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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 05.02.2009
Aktenzeichen: 7 Sa 1088/08
Rechtsgebiete: BGB, KSchG, TzBfG


Vorschriften:

BGB § 305
BGB § 307
BGB § 310
BGB § 611
KSchG § 2
TzBfG § 9
TzBfG § 12
TzBfG § 14
1. Auf die Befristung einzelner Arbeitsvertragsbedingungen ist § 14 TzBfG nach herrschender und zutreffender Ansicht nicht anwendbar.

2. Die in einem Formulararbeitsvertrag vereinbarte Befristung einer Erhöhung der vertraglichen Arbeitszeit unterliegt jedoch einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB.

3. Das schützenswerte Interesse des Arbeitnehmers daran, dass der Umfang der Arbeitszeit unbefristet vereinbart wird, wird durch eine Vertragsgestaltung beeinträchtigt, die nur eine zeitlich unbefristete Teilzeitbeschäftigung vorsieht und darüber hinaus lediglich befristete, von den Arbeitsvertragsparteien zwar jeweils zu vereinbarende, vom Arbeitgeber in Zeitpunkt und Umfang aber jeweils vorgegebene Aufstockungen der Arbeitszeit bis zu einer Vollzeitbeschäftigung ermöglicht.

4. Die darin liegende Benachteiligung kann nicht durch das Interesse des Arbeitgebers gerechtfertigt werden, auf die allgemeine Ungewissheit über den künftigen Arbeitskräftebedarf flexibel reagieren zu können.

5. Es liegt kein Wertungswiderspruch darin, dem Arbeitgeber bei einem Abrufarbeitsverhältnis i.S.v. § 12 TzBfG für den variablen Bestandteil des Arbeitszeitkontingents eine Bandbreite von bis zu 25 % zuzugestehen, die Befristung einer Arbeitszeiterhöhung aber auch dann für unzulässig zu halten, wenn sie einerseits einen Anteil von 25 % der Gesamtarbeitszeit nicht übersteigt, andererseits aber lediglich mit Umständen gerechtfertigt wird, die dem allgemeinen Betriebsrisiko des Arbeitgebers zuzurechnen sind.


Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 02.04.2008 in Sachen 3 Ca 599/07 abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien als Vollzeitarbeitsverhältnis in der Briefzustellung unbefristet über den 31.12.2006 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin für die Dauer des Rechtsstreits als Angestellte in der Briefzustellung mit voller Wochenstundenzahl weiter zu beschäftigen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Befristung einer Erhöhung der vertraglichen Wochenarbeitszeit.

Die am 09.01.1961 geborene Klägerin ist seit dem 15.10.1996 bei der Beklagten als Briefzustellerin beschäftigt. Seit dem 01.10.2000 steht die Klägerin in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis mit einer arbeitsvertraglichen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 31,0 Stunden (vgl. Vertrag vom 21.09.2000, Bl. 12/12R d. A.).

Seit Januar 2004 wird die Klägerin aufgrund mehrerer befristeter Aufstockungsverträge im Umfang einer Vollzeitkraft beschäftigt, also zuletzt mit 38,5 Wochenstunden. In dem zuletzt aktuellen Änderungsvertrag vom 19.12.2005 wurde die Vollzeitbeschäftigung "zweckbefristet" verlängert. Als Grund wurde in dem Vertrag angegeben:

"Volleinsatz in der Briefzustellung

längstens jedoch bis zur nächsten IBIS-Bemessung

jedoch längstens bis 31.12.2006".

Auf Erscheinungsbild und Inhalt des Änderungsvertrages vom 19.12.2005 wird Bezug genommen (Bl. 15/15R d. A.).

