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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 17.05.2006
Aktenzeichen: 6 Sa 1632/05
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 67 Abs. 4
BGB § 626
Eine Verzögerung des Rechtsstreits, die der Zulassung verspäteten Vorbringens nach § 67 Abs. 4 ArbGG entgegensteht, kann auch dadurch eintreten, dass eine umfangreiche Beweisaufnahme in dem bereits angesetzten Termin nicht mehr durchgeführt werden kann und eine Verlegung notwendig gemacht hätte.
Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 29.09.2005 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln - 8 Ca 7357/04 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung der Beklagten vom 01.07.2004, die hilfsweise ordentlich unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist ausgesprochen worden ist (Kopie Bl. 3 d. A.). Von der erneuten Darstellung des Sachverhalts wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 29.09.2005 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 01.07.2004 nicht vor dem 31.01.2005 aufgelöst worden ist. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, auf die angeblich bis zum 23.06.2004 unbekannte Konkurrenztätigkeit des Klägers, der selbst eine Spielhalle betrieben hat, könne sich die Beklagte nicht berufen, weil sie die näheren Umstände der Kenntniserlangung erst zu diesem Zeitpunkt trotz des substantiierten Bestreitens des Klägers nicht dargelegt habe.

Mit ihrer Berufung beantragt die Beklagte,

das erstinstanzliche Urteil vom 29.09.2005 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

1. Die Berufung der Beklagten ist zwar zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§ 66 Abs. 1 ArbGG).

2. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die fristlose Kündigung der Beklagten vom 01.07.2004 schon gemäß § 626 Abs. 2 BGB rechtsunwirksam ist und das Arbeitsverhältnis durch die fristgerechte Kündigung nicht vor dem 31.01.2005 aufgelöst wurde. Die Angriffe der Berufung führen zu keinem anderen Ergebnis. Ergänzend ist dazu lediglich auf Folgendes hinzuweisen:

Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Beklagten zur Frage der Kenntniserlangung von dem möglichen wichtigen Grund der unerlaubten Konkurrenztätigkeit des Klägers bleibt auch im Berufungsverfahren pauschal und zudem widersprüchlich: Während die Beklagte in der Berufungsbegründung vom 30.01.2006 vorträgt, ihr Geschäftsführer habe zufällig bei einem Gespräch am 23.06.2004 im Großhandelseinkauf von dem dortigen Verkaufsleiter, Herrn S , erfahren, dass der Kläger ebenfalls ein selbständiger Spielhallenbetreiber sei, heißt es im Schriftsatz vom 10.04.2006, der Geschäftsführer der Beklagten habe seinerzeit von einem Mitarbeiter der Firma S lediglich erfahren, dass ein gemeinsamer Bekannter, nämlich der Kläger, eine neue Spielhalle aufmachen werde und sich bei der Firma S diverse Spielgeräte angesehen habe. Erst einige Tage später habe dann der Zeuge P auf Nachfrage mitgeteilt, dass der Kläger eine Spielhalle auf dem H eröffnen werde. Gleichzeitig habe der Zeuge offenbart, dass er zwar seit Jahren nach außen hin als Inhaber der Spielhalle an der N auftrete, tatsächlich aber der Kläger der Inhaber sei.

Legt man den letzten Vortrag der Beklagten als den nun maßgeblichen für die Entscheidung zu Grunde, so bleibt offen, wann genau ("einige Tage später") der Geschäftsführer der Beklagten von dem Zeugen P über die allein kündigungsrelevante Tatsache, dass der Kläger schon seit Jahren die Spielhalle an der N betrieb, erfahren haben will. Ohne diese Konkretisierung ist das Vorbringen der Beklagten zu diesem entscheidungserheblichen Punkt für den Kläger nicht einlassungs- und damit nicht widerlegungsfähig. Die Vernehmung des Zeugen kam als unzulässige Ausforschung nicht in Betracht.

Selbst wenn man den Vortrag zu Gunsten der Beklagten noch für hinreichend spezifiziert und damit an sich für entscheidungserheblich hielte, so konnte er nach Maßgabe des § 67 Abs. 4 ArbGG nicht mehr berücksichtigt werden. Danach sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, die nach § 67 Abs. 2 und 3 ArbGG in zulässiger Weise vorgebracht werden dürfen, vom Berufungskläger in der Berufungsbegründung, vom Berufungsbeklagten in der Berufungsbeantwortung vorzubringen. Werden sie später vorgebracht, sind sie nur zuzulassen, wenn sie nach der Berufungsbegründung oder der Berufungsbeantwortung entstanden sind oder das verspätete Vorbringen nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder nicht auf Verschulden der Partei beruht. Letzteres kann hier nicht festgestellt werden. Die Prozessrelevanz des genauen Zeitpunkts der Kenntniserlangung war jedenfalls nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils bekannt mit der Folge, dass insoweit abschließender Vortrag in der Berufungsbegründung hätte erfolgen müssen. Die Beklagte hat auch nicht ansatzweise dargelegt, womit der verspätete Vortrag entschuldigt werden könnte.

Das Vorbringen hätte bei seiner Berücksichtigung auch zu einer nicht vertretbaren Verzögerung des Rechtsstreits geführt. Wäre nämlich der Zeuge P zu der behaupteten Kenntniserlangung nach dem 23.06..2004 gehört worden und etwa noch durch prozessleitende Verfügung zum Termin am 17.05.2006 geladen worden, dann hätten weitergehend auch die erstmals von der Beklagten als Zeugen benannten früheren Inhaber der Spielhalle "J " geladen werden müssen, die entgegen dem erstinstanzlichen Vortrag des Klägers den Geschäftsführer der Beklagten angeblich zu keiner Zeit darauf hingewiesen haben, dass der Kläger diese Spielhalle übernimmt. Abgesehen davon, dass die beweisbelastete Beklagte ladungsfähige Anschriften dieser weiteren drei Zeugen nicht mitgeteilt hat, hätte eine umfangreiche Beweisaufnahme in dem bereits angesetzten Termin am 17.05.2006 nicht durchgeführt werden können. Das hätte eine Verlegung des Termins notwendig gemacht und die Erledigung des Rechtsstreits verzögert.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

III. Die Revision war nicht gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Insbesondere hatte die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalls beruht.

Ende der Entscheidung

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