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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 24.03.2006
Aktenzeichen: 4 Sa 1216/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 196
BGB § 204
ZPO § 253 Abs. 2
1) Rückforderung nicht abgeführter Umsatzsteuer bei einem Vertragsverhältnis das entgegen dem Vertragswortlaut nicht ein freies Mitarbeiterverhältnis, sondern ein Arbeitsverhältnis war.

2) Keine Verjährung des Anspruchs nach § 196 I Nr. 8, 9 BGB a. F.

3) Bestimmtheitsanforderungen bei Hilfsaufrechnung.


Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 31.03.2005 - 1 Ca 4168/04 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 810,36 € nebst 4 % Zinsen seit dem 01.06.1997 zu zahlen.

2. Der Kläger wird auf die Widerklage der Beklagten hin verurteilt, an die Beklagte 8.181,73 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.04.2002 zu zahlen.

3. Im Übrigen werden Klage und Widerklage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte 1/10 und der Kläger 9/10 zu tragen.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

(Von der gesonderten Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen)

Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hatte teilweise Erfolg.

A. Zum Verständnis hinsichtlich der verschiedenen Aktenzeichen des seit 1997 laufenden Verfahrens sei Folgendes vorausgeschickt: Die im angefochtenen "Schluss-Urteil" als Klageforderung behandelte Provisionsforderung wurde im ursprünglich von der jetzigen Beklagten angestrengten Verfahren 1 Ca 2084/97 als Widerklage mit Schriftsatz vom 15.10.1997 (Bl. 52 ff. d. A.) anhängig gemacht.

Sie wurde mit Beschluss des Arbeitsgerichts im Termin vom 07.09.2000 (Bl. 280/281 d. A.) abgetrennt und sollte laut Beschluss ein neues Aktenzeichen erhalten.

Das Verfahren über die Widerklage erhielt sodann das Aktenzeichen 1 Ca 112/01 (Bl. 304/306 d. A.).

Unter diesem Aktenzeichen wurde am 12.12.2002 in einem Kammertermin vor dem Arbeitsgericht verhandelt (Bl. 338 d. A.). Das Terminprotokoll weist Folgendes aus:

"Es werden verschiedene Lösungsmöglichkeiten andiskutiert, teilweise durchdiskutiert.

Im Einvernehmen mit beiden Prozessbevollmächtigten wird der Rechtsstreit auf derzeit unbestimmte Zeit vertagt."

Erst mit Schriftsatz vom 13.12.2004 (Bl. 340 d. A.) beantragte die jetzige Beklagte "das ruhende Verfahren wiederaufzunehmen". Es wurde durch Beschluss des Vorsitzenden vom 21.12.2004 neuer Kammertermin auf den 03.03.2005 anberaumt. Das inzwischen nach Aktenordnung weggelegte Verfahren (siehe Bl. 339 d. A.) erhielt das letzte Aktenzeichen: 1 Ca 4186/04 .

B. Zu Recht hat das Arbeitsgericht dem Grunde nach - nicht indes der Höhe nach, siehe dazu unten - die Provisionsforderung des Klägers bejaht.

1. Der Kläger hat bereits bei Erhebung der Widerklage mit Schriftsatz vom 13.10.1997 (Bl. 52 ff. d. A.) unter Bezugnahme auf die beigefügte Abrechnung vom 04.05.1997 und eine vierseitige Aufstellung, aus der sich aufgeschlüsselt für die Monate Februar und März 1997 der Käufer, der Fahrzeugtyp, der Einkaufspreis, der Verkaufspreis, der Bruttoertrag, die Provision und weitere Einzelheiten ergeben, die Klageforderung substantiiert.

Erneut hat der Kläger mit Schriftsatz vom 26.08.2002 (Bl. 317 ff. d. A.) die Aufstellungen über die einzelnen Geschäfte und die ihm daraus zustehenden Provisionen eingereicht und dazu - von der Beklagten nie bestritten - Folgendes vorgetragen: Die Provisionsabrechnungen bezögen sich auf die aufgelisteten Vertragsurkunden und Rechnungen, die der Beklagten selbst im Original vorlägen. Sie habe diese Beweismittel für die Provisionsbegehren des Klägers selbst im Besitz. Die Mitarbeiterin P der Beklagten habe die in Rede stehenden Abrechnungen des Klägers - wie auch aus den vorgelegten Belegen ersichtlich - im Einzelnen überprüft und aus ihrer Sicht notwendige Korrekturen vorgenommen, die dem Kläger zustehende Provision jeweils auf den Abrechnungen handschriftlich vermerkt.

