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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 05.07.2002
Aktenzeichen: 4 (6) Sa 161/02
Rechtsgebiete: InSO


Vorschriften:

InSO § 80
InSO § 113
InSO § 157
InSO § 158
Die Wirksamkeit einer Kündigung, die ein Insolvenzverwalter wegen einer von ihm beschlossenen Stillegung ausspricht, ist nicht von einer Zustimmung der Gläubigerversammlung oder des Gläubigerausschusses zur Kündigung oder Stillegung abhängig.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 4 (6) Sa 161/02

Verkündet am: 05.07.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 05.07.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Backhaus als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Anspach und Schnelle

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 19.12.2001, Az. 2 Ca 2859/01, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten zweitinstanzlich nur noch über die Wirksamkeit der von dem vormaligen Insolvenzverwalter der Gemeinschuldnerin unter dem 14.09.2001 ausgesprochenen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers. Erstinstanzlich war noch die weitere, vorsorglich von dem jetzigen Beklagten unter dem 30.10.2001 zum 31.01.2002 ausgesprochene Kündigung strittig.

Der 1951 geborene Kläger war seit dem 10.01.1994 bei der Gemeinschuldnerin als Produktionshelfer tätig. Er erhielt zuletzt ein Monatsgehalt von 3.750,00 DM brutto. Im Betrieb der Gemeinschuldnerin waren regelmäßig 21 Mitarbeiter beschäftigt. Ein Betriebsrat bestand nicht.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 15.02.2000 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt H aus Köln zum Insolvenzverwalter bestellt. Ein Gläubigerausschuss wurde zunächst nicht installiert. In der Gläubigerversammlung vom 05.05.2000 wurde der Insolvenzverwalter H ermächtigt, den Betrieb vorläufig fortzuführen. Es wurde ihm zur Auflage gemacht, den Geschäftsbetrieb der Gemeinschuldnerin ohne vorherige Einberufung der Gläubigerversammlung zu schließen, wenn die wirtschaftliche Entwicklung des Geschäftsbetriebes das geplante Verfahrensziel beeinträchtigen sollte. Als Verfahrensziel war die mittelfristige Steigerung des Umsatzes auf ca. 1 Mio. DM im Monat beabsichtigt, die für das Rumpfjahr 2000 zu einem Betriebsergebnis von ca. 130.000,00 DM führen und die Veräußerung des Geschäfts an eine Erwerberfirma ermöglichen sollte. Ferner wurde dem Insolvenzverwalter auferlegt, in Abständen von sechs Monaten schriftlich zur Insolvenzakte über den Sachstand und die Geschäftsführung zu berichten.

In einer weiteren Gläubigerversammlung vom 10.08.2001 beschloss diese, einen Antrag auf Entlassung des Insolvenzverwalters H bei dem Amtsgericht Bonn zu stellen. Diesem Antrag kam das Amtsgericht Bonn mit Beschluss vom 05.09.2001 (Bl. 6-10 d. A.) nach. In dem Tenor heißt es wörtlich:

"In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der [...] M K F B G & C . K [...] wird Rechtsanwalt M J. H [...] aus dem Amt als Insolvenzverwalter entlassen und an seiner Stelle Rechtsanwalt M L [...] bestellt.

Bis zur Rechtskraft des Entlassungsbeschlusses hat der bisherige Verwalter sein Amt fortzuführen."

Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, Rechtsanwalt Hassan habe zum einen den Sachstandsbericht selbst auf mehrfache Aufforderung erheblich zu spät eingereicht und zum anderen trotz deutlichen Verfehlens der gesetzten Verfahrensziele - statt 130.000,00 DM Gewinn im Rumpfjahr 2000 musste ein Verlust von 591.000,00 DM verzeichnet werden - den Betrieb in Kenntnis dieser Zahlen nicht geschlossen. Auch in der Zeit vom 01.01.2001 bis 31.07.2001 sei ein Verlust von mindestens 240.000,00 DM aufgelaufen. Schließlich wurde ihm ein Verstoß gegen die Absonderungsvorschrift des § 170 InsO vorgeworfen.

