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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 23.08.2006
Aktenzeichen: 3 Sa 535/06
Rechtsgebiete: GG, TzBfG, BGB, EFZG, MTV Deutsche Lufthansa AG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 9 Abs. 3
TzBfG § 4 Abs. 1
BGB § 615
EFZG § 2 Abs. 1
MTV Deutsche Lufthansa AG § 11
1. Tarifvertragsparteien kommt bei der Vereinbarung von Tarifverträgen ein durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützter Entscheidungsspielraum zu, der lediglich willkürliche Regelungen ausschließt (hier. Berechnung einer Zeitgutschrift für eine kraft tariflicher Freistellungsregelung ausgefallenen Schicht).

2. Die sachliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung richtet sich maßgeblich nach dem Leistungszweck.

3. Annahmeverzugsansprüche kommen nicht in Betracht, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtwirksam von der Arbeitspflicht freigestellt hat.


Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 23.03.2006 - 1 Ca 9151/05 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Gewährung von Freitzeitausgleich für Arbeitsausfall an Tagen vor Weihnachten und Neujahr.

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 01.09.1973 als Flightmanagerin mit einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 1.887,19 € beschäftigt. Ihre durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit betrug zuletzt im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung 18,75 Stunden. Die Klägerin arbeitet im sogenannten Job-Sharing-Modell in jeweils vollen Schichten, also immer blockweise an ganzen Arbeitstagen. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung der Manteltarifvertrag für das Bodenpersonal bei der D L Anwendung

Der vorgenannte Manteltarifvertrag Nummer 14 für das Bodenpersonal vom 01.10.1992 in der Fassung vom 12.05.2005 (MTV) enthält unter anderem folgende Bestimmungen:

"§ 11 Abs. 1 MTV:

An den Tagen vor Weihnachten und Neujahr wird, wenn die Verhältnisse des Betriebes es zulassen, ab 12:00 Uhr unter Fortzahlung der Vergütung Arbeitsbefreiung gewährt.

§ 23 Abs. 3 MTV:

Sonntags- und Feiertagsarbeit ist die tatsächlich geleistete Arbeitszeit zwischen 0:00 Uhr und 24:00 Uhr an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen.

Wenn die Sonntagsarbeit vor 24:00 Uhr aufgenommen wurde, gilt als Sonntagsarbeit auch die Arbeit in der Zeit von 0:00 Uhr bis 04:00 Uhr des auf den Sonntag folgenden Tages.

Feiertagsarbeit im Schichtdienst beginnt mit dem Beginn der Frühschicht und endet mit dem Beginn der Frühschicht des darauf folgenden Tages.

Protokollnotiz X zum Manteltarifvertrag Nummer 14:

Fehlzeitenberechnung/Zeitkonto

(1) Mitarbeiter, die planmäßig im Durchschnitt an fünf Arbeitstagen und weniger pro Woche arbeiten, erhalten für jeden Abwesenheitstag unter Fortzahlung der Vergütung - ausgenommen Abwesenheitszeiten gemäß § 27 (Krankheit) und wegen gesetzlich oder behördlich festgesetzter Feiertage - eine Zeitgutschrift in Höhe der Stunden, die der durchschnittlichen täglichen Grundarbeitszeit in der 5-Tage-Woche entspricht.

(2) In Höhe der Zeitdifferenz soll zu den an den jeweiligen Abwesenheitstagen im Sinne des Absatzes 1 planmäßig vorgesehenen Arbeitszeiten eine Verrechnung (Zeitkonto) mit folgenden be- bzw. entstehenden Freizeitguthaben vorgenommen werden: Plusstunden aus Gleitzeit im Schichtbetrieb, Reisestunden, Rufbereitschaft, Überarbeit (§ 9), schichtfreie Wochenfeiertage (§ 11 Abs. 4), Arbeit an Vorfesttagen (§ 11 Abs. 2), Arbeit an Feiertagen (§ 11 Abs. 3), Zusatzurlaub (§ 33).

