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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 21.12.2005
Aktenzeichen: 7 Sa 1348/03
Rechtsgebiete: BetrAVG, AO 54, TVV Energie, MTV Energie, AblösungsTV zum TVV Energie, Tarifliche Vereinbarung zum TVV Energie


Vorschriften:

BetrAVG § 7
AO 54 § 2
AO 54 § 3
AO 54 § 4
TVV Energie vom 20.07.1990
MTV Energie vom 20.07.1990
AblösungsTV zum TVV Energie vom 16.10.1992
Tarifliche Vereinbarung zum TVV Energie vom 23.09.1992
1. Die tarifliche Vereinbarung vom 23.09.1992 zwischen dem Arbeitgerberverband der energie- und versorgungswirtschaftlichen Unternehmen e. V. und der IG Bergbau und Energie, wonach der TVV Energie vom 20.07.1990 "als tariflich vereinbart durch die unterzeichnenden Tarifvertragsparteien gilt", und der Ablösungs-TV vom 16.10.1992 zum TVV Energie vom 20.07.1990 enthalten eine hinreichende Erneuerung des Rechtsbindungs- und Verpflichtungswillens im Sinne der einschlägigen BAG-Rechtsprechung für solche Anwartschaften, die auf dem TVV Energie vom 20.07.1990 beruhen und bei denen der Arbeitnehmer am 31.12.1992 die Wartezeit erfüllt hat.

2. Ist eine individualvertragliche Rentenzusage in einem Arbeitsvertrag enthalten, der nach der Wiedervereinigung, aber vor dem 1. Januar 1992 abgeschlossen wurde, so sind an die Erneuerung einer solchen Zusage nach dem 01.01.1992 weniger strenge Anforderungen zu stellen, als dies der bisherigen BAG-Rechtsprechung (z. B. NZA 1998, 1059 f.) entspricht.


Tenor:

Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 25.07.2003 in Sachen 5 Ca 5577/02 abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine betriebliche Zusatzrente in Höhe von 37,84 € monatlich ab Januar 2001 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte im Zusammenhang mit der Insolvenz über das Vermögen der Firma A für eine betriebliche Zusatzrente des Klägers einstandspflichtig ist.

Der am 03.12.1937 geborene Kläger gehörte seit dem 01.08.1957 dem V als Arbeitnehmer an. Auf das V war die "Anordnung zur Einführung einer Zusatzrentenversorgung für die Arbeiter und Angestellten in den wichtigsten volkseigenen Betrieben vom 09.03.1954" (sog. AO 54) anwendbar. Die AO 54 bestimmte u. a.:

"§ 2

Arbeiter und Angestellte, die in einem dieser Betriebe beschäftigt sind oder beschäftigt waren, erhalten bei Erfüllung der Voraussetzungen eine Zusatzrente nach Maßgabe folgender Bestimmungen.

§ 3

Der Anspruch auf Zusatzrente besteht, wenn Arbeiter oder Angestellte noch beschäftigt oder aus einem dieser Betriebe wegen Invalidität oder Überschreitung der Altersgrenze ausgeschieden sind und eine 20-jährige ununterbrochene Beschäftigungsdauer in diesem Betrieb und den Bezug einer Alters-, Invaliden- oder Unfallvollrente nachweisen.

§ 4

Die monatliche Zusatzrente beträgt 5 % des monatlichen Nettodurchschnittsverdienstes der letzten fünf Jahre, mindestens jedoch 10,00 DM im Monat.

..."

(vgl. Bl. 175 ff. d. A.).

Mit Wirkung zum 01.07.1990 trat die H , eine Tochtergesellschaft der P , die Rechtsnachfolge des V an.

