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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 11.12.2007
Aktenzeichen: 5 Ta 282/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 148
Klagt ein Arbeitnehmer auf Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis nach § 613 a BGB auf eine andere Arbeitgeberin übergegangen ist, und kündigt während dieses Rechtsstreits die bisherige Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis, so kann es ermessensfehlerhaft sein, wenn das Gericht den Kündigungsrechtsstreit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Feststellungsprozesses aussetzt.
Tenor:

Auf die Beschwerde des Beklagten zu 1) wird der Aussetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 17. Juli 2007 - 2 Ca 3663/07 - aufgehoben.

Gründe:

I. Der Kläger war beschäftigt bei der S G Fachgroßhandel für Sanitär und Heizung im Betrieb K , über deren Vermögen am 15. Januar 2007 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Beklagte zu 1) ist der Insolvenzverwalter.

Mit Schreiben vom 11. April 2007 kündigte der Beklagte zu 1) das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31. Juli 2007. Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Klage, die am 30. April 2007 beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist. Gleichzeitig begehrt er Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Arbeitsbedingungen über den 31. Juli 2007 hinaus fortbesteht, sowie Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis auch durch sonstige Beendigungstatbestände nicht aufgelöst ist. Dabei richtet er die Klage sowohl gegen den Beklagten zu 1) als auch gegen die R + F G (Beklagte zu 2) und die R + F W G & C . K (Beklagte zu 3) mit dem Vorbringen, der Betrieb der Insolvenzschuldnerin sei von einer dieser Gesellschaften bereits vor Ausspruch der Kündigung im Sinne des § 613 a BGB übernommen worden.

Bereits zuvor hatte der Kläger eine Klage gegen die Beklagte zu 2) beim Arbeitsgericht Köln eingereicht, mit der er Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis seit Januar 2007 mit ihr aufgrund Betriebsübergangs besteht. Dieser Rechtsstreit 3 Ca 2449/07 ist noch nicht - rechtskräftig - entschieden.

Nachdem die Beklagten zu 2) und 3) im vorliegenden Rechtsstreit beantragt hatten, entweder durch Teilurteil die gegen sie gerichtete Klage abzuweisen oder jedenfalls das Verfahren nach § 148 ZPO bis zur Entscheidung des Rechtsstreits 3 Ca 2449/07 auszusetzen, hat das Arbeitsgericht Köln durch Beschluss vom 17. Juli 2007 den Rechtsstreit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens 3 Ca 2449/07 ausgesetzt mit der Begründung, ansonsten bestehe die Gefahr divergierender Entscheidungen in den beiden Rechtsstreiten.

Gegen den am 19. Juli 2007 zugestellten Beschluss hat der Beklagte zu 1) sofortige Beschwerde eingelegt mit der Begründung, der Rechtsstreit sei entscheidungsreif, da der Kläger sowohl im vorliegenden Verfahren als auch im Rechtsstreit 3 Ca 2449/07 geltend mache, bereits im Januar 2007 sei das Arbeitsverhältnis nach § 613 a BGB übergegangen und deshalb könne durch die Kündigung das Arbeitsverhältnis ohnehin nicht beendet worden sein. Auch fehle ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage, soweit sie gegen die Beklagten zu 2) und 3) gerichtet sei, da bereits in dem Verfahren 3 Ca 2449/07 geklärt werde, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund Betriebsübergangs zu einer dieser Gesellschaften bestehe.

Die Beklagten zu 2) und 3) vertreten die Ansicht, die Klage sei abweisungsreif, soweit sie gegen sie gerichtet sei. Insoweit könne der Kündigung vom 11. April 2007 ohnehin keine rechtliche Bedeutung zukommen. Jedenfalls lägen die Voraussetzungen für eine Aussetzung nach § 148 ZPO vor.

Das Arbeitsgericht Köln hat der sofortigen Beschwerde des Beklagten zu 1) nicht abgeholfen.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Sie ist nach § 252 ZPO statthaft und wurde binnen der Frist des § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO eingelegt.

2. Die Beschwerde ist auch begründet.

Zu Unrecht hat das Arbeitsgericht Köln beim derzeitigen Stand des Verfahrens die Aussetzung beschlossen. Das Verfahren ist vielmehr fortzusetzen.

a. Nach § 148 ZPO kann das Gericht eine Verfahrensaussetzung nur beschließen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen Rechtstreits bildet. Es steht dabei im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, ob es die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits aussetzt. Diese Entscheidung kann daher vom Beschwerdegericht nur auf Verfahrens- und Ermessensfehler überprüft werden (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 26. Aufl., § 252 Rdn. 3; LAG Köln, Beschluss vom 28. Januar 2005 - 9 Ta 441/04 -).

b. Auch nach diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab kann der Aussetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Köln derzeit keinen Bestand haben.

