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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 03.11.2008
Aktenzeichen: 5 Sa 969/08
Rechtsgebiete: GewO


Vorschriften:

GewO § 106
1. Die Ausübung des Weisungsrechts muss sich gemäß § 106 GewO im Rahmen billigen Ermessens halten.

2. Dagegen wird nicht verstoßen, wenn ein Arbeitgeber nach Durchführung einer betrieblichen Organisationsuntersuchung einen neuen Aufgabenzuschnitt vornimmt und unter Aufrechterhaltung der Vergütung die Aufgaben unter Beachtung der Eingruppierungsvorgaben anders verteilt.


Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 25.04.2008 - 5 Ca 141/08 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine Versetzungsmaßnahme und begehrt seine Weiterbeschäftigung auf seinem vorherigen Arbeitsplatz.

Der 49 Jahre alte Kläger ist seit September 1975 bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte unterhält Fahrzeuginspektionen, in denen die Straßenbahnen und U-Bahnen der Beklagten gewartet werden, und zwar unter anderem an den Standorten in K -W und in W . Beide Standorte waren bis zur Versetzungsmaßnahme organisatorisch als eine Fahrzeuginspektion geführt, wobei am Standortort W ca. 75 Mitarbeiter tätig waren, am Standort W ca. 29.

Geleitet wurde die Fahrzeuginspektion von zwei Meistern in einer sogenannten Doppelspitze, und zwar von dem Kläger und seinem Kollegen Herrn K . Im Oktober 2007 ließ die Beklagte eine Organisationsuntersuchung durchführen. In dem Ergebnisbericht (Bl. 42 ff. d. A.) hieß es unter anderem, dass die Beziehungen der Meister, die für die Betriebshöfe W /W zuständig sind, gestört seien. Hier gebe es zwei Lager (Bl. 47 d. A.). An anderer Stelle heißt es, dass die bisherige Doppelspitze problematisch sei (Bl. 49 d. A.). In der abschließenden Bewertung wurde vorgeschlagen, die Doppelspitze abzuschaffen und je einem Meister die Leitung aller Vorarbeitergruppen auf dem jeweiligen Betriebshof zu übertragen (Bl. 52 d. A.).

Daraufhin informierte die Beklagte durch Mitarbeiterinformation vom November 2007 (Bl. 10 ff. d. A.) die Mitarbeiter dahingehend, dass man diesem Vorschlag folgen werde und Herrn K zum Leiter der Betriebswerkstatt W und den Kläger zum Leiter der Betriebswerkstatt W berufen wolle.

Der Betriebsrat teilte nach Anhörung (Bl. 64 d. A.) mit Schreiben vom 14.12.2007 mit, dass gegen die Versetzungsmaßnahme keine Bedenken bestünde (Bl. 65 d. A.).

Daraufhin wies die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 14.12.2007 (Bl. 16 d. A.) dem Kläger als neue Arbeitsaufgabe die Tätigkeit als Meister in der Fahrzeuginspektion W zu.

Mit der dagegen eingereichten Klage begehrte der Kläger die Feststellung, dass die als Zuweisung zur Fahrzeuginspektion W bezeichnete Maßnahme rechtsunwirksam sei und verlangte seine Weiterbeschäftigung wie bisher zu unveränderten Bedingungen in der Fahrzeuginspektion W /W .

Durch Urteil vom 25.04.2008 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung darauf abgestellt, die Beklagte habe bei Ausübung ihres Weisungsrechts die Grenzen des billigen Ermessens nicht überschritten. Die Beklagte habe insbesondere im Einzelnen dargetan, dass sie eine Versetzung des Klägers vollständig nach Wesseling für sinnvoll gehalten habe, weil der Kläger aufgrund seines bereits langjährigen Einsatzes an dieser Betriebsstätte mit den Örtlichkeiten und den dortigen Gegebenheiten, insbesondere auch mit dem dort vorhandenen Personal, vertraut und diesem als Führungsperson bekannt sei.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung einlegen und begründen lassen.

