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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 09.04.2003
Aktenzeichen: 3 Sa 975/02
Rechtsgebiete: TzBfG


Vorschriften:

TzBfG § 8
1. Beruft sich der Arbeitgeber gegenüber einem Teilzeitwunsch des Arbeitnehmers auf entgegenstehende betriebliche Gründe im Sinne von § 8 Abs. 4 TzBfG, ist er insoweit darlegungs- und beweispflichtig.

2. Mit dem Begriff der betrieblichen Gründe sollen unzumutbare Anforderungen an die Ablehnung durch den Arbeitgeber ausgeschlossen werden. Es genügen rationale, nachvollziehbare Gründe.

3. Allein die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers, Arbeitsaufgaben nicht durch Arbeitnehmer in Teilzeit wahrnehmen zu lassen, reicht zur Darlegung betrieblicher Gründe im Sinne von § 8 Abs. 4 TzBfG nicht aus, da ansonsten der gesetzliche Teilzeitanspruch vollständig entwertet würde. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Abgrenzung der freien Unternehmerentscheidung im Kündigungsrecht (BAG, Urteil vom 17.06.1999 - 2 AZR 141/99; NZA 1999, 1098, 1100) muss der Arbeitgeber bei der alleinigen Berufung auf seine Organisationsentscheidung vielmehr zusätzlich eine stimmige, plausible und damit nachvollziehbare Begründung für das seiner Organisationsentscheidung zugrundeliegende Konzept darlegen, wonach er in bestimmten Betriebsbereichen oder sogar im gesamten Betrieb ausschließlich Vollzeitarbeitsplätze einrichtet.

4. Übliche Belastungen, die mit der Einrichtung eines Teilzeitarbeitsplatzes verbunden sind, stellen regelmäßig keinen hinreichenden Grund zur Ablehnung eines Teilzeitbegehrens nach § 8 TzBfG dar.


LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 3 Sa 975/02

Verkündet am: 09.04.2003

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 09.04.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Kreitner als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Knörrchen und Kammerer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 11.06.2002 - 1 Ca 6132/01 h - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf eine hälftige Reduzierung ihrer regelmäßigen Arbeitszeit.

Die am 15.10.1969 geborene, verheiratete Klägerin ist seit dem 04.07.1990 bei der Beklagten als Arbeiterin in der Endmontage beschäftigt. Ihr durchschnittlicher Bruttomonatsverdienst betrug bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden zuletzt 1.817,64 €. Bei der Beklagten handelt sich um ein Unternehmen der metallverarbeitenden Industrie mit Hauptsitz in R , das in dem H Betrieb im Februar 2002 154 gewerbliche Arbeitnehmer und 25 Angestellte beschäftigte.

Der Ehemann der Klägerin ist berufstätig. Die Klägerin ist Mutter eines am 23.12.1998 geborenen Kindes, das von ihr betreut und versorgt wird. Vom 23.12.1998 bis 22.12.2001 befand sich die Klägerin in Elternzeit. Bis zur Geburt des Kindes arbeitete sie zuletzt montags bis donnerstags von 07:30 Uhr bis 15:45 Uhr sowie freitags von 07:30 Uhr bis 12:30 Uhr.

Am 13.11.2001 fand zwischen der Klägerin und dem Personalleiter der Beklagten unter Teilnahme des Betriebsratsvorsitzenden ein Gespräch statt, in dem die Klägerin einen Anspruch nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) auf Reduzierung ihrer Arbeitszeit um 50 % geltend machte. Mit Schreiben vom 22.11.2001 lehnte die Beklagte gegenüber der Klägerin eine Teilzeitbeschäftigung unter Berufung auf "organisatorische und betriebliche Ablaufgründe" ab. In dem hierauf von der Klägerin zur vorläufigen Durchsetzung ihrer Teilzeitbeschäftigung angestrengten einstweiligen Verfügungsverfahren erklärte ihr Prozessbevollmächtigter im Termin vom 08.01.2002, dass hilfsweise eine Teilzeitbeschäftigung "ab jetzt in drei Monaten halbtags, beginnend täglich ab 07:00 Uhr morgens" geltend gemacht werde. Dies lehnte die Beklagte am 07.02.2002 schriftlich ab.

