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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 04.11.2004
Aktenzeichen: 5 Sa 1301/03
Rechtsgebiete: KSchG, BGB


Vorschriften:

KSchG § 2
BGB § 162
1. Der Vorrang einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit vor einer Beendigungskündigung gilt entsprechend, wenn der Arbeitgeber statt einer Änderungskündigung den Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz zu im wesentlichen gleichen Arbeitsbedingungen beschäftigen könnte, die den Arbeitnehmer weniger belasten würden.

2. Für die Frage, ob eine Weiterbeschäftigung möglich ist, ist der Zeitpunkt maßgebend, zu dem bei dem Arbeitgeber der Wegfall der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeit erkennbar ist.


LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 Sa 1301/03

Verkündet am 4. November 2004

In Sachen

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 05.08.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Rietschel als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Runckel und Knoth

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 18.06.2003 - 10 Ca 11456/02 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten - soweit für die Berufungsinstanz noch von Bedeutung - um die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen Änderungskündigung.

Der Kläger ist bei dem beklagten Verkehrsunternehmen seit dem 01.07.1991 als Omnibusfahrer angestellt, zuletzt gegen Zahlung einer Vergütung nach der Lohngruppe F 4 des BMT-G II. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft einzelvertraglicher Bezugnahme die Bestimmungen des BMT-G II und des BZT-G/NRW Anwendung. Der Kläger leidet seit seiner Bundeswehrzeit an einer Schwerhörigkeit auf Grund eines Knalltraumas. Im November 2002 wurde der Kläger im Dienst überfallen, wobei er Verletzungen und psychische Beeinträchtigungen erlitt. Der betriebsärztliche Dienst kam im Hinblick auf die Folgen des Arbeitsunfalls am 15.02.2002 zu dem Ergebnis, dass gegen den Einsatz des Klägers als Busfahrer befristet gesundheitliche Bedenken bestehen, während "keine gesundheitlichen Bedenken gegen die Tätigkeit als Straßenbahnfahrer" bestehen (vgl. Blatt 41 GA). In einem Schreiben des Instituts für psychologische Unfallnachsorge an den betriebsärztlichen Dienst der Beklagten teilte dieses Institut dem betriebsärztlichen Dienst der Beklagten mit, dass in Abstimmung mit diesem und dem Kläger unter anderem geplant sei, dass der Kläger in den Ausbildungskurs für Straßenbahnfahrer ab 01.04.2002 aufgenommen wird (Blatt 175 d. A.). Zu einer Aufnahme des Klägers in den Ausbildungskurs für Straßenbahnfahrer kam es aus zwischen den Parteien umstrittenen Gründen nicht. Der Kläger wurde vielmehr in der Zeit ab 01.04.2002 bis 31.10.2002 als Omnibusrangierer, zunächst ohne Vergütungsminderung, eingesetzt.

Am 15.08.2002 wurde der Kläger vom betriebsärztlichen Dienst der Beklagten untersucht, wobei der behandelnde Arzt zu dem Ergebnis gelangte, dass der Kläger auf Grund der gesundheitlichen Beeinträchtigung der Schwerhörigkeit nicht für den Einsatz als Omnibusfahrer mit Personenbeförderung geeignet ist. Einem Einsatz des Klägers als Straßenbahnfahrer standen dagegen die gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Schwerhörigkeit) nicht entgegen, weil die von der Beklagten angewendeten Leitlinien für die Beurteilung der Betriebsdiensttauglichkeit in Verkehrsunternehmen als Anforderung an das Hör- und Sehvermögen für im Fahrbetrieb beschäftigte Mitarbeiter im Straßenbahndienst lediglich das Erfordernis H 3 (verstehen von Umgangssprache auf fünf Meter Entfernung, wobei einseitige Taubheit oder Hörgeräte zulässig sind) festlegen, während für die Tätigkeit als Busfahrer die erhöhte Anforderung nach H 2 besteht (Verstehen von Umgangssprache auf fünf Meter Entfernung mit jedem Ohr einzeln ohne Hörgerät). Dem Erfordernis H 2 hat der Kläger bei der im August durchgeführten betriebsärztlichen Untersuchung nach Behauptung der Beklagten nicht entsprochen.

