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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 23.06.2006
Aktenzeichen: 3 Ta 196/06
Rechtsgebiete: RVG, GKG


Vorschriften:

RVG § 23
RVG § 33
GKG § 42 Abs. 4
1. Trinkgelder (eines Kellners) sind bei der Streitwertbemessung nicht zu berücksichtigen.

2. Im Streitwertbeschwerdeverfahren gilt das Verschlechterungsverbot.

3. Die vom Prozessbevollmächtigten "namens und im Auftrag der Partei" mit dem Ziel einer Streitwerterhöhung eingelegte Beschwerde ist wegen fehlender Beschwer unzulässig.


Tenor:

Die Beschwerde der Beklagten und die Beschwerde des Klägervertreters gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 22.03.2006 - 22 Ca 10127/05 - werden kostenpflichtig zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Parteien haben über den Bestand des Arbeitsverhältnisses gestritten. Dabei hat der Kläger folgende Anträge gestellt:

Festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung vom 18.10.2005, zugegangen am 21.10.2005, aufgelöst worden ist; für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen als Köbes über den Beendigungstermin 21.10.2005 hinaus weiter zu beschäftigen; die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein qualifiziertes Zwischenzeugnis, welches sich auf Führung und Leistung erstreckt, zu erteilen; für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger die Arbeitspapiere, bestehend aus Sozialversicherungsnachweis, Lohnsteuerbescheinigung 2005 und Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III, ordnungsgemäß ausgefüllt herauszugeben; die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein qualifiziertes Endzeugnis, welches sich auf Führung und Leistung erstreckt, zu erteilen; festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die Kündigung vom 22.12.2005 aufgelöst worden ist.

Der durchschnittliche monatliche Bruttoverdienst des Klägers betrug im Jahr 2005 1.727,97 €. Zusätzlich erhielt er nach eigenen Angaben monatliche Trinkgelder in Höhe von ca. 700,00 €.

Das Arbeitsgericht hat nach Anhörung der Parteien den Streitwert für das Verfahren mit dem angefochtenen Beschluss auf 11.617,99 € festgesetzt. Ausgehend von einem monatlichen Verdienst des Klägers in Höhe von 2.581,73 € (einschließlich des Trinkgeldes) hat das Arbeitsgericht dabei den Feststellungsantrag zu 1. mit drei Monatsverdiensten, den Antrag auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses mit einem halben Monatsverdienst und den weiteren Feststellungsantrag bezüglich der Folgekündigung vom 22.12.2005 wegen des insoweit bestehenden sachlichen Zusammenhangs mit der ersten Kündigung mit einem weiteren Monatsverdienst bewertet.

Gegen diesen der Beklagten am 24.03.2006 und dem Kläger am 28.03.2006 zugestellten Beschluss hat der Beklagtenvertreter namens der Beklagten am 03.04.2006 Beschwerde eingelegt und eine Streitwertfestsetzung in geringerer Höhe begehrt. Zur Begründung führt er den nach der Jahresdurchschnittsberechnung geringeren Bruttomonatsverdienst des Klägers in Höhe von 1.727,97 € als Berechnungsgrundlage an und weist darauf hin, dass Trinkgeldzahlungen bei der Streitwertbemessung unberücksichtigt bleiben müssten. Der Klägervertreter hat gegen den vorgenannten Beschluss am 10.04.2006 namens und im Auftrag des Klägers Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, der Streitwert sei insgesamt auf 19.362,98 € festzusetzen. Er meint, beide streitgegenständlichen Kündigungen müssten mit jeweils drei Bruttomonatsverdiensten und der Weiterbeschäftigungsantrag mit einem weiteren Bruttomonatsverdienst bewertet werden. Außerdem seien auch die Trinkgeldzahlungen streitwertmäßig relevant.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 08.05.2006 beiden Beschwerden nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. 1. Die zulässige Streitwertbeschwerde der Beklagten ist unbegründet. Zwar lässt die Beklagte das vom Kläger mit durchschnittlich 700,- € monatlich angegebene Trinkgeld bei der Streitwertbemessung zu Recht außer Betracht. Dies führt jedoch gleichwohl nicht zu einer betragsmäßigen Reduzierung des Streitwerts, da entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts der Feststellungsantrag bezüglich der Folgekündigung höher zu bewerten und auch der Weiterbeschäftigungsantrag nicht insgesamt außer Ansatz zu lassen ist.

Gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 RVG in Verbindung mit § 42 Abs. 4 S. 1 GKG sind die beiden Kündigungsschutzanträge jeweils mit drei Bruttomonatsverdiensten des Klägers zu bewerten. Dies ist hinsichtlich der ersten Kündigung unstreitig. Hinsichtlich der am 22.12.2005 ausgesprochenen ordentlichen Folgekündigung hält die Beschwerdekammer an der gefestigten Rechtsprechung des Beschwerdegerichts zur Bewertung derartiger Folgekündigungen fest. Danach ist maßgeblich auf die Zeitdifferenz zwischen den Zeitpunkten des Wirksamwerdens der jeweiligen Kündigungen abzustellen. Ist diese größer als drei Monate kommt die Kappungsgrenze des § 42 Abs. 4 S. 1 GKG zum Tragen; ist die Zeitdifferenz geringer, so ist jeweils der auf diesen Zeitraum entfallende Entgeltbetrag maßgeblich (vgl. Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 03.04.2000 - 8 Ta 427/99 - m. w. N.). Der Weiterbeschäftigungsantrag ist als sogenannter unechter Hilfsantrag streitwertmäßig zu berücksichtigen und dabei als neben einem Feststellungsantrag "mitlaufender" Antrag nach der ständigen Rechtsprechung des Beschwerdegerichts regelmäßig mit einem Bruttomonatsverdienst zu bewerten (vgl. LAG Köln, Beschluss vom 27.03.2000 - 2 Ta 78/00 -, vom 29.05.2000 - 9 Ta 346/99 -, vom 27.03.2001 - 10 Ta 16/01 - sowie zuletzt vom 21.06.2006 - 13 Ta 206/06 -). Der Antrag auf Erteilung des Zwischenzeugnisses ist schließlich - wie erstinstanzlich geschehen - mit einem halben Bruttomonatsverdienst des Klägers zu bewerten. Die im Übrigen hilfsweise gestellten Anträge bzgl. der Arbeitspapiere und der Zeugniserteilung hat das Arbeitsgericht zu Recht unbewertet gelassen, da über diese Anträge nicht entschieden worden ist.

