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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 30.01.2003
Aktenzeichen: 5 Sa 966/02
Rechtsgebiete: SGB VII


Vorschriften:

SGB VII § 104
Eine Haftung des Arbeitgebers für Personenschäden aufgrund von Arbeitsunfällen nach § 104 Abs. 1 SGB VII setzt voraus, dass der Arbeitgeber den Personenschaden als solchen zumindest billigend in Kauf genommen hat; der vorsätzliche Verstoss gegen Unfallverhütungsvorschriften allein reicht nicht aus.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 5 Sa 966/02

Verkündet am: 30.01.2003

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 30.01.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Rietschel als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Haas und Faßbender

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 08.08.2002 - 5 (8) Ca 1191/02 d - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

Die nach dem Beschwerdewert an sich statthafte Berufung des Klägers ist in gesetzlicher Form und Frist eingelegt und begründet worden, sie ist somit zulässig. In der Sache bleibt sie ohne Erfolg. Mit in jeder Hinsicht zutreffender Begründung, die sich das Berufungsgericht zu Eigen macht, hat das Arbeitsgericht die auf Zahlung von Schmerzensgeld und Leistung von sonstigem Schadensersatz aufgrund des am 25.09.1998 erlittenen Arbeitsunfall gerichtete Klage zurückgewiesen. Soweit der Kläger den im angefochtenen Urteil bereits hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage geäußerten Bedenken durch Stellung eines bezifferten Antrags in der Berufungsinstanz Rechnung getragen hat, ist die Klage jedenfalls unbegründet.

Die Ausführungen des Klägers in der Berufungsbegründung und in der Berufungsverhandlung vermögen an der Entscheidung, die wesentlich auf der gesetzlichen Regelung beruht, dass nach § 104 Abs. 1 SGB VII bei nicht vorsätzlich verursachten Arbeitsunfällen Ansprüche auf Ersatz des Personenschadens und auf Schmerzensgeld ausgeschlossen sind, nichts zu ändern. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, der sich auch das erkennende Gericht anschließt, ist ein Arbeitsunfall nicht schon deshalb vorsätzlich herbeigeführt worden, wenn der Arbeitgeber die Unfallverhütungsvorschriften vorsätzlich mitachtet hat und der Unfall hierauf beruht (BAG vom 02.03.1989 - 8 AZR 416/87 - ; LAG Köln vom 11.08.2000 - 4 Sa 553/00 - ZTR 2001, 86). Es entspricht auch der ganz herrschenden Auffassung im Schrifttum, dass eine "vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls" im Sinne der §§ 104 ff. SGB VII bedeutet, dass der Vorsatz sich auch auf den Personenschaden beziehen muss. Dass ein vorsätzlicher Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften allein nicht genügt, sondern vielmehr der Unternehmer den Personenschaden als solchen zumindest billigend in Kauf genommen haben muss, ergibt sich entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung gerade aus der anderslautenden, aber eben nur in § 110 SGB VII enthaltenen Regelung für Regressansprüche der Sozialversicherungsträger gegen den Schädiger (vgl. LAG Köln aaO).

Dafür, dass im konkreten Fall der Arbeitsunfall vom Unternehmer zumindest mit bedingtem Vorsatz herbeigeführt worden ist, d.h. dass dieser den möglicherweise eintretenden Erfolg für den Fall seines Eintritts gebilligt hat (BAG vom 08.12.1970, AP Nr. 4 zu § 636 RVO; BAG vom 02.03.1989 - 8 AZR 416/87 - ), ist der Kläger darlegungs- und beweispflichtig. Aus den vom ihm in erster und zweiter Instanz vorgetragenen Tatsachen in Verbindung mit dem unstreitigen Sachverhalt ergeben sich auch nach Auffassung des Berufungsgerichts keine hinreichend aussagekräftigen Indiztatsachen dafür, dass der Beklagte ein Unfallereignis wie das beim Kläger geschehene billigend in Kauf genommen hätte.

Einer solchen Überlegung könnte unter Umständen dann näher getreten werden, wenn sich in der Vergangenheit bereits vergleichbare Unfälle an der vom Kläger bedienten Maschine ereignet hätten, die durch die Entfernung der Schutzleiste bedingt gewesen sind. Hierfür hat indessen der Kläger nichts vortragen können.

Gegen ein vom Beklagten gebilligtes Inkaufnehmen des Unfallereignisses und der beim Kläger eingetretenen Verletzung spricht aber nach Auffassung des Berufungsgerichts vor allem der vom Beklagten bereits mit Schriftsatz vom 06.11.2000 vorgetragene Umstand, dass der Zeuge E vom staatlichen Amt für Arbeitsschutz noch am Unfalltag die Tafelschere wieder zur Arbeit freigegeben hatte, nachdem der Beklagte zugesagt hatte, in absehbarer Zeit die Schutzleiste wieder anzubringen. Wenn ein Vertreter des Amtes für Arbeitsschutz, dessen Aufgabe in der Verhinderung von Unfällen besteht, den Betrieb einer Maschine - wenn auch unter Auflagen - zunächst wieder freigibt, so kann schlechterdings nicht angenommen werden, dass das durch den Weiterbetrieb der Maschine gegebene Risiko weiterer Arbeitsunfälle von den dafür verantwortlichen Personen "billigend in Kauf genommen" worden ist. Andernfalls könnte der gleiche Vorwurf nämlich auch gegenüber dem Vertreter des für den Arbeitsschutz zuständigen Amtes erhoben werden, der - anders als der Beklagte - seine Entscheidung nicht aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen, sondern allein im Interesse der Sicherheit der an der Maschine eingesetzten Arbeitnehmer zu treffen hat.

