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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 04.08.2008
Aktenzeichen: 5 Sa 446/08
Rechtsgebiete: KAVO


Vorschriften:

KAVO
Es liegt keine Neueingruppierung im Sinne der Anlage 5 b zur KAVO, sondern das Wiederaufleben einer ursprünglichen Eingruppierung vor, wenn eine Erzieherin vorübergehend infolge eines Personalüberhangs als Erziehungshelferin beschäftigt und vergütet wird, mit der Option, auf der nächsten frei werdenden Stelle wieder als Erzieherin eingesetzt zu werden.
Tenor:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10.01.2008 - 22 Ca 2382/07 - wird teilweise abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass die Klägerin mit Wirkung vom 01.01.2006 in die Entgeltgruppe 8 der Anlage 5 zur KAVO einzugruppieren ist.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die tarifliche Eingruppierung der Klägerin.

Die am 16.10.1949 geborene Klägerin ist ausgebildete Erzieherin und seit dem 01.11.1993 bei der Beklagten, einer katholischen Kirchengemeinde, beschäftigt.

Im Arbeitsvertrag vereinbarten die Parteien die Einstellung der Klägerin als Erzieherin und die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe K V c Fallgruppe 9.5.1.1 beginnend mit der Stufe 7.

Nachdem die Klägerin bis zum 31.07.2002 bei der Beklagten als Erzieherin und Gruppenleiterin gearbeitet hatte, fiel von sechs Kindergartengruppen eine weg, so dass künftig nur noch fünf Gruppenleiterinnen benötigt wurden.

Zu dieser Zeit war als weitere Gruppenleiterin in diesem Kindergarten Frau Q tätig, die etwa ein Jahr nach der Klägerin eingestellt worden und wesentlich jünger als die Klägerin war.

Nach internen Diskussionen erklärte sich die Klägerin bereit, ihre Stelle auf eine Halbtagsstelle zu reduzieren und künftig als Erziehungshelferin tätig zu sein. Sie wurde demzufolge in Vergütungsgruppe K VII eingruppiert, wie dies im 1. Nachtragsvertrag zum Arbeitsvertrag vom 01.11.1993 am 10.09.2002 vereinbart wurde (1. Nachtragsvertrag - Bl. 7 d. A.).

Durch einen 2. Nachtragsvertrag, abgeschlossen am 09.09.2003 (Bl. 8 d. A.) wurde der Beschäftigungsumfang der Klägerin auf 100 % eines vergleichbaren vollbeschäftigten Mitarbeiters aufgestockt.

Mit einer Vereinbarung zur Altersteilzeit (Bl. 65 ff. d. A.) wurde gemäß dessen § 1 der am 01.11.1993 zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag ab dem 01.11.2004 als Altersteilzeitverhältnis fortgeführt.

Ab dem 01.10.2005 trat eine neue Fassung der KAVO in Kraft, die ein eigenes Vergütungsgruppensystem einführte und die Mitarbeiter aus ihrer bisherigen Vergütungsgruppe in neue Entgeltgruppen überführte. Die Beklagte überführte die Klägerin nach der Anlage 5 a KAVO in die Entgeltgruppe 6.

Zum 01.02.2006 wurde erstmals nach 2002 im Kindergarten der Beklagten wieder eine Gruppenleiterstelle frei. Diese wurde der Klägerin übertragen.

Nachdem die Beklagte ein schriftliches Begehren der Klägerin auf Höhergruppierung abgelehnt hatte, machte die Klägerin mit ihrer Klage die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8 geltend.

Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, aus dem Arbeitsvertrag ergäbe sich, dass sie mit der Rückkehr zu ihrer Tätigkeit als Erzieherin wieder in die alte Vergütungsgruppe einzugruppieren sei. Diese wäre zum Stichtag in die Entgeltgruppe 8 überführt worden. Es sei unerheblich, dass sie diese Tätigkeit erst nach dem Stichtag aufgenommen habe. Darüber hinaus seien die übrigen Erzieherinnen nach der Entgeltgruppe 8 eingruppiert, sie also mit diesen gleich zu behandeln.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 10.01.2008 die Klage abgewiesen und zur Begründung darauf abgestellt, dass die Klägerin nach der Neuaufnahme der Tätigkeit als Erzieherin ab dem 01.02.2006 nur in die Entgeltgruppe 6 eingeordnet werden könne. Ein Bewährungsaufstieg, wie er nach der früheren Fassung der KAVO möglich gewesen sei, sei grundsätzlich nicht mehr möglich.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung einlegen und begründen lassen.

Zur Begründung hat die Klägerin vorgetragen, die Parteien hätten anlässlich des Wegfalls der Gruppenleiterstelle im Jahr 2002 nicht endgültig die ursprüngliche Vergütungs- und Eingruppierungsabrede aufgehoben. Sinn und Zweck des Nachtragsvertrags zum Arbeitsvertrag sei lediglich gewesen, dass die Klägerin vorübergehend eine geringwertigere Tätigkeit ausübe und eine Absenkung ihrer Vergütung in Kauf nehme. Das werde auch daran deutlich, dass sowohl in den Nachtragsverträgen als auch in der Altersteilzeitvereinbarung jeweils auf den ursprünglichen Arbeitsvertrag vom 01.11.1993 Bezug genommen werde.

Auch aus der KAVO und den Überleitungsbestimmungen ergebe sich nicht die Entgeltgruppe 6. Denn die KAVO regele nur die erstmalige Zuweisung höherwertiger Positionen nach dem 01.10.2005, nicht aber das Wiederaufleben einer ruhend gestellten vorangegangenen höheren Eingruppierung.

Unter Klagerücknahme des nicht ausreichend bestimmten Zahlungsantrages beantragt die Klägerin,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 10.01.2008 festzustellen, dass die Klägerin mit Wirkung vom 01.02.2006 in die Entgeltgruppe 8 der Anlage 5 zur KAVO einzugruppieren ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. In den beiden Nachtragsverträgen sei die Eingruppierung und Vergütung ausdrücklich und abweichend gegenüber dem Ursprungsarbeitsvertrag geregelt. In den Nachträgen sei auch nicht festgehalten, dass der Einsatz der Klägerin nur vorübergehend erfolgen werde. Es liege keine Vereinbarung dergestalt vor, dass die ursprüngliche Gruppenleiterposition der Klägerin im Hintergrund latent weiter vorhanden sei und bei Freiwerden einer Gruppenleiterstelle habe wieder aufleben sollen. Auch aus dem Altersteilzeitvertrag ergebe sich dies nicht. Bei Abschluss des Altersteilzeitvertrages habe es auch keine Anhaltspunkte für eine Rückkehrmöglichkeit der Klägerin auf eine Gruppenleiterstelle gegeben. Diese sei erst 1,25 Jahre später frei geworden.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung, an deren Zulässigkeit keine Zweifel bestehen, ist begründet. Die Klägerin ist ab dem 01.02.2006 in die Entgeltgruppe 8 der KAVO einzugruppieren und nach dieser Vergütungsgruppe zu vergüten.

I. Die Klage auf Feststellung, dass die Klägerin mit Wirkung vom 01.02.2006 in die Entgeltgruppe 8 der Anlage 5 zur KAVO einzugruppieren ist, ist zulässig. Es handelt sich um eine zulässige Eingruppierungs-Feststellungsklage, mit der der Arbeitnehmer die Feststellung erstreiten kann, in welche Entgeltgruppe er zutreffenderweise einzugruppieren ist (siehe BAG, Urteil vom 22.1.2003 - 4 AZR 700/01, NZA 2003, Seite 1111).

II. Diese Klage ist auch begründet. Denn die Klägerin ist ab dem 01.02.2006 zutreffenderweise in die Entgeltgruppe 8 der Anlage 5 zur KAVO einzugruppieren.