Mit Schreiben vom 14.09.2001 kündigte Rechtsanwalt H die Arbeitsverhältnisse aller 21 Arbeitnehmer des Betriebes betriebsbedingt zum 31.12.2001. Dem Kläger ist die Kündigung am 17.09.2001 zugegangen. Zur Begründung führte Rechtsanwalt H an, dass er sich zur vorsorglichen Schließung des Geschäftsbetriebes zum 31.12.2001 verpflichtet fühle, da ihm seitens der Gläubigerversammlung der Vorwurf gemacht worden sei, er habe den Geschäftsbetrieb nicht frühzeitig geschlossen, und da ferner die wesentlichen Lieferanten der Gemeinschuldnerin derzeit keine Bereitschaft zur Bereitstellung der für die Fortführung notwendigen Liquidität zeigten. Er räumte zugleich ein, dass die Gläubigerversammlung aber noch keine endgültige Entscheidung über die Fortführung des Geschäftsbetriebes getroffen habe. Er stellte in Aussicht, dass der Kläger bei einer Schaffung der notwendigen Rahmenbedingungen für die Fortführung des Betriebes durch die Gläubiger umgehend informiert werde.

Auf die sofortige Beschwerde eines Gläubigers gegen den Entlassungsbeschluss des Amtsgerichts Bonn vom 05.09.2001 änderte das Amtsgericht am 19.09.2001 den Beschluss dahingehend ab, dass die Entlassung von Rechtsanwalt H als Insolvenzverwalter der Gemeinschuldnerin ab diesem Tage wirksam sein sollte. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus:

"In der Gläubigerversammlung vom 10.08.2001 waren sich die Gläubiger einig, Ihre Entscheidung über eine eventuelle Schließung bzw. Fortführung des Unternehmens auf eine später anzuberaumende Gläubigerversammlung zu verschieben, da Uneinigkeit bezüglich der Richtigkeit der vom Verwalter vorgelegten Bilanz bestand.

Auch sorgte der Umstand für Verwirrung, dass der Insolvenzverwalter in seinem für den Termin vorgelegten Bericht vom 06.08.2001 sich für eine Schließung des Unternehmens zum 30.11.2001 aussprach und dann im Termin selber darlegte, dass er nunmehr doch noch Möglichkeiten sehe, den Betrieb über diesen Zeitpunkt hinaus fortzuführen."

Mit Schreiben vom 26.10.2001 gab der Beklagte, nachdem der Gläubigerausschuss am gleichen Tage die unternehmerische Entscheidung zur Betriebsstilllegung per 31.12.2001 bestätigt hatte, eine Massenentlassungsanzeige beim Arbeitsamt Bonn ab, welches mit Schreiben vom 07.11.2001 (Bl. 27 d. A.) die Entlassungen für zulässig erklärte.

Mit der zunächst am 02.10.2001 beim Amtsgericht Siegburg eingeworfenen Klage vom gleichen Tage, dem Arbeitsgerichts Siegburg zugegangen am 04.10.2001, wandte sich der Kläger gegen die Kündigung. Der Kläger äußerte dort die Ansicht, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Es fehle an betriebsbedingten oder personenbedingten Gründen. Ferner wandte er sich mit Klage vom 15.11.2001, dem Arbeitsgericht zugegangen am 19.11.2001, aus dem gleichen Grunde gegen die von dem jetzigen Beklagten unter dem 30.10.2001 zum 31.01.2002 vorsorglich ausgesprochene zweite Kündigung.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis durch die schriftliche Kündigung des Herrn Rechtsanwalt M J. H in seiner Eigenschaft als seiner zeitigem Insolvenzverwalter über das Vermögen der F . M K - F B G & C . K vom 14.09.2001, zugegangen am 17.09.2001, nicht zum 31.12.2001 aufgelöst worden ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die schriftliche Kündigung vom 30.10.2001, zugegangen am selben Tage, nicht zum 31.01.2002 aufgelöst worden ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, die Kündigungen seien sozial gerechtfertigt, da Rechtsanwalt Hassan im September 2001 die unternehmerische Entscheidung getroffen habe, den Betrieb zum 31.12.2001 endgültig stillzulegen. Dies folge auch daraus, dass Rechtsanwalt H sämtlichen Arbeitnehmern gekündigt habe. Die Stilllegung sei im Übrigen auch zu diesem Datum erfolgt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die Kündigung des Vorgängers des Beklagten, Rechtsanwalt Hassan, vom 14.09.2001 zum 31.12.2001 beendet worden. Die Entlassung von Rechtsanwalt H als Insolvenzverwalter der Gemeinschuldnerin sei erst nach der Kündigung, nämlich am 19.09.2001, wirksam geworden.

