Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 15.05.2009
Aktenzeichen: 4 Sa 877/08
Rechtsgebiete: TzBfG, Richtlinie 1999/99/EG, GG


Vorschriften:

TzBfG § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3
Richtlinie 1999/99/EG § 5 Nr. 1
GG Art. 12
Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Sachgrund Vertretung (§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG) ist mit europäischem Recht und dem Grundgesetz vereinbar.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28.05.2008 - 12 Ca 571/08 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung des Arbeitsvertrages vom 12.12.2006 für die Zeit vom 01.01.2007 - 31.12.2007. Diesem waren nach der Ausbildung der Klägerin zur Justizangestellten seit dem 02.07.1999 zwölf weitere befristete Verträge vorausgegangen. Das beklagte Land rechtfertigt die Befristung sachlich mit einer Vertretung (§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG) und zwar mit der vom Bundesarbeitsgericht anerkannten Alternative, dass weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Vertretung vorliegt und der Arbeitgeber auf die Umverteilung der Arbeitsaufgaben des vorübergehend abwesenden Arbeitnehmers verzichtet, indem er dem befristet tätigen Arbeitnehmer Tätigkeiten überträgt, die der vertretene Arbeitnehmer zu keinem Zeitpunkt wahrgenommen hat, die diesem letzteren aber im Wege des Direktionsrechts zugewiesen werden könnten, und eine gedankliche Zuordnung des Vertreters zum Vertretenen festzustellen ist.

Die Klägerin hält diese Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für verfassungs- und europarechtswidrig.

Wegen des insgesamt unstreitigen Tatsachenvorbringens und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Ergänzend wird wegen der Personalratsbeteiligung insbesondere auf Blatt 45/46 d. A. Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 28.05.2008 die Klage abgewiesen.

Gegen dieses ihr am 20.06.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17.07.2008 Berufung eingelegt und diese am 19.08.2008 begründet.

Da beide Parteien ohne neues Tatsachenvorbringen mit Rechtsausführungen ihr jeweiliges Prozessziel weiter verfolgen, wird insoweit auf die Berufungsbegründung (Bl. 96 d. A.) und die Berufungserwiderung (Bl. 133 ff. d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28.05.2008, Az. 12 Ca 571/08, abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung im Vertrag vom 12.12.2006 am 31.12.2007 beendet worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen als unbefristetes Arbeitsverhältnis über den 31.12.2007 hinaus fortbesteht.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer folgt den ausführlichen und zutreffenden Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts und nimmt auch insoweit gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG zunächst auf diese Bezug.

Im Hinblick auf die Argumente der Berufungsbegründung sei Folgendes ergänzt:

I. Die Klägerin meint zunächst, der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Ausfall von Frau K und dem Abschluss des befristeten Vertrages mit der Klägerin habe weder vorgelegen, noch sei dieser vom beklagten Land dargelegt worden. Im Fall der mittelbaren Vertretung habe der Arbeitgeber zum Nachweis des Kausalzusammenhangs grundsätzlich die Vertretungskette darzulegen. Auch sei darzulegen, dass sich die dem Vertreter zugewiesenen Tätigkeiten aus der geänderten Arbeitszuweisung ergäben. Zudem müsse die gedankliche Zuordnung des Arbeitgebers erkennbar sein. Zwar möge sich die gedankliche Zuordnung im Arbeitsvertrag widerspiegeln, auch möge eine gewisse Vergleichbarkeit der jeweiligen Aufgaben (Zivilprozessabteilung bei der Klägerin/Haftabteilung bei der Angestellten K ) vorliegen, dennoch habe das Land es versäumt, die neue Verteilung der Aufgaben zu schildern. Das erstinstanzliche Gericht gehe mithin fehl in der Annahme, dass der im Falle der mittelbaren Vertretung notwendige Kausalzusammenhang vorliege.