Ebenfalls zum 01.07.1990 traten der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer im Tarifbereich Energie- und Versorgungswirtschaftlicher Unternehmungen (MTV-Energie) und der Tarifvertrag über die betriebliche Zusatzrentenversorgung (TVV Energie) in Kraft, welche von dem Verband Energie- und Versorgungswirtschaftlicher Unternehmen und der IG Bergbau - Energie - Wasserwirtschaft abgeschlossen worden waren. § 2 TVV Energie gibt den Arbeitnehmern im Geltungsbereich des Tarifvertrages einen Anspruch auf eine betriebliche Zusatzrente unter denselben Voraussetzungen und in gleicher Höhe wie die AO 54 in ihren §§ 2,3 und 4 Abs. 1 (vgl. Bl. 183f. d. A.).

Durch Änderungsvertrag vom 01.07.1990 wurde das zwischen dem Kläger und dem V bestehende Arbeitsverhältnis auf die übergeleitet (Bl. 178 d. A.).

Aufgrund eines Vertrages vom 12.06.1991 (Bl. 4 - 9 d. A.) übernahm die A den Bereich des Anlagenbaus der H und die dort beschäftigten Arbeitnehmer einschließlich des Klägers. § 2 Ziffer 5 des Vertrages zwischen der HEVAG und der A vom 12.06.1991 lautet:

"Der Eintritt in die Arbeitsverhältnisse des Leitungsbaus bewirkt, dass der Leitungsbau am Überleitungsstichtag die derzeitigen Anwartschaften gemäß Tarifvertrag (TVV Energie vom 09.10.1990) über die betriebliche Zusatzrentenversorgung übernimmt. Diese Anwartschaften werden auf weitere Sicht in das System der Versorgungsleistungen der A integriert."

In dem Arbeitsvertrag, den der Kläger aus Anlass der Übernahme seines Arbeitsverhältnisses zum 01.07.1991 mit der A schloss, heißt es u. .a:

"Die beiderseitigen Rechte und Pflichten ergeben sich aus dem:

- Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer Energie- und Versorgungswirtschaftlicher Unternehmen vom 09.10.1990

- Vertrag zwischen der Firma H und der Firma A vom 12.06.1991 sowie der dazugehörigen Protokollnotiz gleichen Datums

sowie weitere tarifliche und betriebliche Regelungen in ihrer jeweils gültigen Fassung.

...

Die bei der HEVAG erworbenen Rentenansprüche werden hiermit übernommen."

(vgl. Bl.10 ff.d.A.).

Als Beginn der Betriebszugehörigkeit wurde in der Anlage des Vertrages unter Berücksichtigung der bei dem V verbrachten Ausbildungs -und Beschäftigungszeit der 15.09.1951 angesetzt.

In einem weiteren zwischen dem Kläger und der A abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 01.11.1991 (Bl. 51 - 53 d. A.) wird u. a. wiederum der Vertrag zwischen der HEVAG und der Firma A vom 12.06.1991 als Grundlage des Arbeitsverhältnisses benannt.

Unter dem 31.03.1992, dem 19.07.1993 und dem 24.09.1993 erhielt der Kläger Mitteilungen seiner Arbeitgeberin über Gehaltserhöhungen, in welchen jeweils festgestellt wird, das die übrigen Bedingungen des Anstellungsvertrages keine Änderung erfahren (Bl. 54 - 56 d. A.).

Nach dem Ausscheiden des Klägers aus dem aktiven Dienst zahlte die AEG Leitungs- und Netzbau GmbH an ihn seit Dezember 1997 eine betriebliche Zusatzrente in Höhe von 74,00 DM (= 37,84 €). Mit Schreiben vom 20.10.1998 (Bl. 57 d. A.) bestätigte sie dem Kläger seinen Anspruch auf eine betriebliche Zusatzrente (Bl. 57 d. A.). Letztmals zahlte die A die Zusatzrente für das Kalenderjahr 2000.

Zum 01.01.2001 fiel die A in Insolvenz.

Unter dem 16.10.1992 hatten die Tarifvertragsparteien einen Tarifvertrag über die Ablösung des Tarifvertrages über die betriebliche Zusatzrentenversorgung der Tarifgruppe Energie des AVEU (TVV Energie) vom 20.07.1990 nebst einer ergänzenden Vereinbarung und Protokollnotizen abgeschlossen (Bl. 232 ff. d. A.). Auf die Tarifwerke vom 16.10.1992 wird ebenfalls Bezug genommen.