Unter diesen - unstreitigen - Umständen ist der Vortrag des Klägers zur Höhe seiner Provision und für Februar und März 1997 substantiiert und auch für die Beklagte nachvollziehbar. Ihr über den gesamten Prozess beibehaltenes pauschales Bestreiten ist nach § 138 Abs. 1 und 2 ZPO unzulässig. Danach nämlich haben die Parteien ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. Jede Partei hat sich über die vom Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Die Beklagte hat sich nie mit den einzelnen Provisionsforderungen auseinandergesetzt, sondern nur pauschal bestritten. Ihr Vorbringen ist das Gegenteil einer vollständigen Erklärung.

Dieses gilt um so mehr, als unstreitig ist, dass die Mitarbeiterin der Beklagten die Provisionsabrechnungen des Klägers selbst überprüft hat und die dem Kläger zustehenden Provisionssätze selbst eingetragen hat.

2. Soweit die Beklagte im Verfahren sich darauf berufen hat, der Kläger habe 9.000,00 DM unzulässigerweise nicht abgeführt, so übersieht sie, dass der Kläger diese 9.000,00 DM in seiner Provisionsforderung ausdrücklich abgezogen hat. Aus seiner Rechnung vom 04.05.1997 (Bl. 54 d. A.) folgt nämlich, dass er für Februar eine Provisionsforderung von 4.950,04 DM, für März eine solche von 5.634,88 DM, insgesamt 10.584,92 DM geltend macht. Dazu rechnet er noch 15 % Mehrwertsteuer in Höhe von 1.587,74 DM (dazu noch unten).

Von der Gesamtsumme von 12.172,66 DM zieht er ("davon erhalten") 9.000,00 DM ab. Der Restbetrag von 3.172,66 DM ergibt die Klageforderung.

3. Soweit der Kläger in die Klageforderung indes die 1.587,74 DM als 15-%ige Mehrwertsteuer einstellt, steht ihm dieser Betrag nicht zu, so dass die Klageforderung um diesen Betrag auf 1.584,92 DM zu reduzieren ist.

Die Mehrwertsteuer stand dem Kläger schon deshalb nicht zu, weil nach seinem eigenen Vorbringen das Vertragsverhältnis der Parteien ein Arbeitsverhältnis war und der Klägerin insoweit nicht Unternehmer im Sinne des § 2 UStG war. Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, dass der Kläger auch in zahlreichen Rechnungen zuvor Umsatzsteuer geltend gemacht hat, ohne diese an das Finanzamt abzuführen (dazu noch unten).

Soweit der Kläger der Auffassung ist, da sein Vertragsverhältnis als Arbeitsverhältnis anzusehen sei, sei der "Mehrwertsteueranteil" Teil des dem Kläger zustehenden Gehalts, was der Kläger zweitinstanzlich gar für "zwangsläufig" hält (Bl. 445 d. A.), so ist diese Ansicht durch nichts begründet.

Insbesondere kann nicht im Wege der ergänzende Vertragsauslegung ein solches Ergebnis erreicht werden. Die auf die Provisionsforderungen des Klägers gezahlte Umsatzsteuer sollte vom Sinn und Zweck der Leistung her nicht dem Kläger zufließen, sondern der Finanzverwaltung. Der Kläger hat sie indes für sich behalten und nicht abgeführt. Dass dies dem (hypothetischen) Willen der Beklagten entsprach, ist durch nichts indiziert. Im Gegenteil: Aus dem von der Beklagten vorgelegten Urteil des Finanzgerichts Köln vom 04.11.2004 (Bl. 381 ff. d. A.) ergibt sich, dass die Beklagte aus den Rechnungen des Klägers den Vorsteuerabzug beim Finanzamt geltend gemacht hat. Ein solches Verhalten wäre völlig absurd gewesen, wenn die Beklagte selbst davon ausgegangen wäre, dass die vom Kläger in seinen Rechnungen berechnete Mehrwertsteuer von diesem nicht an das Finanzamt abgeführt würde, sondern ihm als Teil des Entgelts endgültig zufließen sollte. Unstreitig ist ferner, dass zwischen den Parteien vereinbart wurde, dass der Kläger als freier Mitarbeiter beschäftigt werde. Ebenso unstreitig ist, dass vereinbart wurde, dass der Kläger ein Gewerbe anmelde, was der Kläger nach eigenem Vorbringen auch getan hat. Gingen die Parteien mithin davon aus, dass der Kläger bei Durchführung des Vertragsverhältnisses als "freies Mitarbeiterverhältnis" die Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen hatte, spricht nichts dafür, dass die Umsatzsteuer Teil des Entgelts sein könnte, wenn das Vertragsverhältnis als Arbeitsverhältnis qualifiziert wird. Die gezahlte Umsatzsteuer sollte dem Kläger nie zufließen.