Die Kündigung sei auch sozial gerechtfertigt. Der vormalige Insolvenzverwalter H habe zum Zeitpunkt der Kündigungen beabsichtigt, den Betrieb stillzulegen.

Der damalige Insolvenzverwalter sei auch befugt gewesen, die unternehmerische Entscheidung zur Betriebsstilllegung zu treffen. Der nach § 157 InsO diesbezüglich vorgesehene Beschluss der Gläubigerversammlung binde den Insolvenzverwalter nur im Innenverhältnis. Die Stilllegungsabsicht des Insolvenzverwalters H habe, unabhängig von seiner Berechtigung dazu, ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Kündigungen gesetzt, da zum Kündigungszeitpunkt davon auszugehen war, dass die Betriebsstilllegung planmäßig erfolgen würde. Die Gläubigerversammlung habe am 10.08.2001 möglicherweise nur deswegen nicht selbst die Stilllegung beschlossen, weil Rechtsanwalt H entgegen seinem Bericht erklärte, er sehe Möglichkeiten zur Betriebsfortführung. Darauf komme es schließlich aber gar nicht an, da nach der bestehenden Beschlusslage vom 05.05.2000 der Insolvenzverwalter H den Betrieb der Gemeinschuldnerin nämlich habe stilllegen dürfen. Der Beschluss wirke mangels späterer Abänderung fort.

Gegen dieses ihm am 21.01.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.02.2002 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 08.04.2002 am 08.04.2002 begründet.

Er trägt vor, dass es im Zeitpunkt der Kündigung vom 14.09.2001 an einer ernsthaften Absicht zur endgültigen und dauerhaften Betriebsstilllegung gefehlt habe. Es habe insbesondere an einem entsprechenden Beschluss der Gläubigerversammlung nach § 157 InsO gefehlt. Die Gläubigerversammlung habe zu diesem Zeitpunkt erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass die - zumindest vorläufige - Fortführung des Betriebes beabsichtigt sei. Der damalige Insolvenzverwalter Hassan habe daher nicht davon ausgehen können, dass die Betriebsstilllegung und die darauf gestützten Kündigungen nachträglich von der Gläubigerversammlung gebilligt werden würden. Er ist der Ansicht, Rechtsanwalt H hätte jedenfalls nach § 158 InsO vorher die Gläubigerversammlung beteiligen müssen. Schließlich sei die Entscheidung des Insolvenzverwalters unsachlich und willkürlich, da dieser gegenüber der Gläubigerversammlung zuvor selbst zum Ausdruck gebracht habe, dass er Möglichkeiten zur Betriebsfortführung sehe.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 19.12.2001, Geschäfts-Nr.: 2 Ca 2859/01, abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht durch die mit Schreiben vom 14.09.2001 ausgesprochene Kündigung des Herrn Rechtsanwalt M J. H in seiner Eigenschaft als seinerzeitiger Insolvenzverwalter über die F . M K F G & C . aufgelöst wurde.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wendet zunächst ein, der Kläger habe die Klagefristen der §§ 4 KSchG, 113 Abs. 2 InsO nicht eingehalten. Er ist der Ansicht, Rechtsanwalt H habe dem Kläger kündigen können, da der Insolvenzverwalter gemäß § 80 InsO umfassend in die Arbeitgeberstellung des Schuldners einrücke. Er ist ferner der Ansicht, die Entschließungen des Gläubigerausschusses zur Frage der Betriebsstillegung hätten keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Kündigungen des Insolvenzverwalters. Die Zuweisung bestimmter Kompetenzen an die Gläubiger des Schuldners diene lediglich der Stärkung des Einflusses der beteiligten Gläubiger auf den Ablauf des Insolvenzverfahrens. Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters würden von der Nichtausübung der Gläubigerrechte nicht beeinflusst. Aus § 157 InsO könne der Kläger nicht folgern, dass nur bei Vorliegen eines entsprechenden Beschlusses der Kündigungsgrund der Betriebsstilllegung in Betracht komme. Die kündigungsschutzrechtlich relevante Unternehmerentscheidung treffe allein der Insolvenzverwalter. Rechtsanwalt Hassan habe die Entscheidung erkennbar getroffen, wie aus den Kündigungen gegenüber allen Arbeitnehmern des Betriebes erkennbar wird. Schließlich weist der Beklagte darauf hin, dass die Abberufung von Rechtsanwalt H als Insolvenzverwalter nur aufgrund des irreparabel zerstörten Vertrauensverhältnisses, nicht aber wegen der ausgesprochenen Kündigungen erfolgt sei. Der Gläubigerausschuss gehe von der Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Kündigungen aus.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, und auf die Niederschriften der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers ist unbegründet.

I. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist durch die Kündigung des Insolvenzverwalters Hassan vom 14.09.2001 wirksam beendet worden.

1) Die Kündigung ist nicht schon deswegen wirksam, weil der Kläger gemäß §§ 4 KSchG, 113 Abs. 2 InsO zu spät Klage erhoben hätte. Der Kläger muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage vor dem Arbeitsgericht erheben. Die Kündigung vom 14.09.2001 ist dem Kläger am 17.09.2001 zugegangen. Nach § 188 Abs. 2 BGB endete die Frist somit am 08.10.2001. Die am 08.10.2001 beim Arbeitsgericht eingegangene Klage vom 02.10.2001 ist somit rechtzeitig erhoben.

2) Rechtsanwalt H war kündigungsberechtigt.

a) Er war zum Zeitpunkt der Kündigung noch Insolvenzverwalter der Gemeinschuldnerin. Mit dem Entlassungsbeschluss vom 05.09.2001 hat das Amtsgericht Bonn zugleich angeordnet, dass Rechtsanwalt H bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses sein Amt fortführen solle. Erst mit Beschluss vom 19.09.2001 hat das Amtsgericht den vorangegangenen Beschluss dahingehend abgeändert, dass die Entlassung mit diesem Tage wirksam sein solle.

b) Rechtsanwalt H benötigte zur Kündigung auch nicht die Mitwirkung der Gläubigerversammlung. Gemäß § 80 InsO rückt der Insolvenzverwalter in die Arbeitgeberstellung ein. Nach § 113 Abs. 1 Satz 1 InsO ist der Insolvenzverwalter insbesondere zur Kündigung von Dienstverhältnissen berechtigt. Es wird, soweit ersichtlich, auch nirgendwo vertreten, dass der Insolvenzverwalter für die rechtswirksame Kündigung der Mitwirkung der Gläubigerversammlung bedarf. Schon aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich für dieses Erfordernis kein Anhaltspunkt. Die Zustimmung der Gläubigerorgane ist nach § 160 Abs. 1 InsO nur für Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters vorgesehen, die für das Insolvenzverfahren von besonderer Bedeutung sind (vgl. auch Heidland "Die Rechtsstellung und Aufgaben des Gläubigerausschusses als Organ der Gläubigerselbstverwaltung in der InsO" Kölner Schrift zur Insolvenzordnung 2. Auflage Rn. 44). Die Kündigung eines Dienstverhältnisses ist - anders als die Betriebsstilllegung als Anlass hierfür - keine Rechtshandlung von besonderer Bedeutung für das Insolvenzverfahren. Selbst wenn dies anders wäre, berührte die insoweit unterbliebene Beteiligung des Gläubigerausschusses nach § 164 InsO die Wirksamkeit der Handlung des Insolvenzverwalters nicht (Heidland aaO. Rn. 53; Kind Frankfurter Kommentar zur InsO § 69 Rn. 4).