Mit Schreiben vom 22.08.2002 wies die Beklagte nunmehr dem Kläger mit Wirkung zum 16.08.2002 dauerhaft eine Tätigkeit im Omnibusrangierdienst zu und gruppierte ihn die niedrigere Lohngruppe 3 Abschnitt a), Ziffer 41 BMT-G II ein. Mit Schreiben vom 27.03.2003 (Blatt 67 f GA) sprach die Beklagte aus den gleichen Gründen eine Änderungskündigung aus und bot dem Kläger die Fortbeschäftigung im Omnibusrangierdienst in der Lohngruppe 3 an. Der Kläger nahm die Änderungskündigung mit Schreiben vom 10.04.2003 unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung an. Mit der am 11.04.2003 auf die Änderungskündigung erweiterten Klage hat der Kläger sich gegen die Änderung seiner Arbeitsbedingungen gewandt. Er hat die Ansicht vertreten, dass die Zuweisung vom 22.08.2002 vom Direktionsrecht nicht gedeckt ist. Zudem hat er vorgetragen, dass seine Schwerhörigkeit seinen Einsatz als Omnibusfahrer nicht beeinträchtige. Der Beklagten sei die Schwerhörigkeit des Klägers bei Einstellung bekannt gewesen und bei Routineüberprüfungen niemals beanstandet worden. Eine Eingruppierung in die Lohngruppe 3 sei unangemessen, selbst wenn Fahrdienstuntauglichkeit vorliege. Zudem könne der Kläger als ausgebildeter Versicherungskaufmann auch auf einem anderen und besser dotierten Arbeitsplatz in der Verwaltung eingesetzt werden.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Zuweisungsanordnung vom 22.08.2002 unwirksam ist;

2. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 27.03.2003 sozial ungerechtfertigt ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die medizinische Einstufung als fahrdienstuntauglich sei ebenso wie die Zuweisung in den Rangierdienst nicht zu beanstanden. Der Kläger habe seine Schwerhörigkeit bei seiner Erstuntersuchung verschwiegen und sich erstmals in einer Nachuntersuchung im März 1994 offenbart. Die Vergütung nach Lohngruppe 3 folge aus dem Grundsatz der Eingruppierungsautomatik.

Das Arbeitsgericht hat durch ein am 18.06.2003 verkündetes Urteil festgestellt, dass die Zuweisungsanordnung vom 22.08.2002 unwirksam ist und weiter festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 27.03.2003 sozial ungerechtfertigt ist. Zur Begründung des Feststellungstenors zu Ziffer 2) hat es im Wesentlichen festgestellt, dass selbst bei Unterstellung einer fehlenden Fahrdiensttauglichkeit des Klägers als Omnibusfahrer die Beklagte sich nicht auf Änderungen beschränkt habe, die dem Kläger billigerweise zumutbar seien. Die von der Beklagten mit der Änderungskündigung vorgenommene Entgeltreduzierung in Lohngruppe 3 sei unverhältnismäßig, weil dem Kläger auf Grund der anzuwendenden Nr. 41 der Lohngruppe 3 eine Eingruppierung des Klägers nach vierjähriger Bewährung in die Lohngruppe 4, Fallgruppe 3 zustehe.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 13.11.2003 zugestellte Urteil schriftlich am 21.11.2003 Berufung im Hinblick auf den Feststellungsantrag zu 2) eingelegt und diese schriftlich am 29.01.2004 begründet:

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts komme der in der Änderungskündigung genannten Fallgruppe nur deklaratorische Bedeutung zu, wie sich aus der zwischen den Parteien arbeitsvertraglich vereinbarten Tarifautomatik und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur korrigierenden Rückgruppierung ergebe. Die Angabe der Lohngruppe 3 sei nicht Resultat einer Entscheidung der Beklagten, den Kläger bewusst untertariflich entlohnen zu wollen und führe daher auch nicht zur Sozialwidrigkeit der Änderungskündigung. Unabhängig davon könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger die für einen Bewährungsaufstieg erforderlichen Voraussetzungen erfülle, da er keine vierjährige Tätigkeit als Omnibusrangierer und damit keine gleiche Berufstätigkeit aufweise, die einen Bewährungsaufstieg aus der Lohngruppe 3 in Gruppe 4 nach den maßgeblichen Tarifbestimmungen ermöglichen würde.