Der Kläger macht geltend, es fehle bereits an einer unternehmerischen Entscheidung. Die Versetzung sei durch den Bereichsleiter M erfolgt, der keinerlei Organstellung innerhalb der Aktiengesellschaft der Beklagten besitze. Von entscheidender Bedeutung sei, dass der Kläger jetzt nur noch den Bereich leite, den er früher neben seiner Meistertätigkeit in K /W geleitet habe. Es stelle eine massive Zurücksetzung dar, wenn dem Kläger der weitaus größere Teil seines Leitungsbereichs entzogen werde und er auf den Teil verwiesen werde, den er bisher nebenbei betreut habe. Insoweit sei auch darauf hinzuweisen, dass vor der Versetzung des Klägers in W überhaupt keine eigene Meisterstelle bestanden habe, hierfür auch zu keinem Zeitpunkt eine Notwendigkeit gesehen worden sei. Unzutreffend sei das Vorbringen der Beklagten, der Kläger sei in den Bereichen Organisation/Administration eher schwach; die Beklagte habe ihre Ausführungen zu diesem Punkt auch nicht substantiiert. Der Beklagtenvortrag, wonach der Kläger auch deswegen ausgewählt worden sei, weil er den Betrieb in W gut keine, wende sich bei genauer Betrachtung gegen die Beklagte. Denn der Kläger sei im Unternehmen dadurch aufgestiegen, dass er nicht mehr den kleinen Bereich W zu verantworten gehabt habe, sondern den wesentlich größeren Bereich in K /W . Es könne bei der Auswahlentscheidung auch nicht darauf ankommen, dass der Meisterkollege Herr K zwei Jahre längere Erfahrung als Meister am Standort W habe.

Schließlich sei der Kläger in W deshalb von neueren Entwicklungen damit von Aufstiegschancen ausgeschlossen, weil am Standort W nur die älteren auslaufenden Fahrzeugreihen gewartet würden, am Standort W hingegen auch die neueren Fahrzeugmodelle.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 25.04.2008,

1. festzustellen, dass die als Zuweisung zur Fahrzeuginspektion W bezeichnete Maßnahme, welche dem Kläger am 20.12.2007 zuging, unwirksam ist.

2. Die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Meister wie bisher zu unveränderten Bedingungen in der Fahrzeuginspektion W /W in K weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Der Kläger habe keinen Anspruch darauf, dass die bisherige betriebliche Organisation unverändert beibehalten werde. Eine einheitliche Fahrzeuginspektion W /W gebe es aufgrund der Änderung der betrieblichen Organisation der Beklagten seit dem 01.01.2008 nicht mehr. Die ursprüngliche Organisationseinheit sei durch die Aufteilung in zwei Organisationseinheiten aufgeteilt worden. Der Kläger könne nicht beanstanden, dass die Organisationsentscheidung nicht vom Vorstand der Beklagten getroffen worden sei, denn der Kläger verkenne, dass es der Beklagten freistehe, in welchem Umfange sie Entscheidungskompetenz auf nachgeordnete Führungsebenen übertrage. Selbst unter Zugrundelegung des Vortrags des Klägers seien keine Gründe ersichtlich, die die von der Beklagten vorgenommene Versetzung des Klägers auf die Position des Leiters der Fahrzeuginspektion W als billigem Ermessen nicht entsprechend erscheinen ließen. Der Kläger sei nicht von neueren technischen Entwicklungen abgeschnitten und in seinen Aufstiegschancen beeinträchtigt. Die Beklagte werde Fahrzeuge der neuesten Baureihe beschaffen. Diese würden sukzessive ab 2010 geliefert und sodann in die Zuständigkeit der Fahrzeuginspektion W fallen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 03.11.2008 hat die Beklagte zudem eine Zusicherung abgegeben, dass der Umstand, dass der Standort W zur Zeit für die älteren Baureihen zuständig ist, sich nicht nachteilig auf die Bewerbungschancen des Klägers auswirken wird. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 03.11.2008 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hatte in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die Zuweisung des Meisterarbeitsplatzes in K /W rechtsunwirksam ist und demzufolge auch keinen Weiterbeschäftigungsanspruch zu den bisherigen Bedingungen.

