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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 22.05.2003
Aktenzeichen: 6 (3) Sa 194/03
Rechtsgebiete: BGB, LPVG NW, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 626 Abs. 1
BGB § 140
LPVG NW § 66 Abs. 3 Satz 3
ArbGG § 12 Abs. 7 Satz 1
ArbGG § 72 Abs. 2
ZPO § 3
ZPO § 92 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 6 (3) Sa 194/03

Verkündet am: 22.05.2003

In dem Rechtsstreit

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 22.05.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Kalb als Vorsitzenden sowie die ehrenamtliche Richterin Wefers-Bruckhaus und den ehrenamtlichen Richter Berghaus

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufungen der Parteien wird das am 17.10.2002 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln - 11 Ca 12761/01 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten nicht vor dem 30.06.2002 beendet worden ist. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

2. Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 5.052,96 € nebst 8,62 % Zinsen seit dem 20.12.2001 zu zahlen. Im übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert beträgt unverändert 18.212,70 €.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung durch die Beklagte vom 14.12.2001 und über die Pflicht des Klägers zur Erstattung von Detektivkosten in Höhe von 9.864,65 € sowie einer Überzahlung in Höhe von 218,51 €.

Der am 12.10.1949 geborene, verheiratete und gegenüber einem Kind unterhaltspflichtige Kläger war seit dem 01.08.1985 bei der beklagten Stadt zunächst als Leiter des Bauhofs und nach einer Umsetzung ab 1993 als Bauaufseher im Bereich Verkehrsflächen tätig. Sein monatlicher Bruttoverdienst betrug zuletzt 5.300,- DM. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 17.10.2002 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden ist, und den Kläger auf die Widerklage verurteilt, an die Beklagte 9.864,65 € nebst 8,62 % Zinsen seit dem 20.12.2001 zu zahlen. Die weitergehende Widerklage hat es abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im wesentlichen ausgeführt: Soweit die Beklagte dem Kläger einen sog. Gleitzeitbetrug vorwerfe, fehle es unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände am Vorliegen eines Kündigungsgrundes, weil es sich letztlich nur um einen geringfügigen Kernzeitverstoß handele. Auch die unstreitige Ausübung privater Geschäfte während der Arbeitszeit rechtfertige vor dem Hintergrund eines mehr als 16jährigen Arbeitsverhältnisses ohne eine vorherige Abmahnung keine außerordentliche, fristlose Kündigung des Klägers. Demgegenüber sei der Anspruch auf Erstattung der Detektivkosten in voller Höhe begründet, weil die Überwachung wegen eines konkreten Tatverdachts gegen den Arbeitnehmer zulässig gewesen und der Kläger auch einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der arbeitsgerichtlichen Entscheidungsgründe wird auf Blatt 134 ff. der Akten Bezug genommen.

Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts haben beide Parteien fristgerecht Berufung eingelegt. Die Beklagte rügt, das Arbeitsgericht habe übersehen, dass es sich bei dem unstreitigen Fehlverhalten des Klägers im Zusammenhang mit dem Verlassen des Arbeitsplatzes und dem Bedienen der Stechuhr sowie der Ausübung der Nebentätigkeit während der Krankschreibung nicht um einen Einzelfall gehandelt habe. Das Ergebnis der auf eine Woche beschränkten Observation habe den Verdacht bestätigt, dass der Kläger sein Fehlverhalten bereits langfristig und systematisch praktiziert habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 17.10.2002 - 11 Ca 12761/01 - abzuändern und

1. die Klage abzuweisen sowie

2. den Kläger zu verurteilen, an sie 10.083,16 € nebst 8,62 % Zinsen seit dem 20.12.2001 zu zahlen,

3. die Berufung des Klägers und Widerbeklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 17.10.2002 - 11 Ca 12761/01 - zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Abänderung des am 17.10.2002 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Köln - 11 Ca 12761/01 - die Widerklage abzuweisen und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er trägt vor, die Beklagte habe vor der Beauftragung der Detektei keinen Preisvergleich angestellt, überhöhte Preise akzeptiert und dadurch gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen. Nach seiner Berechnung hätten allenfalls Kosten in Höhe von 5.052,96 € entstehen dürfen. Im übrigen stelle der Verdacht der Beklagten, dass er sein Fehlverhalten langfristig und systematisch praktiziert habe, eine Fehleinschätzung dar, die durch nichts belegt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufungen der Parteien sind zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden sind.

