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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 13.07.2006
Aktenzeichen: 6 Sa 367/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 307
BGB § 309
Die Vertragsstrafenabrede in einem Formulararbeitsvertrag ist wegen unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, wenn sie für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsverbot eine Vertragsstrafe in Höhe von zwei Monatsbruttoeinkommen vorsieht.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 18.01.2006 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln - 20 Ca 8795/05 - teilweise abgeändert:

1. Die Beklagte wird über die erstinstanzlich ausgeurteilten Beträge hinaus verurteilt, an den Kläger weitere 620,00 € netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 530,00 € seit dem 01.07.2005 und aus 90,00 € seit dem 01.08.2005 und weitere 17,90 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2005 zu zahlen.

2. Die Widerklage wird abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 1/6 und der Beklagten zu 5/6 auferlegt.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz vor allem noch über die Wirksamkeit einer Vertragsstrafenklausel.

Der Kläger war auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 11.04.2001 (Kopie Bl. 5 ff. d.A.) ab dem 07.05.2001 als einer von rund 100 Mitarbeitern im Außendienst der Beklagten tätig, die "vor Ort" insbesondere in Kfz-Werkstätten und Autohäusern, "Dellenentfernung ohne Lackieren" an beschädigten Pkw ausführen. Mit dem Ziel, sich selbstständig zu machen, kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis zum 31.07.2005. Daraufhin wurde er von der Beklagten ab dem 05.07.2005 von der Arbeitsleistung freigestellt. Wegen eines unstreitig am 20.07.2005 begangenen Wettbewerbsverstoßes durch den Kläger kündigte die Beklagte ihrerseits mit Schreiben vom 25.07.2005, dem Kläger zugegangen am 27.07.2005, fristlos (Kopie Bl. 11 d.A.).

Unter der Überschrift "Geheimhaltung und Wettbewerbsverbot" regelt der Arbeitsvertrag in Nr. 11 Abs. 2 und 3 Folgendes:

"Der Mitarbeiter verpflichtet sich, während der Dauer dieses Vertrages bei keinem Konkurrenzunternehmen irgendeine Tätigkeit oder Beteiligung - sei es selbstständig, unselbstständig, beratend oder in einer sonstigen Weise unterstützend, weder mittelbar noch unmittelbar - auszuüben, ohne hierfür vorab die schriftliche Genehmigung von D eingeholt zu haben. Dem Mitarbeiter ist es auch untersagt, auf eigene Rechnung Tätigkeiten im Geschäftsbereich von D anzubieten oder Dritte hierbei zu unterstützen. Eine Verletzung gegen das Wettbewerbsverbot berechtigt D zur außerordentlichen Kündigung. Zudem kann D unbeschadet ihrer sonstigen Rechte für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe in Höhe von zwei durchschnittlichen Brutto-Monatseinkommen verlangen.

Im Fall einer dauerhaften Verletzung der Verschwiegenheitspflicht oder des Wettbewerbsverbotes gilt jeder angebrochene Monat als eine erneute Verletzungshandlung."

Mit Anwaltsschreiben vom 22.07.2005 (Kopie Bl. 12 f. d.A.) forderte die Beklagte den Kläger wegen damals noch zugrundegelegter zweier Wettbewerbsverstöße zur Zahlung einer Vertragsstrafe von insgesamt 19.337,76 EUR auf (jeweils 2 Bruttomonatseinkommen von 4.668,88 EUR).

Der Kläger hat mit seiner Klage u.a. begehrt, die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung festzustellen, ferner die ungekürzte Vergütung für Mai bis Juli 2005 zu zahlen und restliche 10 Urlaubstage abzugelten.

Die Beklagte hat die Aufrechnung mit dem Vertragsstrafenanspruch erklärt und widerklagend verlangt, den Kläger zur Zahlung von 9.668,88 EUR nebst Zinsen zu verurteilen.

Mit Urteil vom 18.01.2006 hat das Arbeitsgericht der Klage überwiegend und auch der Widerklage teilweise stattgegeben, weil es die Vertragsstrafenvereinbarung im Arbeitsvertrag für wirksam gehalten hat und von einem aufrechenbaren Anspruch der Beklagten in Höhe von insgesamt 4.949,76 EUR ausgegangen ist. In Höhe eines Betrages von 620,-- EUR habe die Beklagte gegen die Vergütungsansprüche des Klägers unter Beachtung der Pfändungsgrenzen aufgerechnet. Den verbleibenden Betrag von 4.327,76 EUR habe der Kläger gemäß der Widerklage an die Beklagte zu zahlen. Wegen der Einzelheiten der arbeitsgerichtlichen Begründung wird auf Bl. 118 ff. d.A. verwiesen.

Gegen das ihm am 08.03.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 31.03.2006 Berufung eingelegt und diese sogleich begründet. Er ist der Ansicht, die Vertragsstrafenklausel verstoße gegen § 307 BGB, weil sie ihn unangemessen und entgegen Treu und Glauben benachteilige. Ferner stehe ihm noch ein Differenzbetrag von 17,90 EUR brutto zu, weil das Arbeitsgericht den Urlaubsabgeltungsanspruch fehlerhaft berechnet habe.