Eine Rangfolge kann durch Betriebsvereinbarung festgelegt werden.

Satz 1 gilt entsprechend für die Verrechnung von Freizeitguthaben mit be- bzw. entstehenden Zeitdifferenzen im Sinne des Absatzes 1 während des Zeitraumes, in dem der jeweilige Freizeitausgleich zu gewähren ist (§§ 9 und 11).

..."

Die Klägerin war schichtplanmäßig für die Nachtschicht des 31.12.2004 auf den 01.01.2005 von 20:45 Uhr bis 05:15 Uhr eingeteilt. Aufgrund der vorgenannten Tarifregelung wurde sie von der Arbeitsleistung freigestellt. Sie erhielt hierfür eine Zeitgutschrift auf ihrem Zeitkonto in Höhe von 3,75 Stunden.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, ihr für diese Arbeitsfreistellung insgesamt 8 Stunden auf ihrem Zeitkonto gutzuschreiben. Dies folge zum einen aus einer früheren Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.08.2002 (5 AZR 417/01), die den Arbeitsausfall an einem Feiertag betrifft. Im Übrigen hat sie sich in unzulässiger Weise benachteiligt gefühlt und gemeint, die geringe Zeitgutschrift stelle einen Verstoß gegen § 4 Abs. 1 TzBfG dar. Sie werde nämlich durch die vorstehende Handhabung der Beklagten als teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmerin wegen der Teilzeit schlechter behandelt als vergleichbare vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, die für die gleiche Schicht 8 Stunden auf ihrem Zeitkonto gutgeschrieben bekämen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, ihr für den 31.12.2004 4 Stunden und 15 Minuten auf ihrem Zeitkonto gutzuschreiben,

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr im Falle des Arbeitsausfalls aus Anlass eines Vorfeiertages gemäß § 11 Abs. 1 des Manteltarifvertrages für das Bodenpersonal bei der D L AG die Anzahl von Stunden gutzuschreiben, die sie schichtplanmäßig an dem jeweiligen Tag ohne den Ausfall gearbeitet hätte.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, der Klägerin seien für die ausgefallene Nachtschicht vom 31.12.2004 auf den 01.01.2005 zu Recht nur 3,75 Stunden gutgeschrieben worden. Dies ergebe sich aus den tariflichen Regelungen, die auch nicht gegen § 4 TzBfG verstießen. Die Protokollnotiz Nr. X gelte für alle Arbeitnehmer und gewährleiste gerade eine uneingeschränkte Gleichbehandlung.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 23.03.2006 abgewiesen, da es dem klägerischen Begehren an einer einschlägigen Anspruchsgrundlage fehle. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe sich tarifkonform verhalten und sei weder nach § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 2 Abs. 1 EFZG, noch nach § 615 BGB zur Gewährung einer weitergehenden Zeitgutschrift verpflichtet. Schließlich hat es auch eine Ungleichbehandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten mit der Begründung verneint, dass beide nach den tariflichen Bestimmungen uneingeschränkt gleich behandelt würden. Gegen dieses ihr am 28.04.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 08.05.2006 Berufung eingelegt und diese am 27.06.2006 begründet.

Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, dass die tarifliche Regelung des § 11 MTV gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG verstoße. Zwar würden von der Tarifregelung Teil- und Vollzeitkräfte in gleicher Weise erfasst, jedoch stelle dies nur eine formelle Gleichbehandlung dar. Materiellrechtlich führe die Tarifregelung zu Entgeltnachteilen für die teilzeitbeschäftigte Klägerin, da einem Vollzeitmitarbeiter bei einem maximalen täglichen Schichtumfang von 10,5 Stunden jedenfalls immer 7,5 Stunden gutgeschrieben würden, wohingegen die Einbuße der Klägerin bei einer dienstplanmäßigen 8-Stunden-Schicht mehr als einen halben Tag, nämlich 4,15 Stunden betrage. Eine derartige Ungleichbehandlung sei weder durch sachliche Gründe noch betrieblich gerechtfertigt. Die Klägerin meint, ihr seien daher die tatsächlich ausgefallenen Stunden, mindestens doch diejenigen Stunden gutzuschreiben, die einem Vollzeitmitarbeiter an einem derartigen Tag gutgeschrieben worden wären. Im Übrigen meint die Klägerin weiterhin, die Beklagte habe sich für die Zeit der Freistellung der Klägerin am 31.12.2004 im Annahmeverzug befunden, da die Klägerin ihrerseits arbeitsbereit gewesen sei.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 23.03.2006 - 1 Ca 9151/05 -