Hierzu ist zunächst auszuführen, dass die Klägerin die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unvollständig wiedergibt. Das Bundesarbeitsgericht hat seit dem Urteil vom 15.02.2006 (7 AZR 232/05; nachfolgend 25.04.2006 - 7 AZR 640/05; 18.04.2007 - 7 AZR 255/06 und 7 AZR 293/06; vgl. auch 08.08.2007 - 7 AZR 855/06) in inzwischen gefestigter Rechtsprechung der unmittelbaren Vertretung und den ursprünglichen Fällen der mittelbaren Vertretung eine weitere Fallgruppe der Vertretung hinzugefügt, in welcher der für den Sachgrund der Vertretung entscheidende Kausalzusammenhang mit dem vorübergehenden Ausfall eines anderen Arbeitnehmer wie folgt definiert ist:

Überträgt der Arbeitgeber dem befristet beschäftigten Arbeitnehmer Tätigkeiten, die der vertretene Arbeitnehmer zu keiner Zeit ausgeübt hat - wozu der Arbeitgeber aufgrund seines Organisationsrechts berechtigt ist - besteht der für den Sachgrund der Vertretung notwendige Kausalzusammenhang, wenn die dem Vertreter zugewiesenen Aufgaben von dem Vertretenen ausgeübt werden könnten, wenn er nicht zeitweilig an der Arbeitsleistung verhindert wäre. Der Arbeitgeber muss nach dem Arbeitsvertrag berechtigt sein, dem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer bei seiner Weiterarbeit nicht dessen bisherige Tätigkeiten, sondern den Aufgabenbereich des Vertreters zuzuweisen. Werden dem Vertreter die Aufgaben des zu vertretenden Arbeitnehmers auf diese Weise weder unmittelbar noch mittelbar übertragen, liegt der für eine auf § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG gestützte Befristungsabrede erforderliche Kausalzusammenhang nur vor, wenn der Arbeitgeber bei Vertragsschluss mit dem Vertreter dessen Aufgaben einem oder mehreren vorübergehend abwesenden Beschäftigten gedanklich zuordnet. Nur dann beruht die Einstellung des Vertreters auf der Abwesenheit des zu vertretenden Arbeitnehmers. Die gedankliche Zuordnung des Arbeitgebers, welchem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer die vom Vertreter ausgeübten Tätigkeiten übertragen werden könnten, muss erkennbar sein. Dies kann z. B. durch entsprechende Angabe im Arbeitsvertrag erfolgen (so z. B. BAG 08.08.2007 - 7 AZR 855/06).

Das Arbeitsgericht hat die zwei Kernvoraussetzungen, nämlich die Möglichkeit des Arbeitgebers, dem Vertretenen den Aufgabenbereich des Vertreters per Direktionsrecht zuzuweisen und die gedankliche Zuordnung zu Recht festgestellt und ausführlich begründet, wenn es auch die Notwendigkeit der gedanklichen Zuordnung im Obersatz nicht erwähnt hat. Auf diese Subsumption wird erneut Bezug genommen.

II. Die Klägerin meint, durch diese Auslegung des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG werde der Schutzzweck des Sachgrundes der Vertretung "vollkommen ausgehöhlt". Statt den Nachweis zu erbringen, wie der Arbeitgeber die dem vertretenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben neu verteilt habe und wie sich diese Neuverteilung auf die vom Vertreter zugewiesenen Tätigkeiten auswirke, reiche es nach dieser Auffassung aus, dass der Vertreter mit Aufgaben betraut werde, die von dem Vertretenen nach dessen Rückkehr ausgeübt werden könnten, jedoch nicht zwingend ausgeübt werden müssten. Mithin werde der Sachgrund der Vertretung auf einen "völlig hypothetischen, tatsächlich nicht vorliegenden Zustand" gestellt, so dass "dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet" würden.

Diese Sichtweise teilt die erkennende Kammer nicht.

1. Der sachlich rechtfertigende Grund der Befristungsabrede zum Zweck der Vertretung liegt darin, dass der Arbeitgeber bereits zu einem vorübergehend ausfallenden Mitarbeiter in einem Rechtsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Mitarbeiters rechnen muss (vgl. schon aus früherer Rechtsprechung BAG 22.11.1995, 11.11.1998, 21.02.2001, AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 178, 204, 226). Kernbestand dieses sachlichen Rechtfertigungsgrundes ist die Feststellung eines Kausalzusammenhangs zwischen dem zeitlichen Ausfall des vertretenen Arbeitnehmers und der Einstellung der Vertretungskraft.