II. Die Rechtsmittel haben auch in der Sache teilweise Erfolg.

1. Auf die Berufung der Beklagten war unter Abweisung der Klage im übrigen festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist nicht vor dem 30.06.2002 beendet worden ist. Nach dem zugrunde zu legenden Sachverhalt kann der Beklagten eine dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden, weil der eingetretene Vertrauensverlust durch den unstreitigen Arbeitszeitbetrug sowie den dringenden Tatverdacht fortgesetzter Gleitzeitmanipulationen irreparabel ist.

Mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass der Arbeitszeitbetrug des Klägers an sich - unabhängig von seinem Umfang - einen wichtigen Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellt. Der Arbeitnehmer, der dem Arbeitgeber geleistete Arbeitszeit vorspiegelt, z. B. um einer nebenberuflichen Tätigkeit nachzugehen, verletzt die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis und kann im allgemeinen fristlos entlassen werden (vgl. BAG 26.08.1993 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 148). Auch eine Gleitzeitmanipulation kann je nach den Umständen einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen (vgl. BAG 12.08.1999 EzA § 123 BGB Nr. 53). Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch an (vgl. Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 8. Auflage, Rdnr. 641 m.w.N.).

Hier steht nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten und dem Ergebnis der Observation unter anderem fest, dass der Kläger am Freitag, dem 30.11.2001, um 10.26 Uhr sein Büro im Rathaus verließ, um in den Außendienst zu gehen (sog. Dienst-Buchung um 10.22). Auf dem Weg zur Baustelle "Wstraße" machte er einen Umweg über den Ortsteil M, wo er die dortige Filiale der Kreissparkasse aufsuchte. Anschließend fuhr er zur Baustelle in der nahegelegenen "Wstraße" und sprach dort mit einem Arbeiter. Der Aufenthalt auf der Baustelle dauerte insgesamt etwa 8 Minuten und endete um 11.03 Uhr. Der Kläger begab sich dann zu einer Postfiliale in S, danach um 11.20 Uhr über die A3 in Richtung O nach L, wo er einen Zigarettenautomaten auffüllte. Von dort aus fuhr er zu seiner Wohnung nach P, die er gegen 12.00 Uhr erreichte. Der Kläger verließ die Wohnung eine halbe Stunde später, ohne ins Büro zurückzukehren.

Der Kläger muss sich daher vorhalten lassen, schon die Kernzeit, die freitags bis 12.30 Uhr besteht, um eine gute Stunde unterschritten zu haben. Jedenfalls gegen 11.30 Uhr verließ er die Stadtgrenzen, um seiner Nebentätigkeit nachzugehen und schließlich nach Hause zu fahren. Eine dienstliche Zuordnung seiner Tätigkeit ab diesem Zeitpunkt scheidet aus, so dass von einem "lediglich 1/2-stündigen Kernzeitverstoß" wie das Arbeitsgericht abmildernd formuliert hat, keine Rede sein kann. Dem Kläger war auch bekannt, dass das bei der Beklagten benutzte Zeiterfassungssystem freitags nach dem Ausbuchen zu einem Dienstgang automatisch eine Arbeitszeit bis 15.00 Uhr festhält.

Der Kläger hat sich im Prozess damit zu verteidigen versucht, er habe eine sog. Zeitausgleichskarte ausfüllen wollen, um die Minderarbeitszeit an diesem Tag zu dokumentieren. Es bestehe insoweit eine Übung bei der Beklagten, dass jeder Arbeitnehmer bis zu 50 Arbeitsstunden "Soll oder Haben" machen könne. Es habe keine Weisung gegeben, wann diese Zeitausgleichskarte auszufüllen sei. Im übrigen seien Zeitausgleichskarten auch für Fehlstunden innerhalb der Kernzeit akzeptiert worden.