Bei dem Verfahren IBIS handelt es sich um ein in regelmäßigen Abständen wiederholtes Verfahren zur Neubemessung des Personalbedarfs. Dabei verfolgen die Neubemessungen den Zweck, eine Veränderung des Personalbedarfs innerhalb eines Zustellstützpunktes oder einer größeren Organisationseinheit festzustellen. Sowohl in Zustellstützpunkten als auch in größeren Organisationseinheiten sind immer mehrere Zusteller tätig. Bei einer Veränderung der für die Zustelltätigkeit maßgeblichen Verhältnisse wie z. B. bei einer Erhöhung der Anzahl der zu versorgenden Haushalte oder auch durch den Rückgang der insgesamt zuzustellenden Sendungen soll durch die Neubemessung der veränderte Personalbedarf ermittelt werden.

Für die Zeit nach dem 31.12.2006 bot die Beklagte der Klägerin keine weitere Vertragsaufstockung ihres unbefristeten 31-Stunden-Teilzeitarbeitsverhältnisses in eine Vollzeittätigkeit an. Faktisch wurde die Klägerin jedoch über den 31.12.2006 hinaus unverändert weiterhin mit 38,5 Stunden vollzeitbeschäftigt. Dies galt auch noch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht. Abrechnungstechnisch wird die Differenz zwischen der arbeitsvertraglich unbefristet vereinbarten Wochenarbeitszeit von 31 Stunden und der wöchentlichen Vollzeitbeschäftigung nunmehr als Mehrarbeit deklariert.

Mit der vorliegenden, am 22.01.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Befristung der Arbeitszeiterhöhung auf eine Vollzeitbeschäftigung. Sie, die Klägerin, habe gegenüber der Beklagten wiederholt ihren Wunsch auf unbefristete Vollzeitbeschäftigung ausdrücklich erklärt und werde ja auch de facto seit Januar 2004 durchgehend im Umfang einer Vollzeitkraft eingesetzt. Die vertragliche Befristung der Aufstockung der Arbeitszeit gemäß Änderungsvertrag vom 19.12.2005 stelle eine unangemessene Benachteiligung dar, die der Kontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB nicht standhalte.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin über den 31.12.2006 hinaus als unbefristet vollzeitbeschäftigte Angestellte in der Briefzustellung zu beschäftigen und ihr eine entsprechende Vergütung zu zahlen;

2. für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1.):

die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin über den 31.12.2006 hinaus für die Dauer des Rechtsstreits als Angestellte in der Briefzustellung mit voller Wochenstundenzahl weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat eingewandt, von einer Benachteiligung der Klägerin könne schon deshalb keine Rede sein, weil die Erhöhung der Wochenarbeitszeit für sie günstig sei.

Im Übrigen lägen vernünftige Gründe für die Befristung der Vertragsänderung vor. So müsse im Rahmen der nach § 307 BGB durchzuführenden Güterabwägung zu Lasten der Klägerin berücksichtigt werden, dass sie keinen Antrag nach § 9 TzBfG gestellt habe. Ferner habe sie, die Beklagte, als Arbeitgeberin ein berechtigtes Interesse an einer gewissen Flexibilität der Arbeitsbedingungen. Die Erbringung von Arbeit in starren Arbeitszeitrastern sei heute kaum noch möglich. Kurzfristige Schwankungen im Arbeitskräftebedarf erforderten flexible Vertragsbedingungen. Der Arbeitgeber müsse die Möglichkeit haben, auf unterschiedlichen Arbeitsanfall rasch und angemessen reagieren zu können. Dies habe auch das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 07.12.2005 (5 AZR 535/04) anerkannt. In jenem Fall, in dem ein gewisser Teil des vertraglich vereinbarten Arbeitskontingents aus Abrufarbeit bestanden habe, habe das Bundesarbeitsgericht in bestimmten Grenzen anerkannt, dass auch der Nichtabruf von Arbeit zulässig sei und nicht zu Vergütungsansprüchen führe. Das Bundesarbeitsgericht habe auf seine Rechtsprechung zur Wirksamkeit von Widerrufsvorbehalten (5 AZR 364/04 vom 12.01.2005) zurückgegriffen und die Grenze zwischen einer unzulässigen Risikoabwälzung auf den Arbeitnehmer und einer zulässigen flexiblen Vertragsgestaltung bei 25 % gezogen. Die vorliegend befristet vereinbarte Erhöhung der Wochenarbeitszeit um 7,5 Stunden von 31 auf 38,5 überschreite die vom Bundesarbeitsgericht für richtig gehaltene 25%-Marke nicht und sei daher auch in der vorliegenden Fallkonstellation als zulässig anzusehen.

