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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 10.12.2008
Aktenzeichen: 3 Sa 781/08
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 9 Abs. 1 Satz 2
1) Die Zusammenführung von zwei bisher voll ausgelasteten Arbeitsplätzen zu einem verbleibenden Arbeitsplatz bedarf einer besonderen substantiierten Begründung, die den 50 %-igen Wegfall des bisherigen Arbeitsbedarfs nachvollziehbar erläutert.

2) Der Grund für eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG kann sich aus dem Verhalten eines Prozessbevollmächtigen im gerichtlichen Verfahren ergeben, das sich die Partei zurechnen lassen muss. Ein untauglicher, weil ohne entsprechenden Titel vorgenommener Zwangsvollstreckungsversuch reicht hierfür in aller Regel noch nicht aus. Demgegenüber kann die anwaltliche Unterstellung gegenüber einem Vorgesetzten des klagenden Arbeitnehmers, er werde aufgrund seiner persönlichen Abhängigkeit von der Beklagten im Prozess als Zeuge die Unwahrheit sagen, einen Auflösungsgrund darstellen.


Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 03.06.2008 - 8 Ca 7353/07 - wird zurückgewiesen.

2. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung sowie über einen hilfsweise arbeitgeberseitig gestellten Auflösungsantrag.

Der am 14.10.1958 geborene, ledige Kläger ist seit dem 03.12.1997 bei der Beklagten mit einer durchschnittlichen Monatsvergütung von zuletzt 4.800,00 € brutto beschäftigt. Nach mehreren Änderungen der vertraglichen Aufgabenstellung ist der Kläger zuletzt als "Leiter internes Help Desk" tätig.

Mit Schreiben vom 22.08.2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers unter Bezugnahme auf betriebsbedingte Gründe ordentlich zum 31.12.2007 und stellte den Kläger zeitgleich unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit frei. Mit der am 03.09.2007 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Kündigungsschutzklage wendet sich der Kläger gegen die Wirksamkeit dieser Kündigung.

Wegen des erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Mit diesem Urteil vom 03.06.2008 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 22.08.2007, zugegangen am selben Tag, zum 31.12.2007 aufgelöst worden ist und hat die weitergehende Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe nicht vorgetragen, welche Arbeitsmenge bei den bisherigen zwei Help Desk Leiterstellen insgesamt angesiedelt gewesen sei und auf welche Weise sich die entsprechende Arbeitsmenge durch die Zusammenlegung der beiden Bereiche "internes Help Desk" und "externes Help Desk" derart verringert habe, dass sie künftig nur noch dem vertraglichen Arbeitsleistungsvolumen einer Vollzeitstelle entsprochen habe. Es fehlten die erforderlichen tatsächlichen Beschreibungen zu den betrieblichen Abläufen und die hierdurch gebundenen Arbeitsleistungskapazitäten sowie eine auf die Leitungspositionen bezogene Gegenüberstellung der früheren Situation zu derjenigen nach Umsetzung der Unternehmerentscheidung zur Zusammenlegung. Von daher seien keine dringenden betrieblichen Gründe erkennbar, die die betriebsbedingte Kündigung des Klägers als ultima ratio bedingen können. Wegen der Begründung im Übrigen wird auf das erstinstanzliche Urteil (Bl. 131 - 141 d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 16.06.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18.06.2008 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 18.09.2008 begründet.

Die Beklagte meint, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht von einer gesteigerten Darlegungs- und Beweislast der Beklagten ausgegangen. Eine solche werde vom Bundesarbeitsgericht nur für den Fall anerkannt, dass die unternehmerische Entscheidung "nur" im Abbau einer Hierarchieebene bestehe. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall. Von daher gelte auch hier die Vermutungswirkung der Sachlichkeit der getroffenen unternehmerischen Entscheidung, so dass es dem Kläger obliege, den Nachweis des Rechtsmissbrauchs oder der Willkür zu führen. Dies sei nicht geschehen. Außerdem könne vom Arbeitgeber eine konkrete Darlegung der Arbeitsmengen und ihrer Verteilung vor und nach der Unternehmerentscheidung allenfalls dann gefordert werden, wenn die von ihm hier zu vorgetragenen Grundsätze vom Kläger substantiiert und prozessual erheblich bestritten würden. Auch hieran fehle es.