Dass der Kläger die berechnete Umsatzsteuer auch dann nicht für sich behalten durfte, sondern abzuführen hatte, wenn sein Vertragsverhältnis ein Arbeitsverhältnis und er dementsprechend nicht Unternehmer war, folgt im Übrigen unmittelbar und zwingend aus § 14c Abs. 2 UstG.

Weder aus gesetzlichen Vorschriften noch im Wege der Vertragsauslegung, auch nicht ergänzenden Vertragsauslegung lässt sich mithin ableiten, dass die als Umsatzsteuer gezahlten Teile bei Qualifizierung des Vertragsverhältnisses als Arbeitsverhältnis dem Kläger zufließen sollten.

4. Soweit die Provisionsforderung mithin begründet war, nämlich nur in Höhe von 1.584,92 DM entsprechend 810,36 €, war die Forderung auch nicht verfallen. Die Beklagte beruft sich auf die Verfallfrist des § 9 Abs. 2 des Manteltarifvertrages für das Kraftfahrzeuggewerbe in NRW. Es kann indes nicht festgestellt werden, dass dieser Anwendung fände, auch wenn man das Vertragsverhältnis als Arbeitsverhältnis qualifiziert. Denn - wie das Arbeitsgericht zu Recht entschieden hat - eine Tarifgeltung ist weder einzelvertraglich vereinbart, noch ergibt sie sich aus Allgemeinverbindlichkeit. Auch hat die Beklagte weder die eigene Tarifbindung noch die Tarifbindung des Klägers aufgrund einer Mitgliedschaft in den Tarifparteien dargelegt.

5. Die Forderung ist auch nicht verjährt. Sie wurde - wie gesagt - bereits 1997 rechtshängig. Sofern das Verfahren im Termin am 12.12.2002 "auf unbestimmte Zeit vertagt" worden ist und dieses im Einvernehmen mit den Prozessbevollmächtigten geschah, kann dahinstehen, ob dieses als Nichtbetreiben im Sinne des § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB anzusehen ist, der gemäß Artikel 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB als Tatbestand des Neubeginns der Verjährung anzuwenden wäre. Denn die Hemmung endete erst 6 Monate nach der letzten gerichtlichen Handlung (§ 204 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Satz 2 BGB). Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiterbetreibt, § 204 Abs. 2 Satz 3 BGB. Die Beklagte selbst hat mit Schriftsatz vom 13.12.2004 beantragt "das ruhende Verfahren wiederaufzunehmen" (Bl. 340 d. A.). Selbst wenn mithin eine erneute Verjährung am 12.06.2003 begonnen hätte, wäre im Dezember 2004 die Forderung auch dann nicht verjährt gewesen, wenn man auf sie den § 196 BGB a. F. anwenden würde.

6. Die Provisionsforderungen des Klägers ist auch nicht durch die Aufrechnung der Beklagten mit Gegenansprüchen auf Rückerstattung der dem Kläger aufgrund der von der Beklagten im Schreiben vom 14.06.1999 (Bl. 240 d. A.) aufgelisteten, vom Kläger vom 12.04.1995 bis zum 30.10.1996 (einzelne Rechnungen Bl. 241 ff. d. A.) abgerechneten und erhaltenen 15-%igen Mehrwertsteuer erloschen.