Mit ihrer am 17.12.2001 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage machte die Klägerin die Zustimmung der Beklagten zu der von ihr begehrten Verringerung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit geltend. Sie hat behauptet, sie habe sich bereits im Juni/Juli 2001 an den Personalleiter der Beklagten mit dem Begehren gewandt, ihr Arbeitsverhältnis ab dem 23.12.2001 im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 17,5 Stunden fortzusetzen. Ferner hat sie die Auffassung vertreten, der Arbeitszeitreduzierung stünden keine betrieblichen Gründe im Sinne des § 8 Abs. 4 TzBfG entgegen und die Beklagte sei jedenfalls verpflichtet, sie spätestens ab dem 14.02.2002 zu den von ihr angestrebten Arbeitszeiten zu beschäftigen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, der von der Klägerin begehrten Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit auf wöchentlich 17,5 Stunden montags bis donnerstags von 07:00 Uhr bis 11:00 Uhr, einschließlich einer fünfzehnminütigen Pause sowie freitags von 07:00 Uhr bis 09:30 Uhr ohne Pause mit Wirkung ab dem 14.02.2002 zuzustimmen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat zunächst die Auffassung vertreten, die Klage sei unzulässig, da der Gesetzgeber dem Arbeitnehmer im Teilzeit- und Befristungsgesetz anders als im Bundeserziehungsgeldgesetz kein Klagerecht eingeräumt habe. Jedenfalls aber sei die Klage in zweierlei Hinsicht unbegründet. Zum einen sei im Hinblick auf die von der Klägerin erstmals zum 02.01.2002 begehrte Arbeitszeitreduzierung die Drei-Monats-Frist des § 8 Abs. 2 TzBfG nicht gewahrt. Zum anderen scheitere ein Anspruch der Klägerin auf Verringerung der Arbeitszeit gemäß § 8 Abs. 4 TzBfG an entgegenstehenden betrieblichen Gründen. Hierzu hat die Beklagte behauptet, das Angebot einer Teilzeitbeschäftigung sei bereits aus organisatorischen und finanziellen Gründen nicht möglich. Die betriebliche Organisation im Werk H sei ausschließlich auf Vollzeit-Arbeitszeit ausgerichtet. Es handele sich um eine Serienproduktion, die in Prämienentlohnung vergütet werde. Zur Erreichung einer entsprechenden Prämienleistung sei eine gewisse Arbeitsroutine erforderlich, die nur in längeren Arbeitsphasen gut erreicht werden könne. Gleichzeitig erschwere die Prämienentlohnung eine kurzfristige Übernahme von Tätigkeiten. Die Fertigungsaufträge unterlägen zu weit überwiegenden Teilen Terminvorgaben, die eine kurzfristige Erledigung forderten und bei denen auch geringfügige Verzögerungen nachteilig für die Lieferfähigkeit seien. Die Aufträge liefen regelmäßig in Losgrößen, die pro Auftrag Montagetätigkeiten von drei bis fünf Tagen erforderten. Eine Fertigungsunterbrechung sei wirtschaftlich unsinnig.

Die Beklagte hat weiter vorgetragen, dass sämtliche Mitarbeiter des Werks H ausschließlich in Vollzeitarbeit tätig und für Teilzeitbeschäftigte keinerlei Regelungen vorhanden seien. Bei einer Einführung von Teilzeitbeschäftigung werde daher ein ständiger Zähl- und Wiegevorgang notwendig, um den Leistungsgrad der Teilzeit den entsprechenden Produktionsaufträgen zuordnen zu können. Dementsprechend müsse bei einer Teilzeitbeschäftigung der Klägerin das mitarbeiterbezogene Abrechnungssystem der Beklagten entsprechend umgestellt und neu abgestimmt werden. Hierzu hat die Beklagte vorgetragen, dass beispielsweise die Veränderung nur einer Komponente in ihrem R Werk im Lohnbüro einen Aufwand von drei Stunden pro Mitarbeiter ausgemacht habe. Wenn auch der genaue Kostenaufwand für die Einrichtung einer Teilzeitstelle der Klägerin noch nicht erfasst werden könne, so sei allein für die erstmalige Systemumstellung mit zusätzlichen Personalkosten in Höhe von ca. 520,00 € zu rechnen.

