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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 31.08.2006
Aktenzeichen: 5 TaBV 37/06
Rechtsgebiete: BetrVG, TVG Einzelhandel


Vorschriften:

BetrVG § 99
TVG Einzelhandel § 9
Einzelfall; Eingruppierung einer mit Schwerpunkt "Back Office" im Servicebereich einer Möbelfirma eingesetzten Verkaufsmitarbeiterin.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 24.03.2006 geändert:

Die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der Mitarbeiterin Pin die Gehaltsgruppe G I, 4. Berufsjahr des Gehaltstarifvertrages für den Einzelhandel NRW wird ersetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

Die Beteiligten streiten über eine tarifgerechte Eingruppierung der Mitarbeiterin P M .

Diese war bis zum Oktober 2005 im Kundenservice mit Schwerpunkt Kasse eingesetzt und sollte gemäß Mitteilung der Arbeitgeberin an den Betriebsrat über eine beabsichtigte Versetzung/Umgruppierung nach § 99 BetrVG vom 17.10.2005 zum 18.10.2005 in den Kundenservice mit Schwerpunkt "Back Office" bei gleichbleibender Eingruppierung nach G I, 4. Berufsjahr versetzt werden. Nachdem der Betriebsrat seine Zustimmung zur Versetzung und deren vorläufige Durchführung erteilt hat, ist zwischen den Beteiligten lediglich noch die Eingruppierung umstritten.

Die Arbeitgeberin hat vorgetragen, die Eingruppierung von Frau M in Gruppe G I sei zutreffend, da den Arbeitnehmern im Bereich des Kundenservice jeweils eine Schwerpunkttätigkeit zugewiesen und garantiert werde, dass sie zu mehr als 50 % in dem Schwerpunktbereich tätig würden. Die Eingruppierung habe nach Gehaltsgruppe G I zu erfolgen, weil es sich um einfache kaufmännische Tätigkeiten im Sinne dieser Tarifgruppe handle. Dabei sei zwischen den Beteiligten bisher unstreitig gewesen, dass sämtliche Tätigkeiten im Kundenservice mit den Einzelbereichen Kasse, Return/Warenausgabe, Back Office und Service für sich genommen als einfache kaufmännische Tätigkeit im Sinne der Gehaltsgruppe G I zu werten seien.

Auch die Tätigkeit im Back Office sei eine einfache kaufmännische Tätigkeit. Die Mitarbeiter hätten Kundenanliegen zu bearbeiten, Kundengespräche zu führen und Kundenbriefe zu formulieren, die Einzelaufgaben ergeben sich insoweit - für alle Tätigkeiten im Kundenservice -aus der vom Betriebsrat zu den Akten gereichten Aufstellung über sämtliche Bereiche des Kundenservice (Bl. 23 - 33 GA).

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Zustimmung des Antragsgegners zur Eingruppierung von Frau P M in G I, 4. Berufsjahr zu ersetzen.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, schon aus dem Vorbehalt kurzfristiger Versetzungen der Mitarbeiter in den jeweils anderen Schwerpunktbereich ergebe sich, dass die Mitarbeiter im Bereich des Kundenservice im Bezug auf den veränderten flexiblen Einsatz auch erweiterte Qualifikationen benötigen. Zudem sei die Tätigkeit in den insgesamt vier Bereichen des Kundenservice nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ anspruchsvoller, als wenn Arbeitnehmer nur in einem einzigen Bereich tätig würden. Einfache kaufmännische Tätigkeiten würden hierfür nicht ausreichen, vielmehr seien erweiterte Fachkenntnisse nach Gehaltsgruppe II erforderlich.

Das Arbeitsgericht hat durch einen am 24.03.2005 verkündeten Beschluss den Antrag der Arbeitgeberin mit der Begründung zurückgewiesen, das Anforderungsprofil im Schwerpunktbereich Back Office gehe über die einfache Kassierertätigkeit sowie einfache Büroarbeiten im Sinne der Gehaltsgruppe I hinaus und entspreche den gehobenen Tätigkeiten im Bereich der Gehaltsgruppe II.