1. die Beklagte zu verurteilen, ihr für den 31.12.2004 4 Stunden und 15 Minuten auf ihrem Zeitkonto gutzuschreiben;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr im Falle des Arbeitsausfalls aus Anlass eines Vorfeiertages gemäß § 11 Abs. 1 des Manteltarifvertrages für das Bodenpersonal bei der Deutschen Lufthansa AG die Anzahl von Stunden gutzuschreiben, die sie schichtplanmäßig an dem jeweiligen Tag ohne den Ausfall gearbeitet hätte;

hilfsweise,

3. die Beklagte zu verurteilen, ihr für den 31.12.2004 3 Stunden und 45 Minuten auf ihrem Zeitkonto gutzuschreiben;

4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr im Falle des Ausfalls aus Anlass eines Vorfeiertages gemäß § 11 Abs. 1 des Manteltarifvertrages für das Bodenpersonal bei der Deutschen Lufthansa AG die durchschnittliche tägliche Stundenzahl eines Vollzeitmitarbeiters gutzuschreiben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung mit Rechtsausführungen und sieht nach wie vor keine einschlägige Anspruchsgrundlage, die dem klägerischen Begehren zum Erfolg verhelfen könnte. Ein Anspruch aus §§ 611 BGB, 2 Abs. 1 EFZG scheitere bereits an der fehlenden Feiertagsarbeit. Eine Entgeltfortzahlung an Vorfreiertagen sei gesetzlich nicht vorgesehen. § 4 Abs. 1 TzBfG sei nicht einschlägig, da eine Ungleichbehandlung nicht vorliege. Vielmehr würden Voll- und Teilzeitkräfte gleich behandelt. Insgesamt werde die Beklagte mit der praktizierten Regelung gerade den in § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG dargelegten Grundsätzen gerecht, da sie den teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern das Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang gewähre, der dem Anteil an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigen Arbeitnehmers entspreche. Genau dies geschehe durch die pro-rata-temporis gewährte Zeitgutschrift für Teilzeitkräfte. Schließlich liege auch kein Annahmeverzug im Sinne des § 615 BGB vor, da die Klägerin kraft der tariflichen Regelungen in § 11 Abs. 1 MTV von der Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen, sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Auch die in der Berufungsinstanz von der Klägerin erstmalig gestellten Hilfsanträge sind unbegründet.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte für den 31.12.2004 keinen Anspruch auf Gewährung einer Zeitgutschrift in Höhe von 4 Stunden und 15 Minuten.

a) Ein derartiger Anspruch ergibt sich zunächst nicht aufgrund tariflicher Vorschriften. Mit der unstreitig erfolgten Gewährung einer Zeitgutschrift in Höhe von 3 Stunden und 45 Minuten für den 31.12.2004 hat sich die Beklagte tarifkonform verhalten. Dies folgt aus § 11 Abs. 1 MTV in Verbindung mit der Protokollnotiz X Abs. 1.