§ 148 ZPO verlangt, dass hinsichtlich aller möglichen Ergebnisse des anderen Rechtsstreits präjudizielle Wirkung für den Rechtsstreit gegeben ist, um dessen Aussetzung es geht. Fehlt Vorgreiflichkeit auch nur für eine der im anderen Rechtsstreit möglicherweise ergehenden Entscheidungen, ist eine Aussetzung ausgeschlossen. Irgendein tatsächlicher Einfluss reicht ebenso wenig aus wie die bloße Möglichkeit sich widersprechender Entscheidungen (vgl. dazu: Hessisches LAG, Beschluss vom 15. Dezember 2006 - 16 Ta 566/06 -; juris, Zöller-Greger, ZPO, 26. Aufl., § 148 Rdn. 5, Thomas-Putzo-Reichold, ZPO, 26. Aufl., § 148 Rdn. 3).

c. In diesem Sinne ist der Ausgang des Verfahrens 3 Ca 2449/07 Arbeitsgericht Köln für den vorliegenden Rechtsstreit nicht vorgreiflich.

aa. Ein Erfolg im Kündigungsschutzprozess setzt nach der punktuellen Streitgegenstandstheorie voraus, dass zum Zeitpunkt der Kündigung noch oder überhaupt ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht. Dies gilt auch im Falle eines Betriebsübergangs. Die Kündigung eines Betriebsveräußerers nach Betriebsübergang geht mangels bestehendem Arbeitsverhältnis ins Leere. Eine gleichwohl erhobene Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung ist unbegründet, denn - nach dem eigenen Vortrag des gegen den Veräußerer vorgehenden Klägers - besteht ein Arbeitsverhältnis zu dem Veräußerer nicht mehr. Die Klageabweisung kann allein damit begründet werden, es habe kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden. Auf eine mangelnde "Kündigungsbefugnis" des Veräußerers kommt es nicht an. Eine solche Feststellung nützt dem Arbeitnehmer nichts im Verhältnis zum Erwerber. Im Verhältnis zum Erwerber gilt bei einer Kündigung des Veräußerers und entsprechender Klage nach Betriebsübergang nach den §§ 265, 325 ZPO keine Rechtskrafterstreckung (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 18. April 2002 - 8 AZR 346/01 - und Urteil vom 24. Mai 2005 - 8 AZR 398/04 -; HWK-Willemsen/Müller-Bonani, Arbeitsrechtskommentar, 2. Aufl., § 613 a BGB Rdn. 373).

bb. Bei unklarer Sach- und Rechtslage muss dagegen grundsätzlich auf Feststellung des ungekündigt bestehenden Arbeitsverhältnisses zu dem Erwerber und lediglich hilfsweise mit dem Kündigungsschutzantrag gegen den Veräußerer geklagt werden (vgl. BAG, Urteil vom 18. April 2002 - 8 AZR 346/01 -). Dabei sind der bisherige und der neue Betriebsinhaber keine notwendigen Streitgenossen im Sinne des § 62 ZPO.

cc. Danach gilt hier für die derzeitigen Klageanträge Folgendes:

Da der Kläger seine Kündigungsschutzklage gegen den Beklagten zu 1) auf die Behauptung stützt, der Betrieb sei bereits vor der Kündigung des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte zu 2) oder die Beklagte zu 3) übergegangen, ist diese Klage als unbegründet abzuweisen.

Soweit er mit der Klage den ungekündigten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 31. Juli 2007 hinaus zu der Beklagten zu 2) geltend macht, ist zu beachten, dass der Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte zu 2) und der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu ihr bereits Gegenstand des Verfahrens 3 Ca 2449/07 ist. Insoweit ist die Klage unzulässig wegen anderweitiger Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 3 Ziff. 1 ZPO). Für den Antrag auf Feststellung, dass das auf die Beklagte zu 2) übergegangene Arbeitsverhältnis auch durch sonstige Beendigungstatbestände nicht aufgelöst ist, gilt, dass eine solche Feststellungsklage nur dann zulässig ist, wenn der klagende Arbeitnehmer bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung weitere Kündigungen oder Beendigungssachverhalte in den Prozess einführt oder wenigstens deren Möglichkeit glaubhaft macht. Ein solches Vorbringen fehlt bislang (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 27. Januar 1994 - 2 AZR 484/93 -; KR-Friedrich, 8. Aufl., § 4 KSchG Rdn. 249).

Soweit er mit der vorliegenden Klage den ungekündigten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu der Beklagten zu 3) geltend macht, ist keine Vorgreiflichkeit des Verfahrens 3 Ca 2449/07 gegeben. Eine rechtskräftige Entscheidung des Rechtsstreits 3 Ca 2449/07 wirkt nach § 325 ZPO nur zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2). Für den Antrag auf Feststellung, dass das auf die Beklagte zu 3) übergegangene Arbeitsverhältnis auch durch sonstige Beendigungstatbestände nicht aufgelöst ist, gelten die vorstehenden Ausführungen, soweit sie den gegen die Beklagte zu 2) gleichlautend gerichteten Antrag betreffen, entsprechend.

Nach alledem konnte der Aussetzungsbeschluss keinen Bestand haben.

Einer Kostenentscheidung bedurfte es nicht. Es fallen keine Gerichtskosten an, da die sofortige Beschwerde Erfolg hatte. Die außergerichtlichen Kosten sind Teil der Gesamtkosten des Rechtsstreits, über die nach §§ 91 ff. ZPO zu entscheiden ist.

Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht zulässig. Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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