Die Rückforderung der Beklagten besteht zwar (dazu noch unten), die Aufrechnung war jedoch aus mehreren Gründen unzulässig:

a) Die Gegenforderung der Beklagten setzt sich - wie sich aus ihrer Aufstellung über die einzelnen an den Kläger zu den jeweiligen Rechnungen abgezahlten Mehrwertsteuerbeträgen ergibt - aus mehreren selbstständigen Ansprüchen zusammen. Die Beklagte rechnet auch nicht mit allen Gegenansprüchen auf, sondern nur mit einem Teil. Den Rest macht sie im Wege der Widerklage geltend. Diese Aufrechnung verstößt gegen den Bestimmtheitsgrundsatz des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, der wegen der Rechtskraftwirkung des § 322 Abs. 2 ZPO auch für die Aufrechnung gilt. Wer im Wege der Aufrechnung einen Teilbetrag aus mehreren selbstständigen Ansprüchen geltend macht, muss angeben, welcher Teilbetrag von jedem dieser Ansprüche in welcher Reihenfolge geltend gemacht wird (vgl. Baumbach/Hartmann § 253 ZPO Rn. 47). Eine solche Bestimmtheit fehlt.

b) Zudem ist davon auszugehen, dass die Beklagte gegen ein Bruttolohnanspruch aufrechnet. Dieses ist ebenso unzulässig. Eine Aufrechnung ist nur zulässig gegen die Nettolohnanteile abzüglich der aufgrund steuerrechtlicher und sozialrechtlicher Vorschriften abzuführenden Teile des Entgelts.

Dabei ist hier davon auszugehen, dass es sich beim Vertragsverhältnis um ein Arbeitsverhältnis handelte. Die für die Voraussetzungen der Aufrechenbarkeit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat gegenüber dem Vortrag des Klägers, dass es sich im vorliegenden Fall um ein Arbeitsverhältnis handele, weil der Kläger einem umfassenden Weisungsrecht des Geschäftsführers unterlegen sei, nichts Substantiiertes erwidert. Vielmehr ist ihr eigenes Vorbringen insoweit nicht nur pauschal, sondern auch widersprüchlich und damit wegen eines Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 ZPO unbeachtlich:

Die Beklagte trägt in der Berufungsbegründung vor:

"Vorgetragen wurde auch, dass der Kläger keinesfalls wie ein Arbeitnehmer weisungsgebunden war, dass sein Verhältnis im Gegensatz zu den anderen Verkäufer nicht an feste Arbeitszeiten gebunden war, dass er Kunden akquirieren konnte. Allein die Tatsache, dass der Kläger von allen Geschäften, die er vermittelt, auch noch nach seinem Ausscheiden die vollständigen Vertragsunterlagen zu Hause hatte, zeigt die unternehmerische Selbstständigkeit."

Die im Übrigen streitige Frage, ob der Kläger Vertragsunterlagen zu Hause hatte, hat nichts mit der Qualifizierung als Arbeitsverhältnis zu tun. Im Übrigen widerspricht der pauschale zweitinstanzliche Vortrag der Beklagten gerade dem erstinstanzlichen Vorbringen, auf das die Beklagte im zweitinstanzlichen Vorbringen Bezug nimmt. So trägt die Beklagte im Schriftsatz vom 16.09.2002 Folgendes vor:

"Der Kläger selbst hat mehrfach vorgetragen, dass er hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung seiner Dienste für die Beklagte einem umfassenden Weisungsrecht unterlegen hat. Dies kann als unstreitig gelten. Damit erfüllt er alle Merkmale eines Angestellten, ist damit als Arbeitnehmer im Sinne des § 5 ArbGG anzusehen."

Ähnlich heißt es schon in der ursprünglichen Klageschrift vom 10.07.1997:

"Der Beklagte war den Weisungen des Geschäftsführers unterworfen... Der Beklagte hatte in den beiden letzten Jahren die Stellung eines ersten Verkäufers bzw. Verkaufsleiters."