Mit Urteil vom 11.06.2002 hat das Arbeitsgericht Aachen der Klage in ganz überwiegendem Umfang stattgegeben und die Beklagte verurteilt, der von der Klägerin begehrten Arbeitszeitverringerung mit Wirkung ab dem 14.02.2002 zuzustimmen. Es ist dabei davon ausgegangen, dass der Beklagten keine betrieblichen Gründe im Sinne des § 8 Abs. 4 TzBfG zur Seite stünden. Weder stelle die Erfassung der Arbeitszeiten und der Arbeitsleistung einen unzumutbaren Arbeitsaufwand für die Beklagte dar, noch erfolge ein Eingriff in die innerbetriebliche Organisation der Beklagten, der eine wesentliche Beeinträchtigung bedeute. Schließlich sei die Beklagte nicht in ihrer Entscheidung frei, ob sie Arbeitnehmer in Teil- oder Vollzeit beschäftige, da diese Auffassung in klarem Widerspruch zu § 8 TzBfG stehe, wonach der Arbeitgeber Eingriffe in seine innerbetriebliche Organisationsentscheidung bis zur Grenze der "wesentlichen Beeinträchtigung" dulden müsse.

Gegen dieses der Beklagten am 22.08.2002 zugestellte Urteil hat sie am 19.09.2002 Berufung eingelegt und diese am 14.10.2002 begründet. Sie hält an der erstinstanzlich vorgetragenen Auffassung fest, dass Vollzeitbeschäftigte bei Prämienentlohnung längerfristig eine effektivere Arbeitsleistung erbringen. Außerdem meint sie weiterhin, dass gerade die erstmalige Einrichtung eines Teilzeitarbeitsplatzes in einem Betrieb eine besondere Belastung für die Arbeitsorganisation bedeute. Von daher müsse bei der rechtlichen Beurteilung eines Teilzeitwunsches deutlich zwischen Betrieben differenziert werden, in denen bereits Teilzeitarbeitsplätze vorhanden seien und solchen, die bislang nur über Vollzeitarbeitskräfte verfügten.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt dem erstinstanzlichen Urteil bei und meint weiterhin, entgegenstehende betriebliche Gründe im Sinne des § 8 Abs. 4 TzBfG seien von der Beklagten weder dargelegt noch bewiesen worden. Insbesondere liege in der bloßen Kundgabe, im Betrieb generell keine Teilzeitstelle einrichten zu wollen, keine Arbeitgeberentscheidung, die die Zurückweisung eines Wunsches nach Teilzeitbeschäftigung rechtfertigen könne, da andernfalls das Gesetz völlig inhaltsleer wäre.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zwar zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keine Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, der von der Klägerin begehrten Arbeitszeitreduzierung zuzustimmen.

1. Die Klage ist zulässig. Zu Recht hat das Arbeitsgericht dem Einwand der Beklagten der Gesetzgeber habe eine Klagemöglichkeit für den Arbeitnehmer bewusst nicht vorgesehen, vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtsweggarantie keine rechtliche Relevanz beigemessen. Auch die Antragstellung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Mit ihrer Leistungsklage auf Abgabe einer zustimmenden Willenserklärung der Beklagten zu der von ihr begehrten Vertragsänderung hat sie die zutreffende Verfahrensart gewählt (vgl. LAG Köln, Urteil vom 04.12.2001 - 9 Sa 726/01 - ArbuR 2002, 189, 190; LAG Niedersachsen, Urteil vom 02.08.2002 - 16 Sa 166/02 - NZA-RR 2003, 6, 7; Rolfs, RdA 2001, 129, 136). Der Antrag ist schließlich auch bezüglich des Reduzierungsumfangs und der konkreten wöchentlichen Arbeitszeitverteilung hinreichend bestimmt.

2. Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 8 Abs. 1 TzBfG einen Anspruch auf Zustimmung zu der von ihr begehrten Arbeitszeitverringerung.

a) Die allgemeinen Voraussetzungen des § 8 TzBfG sind erfüllt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat länger als sechs Monate bestanden (§ 8 Abs. 1 TzBfG), die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als fünfzehn Arbeitnehmer (§ 8 Abs. 7 TzBfG) und vorherige Gespräche der Parteien über das Begehren der Klägerin sind erfolglos geblieben (§ 8 Abs. 3 TzBfG). Schließlich ist im Hinblick auf den beantragten Änderungszeitpunkt auch die Drei-Monats-Frist des § 8 Abs. 2 TzBfG gewahrt. Die Beklagte hat die zunächst erstinstanzlich erhobenen Einwände insoweit ausdrücklich aufgegeben.