Maßgebliche Bezugsgröße für die Streitwertfestsetzung ist dabei das betragsmäßig unstreitige durchschnittliche monatliche Bruttoentgelt des Klägers in Höhe von 1.727,97 €. Die vom Kläger in der Vergangenheit vereinnahmten und von ihm selbst mit durchschnittlich 700,00 € monatlich angegebenen Trinkgelder sind bei der Festsetzung des Streitwerts nicht zu berücksichtigen. Die Beschwerdekammer folgt insoweit der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Hamburg in seinem Beschluss vom 29.07.2004 (- 8 Ta 11/04 -). Eine Berücksichtigung der vom Kläger vereinnahmten Trinkgelder bei der Streitwertbemessung scheidet bereits im Ansatz aus, weil Trinkgelder nicht zu dem vom Arbeitgeber geschuldeten Arbeitsentgelt gehören. Allein der Umstand, dass der Kläger diese Trinkgelder im Zusammenhang mit seiner dienstlichen Tätigkeit einnimmt, rechtfertigt keinen höheren Wertansatz im Rahmen der Streitwertbemessung. Diese richtet sich entscheidend nach dem Gegenstandswert, wofür wiederum das Interesse des Klägers am Streitgegenstand maßgeblich ist. Zusätzliche wirtschaftliche Interessen des Klägers, die lediglich mit dem Streitgegenstand mehr oder weniger eng verbunden sind, bleiben dabei unberücksichtigt.

Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist hier der Bestand des Arbeitsverhältnisses. Der wirtschaftliche Wert des Streitgegenstandes kann sich daher nur an dem von der Beklagten geschuldeten Arbeitsentgelt orientieren. Wie das Landesarbeitsgericht Hamburg in dem zitierten Beschluss zutreffend ausführt, müsste ansonsten jede konkrete, mit dem Bestand eines Arbeitsverhältnisses verknüpfte Gewinnerwartung in den Gegenstandswert mit einfließen. Letzteres würde beispielsweise bei Vortragstätigkeiten von Wissenschaftlern oder Privatliquidationen von Chefärzten zu einer weitgehenden Unkalkulierbarkeit der Prozesskosten führen, was sowohl der gegnerischen Partei kaum zumutbar als auch für die klagende Partei unter Beachtung der Wertung von § 42 Abs. 4 GKG unangemessen erscheint.

Insgesamt würde sich damit ein Streitwert von 7,5 x 1.727,97 € = 12.959,76 € errechnen, der betragsmäßig noch über dem angefochtenen erstinstanzlich festgesetzten Streitwert von 11.617,99 € liegt. Die auf eine Reduzierung des Streitwerts gerichtete Beschwerde der Beklagten bleibt daher erfolglos. Eine Streitwerterhöhung kommt gleichwohl wegen des im Beschwerdeverfahren zugunsten des Beschwerdeführers geltenden Verschlechterungsverbots nicht in Betracht (vgl. LAG Köln, Beschluss vom 29.04.2003 - 3 (12) Ta 53/03 -, Beschluss vom 06.06.2005 - 3 Ta 153/05 jeweils mit weiteren Nachweisen).

2. Die Beschwerde des Klägers ist demgegenüber bereits unzulässig, denn es fehlt an der erforderlichen Beschwer. Wie jede Beschwerde, setzt auch eine Streitwertbeschwerde nach § 33 Abs. 3 RVG eine entsprechende Beschwer des Beschwerdeführers voraus. Diese erfordert im Fall eines beschwerdefähigen Beschlusses eine für den Beschwerdeführer nachteilige Entscheidung. Vorliegend hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers, wie in der Beschwerdeschrift ausdrücklich angeführt, die Beschwerde "namens und im Auftrag des Klägers" ausgeübt. Die Beseitigung einer Beschwer kann daher nur insoweit erfolgen, als mit der Beschwerde eine geringere Streitwertfestsetzung begehrt wird mit der Folge, dass die von der Partei zu zahlenden Gebühren sich verringern. Vorliegend begehrt der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit seiner Beschwerde für seinen Mandanten aber keinen niedrigeren Streitwert, sondern macht geltend, dass der Streitwert anstelle des arbeitsgerichtlich festgesetzten Betrages von 11.617,99 € richtigerweise 19.362,98 € betragen müsse. Dementsprechend geht es dem Beschwerdeführer nicht um die Beseitigung einer Beschwer. Eine derartige Streitwertbeschwerde ist somit unzulässig (vgl. Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 22.03.1996 - 6 Ta 19/96 -; Beschluss vom 25.10.2002 - 11 Ta 212/02 -; Beschluss vom 15.03.2003 - 10 Ta 312/03 -).

Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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