Gegen die ihr am 31.05.2006 zugestellte Entscheidung hat die Arbeitgeberin am 27.06.2006 beim Landesarbeitsgericht Beschwerde eingelegt, welche sie am 25.07.2006 begründet hat:

Bei den im des Bereich Back Office anfallenden Tätigkeiten wie Annahme schriftlicher Reklamationen, kundenfreundliche Abwicklung von Reklamationen und Kundenkorrespondenz mit Textbausteinen handele es sich um klassische Tätigkeiten, wie sie im Rahmen einer Berufsausbildung zum Einzelhandelskaufmann/-kauffrau vermittelt würden und damit um Tätigkeiten im Sinne der Gehaltsgruppe I. Erweiterte Fachkenntnisse würden dafür nicht benötigt. Erst Recht fehle es an der für Gehaltsgruppe II erforderlichen größeren Verantwortung.

Die Arbeitgeberin und Beschwerdeführerin beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln - 5 BV 210/05 - vom 24.10.2006 nach den Schlussanträgen der Arbeitgeberin zu entscheiden.

Der Betriebsrat und Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Mit der Beschwerdeerwiderung verteidigt er die angefochtene Entscheidung und nimmt auf sein erstinstanzliches Vorbringen Bezug.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.

II. Die an sich statthafte Beschwerde der Arbeitgeberin ist in gesetzlicher Form und Frist eingelegt und begründet worden, sie ist somit zulässig. Sie ist auch in der Sache begründet. Die von der Antragstellerin vorgesehene Eingruppierung für die Tätigkeit, die Frau M ab dem 18.10.2005 zugewiesen wurde, in Gehaltsgruppe I des Gehaltstarifvertrages für den Einzelhandel ist N (GTV) ist zutreffend.

Nach § 3 GTV betrifft die Gehaltsgruppe I

"Angestellte mit einfacher kaufmännischer Tätigkeit",

wobei als Tätigkeitsbeispiele "Kassierer mit einfacher Tätigkeit" oder "Verkäufer" erwähnt werden.

Demgegenüber ist die Gehaltsgruppe II anzuwenden für

"Angestellte mit einer Tätigkeit, die erweiterte Fachkenntnisse und eine größere Verantwortung erfordert",

wobei als Beispiele genannt sind "Erste Verkäufer" sowie "Abteilungsaufsichten" oder "Kassierer mit gehobener Tätigkeit".

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die in Gehaltsgruppe I und Gehaltsgruppe II genannten Tätigkeitsbeispiele auf die von Frau M ab 18.10.2005 ausgeübte Tätigkeit - mit Schwerpunkt "Back Office" - nicht zutreffen. Bei der Auslegung der allgemeinen Merkmale ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts indessen zu berücksichtigen, dass die in den Gehaltsgruppen aufgeführten Richtbeispiele Richtlinien für die Auslegung der allgemeinen Tätigkeitsmerkmale darstellen (BAG vom 30.09.1987 - 4 AZR 303/87 -, n. v.; BAG E 45, 121, 126 = AP Nr. 134 zu § 1 TVG Auslegung). Hieraus ergibt sich, dass unter den in der Gehaltsgruppe II im Vergleich zu den in der Gehaltsgruppe I mit einfacher Tätigkeit genannten "Ersten" Mitarbeitern mangels anderweitiger Anhaltspunkte Mitarbeiter mit besonderen, außergewöhnlichen Aufgaben zu verstehen sind (BAG vom 30.09.1987 a. O.; BAG vom 16.03.1983 - 4 AZR 259/80 -). Die Gehaltsgruppe II erfasst kaufmännische Tätigkeiten, die sich aus einfachen kaufmännischen Tätigkeiten deutlich hervorheben (BAG a.a.O.).

Nach diesem Maßstab ist die von der Mitarbeitern Maskiewicz ausgeübte Schwerpunkttätigkeit im Back Office - mit kurzfristigen , flexiblen Einsatz auch in den anderen Bereichen des Kundenservice - insgesamt nicht als deutlich hervorgehobene Tätigkeit zu werten.

Dabei mag unterstellt werden, dass im Hinblick auf die Möglichkeit, dass Mitarbeiter mit "Schwerpunkttätigkeit" auch in anderen Bereichen des Bereichs "Kundenservice" eingesetzt werden, von diesen umfangreiche, nicht nur auf einen Teil oder einen Ausschnitt der insgesamt im Bereich Kundenservice anfallenden Tätigkeiten beschränkte Fachkenntnisse erwartet werden, die wegen der Vielzahl der gestellten Aufgaben durchaus als "erweiterte Fachkenntnisse" im Tarifsinn angesehen werden können. Ob dies, wie das Arbeitsgericht angenommen hat, auch schon für den Teilbereich Back Office - u.a. aufgrund der dort beispielsweise für verschiedene Bereiche erforderlichen EDV-Kenntnisse sowie der Produktkenntnisse und Kenntnisse der für die Listenbearbeitung erforderlichen Listen, für die jeweils nach dem vom Betriebsrat vorgelegten Anforderungsprofil entsprechende Schulungsmaßnahmen vorgesehen sind (vgl. Bl. 29 - 31 GA) - kann dahin gestellt bleiben.