Dies ist auch durch die vom Bundesarbeitsgericht anerkannte neue Fallgruppe gewährleistet. Es kann stets nur für einen vorübergehend ausgefallenen Arbeitnehmer ein anderer Arbeitnehmer eingestellt werden (von der Möglichkeit der Vertretung zweier oder mehrere Teilzeitkräfte durch einen Arbeitnehmer oder dem umgekehrten Fall abgesehen). Damit wird Missbrauch verhindert.

Das Kriterium der gedanklichen Zuordnung des Arbeitgebers, welchem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer die vom Vertreter ausgeübten Tätigkeiten übertragen werden können, bildet dabei den Kern der gerichtlichen Kontrolle der Befristungsabrede (vgl. dazu auch BAG 24.04.2006 - 7 AZR 640/05). Diese Festlegung des Arbeitgebers (z. B. im Arbeitsvertrag oder bei Beteiligung der Arbeitnehmervertretung) lässt die Beurteilung zu, ob der Sachgrund der Vertretung tatsächlich vorliegt oder nur vorgeschoben ist. Sie verhindert, dass der Arbeitgeber für die Abwesenheitszeit eines Arbeitnehmers mehrere befristete Arbeitsverträge abschließt, die über den durch die Abwesenheit des Vertretenen hervorgerufenen quantitativen Ausfall hinausgehen. Durch diese Ergänzung der Notwendigkeit der fachlichen Austauschbarkeit zwischen Vertretenem und Vertreter wird nach Auffassung der Kammer Missbrauch und die von der Klägerin gesehene "Aushöhlung des Sachgrundes" verhindert.

2. Es ist zum Verständnis dieser Rechtsprechung auch darauf hinzuweisen, dass sie sich im Bereich des öffentlichen Dienstes entwickelt hat. Gerade im Bereich des öffentlichen Dienstes wird seit langem auf der Grundlage von tariflichen Vorschriften und Erlassen bzw. beamtenrechtlichen Regelungen in großzügiger Weise für die Betreuung von Kindern und Jugendlichen oder pflegebedürftigen sonstigen Angehörigen Beurlaubung oder Teilzeit gewährt. Dieses kann zu einem viele Jahre dauernden Ausfall einzelner Beschäftigter führen, wobei deren Rückkehrrecht gegenüber dem Arbeitgeber erhalten bleibt.

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht trägt dem und der unverkennbaren Tatsache Rechnung, dass sich im Laufe so vieler Jahre sowohl die Qualität als auch die Quantität einzelner Aufgaben erheblich ändern kann und der öffentliche Arbeitgeber, der an Haushaltsrecht gebunden ist und die Stellenplangrenzen nicht überschreiten darf, vor die Aufgabe gestellt ist, mit Vertretungskräften diesem Wandel Rechnung zu tragen.

III. Es liegt auch nach Auffassung der erkennenden Kammer kein Verstoß gegen die mit der EG-Richtlinie über befristete Arbeitsverträge (1999/70/EG) vor, mit der die von den europäischen Dachverbänden der Gewerkschaften und Arbeitgeber gemäß Art. 138, 139 EG geschlossene Rahmenvereinbarung vom 18.03.1999 in Richtlinienkraft umgesetzt wurde.

1. § 5 der Rahmenvereinbarung will nämlich - anders als die Klägerin es offenbar meint - Kettenverträge nicht ausschließen. Vielmehr soll nur der Missbrauch durch "aufeinanderfolgende befristete Verträge" verhindert werden. Auch der Europäische Gerichtshof (Entscheidung vom 04.07.2006 - C 212/04) geht nicht etwa davon aus, dass die Rahmenvereinbarung Kettenverträge (aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge) verhindern soll. Vielmehr heißt es in dieser Entscheidung, die Rahmenvereinbarung solle dem wiederholten Rückgriff auf befristete Arbeitsverträge, der als eine Quelle potentiellen Missbrauchs zu Lasten der Arbeitnehmer gesehen werde, einen Rahmen setzen.