I. Die Ausübung des Weisungsrechts durch die Beklagte kann nicht beanstandet werden.

1. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers folgt aus § 106 GewO. Nach § 106 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.

Das Direktionsrecht des Arbeitgebers umfasst das Recht, die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers durch einseitige Weisungen näher auszugestalten (siehe BAG Urteil vom 07.12.2000 - 6 AZR 444/99 -, NZA 2001, Seite 780). Für dieses Weisungsrecht ist es dem Arbeitgeber möglich, die Arbeitspflichten inhaltlich näher festzulegen. Dies bezieht sich sowohl auf die einzelnen Tätigkeiten und ihre Reihenfolge, als auch auf die Begleitumstände, unter denen die Arbeit zu verrichten ist, sowie auf Ort und Zeit der Tätigkeit.

Von dieser Weisungsmöglichkeit hat die Beklagte im vorliegenden Fall Gebrauch gemacht, indem sie den Kläger mit Meistertätigkeiten nur am Standort Wesseling betraut hat, während er zuvor in einer so genannten Doppelspitze zusammen mit seinem Arbeitskollegen Herrn K an zwei Standorten tätig war.

2. Ein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Festlegungen bei Ausübung dieses Weisungsrechts ist nicht erkennbar. Verstöße gegen arbeitsvertragliche Festlegungen der Parteien hat der Kläger nicht vorgetragen. Da in der Eingruppierung und demzufolge in der Vergütung des Klägers keine Änderung eingetreten ist, kann die Gleichwertigkeit der Tätigkeit nicht im Bezug auf die damit verbundene Vergütungsgruppe in Frage gestellt werden (siehe dazu BAG Urteil vom 11.04.2006 - 9 AZR 557/05 -, NZA 2006, Seite 1149).

3. Die Ausübung des Weisungsrechts hält die Grenzen des billigen Ermessens nach § 106 GewO ein.

Die Wahrung billigen Ermessens setzt voraus, dass die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden (BAG Urteil vom 24.04.1996 - 5 AZR 1031/94 -, AP Nr. 48 zu § 611 BGB Direktionsrecht; Erfurter Kommentar/Preis, 8. Auflage 2008, § 106 GewO Randziffer 6).

Ausgehend hiervon kann ein Verstoß gegen die Grundsätze des billigen Ermessens nicht festgestellt werden.

Ausgangspunkt der Ausübung des Weisungsrechts ist im vorliegenden Fall die unternehmerische Entscheidung der Beklagten, die sogenannte Doppelspitze abzuschaffen und jedem der beteiligten Meister einen Standort zur alleinigen Verantwortung zuzuweisen. Diese Unternehmerentscheidung kann nicht als unsachlich oder willkürlich bewertet werden. Sie beruhte auf den Feststellungen der Organisationsuntersuchung, die zu dem Ergebnis gekommen war, dass sich die bisherige Durchführung der Doppelspitze als problematisch und suboptimal erwiesen habe und deshalb die Abschaffung dieser Doppelspitze vorschlug. Keinen Erfolg kann die Klägerseite mit dem Argument haben, diese unternehmerische Entscheidung sei nicht vom Vorstand der Beklagten getroffen worden. Denn zum einen steht es der Beklagten frei Entscheidungsbefugnisse zu delegieren. Zum anderen hat die Unternehmensleitung der Beklagten spätestens durch Publikation der Mitarbeiterinformation im November 2007 deutlich gemacht, dass sie hinter dieser Organisationsentscheidung steht.