3) Zurecht hat das Amtsgericht entschieden, dass die Kündigung des Klägers aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt ist.

a) Die Stilllegung des gesamten Betriebes durch den Arbeitgeber zählt gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einen Grund zur sozialen Rechtfertigung abgeben können (BAG Urt. v. 27.09.1984 AP Nr. 39 zu § 613 a BGB; Urt. v. 11.03.1998 DB 1998, 1568; Urt. v. 18.01.2001 AP Nr. 115 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Eine Betriebsstillegung setzt den ernstlichen und endgültigen Entschluss des Unternehmers voraus, die Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer für einen seiner Dauer nach unbestimmten, wirtschaftlich nicht unerheblichen Zeitraum aufzugeben (BAG Urt. v. 27.09.1984 aaO.; Urt. v. 18.01.2001 aaO.). Diese Unternehmerentscheidung unterliegt grundsätzlich keiner bestimmten Form (BAG Urt. v. 11.03.1998 aaO.). Der Arbeitgeber ist dabei aber nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Betriebsstilllegung auszusprechen. Es kommt auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung in Betracht (BAG Urt. v. 10.10.1996 AP Nr. 81 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG Urt. v. 18.01.2001 aaO.). Eine aus diesem Grund erklärte ordentliche Kündigung ist aber nur dann sozial gerechtfertigt, wenn die auf eine Betriebsstillegung gerichtete unternehmerische Entscheidung zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen hat und eine vernünftige betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt, dass bis zum Auslaufen der Kündigungsfrist der Arbeitnehmer entbehrt werden kann (BAG Urt. vom 19. 6. 1991 AP Nr. 53 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; Urt. v. 18.01.2001 aaO.). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtswirksamkeit der Kündigung ist der Ausspruch der Kündigung. Ist bei Ausspruch der Kündigung der Betriebsinhaber ernsthaft und endgültig zur Stilllegung entschlossen, so wird die Wirksamkeit der Kündigung nicht durch spätere, unvorhergesehene Änderungen der Umstände in Frage gestellt (BAG Urt. v. 11.03.1998 aaO. S. 1569).

Der Insolvenzverwalter H hat diese Entscheidung im September 2001 getroffen. Die Fortführung des Betriebes wäre nach seiner Ansicht nur möglich gewesen, wenn diese durch die wesentlichen Lieferanten befürwortet und mittels Bereitstellung der notwendigen Liquidität unterstützt worden wäre. Dieses hat er zum Zeitpunkt der Kündigung nicht mehr erwartet. Dieses ist später auch nicht eingetreten. Diese Erwartung wird auch nicht relativiert durch die am Ende der Kündigungsschreiben enthaltenen Zusage der Information der gekündigten Arbeitnehmer von einer eventuellen Änderung der Umstände. Darin vermag die Kammer allenfalls den Hinweis auf eine dann mögliche Wiedereinstellung zu sehen, die aufgrund der neueren Rechtsprechung des BAG (Urt. v. 27.02.1997 AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Wiedereinstellung) in einem solchen Falle auch hätte geboten sein können. Aufgrund der negativen Entwicklung des Unternehmens musste Rechtsanwalt Hassan es für geboten halten, den Betrieb zum 31.12.2001 zu schließen. Diese Entscheidung entsprach auch der Beschlusslage der Gläubigerversammlung vom 05.05.2000. Dort war der Insolvenzverwalter verpflichtet worden, den Betrieb bei Nichterreichens bestimmter Betriebsergebnisse zu schließen. Die geforderten Betriebsergebnisse wurden in dem veranschlagten Zeitraum nicht erreicht, sondern es musste vielmehr ein weiterer Verlust verzeichnet werden. Zur Stilllegung musste Rechtsanwalt H sich auch deswegen veranlasst sehen, da ihm in dem Entlassungsbeschluss des Amtsgerichts Bonn vom 05.09.2001 vorgeworfen worden war, mit der Betriebsfortführung eine Pflichtwidrigkeit begangen zu haben. Dort heißt es, jede Betriebsfortführung in der Insolvenz stelle ein unternehmerisches Risiko dar und beinhalte die Möglichkeit, dass ein angestrebtes Ergebnis nicht erreicht werden könne.