Die Beklagte hat dies unter Hinweis auf die damals gültige Dienstvereinbarung über die gleitende Arbeitszeit vom 02.09.1992 dezidiert bestritten: Daraus ergibt sich, dass wenigstens einmal im Monat eine Korrekturkarte auszufüllen war, wenn der Arbeitnehmer seinen Dienst im Außendienst begann oder beendete (Ziffern 4.3, 6.5). Die maximal zulässige Stundendifferenz betrug lediglich 12 Stunden (Ziffer 10.1). Ein Abbau von Mehrstunden war lediglich außerhalb der Kernzeiten zulässig (Ziffer 10.1). Wenn die Beklagte aus dem Gesamtverhalten des Klägers vor und nach dem 30.11.2001 den Schluss zieht, bei der von ihm reklamierten Möglichkeit des Ausfüllens einer Zeitausgleichskarte handele es sich um eine Schutzbehauptung, er habe davon "ja auch sonst nicht" Gebrauch gemacht, so gibt es dafür in der Tat konkrete Anhaltspunkte: Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten legte der Kläger in den Jahren 2000 und 2001 lediglich zwei Korrekturkarten vor. Einmal handelte es sich um geringfügige Korrekturen für die Zeit vom 22.05. bis zum 07.06.2000. Zum anderen ging es um einen ganztätigen Lehrgang am 26.10.2000, der mit der Korrekturkarte vom 30.10.2000 erfasst wurde. In Anbetracht der zu den Akten gereichten Monatsjournale über die Zeiterfassung für März 2000 bis November 2001 kann kaum angenommen werden, dass der Kläger nach über einem Jahr ausgerechnet am Freitag, dem 30.11.2001, erstmalig wieder eine Korrekturkarte ausfüllen wollte. Dies erscheint in hohem Maße unglaubwürdig, weil er ein vorzeitiges Dienstende im Außendienst während der beiden vorangegangenen Jahre nicht mitgeteilt hat, obwohl er insbesondere freitags oft bereits am frühen Vormittag in den Außendienst ging, ohne wieder zurückzukehren. Bereits in dem Anhörungsschreiben an den Personalrat vom 05.12.2001 heißt es dazu:

"Die Auswertung dieser Unterlagen erhärtete den Verdacht, weil Herr K häufig (fast immer) vormittags in den Außendienst geht und meist nicht mehr zurückkehrt. Die automatische Zeiterfassung registriert dann ein Dienstende von 16 Uhr (Mo bis Do) bzw. 15 Uhr (Fr). Erfahrungsgemäß dauern Baustellentermine auch dann, wenn aufgemessen wird oder Anliegergespräche anstehen, kaum länger als 2 bis 3 Stunden, keinesfalls aber 6 bis 7 Stunden täglich. Bei Auswertung weiterer Monatsjournale (rückwirkend erstellt ab März 2001) zeigte sich eine extreme Regelmäßigkeit, wobei er nur an wenigen Tagen auch nachmittags im Haus war, sondern meist nach nur kurzer Anwesenheit für den Rest des Tages auf Dienstgang war."

Den Monatsjournalen für Oktober und November 2001 (Kopie Bl. 65 ff. d. A.) lässt sich zum Beispiel entnehmen, dass der Kläger etwa an den Freitagen 05.10., 12.10., 19.10., 26.10., 02.11., 09.11. und 16.11. jeweils am frühen Vormittag, teilweise sogar schon eine Stunde nach Arbeitsaufnahme, das Büro mit der Ausbuchung "Geht/Dienstgang = d" verließ, ohne an diesen Tagen wieder zur Dienststelle zurückzukehren. Es findet sich jeweils die automatische Schlussbuchung mit 15.00 Uhr. Daraus ergibt sich im Zusammenhang mit der während der Arbeitszeit ausgeübten Nebentätigkeit und dem unstreitigen Sachverhalt vom 30.11.2001 der dringende Verdacht eines längerfristigen Gleitzeitbetruges.

Der Kläger kann sich insbesondere wegen des Kernzeitverstoßes am 30.11.2001 auch nicht damit rechtfertigen, dass Zeitausgleichskarten auch für Fehlstunden innerhalb der Kernzeit akzeptiert worden seien. Er hat keinen einzigen konkreten Beispielsfall für eine von der Dienstvereinbarung abweichende Praxis bei der Beklagten aufgezeigt. Dazu hätte umso mehr Veranlassung bestanden, als die Beklagte eingewandt hat, eine solche Ausnahme hätte einer vorherigen Absprache mit dem Vorgesetzten bedurft. Der vom Kläger angebotene Zeugenbeweis für die von ihm behauptete betriebliche Übung war daher wegen der Unzulässigkeit eines Ausforschungsbeweises nicht zu erheben.