C. Zum Großteil begründet war hingegen die Widerklageforderung der Beklagten. Es ist dazu unstreitig, dass der Kläger in den Provisionsabrechnungen vom 12.04.1995, 16.05.1995, 21.06.1995, 19.07.1995, 03.08.1995, 30.09.1995, 16.10.1995, 15.11.1995, 15.12.1995, 15.01.1996, 15.02.1996, 15.03.1996, 12.08.1996, 31.10.1996 die in der Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 17.06.1999 (Bl. 240 d. A.) aufgelisteten, sich ferner aus den in Kopie beigefügten jeweiligen Einzelrechnungen (Bl. 241 ff. d. A.) ergebenden Beträge als Mehrwertsteuer verlangt hat, diese jedoch - wie der Kläger erst zu einem späten Zeitpunkt des langjährigen Verfahrens eingeräumt hat - nicht an die Finanzverwaltung abgeführt hat.

1. Was die Höhe der Widerklage anbelangt und die Summe der Einzelbeträge, so kann die Beklagte indes nicht den Betrag von 1587,74 DM aus der Rechnung des Klägers vom 04.05.1997 zurückfordern. Denn diese Rechnung hat die Beklagte nicht bezahlt. Sie ist gerade Gegenstand der Klageforderung des Klägers. Der auch dort enthaltene Mehrwertsteuerbetrag von 1.587,74 DM ist dem Kläger nicht zugesprochen worden (s. o.). Damit beläuft sich die Summe der von der Beklagten aufgelisteten und vom Kläger nicht bestrittenen Einzelbeträge an ihn gezahlter Mehrwertsteuer auf 16.002,08 DM. Diesen Betrag schuldet der Kläger der Beklagten als Schadensersatz aus positiver Vertragsverletzung.

Der Kläger hätte die Beklagte darüber aufklären müssen, dass er die von ihm in den Rechnungen ausgestellte und von der Beklagte ihm bezahlte Mehrwertsteuer nicht an die Finanzverwaltung abgeführte, sodass die Beklagte ihn nicht als Vorsteuerabzug geltend machen konnte. Diese Aufklärungspflicht hat er vorsätzlich nicht erfüllt.

Hätte der Kläger die Beklagte darüber aufgeklärt, dass er die Mehrwertsteuer nicht abführte, so hätte die Beklagte - davon ist nach dem Grundsatz des aufklärungsentsprechenden Verhaltens auszugehen - ihm die Mehrwertsteuer nicht bezahlt. Dass sie objektiv nicht geschuldet war, ergibt sich daraus, dass der Kläger - wie das Finanzgericht festgestellt hat - kein Unternehmer war. Dass sie auch nicht als Teil des Entgelts eines Arbeitsverhältnisses geschuldet war, ist oben dargelegt. Der Kläger hat daher durch Verschweigen der Nichtabführung an das Finanzamt der Beklagten einen Vermögensschaden zugefügt, den er zu erstatten hat.

Der Kläger hat sich darauf berufen, dass er seinerzeit "pflichtgemäß ein Gewerbe an dem für ihn zuständigen Finanzamt" angemeldet habe. Er sei jedoch weder vom Finanzamt zur Abgabe der Umsatzsteuererklärung oder zur Abführung eingezogener Mehrwertsteuer aufgefordert worden, noch habe die Beklagte sich darum gekümmert, obwohl sie wegen des von ihr beabsichtigten und gemäß ihren Angaben auch vorgenommenen Vorsteuerabzugs im eigenen Interesse Anlass dazu gehabt habe.

Dieser Vortrag ist - auch wenn man davon ausgeht, dass der Kläger "bei der Finanzverwaltung ein Gewerbe angemeldet" hatte - als reine Schutzbehauptung zu werten. Der Kläger war als Autoverkäufer ein im Geschäftsleben erfahrener Mensch. Schon aus schlichtester Laiensicht musste er wissen, dass die Finanzverwaltung nicht über die von ihm gemachten Umsätze Bescheid wissen konnte, ohne dass er selbst seine Steuern erklärte. Geradezu absurd erscheint die Vorstellung, dass die Beklagte das Finanzamt hätte veranlassen müssen, die Umsatzsteuer beim Kläger anzufordern. Erst Recht ist völlig unglaubhaft, dass der Kläger jahrelang auf eine solche Anforderung gewartet haben sollte. Wäre der Kläger tatsächlich davon ausgegangen, dass die Beklagte für die Abführung der Umsatzsteuer sorgen würde, dann hätte es überhaupt keinen Sinn gemacht, der Beklagten die Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen und sich diese von der Beklagten auszahlen zu lassen.