Hinsichtlich der vom Kläger in der Berufungsinstanz geltend gemachten Beschäftigungsmöglichkeit auf einem Arbeitsplatz als Straßenbahnfahrer nach entsprechender Umschulung hat die Beklagte ferner vorgetragen, die Beklagte habe die Ausbildung zum Straßenbahnfahrer für den Kläger wegen der nicht unerheblichen Kosten nicht durchgeführt, weil der Kläger diese Weiterbildung mit der Forderung verknüpft habe, ihn ggf. auch wieder in den Busdienst bei entsprechender Eignung zurückzuversetzen. Darüber hinaus habe er in dem Gespräch, in dem die Frage einer möglichen Übernahme in den Straßenbahndienst erörtert worden sei, gegenüber der Beklagten erklärt, er komme nur für die Spätschicht infrage wegen seines pflegebedürftigen Vaters.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln - 10 Ca 11456/02 - abzuändern und den Klageantrag zu 2) abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit der Berufungserwiderung verteidigt er die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Darüber hinaus macht er geltend, dass im Zeitpunkt der Änderungskündigung die Möglichkeit der Ausbildung und Umschulung des Klägers zum Straßenbahnfahrer ohne Änderung des Arbeitsvertrags bestanden habe. Es sei nicht zutreffend, dass der Kläger in dem Gespräch, in dem die Frage der möglichen Übernahme in den Straßenbahndienst erörtert worden sei, erklärt habe, er komme nur für die Spätschicht infrage. Vielmehr sei es so gewesen, dass Herr K , der stellvertretene Fahrdienstleiter Bus, gegenüber dem Kläger erklärt habe, er könne in den Straßenbahndienst unter Wahrung seines Besitzstandes übernommen werden, auch mit einer Tätigkeit im Spätdienst. Der Kläger habe sich keineswegs geweigert, auch außerhalb des Spätdienstes tätig zu werden. Auch treffe es nicht zu, dass er die Weiterbildung zum Straßenbahnfahrer mit der Forderung verbunden habe, ggf. wieder in den Busdienst zurückversetzt zu werden.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den sonstigen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.

Das Landesarbeitsgericht hat durch Vernehmung der Zeugin G Beweis erhoben über den Inhalt des mit dem Kläger geführten Personalgesprächs sowie durch Vernehmung des Zeugen K über die vom Kläger mit dem Zeugen K geführten Gespräche. Wegen des Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung vom 17.06.2004 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach dem Beschwerdewert an sich statthafte Berufung der Beklagten ist in gesetzlicher Form und Frist eingelegt und begründet worden, sie ist damit zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend erkannt, dass die von der Beklagten am 27.03.2003 ausgesprochene Änderungskündigung sozial ungerechtfertigt und damit unwirksam ist. Denn die Beklagte hat durch den Ausspruch einer mit Vergütungsminderung verbundenen Änderungskündigung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen, weil sie eine bestehende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Kläger als Straßenbahnfahrer ohne Vergütungsminderung nicht berücksichtigt hat. .

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine Kündigung wegen Verstoßes gegen das ultima-ratio-Prinzip unwirksam, wenn eine beiden Parteien zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem freien vergleichbaren Arbeitsplatz besteht. Diese Verpflichtung des Arbeitgebers besteht auch in Bezug auf einen freien Arbeitsplatz zu geänderten und schlechteren Bedingungen sowie - erst recht - in Bezug auf freie Arbeitsplätze mit den gleichen Arbeitsbedingungen, die der Arbeitnehmer erst nach einer entsprechenden Einarbeitung und Ausbildung ausfüllen kann. Die Kündigung eines Arbeitnehmers ist dann, wenn dem Arbeitnehmer ein mögliches und zumutbares Änderungsangebot nicht unterbreitet worden ist, sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer einem vor der Kündigung gemachten entsprechenden Vorschlag zumindest unter Vorbehalt zugestimmt hätte, was der Arbeitnehmer im Kündigungsprozess vortragen muss (vgl. BAG vom 27.09.1984 - 2 AZR 62/83 - = AP Nr. 8 zu § 2 KSchG 1989).

Diese vom Bundesarbeitsgericht für den Vorrang der Änderungskündigung vor einer Beendigungskündigung aufgestellten Grundsätze finden, da sie Ausdruck des für das Kündigungsschutzrecht allgemein geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sind, nach Auffassung des Berufungsgerichts auch dann Anwendung, wenn es um den Vorrang einer den Arbeitnehmer weniger belastenden, zu keiner Vergütungsminderung führenden Änderungskündigung (Straßenbahnfahrer) gegenüber einer Änderungskündigung (Omnibusrangierdienst) geht, welche eine Vergütungsminderung für den Arbeitnehmer zur Folge hat.