Gemäß § 11 Abs. 1 MTV gewährt die Beklagte an den Tagen vor Weihnachten und Neujahr ab 12:00 Uhr eine bezahlte Arbeitsbefreiung, sofern die Verhältnisse des Betriebes dies zulassen. Die Ermittlung des für diese Arbeitsbefreiung zu gewährenden Ausgleichs auf dem jeweiligen Zeitkonto der Mitarbeiter ist in der Protokollnotiz X zum vorgenannten Manteltarifvertrag geregelt. Nach Absatz 1 dieser Protokollnotiz erhalten Mitarbeiter, die planmäßig im Durchschnitt an fünf Arbeitstagen oder weniger pro Woche arbeiten, für jeden Abwesenheitstag unter Fortzahlung der Vergütung eine Zeitgutschrift in Höhe der Stunden, die der durchschnittlichen täglichen Grundarbeitszeit in der 5-Tage-Woche entspricht. Nach Absatz 2 Satz 3 der Protokollnotiz ist diese Regelung entsprechend bei der Gewährung von Freizeitausgleich nach § 11 MTV anzuwenden.

Dieses tarifliche Berechnungsmodell hat die Beklagte zugrunde gelegt. Die Klägerin arbeitet planmäßig im Durchschnitt an weniger als fünf Arbeitstagen pro Woche und ihre durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit beträgt 18,75 Stunden. Letzteres entspricht bei einer 5-Tage-Woche einer durchschnittlichen täglichen Grundarbeitszeit von 3,75 Stunden. Diese hat die Beklagte dem Arbeitszeitkonto der Klägerin unstreitig für den 31.12.2004 gutgeschrieben. Ansprüche auf Gewährung einer weitergehenden Zeitgutschrift sind dem Tarifvertrag nicht zu entnehmen.

b) Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Gewährung einer weitergehenden Zeitgutschrift für den 31.12.2004 folgt auch nicht aus § 2 Abs. 1 EFZG. Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertages ausfällt, das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm sind nicht erfüllt. Vorliegend ist die Arbeitszeit der Klägerin nicht infolge eines Feiertags ausgefallen. Letzteres ist immer nur dann der Fall, wenn zwischen dem Arbeitsausfall und dem Feiertag ein unmittelbarer monokausaler Zusammenhang besteht. Immer dann, wenn der Arbeitsausfall auch auf anderen Gründen beruht und der Feiertag nicht die alleinige Ursache ist, scheidet § 2 Abs. 1 EFZG als Anspruchsgrundlage aus (BAG, Urteil vom 24.10.2001 - AP Nr. 8 zu § 2 EntgeltFG; BAG, Urteil vom 20.09.2000 - NZA 2001, 735; ErfK/Dörner, 6. Auflage, § 2 EFZG, Rn. 17). So liegt der Fall hier. Ursächlich für den Schichtausfall der Klägerin am 31.12.2004 war nicht der Neujahrsfeiertag am 01.01.2005, sondern die Arbeitsbefreiung erfolgte an dem Vorfeiertag allein aufgrund der oben dargestellten tariflichen Regelung in § 11 Abs. 1 MTV.

Unerheblich ist insoweit, dass die ausgefallene Nachtschicht der Klägerin, beginnend am 31.12.2004 um 20:45 Uhr bis 05:15 Uhr am darauf folgenden 01.01.2005 und mithin bis in den Feiertag hinein gedauert hätte. Denn die Tarifvertragsparteien haben vorliegend in § 23 Abs. 3 MTV von der gesetzlichen Möglichkeit des § 9 Abs. 2 ArbZG Gebrauch gemacht und den Beginn der Feiertagsarbeit im Schichtdienst auf den Beginn der Frühschicht an diesem Tag definiert. Da die vorgesehene Schicht der Klägerin am 01.01.2005 vor sechs Uhr geendet hätte, gilt diese mithin noch als Tätigkeit an einem Vorfeiertag.