Nachdem die ehemalige Arbeitgeberin des Klägers ihre Betriebsrentenzahlungen aufgrund der Insolvenzeröffnung einstellte, wandte sich der Kläger an den Beklagten, der jedoch seine Einstandspflicht verneinte.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei gemäß § 7 Abs.1 BetrAVG verpflichtet, die ihm zugesagte betriebliche Zusatzrente weiterzuzahlen. Die unmittelbare Versorgungszusage ergebe sich aus dem Inhalt der Arbeitsverträge vom 01.07. und 01.11.1991 und deren Bezugnahme auf den Vertrag zwischen der HEVAG und der A vom 12.06.1991. Die Rechtsprechung des BAG, wonach das Betriebsrentengesetz in den neuen Bundesländern nur auf solche Betriebsrentenzusagen angewandt werden könne, die nach dem 31.12.1991 neu erteilt worden seien, da das Gesetz dort erst zum 01.01.1992 in Kraft getreten sei, sei nur für Anpassungsansprüche im Sinne von § 16 BetrAVG relevant und könne vorliegend nicht einschlägig sein. Abgesehen davon habe die Arbeitgeberin durch ihre Hinweise in den Änderungsverträgen aus den Jahren 1992 und 1993, wonach sich an den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen nichts ändern solle, insbesondere aber auch durch das Schreiben vom 20.10.1998 und die tatsächliche Aufnahme der Rentenzahlung die Rentenzusage mehrfach bestätigt.

Der Kläger und Berufungskläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, ihm eine betriebliche Zusatzrente in Höhe von 37,84 € monatlich ab Januar 2001 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Meinung vertreten, § 7 BetrAVG, komme vorliegend nicht zur Anwendung, da sich der Kläger auf eine Betriebsrentenzusage stütze, die vor dem 01.01.1992 erteilt worden sein solle. Spätere bloße Bestätigungen oder der Umstand, dass die Arbeitgeberin die Rentenzahlung tatsächlich aufgenommen habe, könnten nach der Rechtsprechung des BAG die Anwendung des Betriebsrentengesetzes und damit auch seine, des Beklagten Einstandspflicht nicht auslösen.

Die 5. Kammer des Arbeitsgerichts Köln hat mit Urteil vom 25.07.2003 die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde dem Kläger am 11.11.2003 zugestellt. Er hat hiergegen am 02.12.2003 Berufung einlegen und diese am 11.01.2004 begründen lassen.

Der Kläger wiederholt und vertieft seine erstinstanzliche Rechtsauffassung. Er macht geltend, dass sich seine - später insolvente - Arbeitgeberin A auch über den 31.12.1991 hinaus an ihre Zusage, die betriebliche Zusatzrente zahlen zu wollen, gebunden gefühlt habe. Sie habe die Zusage bei allen Änderungen und Nachträgen zum Arbeitsvertrag erneuert und auch die vollständigen Beiträge für die vereinbarte Betriebsrente an den Beklagten abgeführt.

Jedenfalls enthielten die Tarifverträge vom 16.10.1992 die vom Beklagten geforderte Neuerteilung der Versorgungszusage.

Schließlich werde durch die Regelung im Einigungsvertrag, wonach das Betriebsrentengesetz in den neuen Bundesländern erst am 01.01.1992 in Kraft trete, auch der Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB nicht verdrängt. Die Regelung im Einigungsvertrag habe die Nachfolgeunternehmen der DDR-Wirtschaft vor unkalkulierbaren Risiken schützen sollen. Dieses Schutzes habe die A nicht bedurft, da sie um die Betriebsrentenansprüche der HEVAG - Mitarbeiter gewusst habe und sich in dem Übernahmevertrag explizit verpflichtet habe, diese zu erfüllen und auf weitere Sicht in ihr eigenes Versorgungssystem zu integrieren.