Aufgrund dieser Organisationsentscheidung musste die Beklagte entscheiden, welchen Meister sie in W und welchen sie in K /W einsetzen wollte. Dabei hat die Beklagte nach ihrem Vortrag unter anderem berücksichtigt, dass der Arbeitskollege des Klägers, Herr K , zwei Jahre länger als Meister tätig war. Zudem sind beide Meister seit mehreren Jahrzehnten bei der Beklagten beschäftigt. Im Ausgangspunkt ist zudem darauf hinzuweisen, dass bisher auch der Kläger keine Alleinzuständigkeit für den von der Mitarbeiterzahl her größeren Betrieb K /W hatte. Es handelte sich bisher nur um eine geteilte Zuständigkeit, die im Rahmen einer Doppelspitze wahrzunehmen war.

Nunmehr hat der Kläger hingegen die Alleinzuständigkeit für den Betrieb W . Eine fehlende Gleichwertigkeit der vorherigen mit der jetzigen Tätigkeit kann daher nicht allein durch einen rechnerischen Zahlenvergleich der unterstellten Mitarbeiter belegt werden, denn es handelte sich bei dem vorherigen Zustand infolge der Doppelspitze nur um eine "geteilte Unterstellung". Der Umstand, dass der rechnerische Zahlenvergleich allein nicht maßgebend sein kann, zeigte sich auch, wenn die Beklagte die umgekehrte Auswahlentscheidung getroffen hätte und den Kläger in K /W , aber Herr K in Wesseling eingesetzt hätte. Wäre die Argumentation der Klägerseite richtig, dann könnte in einem solchen Fall der Kollege des Klägers Herr K die Versetzungsentscheidung als Verstoß gegen die Grundsätze des billigen Ermessens angreifen, so dass keine der beiden möglichen Auswahlentscheidungen rechtswirksam werden könnte.

Aus der rechnerisch unterschiedlichen Mitarbeiterzahl allein kann daher kein Verstoß gegen die Grundsätze des billigen Ermessens und auch kein Argument für die fehlende Gleichwertigkeit der beiden Meistertätigkeiten hergeleitet werden.

Von Bedeutung kann allerdings für die Beachtung der Grundsätze des billigen Ermessens sein, dass der Kläger durch die Weisung nicht von betrieblichen Aufstiegsmöglichkeiten ausgeschlossen sein darf. Diesbezüglich hat die Beklagte durch ihre zu Protokoll genommene Zusicherung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 03.11.2008 zugesagt, dass die zur Zeit am Standort Wesseling betriebene Reparatur der älteren Baureihen in zukünftigen Bewerbungsverfahren nicht als nachteiliger Umstand für den Kläger berücksichtigt werden wird. Auf das Protokoll der Kammerverhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 03.11.2008 wird insoweit Bezug genommen. Damit ist die Zusage verbunden, dass möglicherweise geringere Erfahrung beim Umgang mit neueren Baureihen bei zukünftigen Bewerbungen nicht als nachteiliger Umstand zu Lasten des Klägers in Ansatz gebracht werden darf. Angesichts dieser Rechtsposition haben entsprechende Befürchtungen des Klägers keine Basis mehr, so dass auch insoweit kein Verstoß gegen die Grundsätze des billigen Ermessens angenommen werden kann.

II. Schließlich sind die Beteiligungsrechte des Betriebsrats gewahrt. Der Betriebsrat hat nach Anhörung durch Schreiben vom 13.12.2007 (Bl. 64 d. A.) mitgeteilt, dass er gegen die personelle Maßnahme keine Bedenken erhebt (Schreiben vom 14.12.2007 - Bl. 65 d. A.).

III. Die Berufung des Klägers konnte nach allem keinen Erfolg haben. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision konnte nicht zugelassen werden, da die Rechtssache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung hatte und auch kein Fall von Divergenz vorlag.

Ende der Entscheidung

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