Der Kläger beantragt:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Köln zu 20 Ca 8795/05 vom 18.01.2006 wird teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird über die erstinstanzlich ausgeurteilten Beträge hinaus verurteilt, an den Kläger weitere 620,-- EUR netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 530,-- € seit dem 01.07.2005 und aus 90,-- € seit dem 01.08.2005 und weitere 17,90 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2005 zu zahlen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, für Altverträge wie den vorliegenden, der vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 01.01.2002 abgeschlossen worden sei, könne bei der Überprüfung einzelner Vertragsklauseln am Maßstab der §§ 305 ff. BGB eine ergänzende Vertragsauslegung vorgenommen werden. Diese führe hier dazu, dass die Vertragsstrafenregelung hinreichend transparent und hinsichtlich der Berechnung nachvollziehbar sei. Die Höhe der Strafe sei auch nicht unverhältnismäßig, weil sie wegen der Besonderheiten der Fallgestaltung erforderlich sei, um einen angemessenen Abschreckungseffekt zu erzielen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes haben die Parteien auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§ 66 Abs. 1 ArbGG).

II. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

Der Kläger kann die Zahlung weiterer 620,-- € netto und 17,90 € brutto nebst Zinsen verlangen, weil die Vertragsstrafenabrede in dem Formular-arbeitsvertrag der Parteien unwirksam ist und sich ein geringer Mehrbetrag bei der Urlaubsabgeltung ergibt. Demgemäss ist auch die Widerklage insgesamt unbegründet. Im Einzelnen gilt Folgendes:

Für die streitbefangene Verwirkung einer Vertragsstrafe im Jahre 2005 gelten die Regelungen des BGB in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001; hierzu gehört auch die in den §§ 305 - 310 BGB n.F. geregelte Gestaltung des Schuldverhältnisses durch allgemeine Geschäftsbedingungen. Die Neuregelung gilt auch für Verträge, die vor dem 01.01.2002 geschlossen wurden, allerdings tritt sie für diese erst ab 01.01.2003 in Kraft (Artikel 229 § 5 EGBGB).

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der das Berufungsgericht folgt, sind Vertragsstrafenabreden in formularmäßigen Arbeitsverträgen, wie er hier unstreitig vorliegt, zwar nicht bereits gemäß § 309 Nr. 6 BGB grundsätzlich unzulässig. Ihre Unwirksamkeit kann sich jedoch aus § 307 BGB ergeben. Dabei ist zum Schutz des Arbeitnehmers ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BAG vom 21.04.2005 - 8 AZR 425/04 - NZA 2005, 1053; BAG vom 18.08.2005 - 8 AZR 65/05 - NZA 2006, 34 m.w.N.).

Im Streitfall kann dahinstehen, ob die Vertragsstrafenklausel bereits gegen das sog. Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verstößt, weil die Berechnungsgrundlage unklar ist und dieser Mangel auch nicht durch eine ergänzende Vertragsauslegung beseitigt werden kann. Das Arbeitsgericht hat insoweit naheliegend den Regelungen in Nr. 6 Abs. 2 und Nr. 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrages einen allgemeinen Berechnungsmaßstab für alle Fälle entnommen, in denen es auf das durchschnittliche Bruttomonatsgehalt ankommt.

Die Vertragsstrafenabrede verstößt jedenfalls gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, weil sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt. Denn die vorgesehene Vertragsstrafe ist unangemessen hoch.

Die gegenteilige Auffassung der Beklagten und ihr folgend des Arbeitsgerichts vermag nicht zu überzeugen. Grundsätzlich anzuerkennen ist zwar das Interesse der Beklagten, sich gegen Wettbewerbsverstöße ihrer Arbeitnehmer durch Androhung einer Vertragsstrafe wirksam zu schützen. Denn durch solche Wettbewerbsverstöße können dem Arbeitgeber erhebliche Schäden zugefügt werden. Vor diesem Hintergrund könnte es durchaus gerechtfertigt sein, zur Abschreckung und zum pauschalen Ausgleich des Schadens eine Vertragsstrafe von zwei durchschnittlichen Monatsbruttoeinkommen zu vereinbaren. Dies bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Nicht mehr vertretbar ist aber eine Regelung, die für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsverbot eine Vertragsstrafe in Höhe von zwei Monatseinkommen festlegt. Dies führt ähnlich wie in dem vom Bundesarbeitsgericht am 18.08.2005 entschiedenen Fall (- 8 AZR 65/05 - NZA 2006, 34) zu einer unangemessenen "Übersicherung" des Arbeitgebers, die auch mit seinen schutzwürdigen Interessen nicht mehr zu rechtfertigen ist. Die überschießende und den Arbeitnehmer unverhältnismäßig belastende Wirkung der Vertragsstrafenvereinbarung offenbart sich in dem vorprozessualen Anwaltsschreiben vom 22.07.2005: Darin war noch wegen zweier Verstöße gegen das Wettbewerbsverbot ein Betrag von insgesamt 19.337,76 EUR verlangt worden. Bei weiteren Zuwiderhandlungen des Klägers am selben Tag oder an anderen Tagen der Kündigungsfrist hätte sich sogar ein Vielfaches dieses Betrages ergeben können. In Relation zum durchschnittlichen Monatsverdienst des Klägers, den das Arbeitsgericht mit 2.474,88 EUR angenommen hat, lässt sich dieses mögliche Volumen der Vertragsstrafe auch nicht mit Blick auf das besondere Sicherungsinteresse der Beklagten und einen wirksamen Abschreckungseffekt rechtfertigen.

Der geringe Mehrbetrag bei der Urlaubsabgeltung ergibt sich aus der zutreffenden Berechnung in der Berufungsbegründung, der die Beklagte nicht entgegengetreten ist.

III. Die Kosten des Rechtsstreits waren unter Berücksichtigung des erfolgreichen Rechtsmittels nach § 92 Abs. 1 ZPO zu verteilen.

IV. Das Berufungsgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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