b) Dem Klagebegehren stehen auch keine betrieblichen Gründe im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG entgegen.

aa) Das gesetzliche Tatbestandsmerkmal des betrieblichen Grundes ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der in jedem Einzelfall der konkreten Ausfüllung bedarf (Annuß/Thüsing, TzBfG, § 8 Rz. 122; Beckschulze, DB 2000, 2598). Als Auslegungshilfe dienen hierzu die Regelbeispiele, die der Gesetzgeber in einer nicht abschließenden Aufzählung in § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG anführt. Danach liegt ein betrieblicher Grund insbesondere vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht.

Als weiteres wichtiges Auslegungskriterium ist auf die Entstehungsgeschichte des Gesetzes zurückzugreifen. Im ursprünglichen Referentenentwurf des Gesetzes wurden entgegenstehende "dringende" betriebliche Gründe verlangt. Der Regierungsentwurf hat auf dieses zusätzliche Dringlichkeitserfordernis bewusst verzichtet. Dies kann nach der ganz überwiegenden Auffassung nur dahingehend verstanden werden, dass damit der Anforderungsmaßstab für die entgegenstehenden betrieblichen Gründe gesenkt werden sollte (Preis/Gotthardt, DB 2001, 145, 147; Lindemann/Simon, BB 2001, 146, 148; Kliemt, NZA 2001, 63, 65; zuletzt LAG Niedersachsen, Urteil vom 02.08.2002 - 16 Sa 166/02 - NZA - RR 2003, 6, 7 mit umfassenden weiteren Nachweisen aus der Instanzrechtsprechung). Allerdings ist gleichzeitig zu berücksichtigen, dass der Wortlaut der Regelbeispiele im Gesetzgebungsverfahren unverändert geblieben ist und dort weiterhin eine wesentliche Beeinträchtigung sowie unverhältnismäßige Kosten verlangt werden. Dies deutet auf eine gewisse Erheblichkeit der betrieblichen Gründe hin. Insgesamt sollen nach der Begründung im Regierungsentwurf (BT - Drucksache 14/4374, 17) mit dem Begriff der betrieblichen Gründe "unzumutbare Anforderungen an die Ablehnung durch den Arbeitgeber ausgeschlossen werden und es sollen rationale, nachvollziehbare Gründe genügen". Dieser Obersatz wird von der ganz herrschenden Meinung im Schrifttum ebenso wie von der überwiegenden Instanzrechtsprechung sowie dem Bundesarbeitsgericht zur Ausfüllung des Merkmals der betrieblichen Gründe herangezogen (vgl. BAG, Urteil vom 18.02.2003 - 9 AZR 164/02 - Pressemitteilung Nr. 13/03; LAG Niedersachsen, Urteil vom 02.08.2002 - 16 Sa 166/02 - NZA - RR 2003, 6, 7; LAG Köln, Urteil vom 04.12.2001 - 9 Sa 726/01 - ArbuR 2002, 189, 190; ArbG Mönchengladbach, Urteil vom 30.05.2001 - 5 Ca 1157/01 - NZA 2001, 970, 972; ArbG Stuttgart, Urteil vom 05.07.2001 - 21 Ca 2762/01 - NZA 2001, 968, 969; ArbG Berlin, Urteil vom 12.10.2001 - 31 Ga 24563/01 - NZA - RR 2002, 405, 406; ArbG Nienburg, Urteil vom 23.01.2002 - 1 Ca 603/01 - NZA 2002, 382, 384; ArbG Hannover, Urteil vom 31.01.2002 - 10 Ca 419/01 - NZA - RR 2002, 294, 295; Annuß/Thüsing, TzBfG, § 8 Rz. 122; ErfK-Preis, 3. Aufl., § 8 TzBfG Rz. 24; Rolfs, TzBfG, § 8 Rz. 32).