Unabhängig von diesen Grundsätzen legt die Beklagte zweitinstanzlich eine Tätigkeitsbeschreibung der früheren Leiter der beiden Help Desks sowie des verbliebenden Leiters des späteren einzigen Service Desks vor. Auf die Tätigkeitsbeschreibung Blatt 192 d. A. wird insoweit Bezug genommen. Die Beklagte führt im Einzelnen aus, dass aufgrund der mit der neuen Struktur verbundenen Synergieeffekte nunmehr teilweise Aufgaben von den unterstellen Mitarbeitern ausgeführt werden könnten. Neben derartigen Synergien sorge insbesondere auch die stetig steigende Professionalisierung der Mitarbeiter des Service Desks für eine deutliche Reduzierung des Arbeitsvolumens. Schließlich werde durch standardisierte Vorgehensweisen bei Einsatzplanungen und der Aufbereitung von statistischen Daten Arbeitszeit eingespart. Dies habe insgesamt dazu geführt, dass das bisherige Arbeitsvolumen um die Hälfte reduziert worden sei.

Den mit Schriftsatz vom 09.12.2008 angekündigten und den in der Berufungsverhandlung erstmals gestellten hilfsweisen Auflösungsantrag begründet die Beklagte mit den schriftsätzlichen Ausführungen des klägerischen Prozessbevollmächtigten im vorliegenden Verfahren. Der Kläger versuche fortwährend die Beklagte in ein schlechtes Licht zu rücken und sie herabzuwürdigen. Er unterstelle ihr unwahren Sachvortrag und werfe ihr damit letztlich nichts anderes als einen (versuchten) Prozessbetrug vor. Der Kläger würdige seine Vorgesetzten und Kollegen herab und scheue nicht einmal davor zurück, Vollstreckungsmaßnahmen in die Wege zu leiten, obgleich ein entsprechender Vollstreckungstitel gar nicht vorliege. Dies und die ständigen Unterstellungen des Klägers, die Beklagte verhalte sich rechts- und gesetzeswidrig mache eine weitere, den Betriebszwecken dienlich Zusammenarbeit unmöglich. Das Arbeitsverhältnis müsse daher gerichtlich aufgelöst werden.

Die Beklagte beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 03.06.2008 - 8 Ca 7353/07 - abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen;

2. hilfsweise, das Arbeitsverhältnis durch Urteil des Gerichts gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aufzulösen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung sowie den hilfsweise gestellten Auflösungsantrag der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger tritt der erstinstanzlichen Entscheidung bei und führt aus, er habe substantiiert vorgetragen, dass dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung nicht gegeben seien. Die Beklagte habe insbesondere nicht dargelegt, welche Verringerung der Arbeitsmenge stattgefunden habe und wie sich diese auf das Arbeitsverhältnis des Klägers ausgewirkt habe. Insbesondere rügt er die Unvollständigkeit von der Beklagten zweitinstanzlich vorgelegten Tätigkeitsbeschreibung. Er wendet darüber hinaus ein, die Aufstellung der Beklagten enthalte eine unzutreffende prozentuale Gewichtung der Tätigkeiten und sei im Übrigen ungenau und unverständlich. Er rügt weiterhin die fehlerhafte Sozialauswahl und erstmalig auch die nicht ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats.

Gründe für eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses sieht der Kläger nicht und meint insbesondere, sein prozessualer Vortrag sei aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Einzelne, von der Beklagten gerügten Formulierungen seien der besonderen Emotionalität geschuldet, mit der der Kläger diesen Rechtsstreit führe und müssten daher auch unter diesem Gesichtspunkt gewürdigt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO). Dies gilt auch für den erstmalig zweitinstanzlich hilfsweise gestellten Auflösungsantrag, da ein solcher gemäß § 9 Abs. 1 S. 3 KSchG bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gestellt werden kann.

II. Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage zu Recht stattgegeben. Auch der damit angefallene hilfsweise Auflösungsantrag der Beklagten ist unbegründet. Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit der Parteien nicht erwarten lassen, sind nach Auffassung der Kammer nicht gegeben. Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Die Kündigung vom 22.08.2007 ist rechtsunwirksam, weil sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen, bedingt ist (§ 1 Abs. 2 KSchG).

a. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können sich betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG aus innerbetrieblichen Umständen (Unternehmerentscheidungen wie z. B. Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einstellung der Produktion) oder durch außerbetriebliche Gründe (z. B. Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) ergeben. Diese betrieblichen Erfordernisse müssen "dringend" sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebs notwendig machen. Die Kündigung muss wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein (vgl. BAG, Urteil vom 24.04.1979 - 2 AZR 940/77 - BAGE 32, 150; BAG, Urteil vom 29.03.1990 - 2 AZR 369/89 - BAGE 65, 61; BAG, Urteil vom 17.06.1999 - 2 AZR 141/99 - BAGE 92, 71; zuletzt BAG, Urteil vom 08.11.2007 - 2 AZR 418/06 - EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 157). Bei Kündigungen, die auf innerbetriebliche Gründe gestützt werden, muss der Arbeitgeber daher im Einzelnen darlegen, welche organisatorischen oder technischen Maßnahmen er angeordnet hat und wie sich die von ihm behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf die Beschäftigungsmöglichkeit für den gekündigten Arbeitnehmer auswirken (BAG, Urteil vom 24.10.1979 - 2 AZR 940/77 - AP Nr. 8 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, BAG, Urteil vom 17.06.1999 - 2 AZR 456/98 - NZA 1999, 1157, 1160; BAG, Urteil vom 01.02.2007 - 2 AZR 710/05 - EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 153).

b. Legt man diesen Maßstab an die von der Beklagten vorgetragene Kündigungsbegründung an, so vermag den Anforderungen auch der zweitinstanzliche Sachvortrag der Beklagten nicht zu genügen.

Dahin gestellt bleiben können zunächst die Ausführungen der Beklagten zur Vermutungswirkung der Sachlichkeit der getroffenen unternehmerischen Entscheidung. Die Kammer geht - wie letztlich im Ergebnis auch das Arbeitsgericht - von einer weder rechtsmissbräuchlichen noch willkürlichen unternehmerischen Entscheidung aus, sieht aber die nach der oben dargestellten ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu fordernden Voraussetzungen für die Darlegung des dringenden betrieblichen Erfordernisses i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG nicht als erfüllt an. Insoweit ist entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten auch unerheblich, ob der Kläger die diesbezüglichen Ausführungen der Beklagten substantiiert bestritten hat - was im Übrigen nach Auffassung der Kammer der Fall ist -, denn es ist zunächst Aufgabe der Beklagten ihrerseits substantiiert die für das Vorliegen des betriebsbedingten Kündigungsgrundes erforderlichen Voraussetzungen im Einzelnen darzulegen. Fehlt es - wie im vorliegenden Fall - bereits hieran, kommt es auf die weitere Einlassung des Klägers nicht mehr an.

Die Beklagte hat einen Wegfall des Beschäftigungsbedarfs für den Kläger auch zweitinstanzlich nicht darzulegen vermocht. Sie begründet die streitgegenständliche Kündigung damit, dass durch die Zusammenlegung von internem und externem Help Desk zu einem sogenannten Service Desk kein hinreichender Beschäftigungsbedarf für den Kläger mehr bestehe. Vielmehr sei nur noch ein Arbeitsvolumen für einen Mitarbeiter vorhanden, das nach der Kündigung des Klägers vom bisherigen Leiter des externen Help Desks, Herrn W , ausgeübt worden sei. Überdies sei auch das Arbeitsverhältnis mit Herrn W zum 31.12.2007 beendet und die Tätigkeiten zum 01.01.2008 fremdvergeben worden. Diese unternehmerische Maßnahme ist unstreitig Gegenstand einer weiteren Folgekündigung der Beklagten, wegen der ein weiteres Kündigungsschutzverfahren erstinstanzlich beim Arbeitsgericht Köln anhängig ist.