Mit Urteil vom 02.04.2008 hat das Arbeitsgericht Köln die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 02.04.2008 wird Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Klägerin am 01.09.2008 zugestellt. Sie hat hiergegen am 12.09.2008 Berufung eingelegt und diese am 29.10.2008 begründen lassen.

Die Klägerin wiederholt und bekräftigt ihre Auffassung, dass der Änderungsvertrag vom 19.12.2005 hinsichtlich der Befristung der Arbeitszeiterhöhung einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB unterliege und dieser nicht standhalten könne. Die Befristung sei nicht durch begründete und billigenswerte Interessen der Arbeitgeberin gerechtfertigt. Die Ungewissheit der Beklagten über den künftigen Arbeitskräftebedarf sei Bestandteil des unternehmerischen Risikos, das nicht auf die Arbeitnehmer verlagert werden dürfe. Es hätten auch keinerlei konkrete Anhaltspunkte für eine tatsächliche Veränderung des Personalbedarfs vorgelegen.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt nunmehr,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 02.04.2008, Az. 3 Ca 599/07, aufzuheben und nach den hiesigen Schlussanträgen in der ersten Instanz zu erkennen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Auch die Beklagte ist im Ausgangspunkt der Auffassung, dass die streitgegenständliche Befristungsvereinbarung vom 19.12.2005 anhand § 307 Abs. 1 S. 1 BGB zu überprüfen sei. Das Arbeitsgericht Köln habe jedoch rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Klägerin durch die Befristungsabrede nicht wider die Grundsätze von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt werde.

Die Prognose im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses habe ihr, der Beklagten, nur erlaubt, die Erhöhung der Wochenarbeitszeit bis zum 31.12.2006 bzw. bis zur Neufestsetzung im Wege der IBIS-Bemessung zu befristen. Dabei sei zu berücksichtigen gewesen, dass im Dezember 2005 gravierende Umbrüche auf dem Markt der Briefzustellung bevorgestanden hätten bzw. in Teilen schon eingetreten gewesen seien. Es sei bereits bekannt gewesen, dass mit Ablauf des Jahres 2007 das Briefmonopol fallen werde. Überdies sei bereits im Dezember 2005 insoweit eine Liberalisierung des Briefmarktes in Kraft getreten, als private Konkurrenzunternehmen im gewerblichen Bereich Zustelltätigkeiten hätten übernehmen können. Aufgrund dieser tiefgreifenden gesetzlichen Änderungen sei es für sie, die Beklagte, nicht möglich gewesen, die weitere Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt für Zusteller für einen längeren Zeitraum als ein Jahr zu prognostizieren. Insofern habe sie, die Beklagte, sich nicht lediglich in einer Phase gewöhnlicher und hinzunehmender Schwankungen, sondern in einer Phase tiefgreifender Umbrüche befunden.

Auf jeden Fall seien aber die Grundsätze, die das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 07.12.2005, 5 AZR 535/04, aufgestellt habe, auch in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation von streitentscheidender Bedeutung. Der vorliegend streitige, der Klägerin nur befristet bewilligte Aufstockungsumfang betrage ca. 24 % der gesamten Wochenarbeitszeit der Klägerin. Wenn aber nach der vorzitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts schon bei einem Abrufarbeitsverhältnis ein variabler Stellenanteil in Höhe von 25 % der Wochenarbeitszeit zumutbar sei, so müsse Entsprechendes erst recht gelten, wenn es sich um die befristete Festsetzung einer erhöhten Arbeitszeit handele, die nicht variabel abrufbar ist und daher ohnehin eine bessere Planbarkeit auf Seiten des Arbeitnehmers begründe.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 02.04.2008 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft. Sie wurde auch innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