Dabei ist der Arbeitgeber für die entgegenstehenden betrieblichen Gründe in vollem Umfang darlegungs- und beweispflichtig (ArbG Mannheim, Urteil vom 20.11.2001 - 12 Ca 351/01 - NZA - RR 2002, 78, 79; ArbG Mönchengladbach, Urteil vom 30.05.2001 - 5 Ca 1157/01 - NZA 2001, 970, 972; ArbG Stuttgart, Urteil vom 05.07.2001 - 21 Ca 2762/01 - NZA 2001, 968, 969; ArbG Freiburg, Urteil vom 04.09.2001 - 7 Ca 143/01 - NZA 2002, 216, 217; ArbG Wetzlar, Urteil vom 26.09.2001 - 2 Ca 147/01 -; ArbG Berlin, Urteil vom 12.10.2001 - 31 Ga 24563/01 - NZA - RR 2002, 405, 406; Buschmann/Dieball/Stevens-Bartol, 2. Aufl., § 8 TzBfG Rz. 30).

bb) Legt man diesen Maßstab zugrunde, hat die Beklagte betriebliche Gründe, die dem Teilzeitwunsch der Klägerin entgegenstehen, nicht hinreichend dargelegt. Zu Recht hat das Arbeitsgericht den erstinstanzlichen Sachvortrag der Beklagten nicht als ausreichend erachtet. Auch in der Berufungsinstanz hat die Beklagte keine weitergehenden betrieblichen Gründe dargetan.

(1) Die Beklagte hat sich darauf berufen, es sei ihr aus organisatorischen und finanziellen Gründen nicht möglich, der Klägerin eine Teilzeitbeschäftigung anzubieten. Ursache hierfür sei zum einen das Prämiensystem, das zur Erzielung hoher Prämien eine gewisse Arbeitsroutine voraussetze, die von einer Teilzeitkraft nicht erreicht werden könne. Zum anderen erforderten die Fertigungsaufträge zum überwiegenden Teil eine kurzfristige Erledigung, so dass selbst geringfügige Verzögerungen vermieden werden müssten. Da bisher sämtliche Mitarbeiter des gesamten Werks ausschließlich in Vollzeitarbeit tätig seien, gebe es für Teilzeitbeschäftigte keinerlei Zeitregeln, so dass ein ständiger Zähl- und Wiegevorgang nötig sei, um die Arbeitsleistung der Klägerin als Teilzeitarbeitnehmerin zu erfassen. Letzteres sei mit einem erheblichen Kostenaufwand verbunden, der überschlägig allein für die erstmalige Umstellung einen Personalkostenaufwand von ca. 520,00 € ausmache. In ihrer Berufungsbegründung hat sich die Beklagte mit der klagestattgebenden Entscheidung des Arbeitsgerichts auseinandergesetzt und dabei nochmals den Argumentationsschwerpunkt dahingehend herausgestellt, dass sie in ihrer grundsätzlichen Entscheidung für die ausschließliche Einrichtung von Vollzeitarbeitsplätzen eine freie unternehmerische Entscheidung sieht, die nicht zur Disposition stehe. Gerade vor diesem Hintergrund müsse das Teilzeitbegehren der Klägerin rechtlich gewürdigt werden, da die erstmalige Einrichtung eines Teilzeitarbeitsplatzes in einem Betrieb eine besondere Belastung für den Arbeitgeber darstelle und allein aus diesem Grund als entgegenstehender betrieblicher Grund im Sinne des § 8 Abs. 4 TzBfG anzusehen sei.

Diese Begründung der Beklagten genügt zur Darlegung entgegenstehender betrieblicher Gründe im Sinne des § 8 Abs. 4 TzBfG nicht. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, vermögen die von der Beklagten angeführten Einzelgesichtspunkte keine durch die Teilzeitbeschäftigung der Klägerin eintretende Beeinträchtigung der Beklagten von ausreichendem Gewicht zu begründen. So ist weder nachvollziehbar, dass der Klägerin als langjährig beschäftigter Arbeiterin die nötige Arbeitsroutine im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung fehlen könnte, noch ist eine unverhältnismäßige Kostenbelastung auf Seiten der Beklagten erkennbar, die durch die Einrichtung eines Teilzeitarbeitsplatzes für die Klägerin entstehen würde. Insgesamt handelt es sich vielmehr bei sämtlichen diesbezüglichen Einwänden der Beklagten um übliche Belastungen, die mit der Einrichtung eines Teilzeitarbeitsplatzes verbunden sind. Derartige Belastungen können aber in keinem Fall zur Ablehnung eines Teilzeitbegehrens nach § 8 TzBfG führen (ArbG München, Urteil vom 23.07.2002 - 21 Ca 18692/01 -; Rolfs, a. a. O., § 8 Rz. 36; Kliemt, NZA 2001, 63, 65; Annuß/Thüsing, a. a. O., § 8 Rz. 134; ErfK-Preis, a. a. O., § 8 TzBfG Rz. 31).