Nach alledem kann der Beurteilung entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht nur ein geringfügiger Kernzeitverstoß zugrunde gelegt werden. Vielmehr besteht neben der unstreitigen Kernzeitunterschreitung vom 30.11.2001 der dringende Verdacht, dass der Kläger in erheblichem Umfang Gleitzeitmanipulationen vorgenommen hat. Darauf hat die Beklagte von Anfang an die Kündigung zusätzlich gestützt, wie schon bei der Anhörung des Personalrats deutlich geworden ist. Auch in der Klageerwiderung ist die Entstehung des Verdachts bis hin zur Beauftragung der Detektei wie folgt geschildert worden:

"Unter dem 21.11.2001 stellte er (der Kläger) einen Antrag auf Genehmigung einer Nebentätigkeit für das Auffüllen von Automaten für den Auftraggeber K im Einsatzort B und B. Der Arbeitsumfang sollte laut Antrag zwei Stunden pro Woche betragen. In dem Nebentätigkeitsantrag ist darüber hinaus angekreuzt, dass derzeit keine weiteren Nebentätigkeiten ausgeübt werden.

Der Antrag stieß bei den Vorgesetzten des Klägers und Widerbeklagten auf Bedenken. Ihnen war nämlich zu Ohren gekommen, dass der Kläger die beantragte Nebentätigkeit bereits ausführte. Zudem barg der Einsatzort B die Gefahr, dass er als Bauaufseher im Außendienst das Auffüllen und die Reparatur von Automaten während der Arbeitszeit durchführte. Ebenfalls war zu befürchten, dass er auch während seiner Dienstzeit tätig werde, wenn er über einen Schadensfall in Bergisch Gladbach informiert werde.

Aus diesem Grund und einem weiteren aktuellen Vorfall im Zusammenhang mit einem Bauauftrag wurde das Monatsjournal der Zeiterfassung des Klägers und Widerbeklagten für die Monate Oktober/November 2001 überprüft.

Die Auswertung dieser Unterlagen erhärtete den Verdacht, weil der Kläger und Widerbeklagte häufig (fast immer) vormittags in den Außendienst ging und von dort meist nicht mehr zurückkehrte ....

Um zu überprüfen, ob der Verdacht, während des Dienstes würde der Kläger Nebentätigkeiten ausüben, begründet sei, hat der Zeuge H eine Detektei mit der Observation des Klägers und Widerbeklagten beauftragt. Dies geschah insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein Mitarbeiter, der im Außendienst tätig ist, das unbedingte Vertrauen seiner Vorgesetzten haben muss, dass er die häufige Abwesenheit von der Dienststelle nicht dazu ausnutzt, einerseits private Dinge zu erledigen. Zum anderen muss ein Mitarbeiter, der - wie der Kläger und Widerbeklagte - mit Bauüberwachung, Aufmaßen und Abrechnung betraut ist, das ganz besondere Vertrauen seiner Vorgesetzten genießen."

Der Betriebsleiter T der Beklagten hat diesen Geschehensablauf in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nochmals im einzelnen nachvollziehbar erläutert.

Die Beklagte war aus Rechtsgründen auch nicht daran gehindert, die außerordentliche Kündigung als Tat- und Verdachtskündigung auszusprechen, nachdem sie den Personalrat umfassend zu beiden Aspekten angehört hatte. Die Zusammenschau beider Begründungselemente führt letztlich dazu, dass der Beklagten eine Fortsetzung des ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnisses (§ 53 Abs. 3 BAT) bis zum Erreichen der Altersgrenze des Klägers nicht mehr zugemutet werden konnte.