1. Zutreffend weist das Arbeitsgericht darauf hin, dass die Regelungen der KAVO keine normative Wirkung entfalten, sondern nur kraft einzelvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden können. Der Inhalt ist nach den anerkannten Grundsätzen der Auslegung zu bestimmen.

Im vorliegenden Fall haben die Parteien die Geltung der KAVO in ihrer jeweiligen Fassung in § 2 des Arbeitsvertrages vom 01.11.1993 rechtswirksam vereinbart.

2. Anlage 5 b zur KAVO findet auf das vorliegende Arbeitsverhältnis keine Anwendung. Denn Anlage 5 b zur KAVO regelt die vorläufige Zuordnung der Vergütungsgruppen zu den Entgeltgruppen für zwischen dem 01.10.2005 und dem Inkrafttreten der neuen Eingruppierungsvorschriften stattfindende Eingruppierungsvorgängen. Damit werden Fälle erfasst, in denen Mitarbeiter nach dem 01.10.2005 neu eingruppiert werden.

Eine solche Neueingruppierung liegt jedoch bei der Klägerin nicht vor. Denn die Rückkehr in ihre bereits in früheren Jahren ausgeübte Gruppenleitertätigkeit kann nicht als Neuaufnahme der Tätigkeit und damit als neuer Eingruppierungsvorgang gewertet werden, sondern besteht allein in dem Wiederaufleben der bereits bis 2002 maßgebenden Eingruppierung.

Es handelt sich nicht um eine Neueingruppierung nach dem 01.10.2005, sondern um die Rückkehr zur latent ruhend gestellten alten Funktion und der dafür maßgebenden Vergütungsgruppe. Dieses folgt aus der Auslegung des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages und der darauf fußenden Nachtrags- und Abänderungsverträge.

a. Bereits der Wortlaut der Nachtragsverträge und des Altersteilzeitvertrages machen deutlich, dass Bezugspunkt aller Vereinbarungen der Ausgangsvertrag der Parteien vom 01.11.1993 war, der die Tätigkeit der Klägerin als Erzieherin und die Eingruppierung in Vergütungsgruppe K V c vorsah.

Durch den 1. und den 2. Nachtragsvertrag haben die Parteien das ursprüngliche Arbeitsverhältnis nicht aufgehoben und einen neuen Vertrag zur Grundlage der Beschäftigung der Klägerin gemacht, sondern lediglich Modifikationen vorgenommen.

Berücksichtigt man die Interessenlage beim Abschluss des 1. Nachtragsvertrages, so wird deutlich, dass die Parteien die Klägerin nicht auf Dauer von der Tätigkeit als Gruppenleiterin ausschließen wollten. Hätte die Klägerin ich sich nicht freiwillig zu einer geringerwertigen Tätigkeit und einer dementsprechend geringeren Eingruppierung bereit erklärt, hätte die Beklagte einer der sechs Gruppenleiterinnen die Änderungskündigung aussprechen müssen. Unter Beachtung der Grundsätze der sozialen Auswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG hätte mutmaßlich nicht die Klägerin, sondern die später eingestellte und wesentlich jüngere Frau Q eine Änderungskündigung erhalten müssen. Die Vermeidung der Notwendigkeit, eine Änderungskündigung aussprechen zu müssen, lag daher im Interesse der Beklagten. Der freiwillige Verzicht der Klägerin auf die bisherige Tätigkeit und Eingruppierung entsprach daher nicht nur dem möglicherweise ebenfalls vorliegenden Wunsch der Klägerin, sondern dem beiderseitigen Interesse.

Dass beide Parteien hierbei die Vorstellung hatten, dass dies nur ein vorübergehender Verzicht bis zum Freiwerden der nächsten Gruppenleiterposition sein sollte, wird durch die tatsächliche Vertragspraxis bestätigt. Denn die Klägerin erhielt zum 01.02.2006 die erste frei werdende Gruppenleiterstelle. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte eine anderweitige Besetzung dieser ersten freien Gruppenleiterstelle überhaupt erwogen hätte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Für die Tatsache, dass die Parteien von einem Wiederaufleben der ursprünglichen Tätigkeit und Eingruppierung ausgegangen sind, spricht auch, dass kein erneuter Arbeitsvertrag, sei es als Nachtragsvertrag oder als völlig neuer Arbeitsvertrag, geschlossen worden ist.