Jedenfalls fehlt es nach Auffassung der Kammer an der für die Gehaltsgruppe II zusätzlich zu den erweiterten Fachkenntnissen erforderlichen "größeren Verantwortung". Unter Verantwortung versteht man nach dem allgemeinen Sprachgebrauch die mit einer bestimmten Stellung oder Aufgabe verbundene Verantwortung, d. h. die Verpflichtung, der jeweiligen Stellung oder Aufgabe entsprechend dafür zu sorgen, dass innerhalb eines bestimmten Rahmens oder Lebensbereiches alles einen guten, sachgerechten und geordneten Verlauf nimmt. In diesem Sinn ist unter Verantwortung im Sinne des Tarifmerkmals die Verpflichtung des Angestellten zu verstehen, dafür einstehen zu müssen, dass er in dem ihm übertragenen Arbeitsbereich "Back Office" die dort zu erledigenden Aufgaben sachgerecht, pünktlich und vorschriftsmäßig ausführt (BAG vom 12.06.1996 - 4 AZR 1055/94 - AP Nr. 215 zu §§ 22, 23 BAT; BAG vom 25.11.1998 - 10 ABR 65/97 - , n. v.). Für eine Eingruppierung in die Gehaltsgruppe II GTV genügt nicht die jedem Angestellten im kaufmännischen Bereich obliegende Verantwortung für eine ordnungsgemäße Erledigung der übertragenen Aufgaben. Vielmehr verlangt die Gehaltsgruppe II eine "größere" Verantwortung. Entscheidend ist insoweit, ob der Mitarbeiter für seine Aufgabe eigene Entscheidungen treffen kann oder muss. Eine größere Verantwortung kann, wie sich aus den Richtbeispielen zur Gehaltsgruppe II GTV ergibt, auf einer Aufsichtstätigkeit oder der Übernahme zusätzlicher Aufgaben oder darauf beruhen, dass ein Arbeitnehmer keiner oder einer nur lockeren Kontrolle unterliegt oder dass er allein eingesetzt ist (vgl. LAG Frankfurt vom 15.03.2005 - 18/4/12 TaBV 87/94).

Alle diese Voraussetzungen liegen bei der Mitarbeiterin M nicht vor. Dass sie allein eingesetzt ist oder keiner Kontrolle unterliegt oder dass sie gar anderen Arbeitnehmern vorgesetzt ist, geht aus dem beiderseitigem Vortrag nicht hervor. Soweit es um die Entscheidungskompetenzen im Bereich Back Office geht, ist aus der vom Betriebsrat überreichten Aufgabenbeschreibung nicht ersichtlich, dass die Mitarbeiter in diesem Bereich in nennenswertem Umfang zu Kulanzentscheidungen und damit etwa zu Entscheidungen befugt sind, die sich auf das Vermögen der Arbeitgeberin unmittelbar und in erheblicher Weise auswirken.

Eine größere Verantwortung könnte zwar nach Auffassung der Kammer unter Umständen für den vorübergehenden Einsatz in anderen Bereichen angenommen werden als dem Bereich "Back Office", in dem für die Mitarbeiterin Maskiewicz die Schwerpunkttätigkeit vorgesehen ist - etwa bei der Kinderbetreuung im Bereich Smaland, bei der durch fehlerhaftes Verhalten der Mitarbeiterin nicht nur vermögenswerte Interessen der Arbeitgeberin berührt werden, sondern sogar gesundheitliche Schäden der betreuten Kinder mit erheblichen haftungsrechtlichen Konsequenzen für die Arbeitgeberin entstehen können. Dies würde jedoch der Eingruppierung der Mitarbeiterin nichts ändern, da zwischen den Beteiligten unstreitig ist, dass vorübergehend ausgeübte Tätigkeiten in anderen Bereichen als dem der Schwerpunkttätigkeit nicht die überwiegende Tätigkeit der Mitarbeiterin ausmachen und daher nicht eingruppierungsrelevant sind.

Dem Antrag auf Ersetzung der Zustimmung nach § 99 Abs. 4 BetrVG ist hiernach stattzugeben.

Die Rechtsbeschwerde wurde gemäß § 92 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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