Nichts anderes folgt auch aus der von der Klägerin herangezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.08.2002 (5 AZR 417/01 - AP Nr. 10 zu § 2 EntgeltFG). Der vom Bundesarbeitsgericht entschiedene Fall ist mit dem Vorliegenden nicht vergleichbar. Zwar hat sich das Bundesarbeitsgericht in diesem Fall mit den Tarifbestimmungen der Beklagten und insbesondere mit der Protokollnotiz X zum Manteltarifvertrag auseinandergesetzt. Anders als im Fall der Klägerin ging es dort jedoch um die Gewährung von Zeitgutschriften für den Arbeitsausfall an einem Feiertag. Nur insoweit hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, dass die in der Protokollnotiz X vorgesehene Berechnungsweise nicht mit der zwingenden gesetzlichen Regelung in § 2 Abs. 1 EFZG vereinbar sei. Für die Gewährung eines Arbeitszeitausgleichs bei Arbeitsfreistellungen an einem Vorfeiertag ist diese Entscheidung jedoch nicht aussagekräftig.

c) Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch aus § 615 BGB keinen Anspruch auf Gewährung der begehrten Zeitgutschrift, denn die Beklagte befand sich am 31.12.2004 nicht im Annahmeverzug.

Annahmeverzug im Sinne des § 615 BGB ist immer dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer arbeiten will, der Arbeitgeber den Arbeitnehmer jedoch nicht beschäftigen kann oder will. Für diesen Fall ordnet die vorgenannte gesetzliche Regelung an, dass der Arbeitnehmer die Vergütung verlangen kann und zur Nachleistung der Arbeit für Zeiträume, in denen der Arbeitgeber sie nicht angenommen hat, nicht verpflichtet ist. Grundvoraussetzung ist dabei aber immer das Vorliegen eines erfüllbaren Arbeitsverhältnisses. § 615 BGB kann nur dann zum Tragen kommen, wenn der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung verpflichtet und der Arbeitgeber zur Annahme berechtigt ist (vgl. BAG, Urteil vom 12.09.1985 - AP Nr. 7 zu § 102 BetrVG 1972 Weiterbeschäftigung; ErfK/Preis, 6. Auflage, § 615 BGB, Rn. 9). Dementsprechend kommen Ansprüche aus Annahmeverzug nicht in Betracht, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtswirksam von seiner Arbeitspflicht freigestellt hat (BAG, Urteil vom 19.03.2002 - 9 AZR 16/01 -, NZA 2002, 1055; BAG, Urteil vom 23.01.2001 - 9 AZR 26/00 -, NZA 2001, 597; LAG Köln, Urteil vom 21.01.2004 - 7 Sa 946/03 -).

So liegt der Fall hier. Es fehlt bereits an der erforderlichen Arbeitspflicht der Klägerin am 31.12.2004, denn die ursprünglich aufgrund des Dienstplans bestehende Beschäftigungspflicht der Klägerin ist mit dem Eingreifen der tariflichen Freistellungsbestimmung des § 11 Abs. 1 MTV entfallen.

d) Ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung der weitergehenden Zeitgutschrift ergibt sich auch nicht unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten. Die Gewährung einer Zeitgutschrift in Höhe von 3,75 Stunden für den 31.12.2004 stellt keine ungerechtfertigte Benachteiligung der teilzeitbeschäftigten Klägerin dar. Die Beklagte hat hiermit nicht gegen das Diskriminierungsverbot des § 4 Abs. 1 TzBfG verstoßen.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden, als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Für Arbeitsentgelt oder andere teilbare geldwerte Leistungen bestimmt § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG darüber hinaus, dass diese einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer mindestens in dem Umfang zu gewähren sind, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. § 4 Abs. 1 Satz 2 konkretisiert damit das allgemeine Benachteiligungsverbot des ersten Satzes der Vorschrift (BAG, Urteil vom 05.11.2003 - 5 AZR 8/03 -, EzA § 4 TzBfG Nr. 6; BAG, Urteil vom 11.12.2003 - 6 AZR 64/03 -, EzA § 4 TzBfG Nr. 8).

Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, fehlt es vorliegend bereits an einer Ungleichbehandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten. Die von der Beklagten angewandten tariflichen Bestimmungen in § 11 Abs. 1 MTV und der Protokollnotiz X behandeln teilzeit- und vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer ausdrücklich gleich. Absatz 1 und Absatz 2 Satz 3 der Protokollnotiz X regeln die Gewährung von Zeitgutschriften bei einem Arbeitsausfall an Vorfeiertagen einheitlich für sämtliche Mitarbeiter, die planmäßig im Durchschnitt an fünf Arbeitstagen oder weniger pro Woche arbeiten. Von dieser Bestimmung werden sowohl Teilzeit- als auch Vollzeitmitarbeiter in gleicher Weise erfasst. Erfolgt somit keine gesonderte Behandlung von Teilzeitbeschäftigten, kann auch ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 TzBfG nicht vorliegen.

e) Die vorgenannten Regelungen des Manteltarifvertrages verstoßen auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Weder § 11 Abs. 1 MTV noch die diesen ausgestaltende Berechnungsvorschrift in der Protokollnotiz X sind gleichheitswidrig.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verbietet der durch Art. 3 Abs. 1 GG gewährleistete Gleichheitssatz, gleiche Sachverhalte unterschiedlich zu behandeln. Danach liegt eine Ungleichbehandlung vor, wenn für die vorgenommene Differenzierung ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund nicht besteht. Durch eine Tarifnorm wird der Gleichheitssatz verletzt, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, bedeutsame Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die bei einer am Gerechtigkeitsgedanken ausgerichteten Betrachtungsweise beachtet werden müssen. Die Tarifvertragsparteien brauchen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen; vielmehr genügt es, wenn sich für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund ergibt (BAG, Urteil vom 16.06.2004 - 5 AZR 448/03 - EzA § 4 TzBfG Nr. 9; BAG, Urteil vom 05.11.2003 - 5 AZR 8/03 - EzA § 4 TzBfG Nr. 6).

Ob für eine Ungleichbehandlung bei der Gewährung von Leistungen ein sachlicher Grund besteht, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anhand des Leistungszwecks zu beantworten. Maßgebend ist danach der Zweck, um den es den Tarifvertrags- bzw. Betriebsparteien bei der Regelung der Leistungen nach ihrem im Tarifvertrag oder der Betriebsvereinbarung selbst zum Ausdruck gekommenen Willen geht. Dieser Wille ist durch Auslegung zu ermitteln (BAG, a. a. O.; Annuß/Thüsing, TzBfG, 2. Auflage, § 4 Rn. 49).

bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen erweist sich die tarifliche Regelung als verfassungskonform. Die von der Klägerin angeführte trotz formeller Gleichbehandlung eintretende mittelbare Benachteiligung bei der Gewährung von Zeitgutschriften für die Arbeitsfreistellung an Vorfeiertagen ist auch am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht zu beanstanden.

Bei der Ermittlung des Leistungszwecks der tariflichen Regelung ist eine differenzierte Betrachtungsweise erforderlich.

Die eigentliche Freistellungsregelung in § 11 Abs. 1 MTV, die entsprechenden tariflichen Vorschriften im öffentlichen Dienstrecht nachgebildet ist, verfolgt denselben Zweck, wie diese Tarifbestimmungen. Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 26.05.1993 (5 AZR 184/92 - AP Nr. 42 zu Artikel 119 EWG Vertrag) im Einzelnen ausgeführt, mit den Freistellungen am 24. und 31. Dezember eines jeden Jahres ab 12 Uhr, werde dem Umstand Rechnung getragen, dass auch die meisten anderen Arbeitnehmer in Deutschland an den Nachmittagen dieser beiden Tage frei hätten und diese - im Gegensatz zu den Vormittagen - in der Bevölkerung als "Feier-Halbtage" angesehen würden. Diese Freistellungsregelung wird auch von der Klägerin nicht beanstandet.