Tatsächlich seien entgegen den angestrebten 130.000 DM plus für das Rumpfjahr 2000 591.000 DM minus erzielt worden. Dies weiche um 700.000 DM von dem im Bericht zur Gläubigerversammlung vom 05.05.2000 prognostizierten Betriebsergebnis ab. Somit sei der Verwalter verpflichtet gewesen, entsprechend der Auflage der Gläubigerversammlung vom 05.05.2000 den Betrieb spätestens bei Kenntnis dieser Zahlen zu schließen. An diese Beschlüsse sei der Verwalter solange gebunden, wie sie nicht vom Insolvenzgericht gem. § 78 InsO aufgehoben worden seien. Dieser Punkt allein stelle schon eine Pflichtwidrigkeit dar, die zu einer Entlassung des Insolvenzverwalters auf Antrag der Gläubigerversammlung führen könne. Stattdessen habe der Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb ohne entsprechende Unterrichtung der Gläubiger fortgeführt und in der Zeit vom 01.01.2001 bis 31.07.2001 einen weiteren Verlust von 241.658,00 DM erwirtschaftet. Nach Gläubigervortrag werde dem Verwalter sogar ein Verlust in Höhe von 1 Mio. DM und noch höher vorgeworfen. Die Kündigung der gesamten Belegschaft stellt damit zusammen ein weiteres Indiz für die Stilllegungsabsicht dar (BAG Urt. v. 30.10.1986 AP Nr. 58 zu § 613 a BGB).

Die Stilllegungsentscheidung hat bereits den ersten Schritt der Umsetzung durch die Kündigung aller Arbeitnehmer des Betriebes am 14.09.2001 zum Datum der geplanten Stilllegung am 31.12.2001 erfahren.

b) Der Beschluss der Gläubigerversammlung über die Schließung des Betriebes lag vor. Nach § 157 Satz 1 InsO beschließt die Gläubigerversammlung, ob das Unternehmen des Schuldners stillgelegt oder vorläufig fortgeführt werden soll. Nach § 157 Satz 3 InsO kann die Gläubigerversammlung ihre Entscheidungen in späteren Terminen wieder ändern.

Die Gläubigerversammlung hat am 05.05.2000 beschlossen, dass der Betrieb vorläufig fortgeführt werden solle. Zugleich hat sie jedoch Vorgaben bezüglich in einem bestimmten Zeitraum zu erreichender Betriebsergebnisse aufgestellt und dem Insolvenzverwalter aufgegeben, den Betrieb bei Nichterreichen dieser Vorgaben zu schließen. Diese Vorgaben wurden nicht erreicht, sondern es musste vielmehr ein Verlust verzeichnet werden. Dies hat der Insolvenzverwalter in seinem zu der Gläubigerversammlung am 10.08.2001 vorgelegten Bericht festgestellt. Aufgrund seines dem Bericht entgegenstehenden Vortrages, er sehe trotzdem die Möglichkeit der Fortführung des Betriebes, hat die Gläubigerversammlung keine weitere Entscheidung über die Fortführung oder Stilllegung des Betriebes getroffen, sondern diese vertagt. Damit liegt gerade keine den Beschluss vom 05.05.2000 abändernde Entscheidung vor, so dass dieser zum Zeitpunkt der Kündigung fortwirkte. Aufgrund des Verfehlens der in dem Beschluss gesetzten Vorgaben für das Betriebsergebnis durfte der Insolvenzverwalter den Betrieb schließen.