Dem Vortrag des Beklagten, wonach die Maschine noch am Unfalltag vom Arbeitsschutzamt wieder freigegeben worden ist, ist der Kläger weder in erster noch in zweiter Instanz entgegengetreten. Das Berufungsgericht musste daher davon ausgehen, dass dieses Vorbringen unstreitig ist. Dem Kläger wäre es ohne weiteres möglich gewesen, durch Einholung entsprechender Auskünfte beim zuständigen Arbeitsschutzamt oder dem von dem Beklagten in erster Instanz benannten Zeugen E den Wahrheitsgehalt der von dem Beklagten aufgestellten Behauptung hinsichtlich des Weiterbetreibens der Maschine zu überprüfen. Er bzw. seine Prozessbevollmächtigten haben dies indessen unterlassen, so dass diese Tatsache mangels substantiierten Bestreitens und entsprechenden Gegenvortrags des Klägers, dem bereits in erster Instanz durch gerichtliche Hinweise vom 05.02.2002 und 27.03.2002 aufgegeben worden war, seine Darlegung hinsichtlich des von ihm behaupteten vorsätzlichen Verhaltens des Beklagten durch geeignete Hilfstatsachen zu ergänzen, unstreitig geworden ist.

Soweit der Kläger - nach Erörterung dieses Sachverhalts - erstmalig in der Berufungsverhandlung die Behauptung aufgestellt hat, die Maschine sei entgegen dem Vortrag der Beklagten nach dem Unfall am 25.09.1998 stillgelegt worden, handelt es sich um neues, verspätetes Vorbringen und bei dem entsprechenden Beweisangebot zudem um einen unzulässigen und damit unbeachtlichen Beweisermittlungsantrag, bei dem ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürliche Behauptungen aufs Geradewohl oder ins Blaue hinein aufgestellt werden (BGH NJW 1995, Seite 2111). Der entsprechende Beweisantrag ist im übrigen gemäß § 67 Abs. 3 ArbGG (n.F.) zurückzuweisen, weil seine Zulassung zum einen die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und zum anderen die Unterlassung des entsprechenden Vorbringens im ersten Rechtszug und innerhalb der schriftlichen Berufungsbegründung auf grober Nachlässigkeit des Prozessbevollmächtigten des Klägers, der innerhalb der ihm vom Gericht gesetzten Fristen nichts hierzu vorgetragen hatte, beruht.

Soweit der Kläger mit der Berufungsbegründung und in der Berufungsverhandlung weitere für den Unfall nach seiner Auffassung ursächliche Fehler der Maschine angeführt hat, durch die gegen weitere Arbeitssicherheitsvorschriften verstoßen worden sei, vermag dies im Grundsatz nichts an der Tatsache zu ändern, dass mit derartigen Tatsachen ein vorsätzliches Verhalten des Beklagten im Hinblick auf die Gesundheitsschädigung des Klägers - auch nicht indizweise - dargelegt werden kann.

Das gilt schon deswegen, weil nicht nachvollziehbar ist, dass die Unfallursächlichkeit des vom Kläger nunmehr in der Berufungsbegründung erstmals behaupteten Fehler an dem Auslöser des Schneidevorgangs, der nach Behauptung des Klägers manipuliert gewesen sei, nicht erkennbar ist. Eine entsprechende Ursächlichkeit wäre nur dann gegeben, wenn bei einer Betätigung des Auslösers mit dem Fuß ein gleichzeitiger Griff in den Gefahrenbereich, in dem der Schneidevorgang ablief, unmöglich gewesen wäre. Das wäre etwa dadurch zu erreichen gewesen, dass die Betätigung des Auslösers nur an einer Stelle außerhalb der Maschine möglich gewesen wäre, die so weit vom Gefahrenbereich entfernt ist, dass die auslösende Person mit den Händen dort nicht mehr hingelangen könnte. Entsprechendes würde für den Fall gelten, dass die Maschine so konstruiert ist, dass die Auslösung nur unter Zuhilfenahme der beiden Hände erfolgen könnte, was ebenfalls ein Hineingreifen mit einer der beiden Hände in den Gefahrenbereich ausschließen würde. Der Kläger hat indessen nicht vorgetragen, dass die Maschine hätte so konstruiert sein müssen, so dass auf diese Weise ein Unfall wie der am 25.09.1998 geschehene Unfall vermieden worden wäre.

Davon abgesehen würde auch dann, wenn - entsprechend der Behauptung des Klägers - der Auslöser fehlerhaft und manipuliert gewesen ist, dies selbst zusammen mit der Entfernung der Schutzleiste noch nicht den Schluss rechtfertigen, dass beim Beklagten von einem bedingten Vorsatz auszugehen ist. Dem steht nämlich der bereits angeführte Umstand entgegen, dass die Maschine vom Amt für Arbeitsschutz unmittelbar nach dem Unfall wieder freigegeben wurde und nicht bis zur Erfüllung der zur Wiederherstellung der Arbeitssicherheit erforderlichen Auflagen stillgelegt worden ist.

Nach alledem musste die Berufung des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückgewiesen werden.

Ende der Entscheidung

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