Hiervon zu unterscheiden sind die konkreten Ausführungsbestimmungen in der Protokollnotiz X zum MTV, die die Klägerin für gleichheitswidrig hält. Dort haben die Tarifvertragsparteien für die Ermittlung der konkreten Zeitgutschrift im jeweiligen Einzelfall nicht das sogenannte Lohnausfallprinzip angewandt, sondern die durchschnittliche tägliche Grundarbeitszeit in einer 5-Tage-Woche zugrundegelegt. Mit dieser auf einen einwöchigen Referenzzeitraum abstellenden Berechnungsweise sollen regelmäßig punktuelle Spitzen vermieden und ein möglichst gerechter, der wöchentlichen Arbeitszeit des Arbeitnehmers entsprechender, Arbeitszeitausgleich herbeigeführt werden.

Die Wahl zwischen diesen beiden Berechnungsmodellen steht den Tarifvertragsparteien frei. Sie haben im Gegensatz zu den Arbeitsvertragsparteien insofern einen über Art. 9 Abs. 3 GG besonders geschützten Entscheidungsspielraum bzw. eine sogenannte Einschätzungsprärogative (vgl. BAG, Urteil vom 30.08.2000 - 4 AZR 563/99 - NZA 2001, 613, 616 ff.; Annuß/Thüsing, a. a. O. § 4 Rn. 66; Meinel/Heyn/Herms, TzBfG, 2. Auflage, § 4 Rn. 32). Lediglich willkürliche tarifliche Regelungen sind danach ausgeschlossen (vgl. Meinel/Heyn/Herms, a.a.O.). Letzteres kann für die Protokollnotiz X offensichtlich nicht gelten. Im Gegenteil haben sich die Tarifvertragsparteien bemüht, eine für alle Arbeitnehmer einheitliche Ausgleichsregelung zu finden. Sie haben sich für das sogenannte Referenzprinzip entschieden, um auch für den einzelnen Arbeitnehmer einen möglichst gleichmäßigen Ausgleich zu schaffen. Eine ungerechtfertigte Benachteiligung der Klägerin kann darin nicht gesehen werden. Letztlich haben die Tarifvertragsparteien lediglich dem pro-rata-temporis-Prinzip des § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG Rechnung getragen, das im Bereich des Entgelts ein gesetzlich anerkanntes Differenzierungskriterium darstellt. Soweit die Klägerin durch das Referenzprinzip stärker belastet wird als die vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, stellt dies mithin keine unverhältnismäßige Benachteiligung dar. Der oben genannte Regelungszweck rechtfertigt eine solche Verfahrensweise jedenfalls unter Berücksichtigung der tariflichen Einschätzungsprärogative und dem damit geltenden Willkürmaßstab. Insgesamt liegt somit auch keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes vor.

2. Steht mithin der Klägerin gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Gewährung einer weitergehenden Zeitgutschrift für den 31.12.2004 zu, folgt daraus gleichzeitig, dass auch der entsprechende allgemeine Feststellungsantrag zu Ziffer 2 unbegründet ist.

3. Das Gleiche gilt für die von der Klägerin erstmalig zweitinstanzlich gestellten Hilfsanträge. Da nach dem Vorstehenden die tarifliche Regelung in § 11 Abs. 1 MTV und Protokollnotiz X nicht gleichheitswidrig sind, fehlt es auch für die von der Klägerin hilfsweise begehrte Gleichbehandlung mit den Vollzeitbeschäftigten der Beklagten an einer Rechtsgrundlage.

III. Insgesamt musste daher der Berufung der Klägerin der Erfolg versagt bleiben. Da die Klägerin das Rechtsmittel ohne Erfolg eingelegt hat, ist sie gemäß §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 97 Absatz 1 ZPO verpflichtet, die Kosten der Berufung zu tragen.

Die Revisionszulassung beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, da die Kammer in Anbetracht der Vielzahl der von der streitigen Tarifbestimmung betroffenen Teilzeitbeschäftigten der Beklagten von einer grundsätzlichen Bedeutung ausgegangen ist.

Ende der Entscheidung

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