(2) Wie die Ausführungen der Beklagten in der Berufungsbegründung deutlich machen, stellen diese Beeinträchtigungen auch aus Sicht der Beklagten lediglich Nebenerwägungen dar. Das Hauptargument für eine Ablehnung des Teilzeitbegehrens der Klägerin sieht die Beklagte in dem hiermit verbundenen Eingriff in ihre unternehmerische Entscheidungsfreiheit. Sie ist der Auffassung, es unterliege allein ihrer freien unternehmerischen Entscheidung, ob sie bei der Arbeitsorganisation des Betriebes nur Vollzeit- oder auch Teilzeitkräfte beschäftigen wolle. Ein betriebsorganisatorisches Konzept, dass allein die Einrichtung von Vollzeitarbeitsplätzen vorsehe, könne nicht durch den Teilzeitwunsch einzelner Arbeitnehmer zunichte gemacht werden.

Die Beklagte verkennt hierbei, dass allein die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers, Arbeitsaufgaben nicht durch Arbeitnehmer in Teilzeit wahrnehmen zu lassen, zur Darlegung betrieblicher Gründe im Sinne des § 8 Abs. 4 TzBfG nicht genügt, da ansonsten der gesetzliche Teilzeitanspruch vollständig entwertet würde (ArbG Stuttgart, Urteil vom 05.07.2001 - 21 Ca 2762/01 - NZA 2001, 968, 969; ArbG Bielefeld, Urteil vom 15.01.2002 - 2 Ca 3037/01 -; ArbG Hannover, Urteil vom 31.01.2002 - 10 Ca 419/01 - NZA - RR 2002, 294, 295; Kliemt, NZA 2001, 63, 65; Rolfs, RdA 2001, 129, 136, Küttner-Reinecke, Personalbuch, 10. Aufl. 2003, Teilzeitbeschäftigung Rz. 27). Zur Abgrenzung der freien Unternehmerentscheidung und gleichzeitiger richtiger tatbestandlicher Erfassung der entgegenstehenden betrieblichen Gründe im Sinne des § 8 Abs. 4 TzBfG ist es aufgrund der Parallelen zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Kündigungsrecht zur "Unternehmerentscheidung" naheliegend, die dortigen Rechtsprechungsgrundsätze zu übertragen. Danach muss der Arbeitgeber je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss rückt, um so mehr durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, dass ein Beschäftigungsbedürfnis für den gekündigten Arbeitnehmer entfallen ist. Sind die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss ohne nähere Konkretisierung praktisch deckungsgleich, greift die ansonsten vom Bundesarbeitsgericht angenommene Vermutung, die Unternehmerentscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt nicht von vornherein ein, sondern der Arbeitgeber muss darlegen, in welchem Umfang die fraglichen Arbeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand anfallen und wie diese Arbeiten von dem verbliebenen Personal ohne überobligatorische Leistungen erledigt werden können (BAG, Urteil vom 17.06.1999 - 2 AZR 141/99 - NZA 1999 1098, 1100).

Überträgt man diese Rechtsprechung auf die Darlegungspflicht des Arbeitgebers im Rahmen des § 8 Abs. 4 TzBfG so bedeutet dies, dass eine Entscheidung des Arbeitgebers, bestimmte Arbeitsplätze nur mit Vollzeitkräften zu besetzen deckungsgleich mit der Ablehnung des Teilzeitwunsches ist. Es bedarf daher in einem solchen Fall immer zusätzlicher Erläuterungen des Arbeitgebers, warum diese Organisationsentscheidung nicht unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Ihr muss ein schlüssiges Konzept zugrunde liegen (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.04.2002 - 3 Sa 161/02 - NZA 2002, 856, 857) und der Arbeitgeber muss eine stimmige, plausible und damit nachvollziehbare Begründung für gerade dieses Konzept geben, in bestimmten Betriebsbereichen bzw. im gesamten Betrieb ausschließlich Vollzeitarbeitskräfte zu beschäftigen (Küttner-Reinecke, a. a. O., Teilzeitbeschäftigung Rz. 27; ErfK-Preis, a. a. O., § 8 TzBfG Rz. 27; Dörner/Luczak/Wildschütz, Handbuch Arbeitsrecht, 3. Aufl., Teil C Rz. 111).