Zur Begründung des von ihr behaupteten Wegfalls des Beschäftigungsbedarfs für den Kläger stellt die Beklagte zweitinstanzlich erstmalig die Tätigkeiten des Klägers und des weiteren Mitarbeiters W als jeweilige Leiter der beiden Help Desks dar und vergleicht diese mit der nach Zusammenführung der beiden Help Desks verbliebenen Tätigkeit. Danach verbleibt nach der Zusammenführung der beiden Vollzeitstellen, in denen die Mitarbeiter jeweils zu 100 % ausgelastet waren, lediglich eine Vollzeitstelle mit einer ebenfalls 100prozentigen Tätigkeitsauslastung. Die Aufstellung enthält dabei im Bereich des externen Help Desks acht und im Bereich des internen Help Desks sechs jeweils prozentual unterschiedlich gewichtete Einzeltätigkeiten. Letzteres wird vom Kläger u. a. mit der Begründung bestritten, dass es sich hierbei um eine unvollständige Aufzählung seiner Tätigkeiten handele. Dieses Bestreiten kann letztlich dahingestellt bleiben, da selbst unter Zugrundelegen der beklagtenseitigen Sachverhaltsdarstellung der vollständige Wegfall des Beschäftigungsbedarfs für den Kläger nach Auffassung der Kammer nicht nachvollziehbar dargelegt ist.

Die Beklagte stützt die von ihr behauptete Halbierung des Beschäftigungsbedarfs im Wesentlichen auf drei Gründe. Zum einen führt sie an, durch die neue, schlankere Struktur ergäben sich deutliche Synergieeffekte im Bereich des First-Level-Supports für die zu betreuenden Händler sowie des First- und Second-Level-Help Desks für die internen Anwender, so dass operative Arbeiten nunmehr von den unterstellten Mitarbeitern ausgeführt werden könnten. Dies führe zu einer Reduzierung des Beschäftigungsvolumens im Leitungsbereich um 35 %. Weiter führt die Beklagte an, dass standardisierte Vorgehensweisen sowohl bei der Einsatzplanung als auch bei der Aufbereitung der statistischen Daten des Reportings und beim Abstimmen von Daten eine weitere 20prozentige Reduzierung des Arbeitsvolumens bewirke. Schließlich weist die Beklagte auf weitere Synergieeffekte aufgrund einer stetig steigenden Professionalisierung der Mitarbeiter des Service Desks hin, sodass in mehreren Arbeitsbereichen eine weitere Reduzierung des Arbeitsvolumens um zusätzliche 35 % eingetreten sei. Nach allem sei damit Arbeit nur noch für einen Mitarbeiter vorhanden. Dies werde letztlich dadurch bestätigt, dass Herr W keine zusätzliche Mehrarbeit leiste, sondern im Gegenteil sein vorhandenes Überstundenkonto sogar noch leicht reduziert habe.

Diese Ausführungen der Beklagten vermögen die erkennende Kammer nicht zu überzeugen. Der von der Beklagten behauptete, vollständige Wegfall des bisherigen Arbeitsvolumens einer Vollzeitstelle ist nicht hinreichend konkret dargetan.

Dies gilt zunächst für die von der Beklagten angeführten Synergieeffekte aufgrund einer "stetig steigenden Professionalisierung der Mitarbeiter des Service Desks". Die Mitarbeiter arbeiten bereits seit mehreren Jahren im Help Desk Bereich. Unstreitig existierte bis Anfang 2005 lediglich ein Help Desk. Warum aufgrund der nunmehr im August 2007 durchgeführten erneuten Zusammenlegung der beiden Help Desks eine steigende Professionalisierung der Mitarbeiter eintreten soll, ist von der Beklagten weder näher erläutert, noch ansonsten ersichtlich. Vielmehr handelt es sich hierbei lediglich um einen schlagwortartigen Begründungsversuch, der jedoch jeglicher näheren Erläuterung entbehrt.