II. Die Berufung der Klägerin war auch erfolgreich. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Befristung der Erhöhung der Arbeitszeit um 7,5 Stunden pro Woche gemäß Formulararbeitsvertrag vom 19.12.2005 ist rechtsunwirksam. Die Klägerin steht daher in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis als vollzeitbeschäftigte Mitarbeiterin in der Briefzustellung. Dies ergibt sich im Einzelnen aus folgenden Überlegungen:

1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere kann der Klägerin ein Rechtsschutzbedürfnis für ihre Klage nicht abgesprochen werden.

a. Zwar trifft es zu, dass die Beklagte die Klägerin ungeachtet der Befristung der Arbeitszeiterhöhung für die Zeit bis spätestens 31.12.2006 auch über dieses Datum hinaus und bis heute im Umfang einer vollzeitbeschäftigten Angestellten weiterbeschäftigt hat. Insofern hat die Klägerin in der Zeit nach Befristungsablauf bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz im Ergebnis das Arbeitszeitkontingent zugestanden erhalten, welches sie mit der vorliegenden Klage als unbefristeten Arbeitsvertragsbestandteil deklariert wissen will.

b. Wenn die Beklagte sich jedoch bewusst und gewollt weigert, eine Arbeitszeitverpflichtung der Klägerin im Umfang einer Vollzeitbeschäftigung als Bestandteil ihres unbefristeten Arbeitsvertragsverhältnisses anzuerkennen und in ihren Vergütungsabrechnungen die über 31 Wochenstunden hinausgehende Arbeitszeit als Mehrarbeit deklariert, so macht sie deutlich, dass sie sich jetzt und auch in Zukunft nicht für verpflichtet hält, die Klägerin über 31 Wochenstunden hinaus als Vollzeitbeschäftigte einzusetzen. Die Beklagte beschäftigt die Klägerin seit dem 01.01.2007 somit nur unter dem stillschweigenden Vorbehalt wie eine Vollzeitbeschäftigte, dass sie die Zuweisung von Mehrarbeit bei fehlendem Bedarf jederzeit auch unterlassen könne und dürfe. Die Klägerin möchte jedoch sichergestellt wissen, dass die Beklagte sie aufgrund einer unbefristeten arbeitsvertraglichen Verpflichtung als Vollzeitbeschäftigte einsetzt und behandelt. Ein berechtigtes Interesse daran kann der Klägerin nicht abgesprochen werden.

2. Die Befristung der Arbeitszeiterhöhung von 31 Stunden pro Woche auf eine Vollzeitbeschäftigung (38,5 Stunden pro Woche) gemäß Änderungsvertrag vom 19.12.2005 ist auch rechtsunwirksam.

a. Im vorliegenden Fall streiten die Parteien nicht um die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses als Ganzem, sondern um die Befristung einzelner Arbeitsvertragsbedingungen. Auf die Befristung einzelner Arbeitsvertragsbedingungen ist § 14 TzBfG nach herrschender und zutreffender Auffassung nicht anwendbar (BAG NZA 2004, 719 ff.; APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rdnr. 412).

b. Die in dem Änderungsvertrag vom 19.12.2005 vereinbarte Befristung der Arbeitszeiterhöhung unterliegt jedoch einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB.

aa. Bei dem Änderungsvertrag vom 19.12.2005 handelt es sich um einen Formulararbeitsvertrag i. S. v. § 305 Abs. 1 BGB, der für eine Vielzahl gleichartiger Fälle entworfen und verwendet wurde. Dies ist zwischen den Parteien letztlich unstreitig.

bb. Selbst wenn aber der Änderungsvertrag entsprechend dem Muster des Vertrages vom 19.12.2005 nur im Falle der Klägerin angewandt worden wäre, unterfiele er dennoch § 307 Abs. 1 BGB, nämlich aufgrund § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB; denn die Klägerin konnte nach ihrem eigenen auch insoweit unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag aufgrund der Vorformulierung der Vertragsbestimmungen zur Befristung der Arbeitszeiterhöhung auf deren Inhalt keinen Einfluss nehmen.

c. Nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird (BAG NZA 2008, 229 ff.; BAG AP § 309 BGB Nr. 3). Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Es bedarf einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Bei der Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen (BAG AP § 309 BGB Nr. 3; BAG NZA 2008, 229 ff.). Abzuwägen sind die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäftes zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell und unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt (BAG NZA 2006, 40 ff.; BAG AP § 305 BGB Nr. 8; BAG AP § 307 BGB Nr. 17; BAG NZA 2008, 229 ff.).

d. Die Klägerin besitzt als Arbeitnehmerin ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der unbefristeten Vereinbarung des Umfangs ihrer Arbeitszeit. Obwohl die Bestimmungen des TzBfG nur auf die Befristung des Arbeitsvertrages insgesamt und nicht auf die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen anzuwenden sind, gilt die dem TzBfG zugrunde liegende Wertung, dass der unbefristete Vertrag der Normalfall und der befristete Vertrag die Ausnahme ist, auch für die Vereinbarung des Umfangs der Arbeitszeit. Das sozialpolitisch erwünschte unbefristete Arbeitsverhältnis, das ohne Zustimmung des Arbeitnehmers grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen der §§ 1 ff. KSchG, § 626 BGB gelöst werden kann, soll dem Arbeitnehmer ein dauerhaftes Auskommen sichern und zu einer längerfristigen Lebensplanung beitragen. Für diese Planung des Arbeitnehmers ist regelmäßig auch die Höhe des von ihm erzielten Einkommens maßgebend. Diese hängt aber u. a. vom Umfang der Arbeitszeit ab. Eine längerfristige Planungssicherheit wird dem Arbeitnehmer daher nicht allein durch den Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages ermöglicht, sondern nur dann, wenn auch der Umfang der Arbeitszeit unbefristet vereinbart wird und der Arbeitgeber eine einseitige Änderung ohne Zustimmung des Arbeitnehmers nur unter den Voraussetzungen des § 2 KSchG vornehmen kann (zum Ganzen: BAG NZA 2006, 40 ff.).

e. Das schützenswerte Interesse des Arbeitnehmers an der unbefristeten Vereinbarung des Umfangs der Arbeitszeit wird durch eine Vertragsgestaltung beeinträchtigt, die lediglich eine zeitlich unbegrenzte Teilzeitbeschäftigung vorsieht und die sodann lediglich befristete, zwar von den Arbeitsvertragsparteien zu vereinbarende, aber vom Arbeitgeber im Umfang jeweils vorgegebene Aufstockungen der Arbeitszeit bis zu einer Vollzeitbeschäftigung ermöglicht. Bei einer solchen Vertragsgestaltung kann der Arbeitnehmer, dessen Arbeitszeit befristet erhöht wird, seinen Lebensstandard nicht an einem mit weitgehender Sicherheit kalkulierbaren, in etwa gleichbleibenden Einkommen ausrichten. Er muss vielmehr stets damit rechnen, dass ein Aufstockungsangebot des Arbeitgebers ausbleibt und sein Einkommen auf den der unbefristeten Teilzeitbeschäftigung entsprechenden Betrag absinkt oder durch ein Aufstockungsangebot mit einem verringerten Pflichtstundendeputat geschmälert wird (BAG a. a. O.).

f. Diese Benachteiligung der Klägerin ist nicht durch billigenswerte Interessen der Beklagten gerechtfertigt.

