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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 30.05.2008
Aktenzeichen: 4 Sa 1471/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 611
Ein Arbeitnehmer hat keinen Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber darüber, welche Lohnerhöhungen er in einem Zeitraum von mehreren Jahren anderen Arbeitnehmern gewährt hat, um daraus eventuell Ansprüche aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ableiten zu können.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10.09.2007 - 15 Ca 2319/07 - wird zurückgewiesen.

Von den Kosten der Berufungsinstanz haben die Beklagte 3/4 und die Klägerin 1/4 zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten, nachdem die Beklagte ihre Berufung zurückgenommen hat, aufgrund der Berufung der Klägerin zweitinstanzlich noch um Vergütung der Zeit vom 18.09.2006 bis zum 17.10.2006 als Urlaub, um einen Auskunftsanspruch der Klägerin, mit dem sie Auskunft über die seit dem 01.01.1999 erfolgten Lohnerhöhungen im Betrieb begehrt, um einen Hilfsantrag, mit dem die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur eidesstattlichen Versicherung ihres prozessualen Vortrages begehrt, im Betrieb hätten seit 1999 Lohnerhöhungen nicht stattgefunden, sowie im Wege der Anschlussberufung der Klägerin um Urlaubs- und Weihnachtsgeld für das Jahr 2007.

Hinsichtlich des erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens der Parteien sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 30.10.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30.11.2007 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 31.01.2008 am 30.01.2008 begründet.

Die Beklagte hatte am 05.12.2007 ebenfalls Berufung eingelegt, diese aber am 05.02.2008 zurückgenommen. Die Anschlussberufung der Klägerin wurde mit deren Berufungsbegründung eingelegt und begründet.

Hinsichtlich des Vergütungsanspruches für die Zeit vom 18.09.2006 - 18.10.2006 beruft sich die Klägerin darauf, die Beklagte habe ihr mit Schreiben vom 27.09.2006 (Bl. 158/159 d. A.) Urlaub erteilt.

Zu dem Auskunftsanspruch meint die Klägerin, dass schlichte Prozessbestreiten könne nicht als Erfüllung ausreichen.

Sie trägt weiter vor, die Beklagte beschäftige ca. 40 Mitarbeiter/innen. Sie, die Klägerin sei die am längsten beschäftigte, da sie schon seit 1984 tätig sei. Zur Zeit ihres Ausfalls im Jahr 1999 seien von jetzt 40 beschäftigten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen etwa 16 schon beschäftigt gewesen.

Dieselbe Arbeit, wie die Klägerin sie verrichte, werde von ca. 10 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen verrichtet. Sie, die Klägerin, habe erfahren, dass mehrere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die dieselbe Arbeit an der Kunststoffmaschine erledigten, zur Zeit ihres Ausfalls 1999 weniger als sie verdient hätten, inzwischen aber einen Stundenlohn von 8,50 € ohne Maschinenzulage erhielten.

Um zu überprüfen, ob sie gleichbehandelt werde, habe sie, die Klägerin, einen Anspruch auf Auskunft, der jedenfalls aus § 242 BGB folge.

Im Wege der Anschlussberufung begehrt die Klägerin für das Jahr 2007 Urlaubsgeld in Höhe von 357,90 € und Weihnachtsgeld in Höhe von 230,00 €.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 674,96 € nebst 5 Prozentpunkten an Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2006 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft über die seit dem 01.01.1999 erfolgten Lohnerhöhungen in ihrem Betrieb zu erteilen;

3. hilfsweise im Verhältnis zum Antrag zu 2., für den Fall, dass die Beklagte bei ihrem erstinstanzlichen Vortrag bleibt, die Beklagte zu verurteilen, zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass in ihrem Betrieb seit 1999 Lohnerhöhungen nicht stattgefunden haben;

4. klageerweiternd im Wege der Anschlussberufung die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 587,98 € nebst 5 Prozentpunkten an Zinsen seit dem 16.01.2008 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit die Klägerin sich dagegen richtet. Insbesondere enthalte das Schreiben vom 27.09.2006 keine Urlaubsgewährung.