Das gleiche gilt für die von der Beklagten angeführten, nunmehr erfolgenden standardisierten Vorgehensweisen. Auch insoweit ist die behauptete Zeitersparnis nicht unmittelbar nachvollziehbar. Die Beklagte führt an, dass Einsatzplanungen für Mitarbeiter nun lediglich einmal durchgeführt werden müssten, wohingegen dies vorher doppelt der Fall gewesen sei. Dabei lässt die Beklagte unberücksichtigt, dass die Einsatzplanung im nunmehr verbliebenen alleinigen Service Desk für eine größere Anzahl von Mitarbeitern durchgeführt werden muss und der Einspareffekt damit minimal sein dürfte. Ebenso verhält es sich mit der von der Beklagten angeführten Halbierung der Arbeitsmenge im Bereich des Reportings und der Statistik. Auch insoweit ist nicht ersichtlich, warum allein die organisatorische Zusammenlegung der beiden Help Desks eine derart deutliche Reduzierung des Beschäftigungsvolumens bewirken soll, da die einzelnen Tätigkeiten als solche von der Organisationsänderung unberührt bleiben. Im Ergebnis fallen dieselben Tätigkeiten auch weiterhin an, sollen jedoch lediglich von einer anstatt bisher von zwei Personen erledigt werden.

Schließlich hat die Beklagte auch den von ihr angeführten Beschäftigungswegfall in der Leitungsposition im Bereich des First- und Second-Level-Supports nicht hinreichend dargelegt. Die Beklagte führt hierzu lediglich aus, dass wegen der Zusammenführung der beiden Help Desks nunmehr diese Arbeiten komplett von den unterstellten Mitarbeitern ausgeführt werden könnten. Auch insoweit ist nicht nachvollziehbar, warum allein aufgrund einer Zusammenlegung von Organisationseinheiten Tätigkeiten, die bislang in der Leitungsebene ausgeübt wurden nunmehr auf die nachgeordnete Ebene verlagert werden können. Darüber hinaus fehlt jeglicher konkreter Sachvortrag dazu, wie, in welchem Umfang, welcher nachgeordnete Mitarbeiter nunmehr welche Tätigkeiten auszuführen hat.

Wie oben im Einzelnen dargestellt worden ist, muss die gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG für den Kündigungsgrund darlegungs- und beweispflichtige Beklagte im Einzelnen darlegen und im Bestreitensfall nachweisen, wie das bisher vom Kläger ausgeführte Tätigkeitsvolumen auf andere Mitarbeiter verteilt worden ist. Diesen Anforderungen ist sie - wie oben im Einzelnen ausgeführt - nicht hinreichend nachgekommen. Die streitgegenständliche Kündigung ist damit gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial ungerechtfertigt und somit nach § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam.

2. Auch der von der Beklagten hilfsweise gestellte Auflösungsantrag ist unbegründet. Nach Auffassung der erkennenden Kammer liegen keine Gründe vor, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht erwarten lassen.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers nach vorheriger Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist, das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitsgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Erforderlich ist also ein Verhalten des Arbeitnehmers, das beim Arbeitgeber mit Recht die Besorgnis aufkommen lassen kann, die weitere Zusammenarbeit sei ernsthaft gefährdet. Dabei kann sich ein solcher Auflösungsgrund auch aus dem Verhalten des Prozessbevollmächtigten ergeben, das sich der Arbeitnehmer zurechnen lassen muss (BAG, Urteil vom 23.06.2005 - 2 AZR 256/04 - AP Nr. 52 zu § 9 KSchG 1969; BAG, Urteil vom 07.03.2002 - 2 AZR 158/01 - AP Nr. 42 zu § 9 KSchG 1969; von Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 14. Aufl., § 9 Rz 73; Fiebig/Gallner/Nägele, KSchG, 3. Aufl., § 9 Rz 68). Als Auflösungsgründe kommen danach regelmäßig Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Behauptungen oder persönliche Angriffe gegenüber dem Arbeitgeber oder Vorgesetzten in Betracht (für alle APS/Biebl, 3. Aufl., § 9 KSchG Rz 63 ff. m.w.Nachw.).