Ein derartiges, hinter der Organisationsentscheidung stehendes Konzept hat die Beklagte weder schriftsätzlich dargetan, noch hat ihr Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung vom 09.04.2003 hierzu konkretisierende Erläuterungen abgegeben. Er hat vielmehr deutlich gemacht, dass es der grundlegenden Unternehmensphilosophie entspreche, im gesamten Betrieb nur Vollzeitarbeitsplätze einzurichten. Damit unterscheidet sich der vorliegende Rechtsstreit wesentlich von den bislang in der Instanzrechtsprechung sowie vom Bundesarbeitsgericht zu Gunsten der Arbeitgeber entschiedenen Fälle. Dort ging es jeweils lediglich um einzelne Abteilungen eines Betriebes bzw. spezielle Arbeitsbereiche. So hat das Arbeitsgericht Freiburg (Urteil vom 04.09.2001 - 7 Ca 143/01 - NZA 2002, 216, 217) die auf Vollzeitkräften basierende Organisationsstruktur einer Vertriebsabteilung für sachlich begründet und nachvollziehbar erachtet. Andere Entscheidungen betreffen die pädagogische Konzeption von Kindertagesstätten. Dort haben die Gerichte die Einrichtung einer Vollzeitstelle für die jeweiligen Gruppenleiter wegen des erforderlichen dauerhaften Bezugs zu den betreuten Kindern als sachgerecht angesehen (BAG, Urteil vom 18.03.2003 - 9 AZR 126/02 - Pressemitteilung 21/03; LAG Niedersachsen, Urteil vom 02.08.2002 - 16 Sa 166/02 - NZA - RR 2003, 6, 7). Das gleiche gilt nach einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Nienburg (Urteil vom 23.01.2002 - 1 Ca 603/02 - NZA 2002, 382, 384) für Gruppenleiter in einer Werkstatt für Behinderte.

Im Gegensatz zu diesen Sachverhalten geht es bei der vorliegenden Entscheidung nicht um einzelne Arbeitsplätze bzw. einzelne Abteilungen in einem Betrieb, sondern vielmehr um den Betrieb als Ganzes. Die Beklagte hätte daher im Einzelnen darlegen und erläutern müssen, welche Überlegungen ihrer unternehmerischen Entscheidung zugrunde liegen, in dem gesamten Betrieb ausschließlich mit Vollzeitarbeitskräften zu arbeiten. Plausible für das Gericht nachvollziehbare Argumente sind insoweit nicht ersichtlich. Im Gegenteil sprechen vielmehr sowohl die einfache Tätigkeit der Klägerin als auch die ausschließlich auf die prinzipielle Unternehmerentscheidung abstellende Argumentation der Beklagten gegen das Vorliegen solcher plausibler Gründe. Es handelt sich bei der ausschließlichen Einrichtung von Vollzeitarbeitsplätzen daher nach allem ausschließlich um eine nicht näher begründete Entscheidung der Geschäftsleitung der Beklagten. Eine solche ist zwar rechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Nach Inkrafttreten des § 8 TzBfG reicht sie jedoch zur Ablehnung des Teilzeitanspruches von Arbeitnehmern nicht aus. Insgesamt ist damit die Beklagte auch in der Berufungsinstanz ihrer gesetzlichen Darlegungslast zur Darlegung entgegenstehender betrieblicher Gründe im Sinne des § 8 Abs. 4 TzBfG nicht nachgekommen.

c) Da sonstige Einwände der Beklagten insbesondere hinsichtlich der von der Klägerin begehrten Arbeitszeitverteilung nicht vorgebracht werden, war dem Begehren der Klägerin auf eine Verurteilung der Beklagten zur Erteilung der Zustimmung zu der von ihr begehrten Arbeitszeitreduzierung in vollem Umfang stattzugeben.

III. Da die Beklagte das Rechtsmittel ohne Erfolg eingelegt hat, muss sie nach §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 97 ZPO die Kosten der Berufung tragen.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 72 Abs. 2 ArbGG, weil die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalles beruht.

Ende der Entscheidung

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