aa. Zunächst hat die Beklagte der Klägerin erstinstanzlich zu Unrecht vorgehalten, dass diese sich nicht auf eine Benachteiligung i. S. v. § 307 Abs. 1 BGB berufen könne, da sie keinen Antrag nach § 9 TzBfG gestellt habe. Die Klägerin hat spätestens im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits, nach ihrem eigenen, insoweit von der Beklagten nicht angegriffenen Vorbringen aber auch bereits vorgerichtlich der Beklagten gegenüber ihren Wunsch nach einer unbefristeten Vollzeitbeschäftigung zum Ausdruck gebracht. Liegt bereits ein Änderungsvertrag vor, der die gewünschte Aufstockung der Arbeitszeit auf eine Vollzeitstelle beinhaltet, eine solche indes lediglich befristet vorsieht, so liegt für den Arbeitnehmer, der eine Vollzeitbeschäftigung wünscht, die Erhebung einer Entfristungsklage im Zweifel näher als ein ausdrückliches Vorgehen nach § 9 TzBfG. Bei sachgerechter Würdigung ist in dem Entfristungsbegehren andererseits aber auch ein Begehren i. S. v. § 9 TzBfG konkludent enthalten.

bb. Die Beklagte kann die Befristung der Arbeitszeiterhöhung gemäß Änderungsvertrag vom 19.12.2005 insbesondere auch nicht damit rechtfertigen, dass die Veränderungen der für die Zustelltätigkeit maßgeblichen Verhältnisse, wie z. B. eine Erhöhung der Anzahl der zu versorgenden Haushalte oder andererseits ein Rückgang der insgesamt zuzustellenden Sendungen, nur zeitlich begrenzte Prognosen des Personalbedarfs zuließen, eine Einschätzung des Umfangs des Personalbedarfs also immer nur von einer IBIS-Bemessung bis zur nächsten vorgenommen werden könne und daher das Bedürfnis bestehe, verpflichtende Zusagen mit Bindungswirkung nur für einen begrenzten Zeitraum abzugeben.

aaa. In ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist anerkannt, dass allein die Ungewissheit über den künftigen Arbeitskräftebedarf nicht ausreicht, die Befristung von Arbeitszeiterhöhungen zu rechtfertigen. Diese Ungewissheit gehört nämlich zum typischen unternehmerischen Risiko, das nicht auf die Arbeitnehmer verlagert werden darf (BAG NZA 2004, 719 ff.; BAG NZA 2006, 40 ff.; BAG AP § 308 BGB Nr. 1).

bbb. Das von der Beklagten im vorliegenden Fall für sich in Anspruch genommene Interesse an einer flexiblen Vertragsgestaltung geht über dieses allgemeine Interesse nicht hinaus, das Prognoserisiko über die Entwicklung der wirtschaftlichen Aktivitäten und des damit verbundenen Personalkräftebedarfs zu minimieren. Hierbei handelt es sich um einen geradezu typischen Bestandteil des unternehmerischen Risikos, der nach dem Leitbild des Arbeitsrechts vom Arbeitgeber zu tragen ist und nicht auf den Arbeitnehmer abgewälzt werden darf. Bei einem Dienstleistungsunternehmen wie der Beklagten, das sich mit Briefzustellungen befasst, liegt es von vornherein auf der Hand, dass sich z. B. die Anzahl der zu versorgenden Haushalte erhöhen oder aber umgekehrt die Gesamtmenge der zuzustellenden Sendungen zurückgehen kann und dadurch Veränderungen im Personalbedarf eintreten.

ccc. Solchen normalen Marktschwankungen kann der Unternehmer durch eigene Marktstrategien entgegensteuern. Gerade hierin liegt auch der Unterschied zu dem vom Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 27.07.2005 (NZA 2006, 40 ff.). entschiedenen Sonderfall aus dem Schulbereich, dessen Besonderheit das Bundesarbeitsgericht wie folgt auf den Punkt gebracht hat: "Die Schulverwaltung des beklagten Landes hat - im Gegensatz zu Produktions- oder Dienstleistungsunternehmen der Privatwirtschaft - nicht die Möglichkeit, den Beschäftigungsbedarf für Lehrkräfte durch Akquisition am Markt zu beeinflussen. Der Beschäftigungsbedarf für Lehrkräfte hängt allein von der Anzahl der Schüler ab, auf die das beklagte Land keinen Einfluss hat."