Erst recht gilt dies, wenn für die Änderung der Tätigkeit des Klägers als Straßenbahnfahrer statt als Omnibusfahrer kein Änderungsvertrag bzw. Änderungskündigung erforderlich ist, obwohl im Arbeitsvertrag der Parteien unter § 1 eine Einstellung des Klägers "als Omnibusfahrer" vereinbart wurde. Dann konnte dem Kläger die Tätigkeit als Straßenbahnfahrer im Wege des Direktionsrechts zugewiesen werden.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts war es der Beklagten zumutbar, den Kläger als Straßenbahnfahrer nach entsprechender Umschulung weiterzubeschäftigen. Aus Sicht des Arbeitnehmers ist zunächst die Zumutbarkeit davon abhängig, dass dieser über die für eine Weiterbeschäftigung auf dem Arbeitsplatz objektiv erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt und dass die Tätigkeit für ihn nach den sonstigen Voraussetzungen für ihre Ausübung sowie nach ihrem sozialen und wirtschaftlichen Status vom Standpunkt eines objektiv urteilenden Arbeitgebers gesehen in Betracht kommt (BAG a.a.O. unter B I 3 c) aa) der Gründe). Diese Voraussetzungen sind für eine Tätigkeit als Straßenbahnfahrer im Vergleich zu der eines Omnibusfahrers ohne weiteres gegeben, da sich beide Tätigkeiten auf den Fahrbetrieb im öffentlichen Personalverkehr beziehen und hinsichtlich der Ausbildungserfordernisse nicht wesentlich von einander differieren. Was die gesundheitliche Eignung des Klägers für die Tätigkeit angeht, bestanden weder im Februar 2002 gemäß der ausdrücklichen betriebsärztlichen Bescheinigung vom 15.02.2002 gesundheitliche Bedenken gegen eine Tätigkeit als Straßenbahnfahrer noch lagen solche nach betriebsärztlichen Untersuchung des Klägers im August 2002 vor. Zwar enthält die Stellungnahme des Betriebsarztes Dr. H vom 15.08.2002 (Blatt 43 GA) die Aussage, dass die beim Kläger festgestellte Funktionsstörung (Schwerhörigkeit) einen Einsatz "in der Personenbeförderung ausschließt". In der ergänzenden Stellungnahme vom 24.10.2002 des Dr. H (Blatt 45 d. A.) bezieht dieser die Fahrdienstuntauglichkeit jedoch ausdrücklich und ausschließlich nur auf eine Tätigkeit als Busfahrer. Dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt weiterhin tauglich für einen Einsatz als Straßenbahnfahrer gewesen ist, ist im Übrigen auf Grund der Erklärung der Beklagten in der Berufungsverhandlung vom 05.08.2004 unstreitig.

Der Beklagten war ein Einsatz des Klägers im Straßenbahndienst und eine entsprechende Umschulung zu dem Zeitpunkt, als sich die für die spätere Änderungskündigung maßgebliche gesundheitliche Beeinträchtigung zeigte, somit spätestens im August 2002 zumutbar. Zwar mag die Ausbildung zum Straßenbahnfahrer, wie die Beklagte im Berufungsverfahren vorgetragen hat, mit einem erheblichen Zeit- und Geldaufwand verbunden sei. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der Kläger auf Grund seiner langjährigen Beschäftigung bei der Beklagten einen erheblichen sozialen Besitzstand erworben hat. Außerdem bestand für die Beklagte auf Grund des Arbeitsunfalls in Form des Überfalls, welcher auf den Kläger im November 2002 während seiner Fahrtätigkeit verübt worden war und der für ihn zu langdauernden und erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt hatte, eine besondere Fürsorgepflicht gegeben, ihm die Behaltung seines bisher erworbenen sozialen Besitzstandes zu ermöglichen.

Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger - nach den Bekundungen der Zeugin G - bei einem mit dieser Zeugin im Frühjahr 2003 geführten Gespräch nach Angabe der Zeugin erklärt hat, er könne bei einer Tätigkeit als Straßenbahnfahrer nur im Spätdienst tätig werden, weil er seinen Vater betreuen müsste. Nach Bekundung dieser Zeugin hat Kläger ferner erklärt, er möchte gern die Garantie haben, dass er in den Busdienst zurückkehren kann jederzeit, wenn seine Fahrdiensttauglichkeit festgestellt wird.

