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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 15.07.2004
Aktenzeichen: 6 (9) Sa 195/04
Rechtsgebiete: KSchG, BetrVG


Vorschriften:

KSchG § 4
KSchG § 7
BetrVG § 77 Abs. 4
Eine Kündigungsschutzklage kann ausnahmsweise wegen fehlenden Feststellungsinteresses unzulässig sein, wenn die Wirksamkeit eines anderen vor oder gleichzeitig mit dem Ablauf der Kündigungsfrist eintretenden Beendigungstatbestands unstreitig oder rechtkräftig festgestellt ist.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 (9) Sa 195/04

Verkündet am 15. Juli 2004

In Sachen

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 15.07.2004 durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Dr. Kalb als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Bierhoff und Voßkötter

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 11.12.2003 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg - 1 Ca 3541/03 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung vom 06.08.2003 mit sozialer Auslauffrist zum 31.03.2004 (Kopie Blatt 14 d. A.), die dem Kläger vor Abschluss des Auflösungsvertrages vom 06.08.2003 zum 30.09.2003 (Kopie Blatt 24 ff. d. A.) übergeben wurde. Ferner verlangt der Kläger die Zahlung einer weitergehenden Abfindung in Höhe der Differenz zwischen der im Auflösungsvertrag vereinbarten Summe von 90.626,46 € und dem sog. Sozialplananspruch von 125.952,20 €. Von der erneuten Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 11.12.2003 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Feststellungsklage sei wegen des Auflösungsvertrages mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig und die Zahlungsklage sei unbegründet, weil der Kläger nicht dem Sozialplan unterfalle.

Der Kläger beantragt mit seiner Berufung,

das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 11.12.2003 - 1 Ca 3541/03 - abzuändern und

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht mit Schreiben vom 06.08.2003 ausgesprochene außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist zum 31.03.2004 sein Ende finden wird;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 35.322,74 € brutto nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

1. Die Berufung des Klägers ist zwar zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist.

2. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die dagegen gerichteten Angriffe der Berufung führen zu keiner anderen Beurteilung. Im Einzelnen gilt Folgendes:

a) Die mit der Berufung weiterverfolgte Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG ist unzulässig, weil das Arbeitsverhältnis der Parteien durch den bestandskräftigen Auflösungsvertrag vom 06.08.2003 bereits zum 30.09.2003 beendet wurde.

Zwar ist ein besonderes Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO wegen der Rechtsfolge des § 7 Halbsatz 1 KSchG nicht notwendig. Ein Interesse an der Feststellung der Sozialwidrigkeit einer Kündigung fehlt jedoch ausnahmsweise dann, wenn die Wirksamkeit eines anderen vor- oder gleichzeitig mit dem Ablauf der Kündigungsfrist eintretenden Beendigungstatbestands zwischen den Parteien unstreitig oder rechtskräftig festgestellt ist (vgl. BAG 11.02.1981 - 7 AZR 12/79 - EzA § 4 KSchG n. F. Nr. 20; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 8. Auflage, Rz. 1740; HWK/Pods/Quecke, ArbeitsrechtKommentar, § 4 KSchG Rz. 11).

So liegt der Fall hier: Beide Parteien sind auch vor dem Berufungsgericht von der Wirksamkeit des unangefochtenen Auflösungsvertrages vom 06.08.2003 zum 30.09.2003 ausgegangen, dessen Zustandekommen durch den Schriftwechsel vom 21./25.08.2003 nochmals bestätigt wurde. Steht danach die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2003 fest, so entfällt das Feststellungsinteresse im Hinblick auf die zeitlich später wirkende Kündigung zum 31.03.2004. Die Fiktionswirkung des § 7 KSchG kann insoweit entgegen der Auffassung des Klägers wegen des bereits beendeten Arbeitsverhältnisses nicht mehr greifen.

b) Dem Kläger steht auch ein weitergehender Abfindungsanspruch aufgrund des durch Einigungsstellenspruch vom 09.04.2002 aufgestellten Sozialplans nicht zu.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger vom persönlichen Geltungsbereich des Sozialplans ausgenommen war. Nach der Regelung in § 1 Abs. 2 des Sozialplans sind Arbeitnehmer ausgenommen, "denen wegen eines verhaltensbedingten oder ausschließlich personenbedingten Grundes rechtswirksam gekündigt wird oder die aus diesem Grunde selbst gekündigt oder aus diesem Grund einen Auflösungsvertrag geschlossen haben". Letzteres ist hier geschehen, nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 06.08.2003 das Arbeitsverhältnis "außerordentlich personenbedingt mit sozialer Auslauffrist zum 31.03.2004" gekündigt hatte. Die Zustimmung des Integrationsamtes zu der beabsichtigten Kündigung war zuvor mit Bescheid vom 25.07.2003 (Kopie Blatt 7 f. d. A.) erteilt worden.