Wäre die Auffassung der Beklagten richtig, dass es sich nicht um die Rückkehr zu einem ruhend gebliebenen alten Arbeitsverhältnis gehandelt hätte, wäre es die Pflicht der Beklagten schon nach dem Nachweisgesetz gewesen, der Klägerin einen neuen Arbeitsnachweis mit der nunmehrigen Tätigkeit als Erzieherin und Gruppenleiterin und der diesbezüglichen Entgeltgruppe zu übermitteln. Dabei muss der Arbeitgeber seine Pflicht gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 NachwG, eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit vorzunehmen und dem Arbeitnehmer übermitteln, regelmäßig durch eine Arbeitsplatz- oder Stellenbeschreibung erfüllen. Der Nachweis kann auch in einer Stellenausschreibung enthalten sein (s. BAG, Urteil vom 08.06.2005 - 4 AZR 406/04 - NZA 2006, 53 ff.).

Einen solchen Arbeitnachweis mit einer entsprechenden Arbeitsplatz- oder Stellenbeschreibung hat die Beklagte der Klägerin nach der Aufnahme der Tätigkeit als Erzieherin ab dem 01.02.2006 nicht erteilt. Daraus kann nur der Schluss gezogen werden, dass keine Neuaufnahme der Tätigkeit vorlag, sondern dass es nach der Vorstellung der Parteien nur darum ging, die bereits früher ausgeübte Tätigkeit - wie von vorneherein beabsichtigt - zum nächstmöglichen Zeitpunkt wieder aufleben zu lassen.

Da die Übernahme der alten Funktion ab dem 01.02.2006 keine Neuaufnahme der Tätigkeit der Klägerin bedeutete und auch keine Neueingruppierung nach sich gezogen hat und nach sich ziehen konnte, kann Anlage 5 b zur KAVO keine Anwendung finden.

3. Auch § 5 der Anlage 27 zur KAVO ist nicht einschlägig, denn diese Vorschrift regelt nur die Eingruppierung von Mitarbeitern, die am 01.10.2005 bei Fortgeltung des bisherigen Rechts die für eine Höhergruppierung erforderliche Zeit der Bewährung oder Tätigkeit zur Hälfte erfüllt haben. Die Klägerin hatte jedoch bereits im Jahre 2002 die Vergütungsgruppe K V c erreicht. Es handelt sich vorliegend nicht um einen Bewährungsaufstieg, sondern um das Wiederaufleben einer bereits inne gehabten Tätigkeit und Vergütungsgruppe.

4. Einschlägig für das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist die Anlage 5 a zur KAVO. Die Klägerin hatte im Jahr 2002 die Vergütungsgruppe K V c inne. Diese ruhte während ihres vorübergehenden Einsatzes als Erziehungshelferin. Die inne gehabte Vergütungsgruppe ist gemäß Anlage 5 a zur KAVO in die Entgeltgruppe 8 überzuleiten gewesen.

Mit dem Wiederaufleben des ursprünglichen Tätigkeitsinhalts durch die Tätigkeit als Gruppenleiterin war die Entgeltgruppe 8 (vorher K V c) für das Arbeitsverhältnis der Klägerin auch wieder maßgebend.

III. Die Berufung der Klägerin hatte nach allem Erfolg. Die Beklagte hatte als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Die Revision konnte nicht zugelassen werden, da keine Divergenz vorlag und die Rechtssache auch keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung hatte, weil aufgrund der besonderen Vertragssituation im vorliegenden Fall ein Einzelfall zu entscheiden war.

Ende der Entscheidung

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