Zum Auskunftsanspruch wiederholt sie ihre Erklärung, dass es Lohnerhöhungen im Betrieb der Beklagten seit 01.01.1999 nicht gegeben habe. Hinsichtlich des Anspruches auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld für das Jahr 2007 beruft die Beklagte sich darauf, dass der Klägerin schon längst beklagtenseits mitgeteilt worden sei, dass Urlaubs- und Weihnachtsgeld im Betrieb nicht mehr gezahlt werde. Die Klägerin sei damit wiederum die einzige Person im Betrieb der Beklagten, die Urlaubs- bzw. Weihnachtsgeld erhalten würde. Ein irgendwie gearteter Vertrauenstatbestand der betrieblichen Übung sei nun nicht mehr gegeben.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

A. Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegt und begründete Berufung der Klägerin hatte in der Sache keinen Erfolg.

I. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entgeltzahlung für die Zeit vom 18.09.2006 - 17.10.2006.

Dass für diesen Zeitraum ein Anspruch aus § 615 BGB wegen Annahmeverzugs nicht besteht, hat das Arbeitsgericht zu Recht entschieden. Das greift die Klägerin auch nicht an. Sie beruft sich auf einen Entgeltanspruch aus § 611 BGB i. V. m. §§ 1 u. 11 BUrlG.

Ein solcher Anspruch besteht indessen nicht, weil er gemäß § 7 BUrlG voraussetzt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zum Zwecke der Erfüllung des Urlaubsanspruchs freistellt, also Urlaub erteilt. Der Arbeitnehmer als Gläubiger des Urlaubanspruchs kann die Schuld des Arbeitgebers nicht dadurch erfüllen, dass er sich selbst beurlaubt (vgl. statt vieler ErfK/Dörner § 7 BUrlG Rn. 12).

Die Freistellungserklärung muss hinreichend deutlich erkennen lassen, dass eine Befreiung von der Arbeitspflicht zur Erfüllung des gesetzlichen oder tariflichen Anspruchs auf Urlaub erteilt wird. Andernfalls liegt keine Urlaubsgewährung vor (BAG 19.09.2000 AP BUrlG § 13 Nr. 46). In allen Fällen ohne eindeutige Erklärung, wie z. B. beim "Verzicht auf weitere Anwesenheit im Betrieb", bleibt der Urlaubsanspruch erhalten (ErfK/Dörner a. a. O. Rn. 9 m. w. N.).

Nach diesen Maßstäben enthält das Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 27.09.2006, auf das die Klägerin sich beruft, keine hinreichend deutliche Erklärung auf Urlaubsgewährung.

Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin hatten mit Schriftsatz vom 18.09.2006 der Beklagten mitgeteilt, dass sich die Klägerin in ihrer Heimat Türkei befinde. Gleichzeitig wird für die Zeit vom 18.09. - 17.10. die Gewährung von Jahresurlaub beantragt. Ab dem 18.10.2006 - so heißt es weiter - sei die Klägerin arbeitsbereit und werde sich bei der Beklagten einfinden.

Auf dieses Schreiben antworteten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit Schreiben vom 17.09.2006 Folgendes:

"...in der vorbezeichneten Angelegenheit hat unsere Auftraggeberin zur Kenntnis genommen, dass Ihre Mandantin in "ihrer Heimat Türkei weilt". Offensichtlich hatte es Ihre Mandantin doch nicht so eilig, den schwer erkämpften Arbeitsplatz wieder einzunehmen.

Wir machen Ihre Auftraggeberin darauf aufmerksam, dass Urlaubsgewährung beim Arbeitgeber zu beantragen und die Genehmigung abzuwarten ist. Keinesfalls darf Urlaub eigenmächtig genommen werden. Dies stellt ohne weiteres einen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar. Abgesehen davon, ist die Eigenmächtigkeit Ihrer Auftraggeberin keineswegs geeignet, die Vorbehalte unserer Mandantin in die Arbeitswilligkeit Ihrer Auftraggeberin auszuräumen.