Vorliegend stützt die Beklagte ihren Auflösungsantrag auf das Verhalten des klägerischen Prozessbevollmächtigten im vorliegenden Rechtsstreit. Dieser habe der Beklagten fortwährend zu Unrecht rechtswidriges und gesetzeswidriges Verhalten unterstellt. Er habe behauptet, die Beklagte begehe absichtlich Gesetzesverstöße, um die nur angeblich betriebsbedingte Kündigung des Klägers zu rechtfertigen. Dem früheren Vorgesetzten des Klägers habe er unterstellt, er werde im Prozess die Unwahrheit sagen, nur um die Kündigung des Klägers zu erreichen. Er habe unter anderem behauptet, die Beklagte habe die "Degradierung" des Klägers betrieben, ihn in ein "Sterbezimmer" versetzt, versucht ihn mit "Kettenversetzungen" "mürbe zu machen" und insgesamt ein typisches Muster des "Weichkochens" mit ihm betrieben. Alles gipfele in der rhetorischen Frage, "ob überhaupt irgend ein Vortrag der Beklagten der Wahrheit entspreche". Schließlich habe der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigen aus dem erstinstanzlichen Urteil eine Zwangsvollstreckung wegen der nicht erfolgten Weiterbeschäftigung des Klägers betrieben, ohne dass ein derartiger Anspruch überhaupt tituliert worden sei.

Diese von der Beklagten angeführten Gründe reichen nach Auffassung der Kammer (noch) nicht aus, um eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar erscheinen zu lassen. Dabei geht die Kammer mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Interesse eines wirksamen Bestandsschutzes von grundsätzlich strengen Anforderungen aus, die an einen berechtigten Auflösungsgrund zu stellen sind (vgl BAG, Urteil vom 02.06.2005 - 2 AZR 234/04 - AP Nr. 51 zu § 9 KSchG 1969; BAG, Urteil vom 23.06.2005 - 2 AZR 256/04 - AP Nr. 52 zu § 9 KSchG 1969; Thüsing/Laux/Lembke/Arnold, KSchG, § 9 Rz 49).

Unbeachtlich ist insoweit zunächst der untaugliche Zwangsvollstreckungsversuch des klägerischen Prozessbevollmächtigten. Diese Zwangsvollstreckungsmaßnahme beruht entweder auf der rechtlichen Unkenntnis des klägerischen Prozessbevollmächtigten oder darauf, dass dieser bewusst ohne Vorliegen eines Titels versucht, auf diese ungeeignete Weise prozessualen Druck auf die Beklagte auszuüben. In beiden Fällen handelt es sich um ein rein prozessuales Verhalten seines Prozessbevollmächtigten, dessen Rechtsunwirksamkeit der Kläger nicht ohne weiteres erkennen konnte.

Anders ist dies jedenfalls im Grundsatz hinsichtlich der weiteren schriftsätzlichen Einlassungen des klägerischen Prozessbevollmächtigten im vorliegenden Rechtsstreit. Insbesondere in der Unterstellung gegenüber einem Vorgesetzten des Klägers, er werde aufgrund seiner persönlichen Abhängigkeit von der Beklagten im Prozess als Zeuge die Unwahrheit sagen, sieht die erkennende Kammer einen durchaus gewichtigen Auflösungsgrund. Andererseits ist im Rahmen der zu treffenden Gesamtabwägung zu Gunsten des Klägers seine langjährige Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen. Ferner sind die besonderen Umstände des laufenden Kündigungsschutzverfahrens zu beachten. Der Kläger befindet sich insoweit in einer außergewöhnlichen Stresssituation, die zu emotionalen Überreaktionen führen kann. Diese emotionale Einbindung sollte zwar normalerweise den klägerischen Prozessbevollmächtigten nicht erfassen. Geschieht dies - wie offensichtlich im vorliegenden Fall geschehen - dennoch, so kann dieses Fehlverhalten dem Kläger nicht ohne weiteres in vollem Umfang zugerechnet werden. Gerade aufgrund der besonderen Situationsbedingtheit der im Prozess gefallenen Äußerungen des klägerischen Prozessbevollmächtigten geht die Kammer davon aus, dass nach Abschluss des Rechtsstreits weiterhin eine weitestgehend unbelastete Zusammenarbeit der Parteien im Rahmen des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses möglich ist. Für eine gerichtliche Auflösung besteht daher keine Veranlassung.

III. Da die Beklagte nach alledem das Rechtsmittel ohne Erfolg eingelegt hat, muss sie nach §§ 64 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens tragen.

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen. Insbesondere ging es nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.

Ende der Entscheidung

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