Dazu räumt die Rahmenvereinbarung den Mitgliedsstaaten oder den Sozialpartner ein, eine oder mehrere folgender Maßnahmen zu ergreifen:

a. Sachliche Gründe, die die Verlängerung solcher Verträge oder Verhältnisse rechtfertigen;

b. die insgesamt maximale zulässige Dauer aufeinanderfolgender Verträge oder Verhältnisse;

c. die zulässige Zahl der Verlängerungen solcher Verträge oder Verhältnisse.

Die Rahmenvereinbarung stellt diese drei Alternativen als gleichwertig nebeneinander.

Daraus folgt, dass die Rahmenvereinbarung die Festlegung einer Höchstdauer oder einer Höchstzahl nur jeweils als eine der drei möglichen Maßnahmen vorsieht und eine Kumulierung mit einer dieser Maßnahmen bei der Wahl der ersten (sachliche Gründe) gerade nicht verlangt. Die Mitgliedsstaaten können "eine oder mehrere" der drei Maßnahmen wählen. Bei der Wahl sachlicher Gründe sind die Mitgliedstaaten oder die nationale Rechtsprechung nicht zugleich gefordert, eine Höchstzahl oder eine Höchstdauer aufeinanderfolgender befristeter Verträge festzulegen.

2. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht auch nicht der in der zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs gefundenen Auslegung des Begriffes "sachlicher Grund" entgegen. In der Entscheidung heißt es:

"§ 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18.03.1999 im Anhang der Richtlinie 1999/99/EG des Rates vom 28.07.1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge ist dahin auszulegen, dass er der Verwendung aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge entgegensteht, die allein damit gerechtfertigt wird, dass sie in einer allgemeinen Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats vorgesehen ist. Vielmehr verlangt der Begriff "sachliche Gründe" i. S. d. § 5, dass der in der nationalen Regelung vorgesehene Rückgriff auf diese besondere Art des Arbeitsverhältnisses durch konkrete Gesichtspunkte gerechtfertigt wird, die vor allem mit der betreffenden Tätigkeit und den Bedingungen ihrer Ausübung zusammenhängen."

Dazu ist zunächst hervorzuheben, dass der Europäische Gerichtshof nicht verlangt, dass die rechtfertigenden Gesichtspunkte stets mit der betreffenden Tätigkeit und den Bedingungen ihrer Ausübung zusammenhängen. Aus dem "vor allem" ist abzuleiten, dass die sachliche Rechtfertigung auch aus anderen Gründen sich ergeben kann (deshalb ist z. B. auch der Sachgrund in § 14 Abs. 1 Nr. 8 TzBfG - gerichtlicher Vergleich - mit dieser Entscheidung nicht unvereinbar). Zudem ist der Begriff der Bedingung der "Ausübung" ein sehr weiter, der auch die Lage des Unternehmens, die finanziellen Grundlagen der Tätigkeit, die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel und - wie hier - den vorübergehenden Ausfall von Stammarbeitskräften bei Bestehenbleiben eines Rückkehrrechtes berücksichtigen kann.

IV. Die Klägerin meint schließlich, dass die hier behandelte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den Mindestbestandsschutz nach Art. 12 Abs. 1 GG nicht gewährleiste.

Im Grundsatz gilt hierzu nichts anderes als unter II. ausgeführt.

Sofern die Argumentation der Klägerin indes so zu verstehen sein sollte, dass die Klägerin der Auffassung ist, dass zeitliche Höchstgrenzen für Kettenverträge auch bei Vorliegen von sachlichen Gründen aus Verfassungsgründen gezogen werden müssten oder die sachlichen Gründe so ausgestaltet werden müssten, dass sie nur eine bestimmte Zeit lang griffen, so ist darauf hinzuweisen, dass die Entwicklung einer solchen absoluten zeitlichen Höchstgrenze für einzelne Sachgründe ein zweischneidiges Schwert wäre. Sie würde nämlich auch in Bereichen wie gerade dem öffentlichen Dienst, in dem es aus den dargestellten Gründen über viele Jahre zu einer Beschäftigung in befristeten Arbeitsverhältnissen kommen kann, dazu führen, dass die jeweiligen befristeten Verträge bei Erreichen der zeitlichen Höchstgrenzen eben nicht mehr verlängert würden. Eine solche Rechtsprechung würde zahlreichen langfristig im öffentlichen Dienst tätigen Arbeitnehmer die Beschäftigungsmöglichkeit nehmen.