ddd. Auch die vom beklagten Land in der Berufungsinstanz beschriebene Situation, dass ab Dezember 2005 eine gesetzliche Liberalisierung des Briefmarktes anstand, die es mit sich brachte, dass private Konkurrenzunternehmen im gewerblichen Bereich tätig werden durften, und das für Ende 2007 angekündigte Auslaufen des Briefmonopols stellten keine wirtschaftliche Sondersituation dar, die über den Bereich hinausginge, welcher mit dem allgemeinen Unternehmerrisiko beschrieben wird. Dass neue Konkurrenten auf den Markt drängen, dass neue Geschäftsfelder zu erschließen sind, neue Produkte oder innovative Marktstrategien zum Durchbruch gelangen, stellen Vorgänge dar, mit denen jedes Wirtschaftsunternehmen, insbesondere im Dienstleistungssektor, jederzeit zu rechnen hat.

eee. Auch der Umstand, dass die Beklagte sich im Dezember 2005 bei Abschluss des vorliegend streitigen Änderungsvertrages in der Lage sah, der Klägerin eine befristete Erhöhung der Arbeitszeit für immerhin ein weiteres Jahr anzubieten, obwohl doch andererseits genau zu diesem Zeitpunkt die von ihr so beschriebene "Liberalisierung des Briefmarktes" einsetzte, zeigt, dass Vorgänge wie die gesetzliche Zulassung privater Konkurrenzunternehmen oder auch das für Ende 2007 abzusehende Ende des Briefmonopols für die wirtschaftliche Betätigung der Beklagten zwar bedeutsame Marktereignisse darstellten, die aber nicht von grundsätzlich anderer Qualität waren als die üblichen Schwankungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, mit denen jedes Wirtschaftsunternehmen zu kalkulieren hat. So können z. B. auch in der Autoindustrie jederzeit ausländische Konkurrenten auf den Markt drängen, Konkurrenten neue innovative Produktpaletten anbieten, technische Entwicklungen besondere Herausforderungen darstellen etc. Offenbar war es der Beklagten per Stand Ende 2005 gelungen, ihre Marktposition so zu beeinflussen, dass sie zunächst trotz der teilweise bereits eingetretenen Liberalisierung des Briefmarktes von einem aktuell erhöhten Personalbedarf ausgehen konnte.

fff. Auch der Umstand, dass die Beklagte ihre Befristung von einer IBIS-Bemessung zur nächsten ausgerichtet, also den Befristungszeitraum an die periodische Abfolge routinemäßiger Personalkräftebemessungen angepasst hat, bestätigt zusätzlich, dass die von der Beklagten angeführten Prognoseunsicherheiten nicht auf derart außergewöhnlichen Umständen beruhten, dass diese nicht mehr dem Bereich des allgemeinen unternehmerischen Risikos zugerechnet werden könnten.

g. Schließlich kann die Beklagte auch aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 07.12.2005 (NZA 2006, 423 ff.) zur Frage der zulässigen Bandbreiten bei Abrufarbeit i. S. v. § 12 TzBfG nichts für sich herleiten.

aa. Der Sachverhalt einer Vereinbarung der Arbeit auf Abruf i. S. v. § 12 TzBfG ist vom Inhalt der damit verbundenen rechtlichen Implikationen her mit der Befristungskontrolle einzelner Arbeitszeitbedingungen nicht vergleichbar.

bb. Diese Auffassung entspricht zwischenzeitlich auch der neuesten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Das Bundesarbeitsgericht führt aus: "Die zur Inhaltskontrolle einer Vereinbarung von Arbeit auf Abruf (§ 12 TzBfG) entwickelten Grundsätze (vgl. hierzu BAG 07.12.2005 - 5 AZR 535/04) sind auf die Inhaltskontrolle der Befristung einer Arbeitszeiterhöhung nicht anwendbar. Gegenstand der Inhaltskontrolle ist bei der Befristung einer Arbeitszeiterhöhung nicht - wie bei der Arbeit auf Abruf - die einseitige Festlegung des Umfangs der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber, sondern ausschließlich die Befristung des vertraglich vereinbarten zusätzlichen Arbeitsumfangs. Die unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers muss sich gerade aus der vertraglich vereinbarten Befristung der Arbeitszeiterhöhung ergeben. Hierbei ist der Umfang der Arbeitszeiterhöhung nicht von ausschlaggebender Bedeutung." (BAG v. 08.08.2007, 7 AZR 855/06, NZA 2008, 229 ff.).

