiterin Frau R mit wahrnehmen zu lassen. Seit dem Ausscheiden des Klägers am 28.02.2002 sind bis zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung im September 2003 mehr als eineinhalb Jahre vergangen, ohne dass die Beklagte die Stelle des Klägers neu besetzt hätte. Dies macht noch mehr als bereits im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung deutlich, dass die Beklagte die von ihr getroffene Organisationsentscheidung auch tatsächlich umgesetzt hat. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 03.09.2003 eingewandt hat, es sei zu vermuten, dass die Beklagte die bislang von ihm ausgeübten Tätigkeiten "liegen lasse" und solange "schiebe" wie der vorliegende Rechtsstreit beendet sei, überzeugt dies die Kammer nicht. Konkrete Anhaltspunkte für eine solche Vorgehensweise der Beklagten sind vom Kläger nicht vorgetragen und auch ansonsten nicht ersichtlich.

Diese Unternehmerentscheidung hält auch der nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vorzunehmenden Willkürprüfung Stand. Eine innerbetriebliche Umorganisation dahingehend, dass Tätigkeiten, die bislang von einem Arbeitnehmer im Rahmen einer Halbtagsbeschäftigung ausgeübt worden sind, auf andere vollbeschäftigte Arbeitnehmer mit freien Arbeitskapazitäten verlagert werden, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Gleiche gilt für die unternehmerische Entscheidung, derartige Tätigkeiten insgesamt oder zumindest Teile hiervon an Subunternehmer fremd zu vergeben. Anders als in dem der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 26.09.2002 (2 AZR 636/01, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 124) zu Grunde liegenden Sachverhalt bietet der vorliegende Fall auch keine Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten.

Wie bereits in erster Instanz, wendet sich der Kläger gegen die Betriebsbedingtheit der Kündigung auch zweitinstanzlich allein mit der Behauptung, dass der Abteilungsleiter A bereits mit seinen bisherigen Tätigkeiten voll ausgelastet sei und von daher über keine freien Arbeitskapazitäten verfüge. Er habe daher durch das Ausscheiden des Klägers frei werdende Tätigkeiten nicht übernehmen können. Dieser beklagtenseits bestrittene Einwand des Klägers ist - worauf der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich hingewiesen hat - rechtlich unerheblich. Das der streitgegenständlichen Kündigung zu Grunde liegende unternehmerische Konzept lässt sich auf diese Weise nicht rechtlich erheblich angreifen. Denn die Beklagte hat ausdrücklich vorgetragen, dass die bislang vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten künftig nicht in einem dauerhaft festgeschriebenen Umfang vom Abteilungsleiter A mitübernommen werden sollen. Dieser soll vielmehr lediglich insoweit an Stelle des Klägers tätig werden, wie bei ihm in wechselndem Umfang freie Kapazitäten entstehen. Sämtliche verbleibende Tätigkeit soll - wie von der Beklagten ausdrücklich vorgetragen - an dritte Unternehmen fremd vergeben werden. Damit hat die Beklagte letztlich ein fließendes Arbeitsverteilungssystem gewählt, das im Extremfall eine hundertprozentige Fremdvergabe der Tätigkeiten des Klägers zulässt. Diese Fremdvergabe ist vom Kläger weder tatsächlich bestritten noch rechtlich angegriffen worden. Im Gegenteil entspricht die Weitergabe von Aufträgen an dritte Unternehmen seinem eigenen ausdrücklichen erstinstanzlichen Tatsachenvortrag. Soweit er nunmehr in der mündlichen Berufungsverhandlung erstmals pauschal bestritten hat, dass eine Fremdvergabe tatsächlich vorgenommen werde, kann dieser Einwand sowohl auf Grund seiner Pauschalität als auch wegen des Widerspruchs zum bisherigen Sachvortrag keine Berücksichtigung finden. Ist aber eine Fremdvergabe der bisher vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten für die Beklagte ohne weiteres möglich und entspricht diese auch dem der Kündigung zu Grunde liegenden und im Rechtsstreit von vornherein vorgetragenen Konzept, geht sämtlicher Vortrag des Klägers bezüglich der fehlenden Arbeitskapazität des Abteilungsleiters Ammann offensichtlich ins Leere. Die Betriebsbedingtheit der Kündigung kann jedenfalls auf diese Weise nicht in Frage gestellt werden.

Die Kündigung ist auch nicht wegen einer fehlerhaften Sozialauswahl im Sinne des § 1 Abs. 3 KSchG sozial ungerechtfertigt. Wie bereits das Arbeitsgericht in der angegriffenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, sind nur solche Arbeitnehmer in die soziale Auswahl einzubeziehen, die nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen horizontal vergleichbar sind. Solche mit dem Kläger im Sinne des § 1 Abs. 3 KSchG vergleichbare Arbeitnehmer sind bei der Beklagten nicht vorhanden. Den uneingeschränkt zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in der angefochtenen Entscheidung ist insoweit nichts hinzuzufügen. Dies hat letztlich auch der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht auf nochmaligen Hinweis der Kammer eingeräumt.

Auch sonstige Gründe, die eine Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge haben könnten, liegen nicht vor. Es sind keine Umstände ersichtlich, die für das Eingreifen eines sonstigen Unwirksamkeitsgrundes sprechen könnten. Das gilt insbesondere für die wirksam nach § 102 BetrVG durchgeführte Anhörung des Betriebsrats, deren Wirksamkeit vom Kläger in der Berufungsinstanz auch nicht mehr in Zweifel gezogen worden ist.

Die Rechtswirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung hat zur Folge, dass auch der Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers mangels fortbestehenden Arbeitsverhältnisses als unbegründet abzuweisen war. Gleiches gilt für den Antrag auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses, der ebenfalls ein Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses voraussetzt.

II. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von 72 Abs. 2 ArbGG, weil die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalles beruht.

Ende der Entscheidung

Zurück