Will der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zur Vermeidung einer Beendigungs- oder ihn belastenden Änderungskündigung eine anderweitige Beschäftigung anbieten, so muss er bei den Verhandlungen mit dem Arbeitnehmer unmissverständlich klarstellen, dass bei Ablehnung des Änderungsangebots eine Beendigungskündigung beabsichtigt ist, um ihm Gelegenheit zu geben, das Änderungsangebot zumindest unter einem dem § 2 KSchG entsprechenden Vorbehalt unverzüglich anzunehmen (vgl. BAG vom 29.11.1990, RzK I 5 a) Nr. 4; ferner BAG EzA § 2 KSchG Nr. 5, 7). Dafür, dass die Zeugin G mit dem Kläger im Einzelnen die Konsequenzen einer Ablehnung der Tätigkeit im Straßenbahndienst erörtert hätte und ihm insbesondere klargemacht hätte, dass er als Alternative zu einer Umschulung in die Tätigkeit als Straßenbahnfahrer bei gleichbleibender Vergütung mit einer Herabgruppierung und Tätigkeit im Omnibusrangierdienst rechnen musste, ist nichts ersichtlich. Abgesehen davon ist für die Kammer auch nur schwer nachvollziehbar, dass eine für die weitere berufliche Zukunft des Klägers so wichtige Frage lediglich telefonisch und ohne Beteiligung der Personalbetreuung oder des Fachbereichs mit dem Kläger erörtert worden ist und dass über den Gesprächsinhalt nicht einmal eine Aktennotiz der Zeugin G existiert.

Die Verpflichtung der Beklagten zur Berücksichtigung der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Klägers auf einem Arbeitsplatz als Straßenbahnfahrer scheitert nicht daran, dass zum Zeitpunkt der Kündigung der Beklagten vom 27.03.2003 von der Beklagten keine Ausbildungsmaßnahmen für eine Umschulung zum Straßenbahnfahrer mehr durchgeführt worden sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muss der Arbeitgeber einem von einer nachteiligen Maßnahme betroffenen Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz anbieten, sobald er damit rechnen muss, dass für ihn der Arbeitsplatz wegfallen wird bzw. - im Fall der personenbedingten Kündigung - der Arbeitnehmer für den bisher ausgeübten Arbeitsplatz auf Grund festgestellter gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr geeignet ist. In einem solchen Fall ist dem Arbeitgeber die Berufung auf das Fehlen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Kündigungszeitpunkt aus dem in § 162 Abs. 1 und 2 BGB normierten Rechtsgedanken verwehrt, weil er diesen Zustand selbst treuwidrig herbeigeführt hat (vgl. BAG vom 06.12.2001, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 115 sowie vom 25.04.2002, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 21 zu den Fällen vorgezogener Stellenbesetzungen vor dem Hintergrund sich abzeichnender betriebsbedingter Kündigungen). Im vorliegenden Fall handelt es sich zwar nicht um eine betriebsbedingte Kündigung, sondern um eine auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen des Klägers erforderliche personenbedingte Kündigung, deren Voraussetzungen mit Feststellung des Gutachters vom 15.08.2002, dass der Kläger für eine Tätigkeit als Busfahrer nicht weiter geeignet ist, vorlagen. Für den hier vorliegenden Fall kann jedoch nichts anderes gelten als in den von dem Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fällen. Der Beklagten war bereits im August 2003 bewusst und bekannt, dass der Kläger für die Tätigkeit als Busfahrer nicht mehr in Betracht kam, sie hat lediglich zunächst versucht, die Zuweisung einer Tätigkeit im Omnibusrangierdienst und Herabgruppierung einseitig im Wege des Direktionsrechts und ohne Ausspruch einer Änderungskündigung durchzusetzen. Nach den mit der Berufung nicht mehr angegriffenen Feststellungen des angefochtenen Urteils (zu Z.1 des Urteilstenors) war die Beklagte zu dieser einseitigen Maßnahme nicht berechtigt. Aus dem fehlerhaften Vorgehens kann der Beklagten kein Vorteil erwachsen. Sie kann sich daher nicht darauf berufen, dass zwischenzeitlich, nämlich seit Ende des Jahres 2002 keine freien Stellen im Straßenbahnfahrdienst mehr vorhanden gewesen sind und die von der Beklagten angestellten Prognosen im Januar 2003 zu dem Ergebnis geführt haben, dass lediglich noch zum 01.04.2003 diejenigen Bewerber für den Straßenbahnfahrdienst eingestellt werden sollten, denen das bereits verbindlich zugesagt worden war.

Hätte die Beklagte im Zeitpunkt der Feststellung der fehlenden Eignung des Klägers für den Busfahrdienst im August 2002 statt der einseitigen Versetzung in den Omnibusrangierdienst eine Änderungskündigung gegenüber dem Kläger ausgesprochen, so hätte sie zu diesem Zeitpunkt die noch vorhandenen freien Stellen im Straßenbahnfahrdienst als Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Kläger berücksichtigen müssen. Die Berufung darauf, dass eine solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Zeitpunkt der Änderungskündigung vom 27.03.2003 nicht mehr bestand, erscheint daher rechtsmissbräuchlich, §§ 242, 162 BGB.

Nach alle dem musste die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückgewiesen werden.

Ende der Entscheidung

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