Dementsprechend sind solche zeitlichen Höchstgrenzen gerade auch bei sachlichen Gründen, die nicht die vorübergehende Natur des Beschäftigungsverhältnisses in sich tragen - wie z. B. bei dem vom Bundesverfassungsgericht (insbesondere 13.01.1982 AP GG Art 5 Abs. 1 Rundfunkfreiheit Nr. 1) und dementsprechend vom Bundesarbeitsgericht (zum TzBfG: 26.07.2006 AP TzBfG § 14 Nr. 25) anerkannten sachlichen Grund der programmgestaltenden Mitarbeit in einer öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalt (heute sachlicher Grund i. S. d. § 14 Abs. 1 Nr. 4) - bislang weder vom Bundesverfassungsgericht noch vom Bundesarbeitsgericht gezogen worden (in der Entscheidung vom 13.01.1983 - AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 23 - hielt das Bundesarbeitsgericht aus Gründen des Einzelfalles die Befristung auch nach nahezu 20-jähriger Beschäftigung noch für gerechtfertigt). Solche zeitlichen Höchstgrenzen sind zwar in der Rechtswissenschaft auch aus Gründen der Grundrechtsgewährleistung nach Art. 12 Abs. 1 GG diskutiert worden (vgl. z. B. Rüthers RDA 1985, 129 ff., insbesondere 134 f., 145; Otto RDA 1984, 272; Hanau AuR 1985, 308 f., Dörner ArbRBGB § 620 BGB Rn. 147 - später dagegen ders. Der befristete Arbeitsvertrag Rn. 245), haben jedoch nie Eingang in die höchstrichterliche Rechtsprechung oder auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gefunden (vgl. auch BVerfG 28.06.1983 AP GG Art. 5 Abs. 1 Nr. 4; BVerfG 03.12.1982 NZA 1993, 741).

V. Schließlich kritisiert die Klägerin die vom Arbeitsgericht im Anschluss an das Bundesarbeitsgericht zugrunde gelegten Grundsätze zur Mitbestimmung des Personalrates nach § 72 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 LPVG NW a. F. Die Klägerin meint, es reiche nicht aus, wenn dem Personalrat in der initialen Unterrichtung durch den Dienstherrn nur die typisierende Bezeichnung des Befristungsgrundes mitgeteilt werde. Sie meint, der Personalrat müsse - offenbar von vorneherein - umfassend informiert werden. Deshalb müsse er auch über die bisherige Beschäftigungsdauer in Kenntnis gesetzt werden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum LPVG NW und zu inhaltsgleichen Landespersonalvertretungsgesetzen reicht die lediglich typisierende Angabe des Sachgrundes seiner Art nach dann aus, wenn der Personalrat keine weitere Begründung verlangt. In diesem Fall muss der Arbeitgeber dem Personalrat auch nicht unaufgefordert z. B. die genaue Vertretungskette bei einer mittelbaren Vertretung darstellen (BAG 10.03.2004 AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 257). Wenn das Bundesarbeitsgericht insofern darauf abstellt, welche Informationen der Personalrat verlangt, dann trägt es damit dem ungleich stärkeren Mitbestimmungsrecht, nämlich im Sinne eines echten Zustimmungsrechts, Rechnung, welches seine Beteiligung von der Beteiligung z. B. des Betriebsrates bei einer Kündigung nach § 102 BetrVG unterscheidet. Dieser starken Stellung des Personalrats entspricht die Konzeption des LPVG, nach der der Personalrat vom Dienststellenleiter gerade die Begründung der beabsichtigten Personalmaßnahme verlangen kann (§ 66 Abs. 2 S. 2 LPVG NW). Das LPVG NW ist auf einen abgestuften Dialog zwischen Dienststellenleiter und Personalrat angelegt.

VI. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

VII. Die Kammer hat die Revision zugelassen, weil das Bundesarbeitsgericht - soweit ersichtlich - noch nicht zu der Vereinbarkeit seiner neueren Rechtsprechung zum Sachgrund der Vertretung mit dem europäischen Recht Stellung genommen hat.

Ende der Entscheidung

Zurück