c) Selbst eine entgegenstehende Entscheidung der Gläubigerversammlung hätte den Insolvenzverwalter aber auch nicht daran gehindert, die Entscheidung zur Schließung des Betriebes zu treffen. Die Rolle der Gläubigerorgane beschränkt sich auf eine rein verfahrensrechtliche. Die Regelungen der §§ 157, 158 InsO sollen dem Grundsatz der Gläubigerautonomie dienen. Die Regelung des § 158 InsO findet entgegen der Ansicht des Klägers hier keine Anwendung. Ein Gläubigerausschuss ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestellt gewesen. Beschließt die Gläubigerversammlung nach § 157 InsO über die Stilllegung oder Fortführung des Betriebes, so binden ihre Beschlüsse den Verwalter nur im Innenverhältnis. Maßnahmen des Verwalters, die ohne die vom Gesetz vorgesehene Mitwirkung der Gläubigerorgane vorgenommen werden, sind grundsätzlich wirksam (Heidland aaO. Rn. 53; Gößmann MüKo-InsO § 69 Rn. 9; Ehrike MüKo-InsO § 76 Rn. 31; Breutigam Breutigam/Blersch/Goetsch Insolvenzrecht Rn. 4; Hess Hess/Weis/Wienberg InsO § 69 Rn. 20). Die Stilllegung des Betriebes ist in erster Linie ein rein tatsächlicher Vorgang, an dem die fehlende Zustimmung eines Gläubigerorgans nichts ändern kann: Das Unternehmen liegt still; der Betrieb ist eingestellt (Heidland aaO. Rn. 53; Görg MüKo-InsO § 158 Rn. 6). Wenn der Insolvenzverwalter aber alle zur Stilllegung führenden Maßnahmen faktisch selbst und ohne Mitwirkung der Gläubigerorgane treffen kann, so muss es für die Frage, ob ein betriebsbedingter Grund für die Kündigung vorliegt, auch allein darauf ankommen, ob der Insolvenzverwalter die unternehmerische Entscheidung zur Stilllegung getroffen hat und ob aufgrund dieser die Prognose gestellt werden kann, dass der Betrieb zum Kündigungstermin stillliegt (BAG Urt. v. 19.06.1991 AP Nr. 53 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG Urt. v. 18.01.2001 aaO.). Denn ist dies der Fall, so ist die Beschäftigungsmöglichkeit für den gekündigten Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Betriebsstilllegung fortgefallen. Dem Grundsatz der Gläubigerautonomie widerspricht dies auch nicht. Die Gläubiger tragen in diesem Falle nämlich das Risiko der Betriebsfortführung oder -stilllegung nicht, sondern können den Insolvenzverwalter auf Schadensersatz in Anspruch nehmen (Heidland aaO. Rn. 53; Ehricke aaO. Rn. 31).

Der Insolvenzverwalter hat die unternehmerische Entscheidung zur Stilllegung des Betriebes vor Ausspruch der Kündigung des Klägers getroffen. Es war auch davon auszugehen, dass diese Entscheidung Bestand haben würde. Die Gläubigerversammlung hatte bereits am 05.05.2000 beschlossen, dass der Betrieb stillzulegen sei, wenn nicht ein positives Betriebsergebnis von mindestens 130.000 DM erreicht würde. Es wurde dieses Ziel nicht nur nicht erreicht, sondern es musste sogar noch ein weiterer Verlust von 591.000 DM verzeichnet werden, der das unter den Gläubigern zu verteilende Vermögen der Gemeinschuldnerin weiter verminderte. Unabhängig davon, ob Rechtsanwalt H die Gläubiger mit seiner im Berichtstermin vom 14.09.2001 geäußerten Auffassung, er sehe noch eine Möglichkeit der Fortführung des Betriebes, in Verwirrung gestürzt hat, so dass diese ihre endgültige Entscheidung über die Stilllegung zunächst vertagten, genügte allein der erneute immense Verlust, um vom Bestand der Stilllegungsentscheidung ausgehen zu können. Tatsächlich hat die Gläubigerversammlung sich die Entscheidung später auch zu eigen gemacht, was als Vermutung dafür spricht, dass die der Kündigung zugrunde gelegte Prognose gerechtfertigt war (vgl. auch BAG Urt. v. 12.01.2000 AP Nr. 217 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; BAG Urt. v. 28.03.2001 AP Nr. 227 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag).

4) Die Kündigung war schließlich auch nicht willkürlich. Die Kündigung erfolgte aufgrund der getroffenen Entscheidung zur Betriebsstilllegung. Diese wiederum sollte Rechtsanwalt H nach dem Beschluss der Gläubigerversammlung vom 05.05.2000 vornehmen, wenn, wie geschehen, die vorgegebenen Ergebnisse nicht erreicht würden. Seine Äußerung, er sehe noch Möglichkeiten zur Fortführung des Betriebes, in der Gläubigerversammlung vom 10.08.2001 ändert daran nichts. Das Unterlassen der Schließung wurde Rechtsanwalt H im Hinblick auf den Beschluss der Gläubigerversammlung vom 05.05.2000 in dem Entlassungsbeschluss des Amtsgerichts Bonn vom 05.09.2001 ausdrücklich vorgeworfen. Wenn der Insolvenzverwalter darauf mit der Stilllegung und damit zusammenhängend den Kündigungen der Arbeitnehmer des Betriebes reagiert, so ist das sachgerecht.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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