Der Kläger selbst bestätigt den Kausalzusammenhang mit der außerordentlichen personenbedingten Kündigung indem er ausführt, er habe nach der "mündlichen Zustimmung des Landschaftsverbandes zur Kündigung" am 28.07.2003 den Abteilungsleiter der Beklagten in M , Herrn D , angerufen und wissen wollen, was mit dem Angebot zum Ausscheiden gemäß Sozialplan sei. Dieser habe auf die "neue Situation" verwiesen und das eingeschränkte Angebot mit Schreiben vom 29.07.2003 gemacht (Kopie Blatt 127 d. A.). Er, der Kläger, habe dies schließlich am 06.08.2003 "notgedrungen" akzeptiert, wobei er allerdings bei den Verhandlungen noch erreicht habe, dass der Vergütungsanspruch für die Zeit seit dem 28.06.2003 (Meldung der Arbeitsfähigkeit) bis zum 30.09.2003 unstreitig gestellt worden sei.

Mit Abschluss dieses Auflösungsvertrages hat sich der Kläger im Rahmen der Privatautonomie etwaiger weitergehender Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, insbesondere auch aus dem Sozialplan, begeben. Er verhält sich zudem widersprüchlich, wenn er einerseits die Vorteile aus dem zur Vermeidung der Kündigungswirkungen geschlossenen Auflösungsvertrag ziehen will und gezogen hat, andererseits unter Ausblendung dieses Tatbestands geltend macht, die Voraussetzungen für ein Ausscheiden nach Maßgabe des Sozialplans seien nach wie vor gegeben. Der Kläger, selbst promovierter Jurist und darüber hinaus anwaltlich beraten, konnte seinerzeit unter Abwägung der Rechtsfolgen frei darüber entscheiden, den Auflösungsvertrag zu unterzeichnen oder nicht. Da er sich für den Abschluss des Auflösungsvertrages entschieden hat, sind dessen Bedingungen für die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses maßgebend.

Völlig zu Recht hat das Arbeitsgericht auch darauf hingewiesen, dass sich aus dem Auflösungsvertrag kein weitergehender Zahlungsanspruch des Klägers nach dem Sozialplan ergibt. So heißt es in § 1 Abs. 1 des Vertrages nicht etwa, dass der Kläger "aufgrund" des Einigungsstellenspruchs "Sozialplanfusion FhG/GMD vom 09.04.2002" ausscheide, sondern "entsprechend" dieser Regelung behandelt werde. Damit wird feinsinnig und rechtlich korrekt zum Ausdruck gebracht, dass der Sozialplan eben nicht unmittelbar Anwendung findet, sondern grundsätzlich - soweit nichts besonderes vereinbart - entsprechend angewendet werden soll. Die Parteien waren demgemäß auch nicht daran gehindert, in § 4 Abs. 1 "entsprechend dem Sozialplan" eine Abfindung vorzusehen, deren Höhe aber einvernehmlich auf 18-Brutto-Monatsbezüge festzusetzen. Da der Kläger, wie dargelegt, an sich aus dem persönlichen Geltungsbereich herausfiel, lag in dieser Vereinbarung auch keine unzulässige Abweichung von § 77 Abs. 4 BetrVG.

Der Kläger hatte auch zum Zeitpunkt der Auflösungsvereinbarung noch keinen Abfindungsanspruch nach dem Sozialplan erworben, der ihm ohne Verstoß gegen § 77 Abs. 4 BetrVG nicht mehr hätte genommen werden können. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger insoweit erneut auf das von dem Institutsleiter unterzeichnete Formular zur "Geltendmachung von Ansprüchen nach dem Einigungsstellenspruch Sozialplanfusion FhG/GMD vom 09.04.2002" (Kopie Blatt 126 d. A.). Es kann dahinstehen, ob und inwieweit sich die Beklagte mit der Herausgabe dieses Formulars und der darin enthaltenen Angaben rechtlich binden wollte. Selbst wenn man davon ausgeht, dass im Herbst 2002 ein fusionsbedingtes Ausscheiden des Klägers zum 31.12.2005 oder 31.12.2006 durch Auflösungsvertrag auf Veranlassung des Arbeitgebers beabsichtigt war, so muss der Kläger zur Kenntnis nehmen, dass ein solcher Beendigungstatbestand mit den Rechtsfolgen des Sozialplans nicht eingetreten ist. Etwaige frühere Absichten sind durch die personenbedingte Kündigung und den anschließenden Auflösungsvertrag vom 06.08.2003 mit Ausscheiden zum 30.09.2003 überholt und ersetzt worden. Daran ist der Kläger durch seine Zustimmung gebunden.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO.

III. Die Revision war nicht gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Insbesondere hatte die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalls beruht.

Ende der Entscheidung

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