Darüber hinaus dürfte sehr fraglich sein, ob derzeit ein Urlaubsanspruch Ihrer Aufraggeberin in Höhe von 4 Wochen überhaupt besteht.

Aus Gründen der Vereinfachung wird Ihre Auftraggeberin nunmehr letztmalig aufgefordert, zur Arbeit im Betrieb unserer Mandantin zu erscheinen; und zwar am Mittwoch, den 18.10.2006, 12.00 Uhr.

Sollte Ihre Auftraggeberin wieder unentschuldigt nicht erscheinen, wird schon jetzt angekündigt, dass Ihre Auftraggeberin dann endgültig mit einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechnen hat."

In diesem Schreiben wird Urlaub nicht gewährt. Es wird vielmehr ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass keinesfalls Urlaub eigenmächtig genommen werden dürfe. Dieses stelle ohne weiteres einen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar. Es wird weiter von einer Eigenmächtigkeit der Klägerin gesprochen. Darüber hinaus wird das Bestehen eines Urlaubsanspruch von 4 Wochen in Zweifel gezogen.

Wenn es sodann heißt, dass "aus Gründen der Vereinfachung die Klägerin nunmehr letztmalig aufgefordert (werde), zur Arbeit im Betrieb unserer Mandantin zu erscheinen; und zwar am Mittwoch, dem 18.10.2006, 12.00 Uhr", dann ist darin keine Urlaubserteilung und auch keine Zusage zu erkennen, die Zeit vom 18.09.2006 - 17.10.2006 als Urlaub zu vergüten. Die Beklagte belässt es vielmehr bei der von ihr gesehenen Eigenmächtigkeit der Klägerin, ohne darauf - wie zuvor angesprochen - mit einer Kündigung zu reagieren.

Dies wird auch nochmals deutlich durch den Schlusssatz, in dem der Klägerin eine außerordentliche Kündigung für den Fall angedroht wird, dass die Klägerin am 18.10.2006 "wieder unentschuldigt nicht erscheinen" werde.

II. Auch der Auskunftsanspruch ist ebenso wie der Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nicht begründet.

1. Zwar gewährt das Bundesarbeitsgericht (01.12.2004 - 5 AZR 664/03) einen Anspruch auf Auskunft im Zusammenhang mit Gleichbehandlungsansprüchen, wenn feststeht, dass eine Anzahl von Arbeitnehmer eine Gehaltserhöhung erhalten hat und der hiervon ausgenommene Arbeitnehmer vom Arbeitgeber Auskunft über die hierfür verwandten Regeln verlangt.

Aus den Entscheidungsgründen dieser Entscheidung ergibt sich, dass im gegebenen Falle "unstreitig ... eine Vielzahl an AT-Angestellten Gehaltserhöhungen (erhalten) hatte". In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesarbeitsgericht in der genannten Entscheidung davon ausgeht, dass der Auskunftsanspruch die Darlegungs- und Beweislast nicht in unzulässiger Weise zu Lasten des Arbeitgeber verschieben dürfe. Es wird darauf hingewiesen, dass erst dann, wenn ein Arbeitgeber Arbeitnehmer in ähnlicher Tätigkeit unterschiedlich vergütet, den Arbeitgeber Darlegungslasten zu den hierfür verwendeten Regeln treffen.

2. Die Klägerin verlangt nicht Auskunft über die verwendeten Regeln. Sie will Auskunft über die seit 01.01.1999 erfolgten Lohnerhöhungen im Betrieb der Beklagten. Der Auskunftsanspruch zielt damit schon auf die Ermittlung der Tatbestandsvoraussetzungen des vom Bundesarbeitsgerichts anerkannten Auskunftsanspruch. Die Klägerin will erst ermitteln, in welcher Weise vergleichbare Arbeitnehmer bestimmte Leistungen erhalten haben.