Bei der stets vorzunehmenden Interessenabwägung nach Feststellung des wichtigen Grundes "an sich" ist nämlich zu berücksichtigen, dass der dringende Verdacht eines planvollen, langfristig angelegten Gleitzeitbetruges besteht. Diesen Verdacht hat der Kläger nicht ausräumen können, sondern eher noch verstärkt, indem er bei seiner Anhörung vor Ausspruch der Kündigung in Anwesenheit von zwei Personalratsmitgliedern und der Gleichstellungsbeauftragten zu den Vorwürfen keine Erklärung abgab. Auch in der Zeit bis zum Ausspruch der Kündigung vom 14.12.2001 holte er dies nicht nach. Diese Umstände müssen sich im Rahmen der Interessenabwägung zum Nachteil des ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers auswirken. Während bei einmaligen Vorfällen ohne erhebliche Wiederholungsgefahr die Unkündbarkeit für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses spricht, kann bei Dauertatbeständen oder Vorfällen mit ausgeprägter Wiederholungsgefahr für den Arbeitgeber ein Festhalten an dem Arbeitsverhältnis eher unzumutbar sein, als bei einem ordentlich kündbaren Arbeitsverhältnis (vgl. BAG 21.06.2001 - 2 AZR 30/00 - Juris).

Im Streitfall ist davon auszugehen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der festgestellten Arbeitszeitmanipulation und des weitergehenden Verdachts eines systematischen Vorgehens des Klägers dauerhaft schwer belastet ist, was einer Weiterbeschäftigung bis zum Eintritt in den Ruhestand entgegensteht. Andererseits sprechen das Lebensalter des Klägers und die bisherige Dauer des - soweit ersichtlich unbeanstandeten -Arbeitsverhältnisses von mehr als 15 Jahren dafür, dass die Beklagte bei unterstellter ordentlicher Kündbarkeit lediglich eine fristgerechte Kündigung ausgesprochen hätte. Eine vorübergehende Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zu dem dann absehbaren Ende am 30.06.2002 war der Beklagten auch noch zumutbar, wobei auch eine Freistellung des Klägers in Betracht zu ziehen gewesen wäre. In diesen Fällen ist dem Arbeitnehmer zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs eine der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuräumen (vgl. BAG 21.06.2001 - 2 AZR 30/00 - Juris).

Das Berufungsgericht hat die streitbefangene fristlose Kündigung mit Rücksicht darauf nach § 140 BGB in eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist zum 30.06.2002 (§ 53 Abs. 2 BAT) umgedeutet, nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, hilfsweise sei auch eine solche Kündigung gewollt gewesen. Einer Umdeutung stand hier auch nicht die nur zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung erfolgte Anhörung des Personalrats entgegen, weil dieser die Kündigung unter dem 12.12.2001 nicht etwa abgelehnt, sondern zur Kenntnis genommen hat mit der Rechtsfolge, dass sie gem. § 66 Abs. 3 Satz 3 LPVG NW als gebilligt gilt.

2. Die Berufung des Klägers hat insoweit Erfolg, als die Widerklage nur in Höhe eines Betrages von 5.052,96 € begründet ist.

Das Arbeitsgericht hat im Ausgangspunkt zutreffend zugrundegelegt, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die durch das Tätigwerden eines Detektivs entstandenen notwendigen Kosten zu ersetzen hat, wenn der Arbeitgeber anlässlich eines konkreten Tatverdachts gegen den Arbeitnehmer einem Detektiv die Überwachung des Arbeitnehmers überträgt und der Arbeitnehmer einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt wird (BAG 03.12.1985 - 3 AZR 277/84 - BB 1987, 689; BAG 17.09.1998 - 8 AZR 5/97 - EzA § 249 BGB Nr. 23).

Der Kläger hat substantiiert bestritten, dass die von der Beklagten aufgewandten Kosten notwendig und angemessen waren. Er hat auf der Grundlage seinerseits eingeholter Angebote für den Einsatz von 2 "Sachbearbeitern", die für Observations- und Ermittlungstätigkeiten "grundsätzlich" erforderlich sein sollen, eine Gegenrechnung erstellt, die zu einem Gesamtbetrag von 5.052,96 € führt (Bl. 164 d. A.). Jedenfalls in dieser Höhe werden die Detektivkosten an sich auch von ihm als notwendig anerkannt. Dies war in Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils für die Verurteilung maßgebend.

III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG, 3, 92 Abs. 1 ZPO.

IV. Die Revision war nicht gem. § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Insbesondere hatte die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalls beruht.

Ende der Entscheidung

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