cc. Es liegt dementsprechend auch kein Wertungswiderspruch darin, dem Arbeitgeber bei einem Arbeitsvertragsverhältnis auf Abruf i. S. d. § 12 TzBfG für den durch einseitigen Abruf zur Verfügung stehenden variablen Bestandteil des Arbeitszeitkontingents eine Bandbreite von bis zu 25 % zuzugestehen, die Befristung einer Arbeitszeiterhöhung aber auch dann für unzulässig zu halten, wenn sie einerseits einen Anteil an der Gesamtarbeitszeit von 25 % nicht erreicht, andererseits aber lediglich mit allgemein dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers zuzurechnenden Umständen begründet wird.

aaa. Die Vereinbarung eines echten Abrufarbeitsverhältnisses kommt nur in den vergleichsweise eher seltenen Fällen in Betracht, in denen die Arbeitstätigkeit aufgrund spezifischer Eigenarten dafür geeignet ist.

bbb. Auch lässt sich der Arbeitnehmer bei Vereinbarung eines Abrufarbeitsverhältnisses von vornherein darauf ein, dass ein gewisser Teil seiner Arbeitsleistung eben flexibel auf Abruf zu leisten ist.

ccc. Wäre dagegen die Befristung von Arbeitszeitkontingenten im Rahmen eines Gesamtarbeitsverhältnisses generell zulässig, wenn sie den Umfang von 25 % eines Vollzeitarbeitsverhältnisses bzw. des unbefristeten Grundarbeitsverhältnisses nicht übersteigt, wäre jeder Arbeitgeber, der Wert auf Flexibilität legt, gut beraten, grundsätzlich nur noch Teilzeitarbeitsverhältnisse von bis zu cirka 76 % eines Vollzeitarbeitsverhältnisses zu vereinbaren und einen etwaigen weitergehenden Bedarf von Zeit zu Zeit durch befristete Vertragserhöhungen abzudecken. Dies würde aber nicht nur dem gesetzlichen Leitbild eines grundsätzlich unbefristeten Arbeitsverhältnisses widersprechen, sondern wäre auch mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 9 TzBfG nicht vereinbar. Nach der zutreffenden und überzeugenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Arbeitgeber, der mit dem Wunsch eines Teilzeitbeschäftigten nach Aufstockung seines Arbeitsverhältnisses in ein Vollzeitarbeitsverhältnis konfrontiert wird, diesem nämlich nicht entgegenhalten, er wolle grundsätzlich nur Teilzeitbeschäftigte unter Vertrag nehmen, es sei denn, der Arbeitgeber könnte hierfür arbeitsplatzbezogene Gründe anführen (BAG v. 15.08.2006, 9 AZR 8/06; BAG v. 13.02.2007, 9 AZR 575/05; LAG Köln v. 02.04.2008, 7 Sa 864/07).

3. Die Befristung der Vertragsänderung vom 19.12.2005 verstößt somit gegen § 307 Abs. 1 BGB mit der Folge, dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis zustande gekommen ist.

4. In entsprechender Anwendung der Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum sog. Weiterbeschäftigungsanspruch ist die Beklagte verpflichtet, die Klägerin auch bereits für die Dauer des Rechtsstreits als Angestellte in der Briefzustellung mit voller Wochenstundenzahl weiter zu beschäftigen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits sind gemäß § 91 Abs. 1 ZPO von der Beklagten zu tragen.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision zuzulassen.

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