Wenn der Kläger stets erneut in den Rechnungen Mehrwertsteuer auswies und diese auszahlen ließ, ohne jemals diese abgeführt zu haben, so lässt das nach Auffassung der Kammer als klares Indiz darauf schließen, dass der Kläger die Beklagte vorsätzlich täuschte.

2. Sofern der Kläger gegen den Rückforderungsanspruch der Beklagten eingewandt hat, dass Vertragsverhältnis sei ein Arbeitsverhältnis gewesen, die Beklagte habe die Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt, deshalb mache er insoweit ein Zurückbehaltungs- und Aufrechnungsrecht geltend, wobei der Kläger davon ausgeht, dass das ihm gezahlte Entgelt "als Nettogehalt" zu werten sei, und deshalb die nichtabgeführte Sozialversicherung auf mindestens 19.600,00 DM zu berechnen sei (Bl. 352 d. A.), so greift diese Einwendung nicht durch.

Zunächst kann nicht davon ausgegangen werden, dass die dem Kläger zugeflossenen Zahlungen bei einer Wertung des Vertragsverhältnisses als Arbeitsverhältnis als Nettogehalt anzusehen sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist für Arbeitsentgelt der Grundsatz anzuwenden, dass mangels abweichender Vereinbarungen eine Entgeltabrede als Bruttoabrede zu verstehen ist. Dementsprechend ist für den Arbeitslohn von dem Grundsatz auszugehen, dass die Steuerlast den Arbeitnehmer als Steuerpflichtigen trifft. Abweichende Vereinbarungen zwischen den Parteien müssen ausdrücklich und eindeutig getroffen werden (BAG 19.12.1963 AP Nr. 15 zu § 670 BGB; 18.01.1974 AP Nr. 19 zu § 670 BGB). Entsprechendes gilt für den Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung. Mangels einer eindeutigen Nettoabrede kann nicht davon ausgegangen werden, dass Entgeltvereinbarungen netto gelten sollen und der Arbeitgeber zusätzlich den Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung zu tragen hat.

Ganz abgesehen davon, dass im Übrigen der Sozialversicherungsanteil des Arbeitnehmers auch nicht diesem zusteht, so dass er mit diesem aufrechnen könnte, hat die Beklagte dem Kläger das vereinbarte Entgelt in voller Höhe ausbezahlt und nichts einbehalten.

Sofern es um den Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung geht, so steht dieser Anteil dem Arbeitnehmer erst Recht nicht zu. Er ist vom Arbeitgeber direkt an die Sozialversicherung abzuführen. Da der Arbeitnehmer insoweit keinen eigenen Anspruch hat, kann er damit auch nicht aufrechnen oder ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen.

Aufrechnung oder Zurückbehaltung kämen allenfalls mit einem Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers in Frage für Schäden, die ihm aus der Nichtabführung entstanden sind. Abgesehen davon, dass der Kläger einen solchen Anspruch nicht geltend macht, fehlt es an jeglichem tatsächlichen Vorbringen dazu.

Dahinstehen kann damit, dass der Kläger wegen seines vorsätzlichen Handelns mit der Aufrechung ausgeschlossen wäre.

3. Der Rückforderungsanspruch der Beklagten ist auch nicht verjährt. Für diesen Anspruch galt gemäß Artikel 129 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB die Verjährungsregelung des BGB alter Fassung. Nach § 196 Abs. 1 Nr. 8 und 9 BGB a. F. verjährten Entgeltansprüche oder ähnliche Ansprüche der Arbeitnehmer in zwei Jahren. Für Ansprüche des Arbeitgebers galt diese Verjährungsfrist nur für "auf solche Ansprüche gewährte Vorschüsse", nicht z. B. für Gehaltsüberzahlungen, die kein Vorschuss waren (BAG AP § 195 BGB Nr. 5).

Im vorliegenden Fall handelt es sich überhaupt nicht um eine Rückforderung wegen eines Gehaltsanspruches oder eines Entgeltsanspruches. Vielmehr geht es um die Rückforderung von Zahlungen, die für eine zusätzlich zum vereinbarten Entgelt abzuführende Mehrwertsteuer geleistet wurden. Erst Recht handelte es sich nicht um einen Vorschuss.

Damit galt die 30-jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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