Ein so weitgehender Auskunftsanspruch würde die Darlegungs- und Beweislast in so gravierender Weise verschieben, dass der Grundsatz verletzt würde, dass niemand dem Gegner Material für dessen Prozesssieg liefern muss.

3. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die Klägerin ihren Auskunftsanspruch nicht einmal auf vergleichbare Arbeitnehmer beschränkt, sondern im Sinne eines Globalantrages Auskunft über alle im Betrieb der Beklagten erfolgten Lohnerhöhungen seit dem 01.01.1999 verlangt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z. B. BAG 27.06.2006 - 1 ABR 35/05) ist ein Globalantrag, der eine Vielzahl von Fallgestaltungen erfasst, insgesamt als unbegründet abzuweisen, wenn er auch solche Fallgestaltungen umfasst, in denen sich der Antrag als unbegründet erweist.

Der Antrag erfasst alle Lohnerhöhungen, die im Betrieb der Beklagten seit 1999 geschehen sind. Er umfasst auch solche von Arbeitnehmern, die mit der Klägerin nicht vergleichbar sind. Er macht darüber hinaus keinen Unterschied für allein dem Gleichbehandlungsgrundsatz unterfallende kollektive Erhöhungen und nicht für den Gleichbehandlungsgrundsatz relevante individuell ausgehandelte Erhöhungen. Die Unbegründetheit für diese Fälle macht den gesamten Globalantrag unbegründet.

III. Da der Auskunftsanspruch nicht begründet ist, braucht die Beklagte ihre im Prozess gegebene Auskunft auch nicht eidesstattlich zu versichern.

B. Die Anschlussberufung der Klägerin hat gemäß § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung verloren, da die Berufung der Beklagten zurückgenommen worden ist. Die ausdrücklich mehrfach, nämlich sowohl im angekündigten Klageantrag, als auch zweimal in der Berufungsbegründung als "Anschlussberufung" bezeichnete Klageerweiterung konnte angesichts der für Prozesshandlungen erforderlichen Rechtssicherheit und Rechtsklarheit auch nicht als das Gegenteil, nämlich als Teil der selbstständigen Berufung der Klägerin, ausgelegt werden. Die Klägerin hat nämlich in ihrer Berufungsbegründung vom 29.01.2008 selbst ausdrücklich bei den Anträgen differenziert. Sie hat zunächst drei Anträge für das Berufungsverfahren gestellt und dann ausdrücklich geschrieben, dass "klageerweiternd im Wege der Anschlussberufung" die Beklagte verurteilt werden solle, an die Klägerin noch weitere 587,98 € zu zahlen. Auf Seite 2 der Berufungsbegründung heißt es ebenso ausdrücklich: "Mit der Klageerweiterung wird im Wege der Anschlussberufung die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld für 2007 beantragt." Schließlich wird auf Seite 5 der Berufungsbegründung nochmals geschrieben, dass mit dem Antrag zu 3. "im Wege der Anschlussberufung" die Verurteilung der Beklagten zu den entsprechenden Zahlungen begehrt werde (vgl. zu einem ähnlichen Fall: BAG, 08.09.1998 - 3 AZR 368/98 - AP Nr. 2 zu § 622 ZPO).

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ArbGG i. V. m. § 516 Abs. 3 ZPO. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dann, wenn die Hauptberufung zurückgenommen wird, den Berufungskläger auch die Kosten der damit wirkungslos gewordenen Anschlussberufung treffen (vgl. statt vieler Zöller/Gummer/Heßler § 524 ZPO Rn. 43 m. N. zur Rechtsprechung).

Dabei wurde von einem Gesamtstreitwert von 7.531,00 € für die Berufungsinstanz ausgegangen (4.920,00 € für die Berufung der Beklagten, 587,00 € für die Anschlussberufung, 674,00 € für den Zahlungsantrag der Berufung und 1350,00 € entsprechend der erstinstanzlichen Festsetzung für den Auskunftsanspruch).

Ende der Entscheidung

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