Bedenken bestünden schließlich auch hinsichtlich des Gleichheitsgrundsatzes. Zwar könne ein Rechtsnachfolger grundsätzlich bei der Gewährung von Sozialleistungen danach unterscheiden, ob die betreffenden Arbeitnehmer ihre Betriebstreue ihm selbst oder dem früheren Betriebsinhaber erbracht hätten. Die A habe eine solche Unterscheidung jedoch gerade nicht vorgenommen, sondern vielmehr die ehemaligen Mitarbeiter der HEVAG in das System der Versorgungsleistungen des A integriert. Wenn somit nicht einmal der Rechtsnachfolger zwischen Arbeitnehmern, deren Ansprüche er als solche erfüllen muss, und den Arbeitnehmern, denen gegenüber er eine eigene Verbindlichkeit begründet hat, unterschieden hat, so dürfe der Beklagte eine solche Unterscheidung erst recht nicht vornehmen.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 25.07.2003 zum Geschäftszeichen 5 Ca 5577/02 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger eine betriebliche Zusatzrente in Höhe von 37,84 € monatlich ab Januar 2001 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte wiederholt und vertieft ebenfalls seine erstinstanzliche Rechtsauffassung und hält daran fest, dass er nur dann hätte einstandspflichtig werden können, wenn die Versorgungszusage nach dem 01.01.1992 neu erteilt worden wäre. Dies sei jedoch nicht der Fall.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde im Rahmen des § 66 Abs. 1 ArbGG fristgerecht eingelegt und begründet.

II. Die Berufung des Klägers erweist sich auch als begründet. Der Beklagte ist für die Erfüllung des Anspruchs des Klägers auf Zahlung einer betrieblichen Zusatzrente, den der Kläger gegenüber seiner letzten Arbeitgeberin, der A erworben hatte, gemäß 7 Abs. 1 BetrAVG einstandspflichtig, da die Arbeitgeberin seit Eintritt der Insolvenz am 01.01.2001 selbst nicht mehr in der Lage ist, die Ansprüche zu erfüllen.

1. Die Ansprüche des Klägers auf Zahlung einer betrieblichen Zusatzrente hatten zunächst ihren Ursprung in §§ 2 bis 4 AO 54. Aufgrund seiner jahrzehntelangen Tätigkeit für das V fiel der Kläger unter den Kreis der Anspruchsberechtigten nach § 2 der AO 54. Das V war in den Kreis der "wichtigsten volkseigenen Betriebe" im Sinne von § 1 AO 54 aufgenommen.

2. Aus der AO 54 selbst kann der Kläger aber keine Rechte mehr herleiten. Bei der AO 54 handelt es sich um eine DDR-gesetzliche Regelung, die nach Maßgabe des Einigungsvertrages zum 31.12.1991 endgültig außer Kraft getreten ist. Zwar behalten nach der Rechtsprechung des BAG Arbeitnehmer, die bis zum 31.12.1991 bereits die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 AO 54 vollständig erfüllt hatten, ihre Ansprüche auch über den 31.12.1991 hinaus (BAG NZA 1997, 767ff.; BAG NZA 1996, 978ff.). Der Kläger hatte bis zum 31.12.1991 die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 AO 54 aber noch nicht erfüllt, da er zu diesem Zeitpunkt noch im aktiven Beschäftigungsverhältnis stand und keine Alters-, Invaliden- oder Unfallvollrente nachweisen konnte. Nach dem 31.12.1991 war die potenzielle Anspruchsgrundlage der AO 54 jedoch außer Kraft getreten. Somit konnte der Kläger aus dieser Anspruchsgrundlage keine Ansprüche mehr erwerben (BAG a. a. O.). Es bedarf daher auch keiner Erörterung, ob und inwieweit überhaupt die Regeln des BetrAVG auf bereits erworbene und ggf. über den 31.12.1991 hinaus fortbestehende Ansprüche aus der AO 54 angewandt werden könnten.

3. Mit In-Kraft-Treten des TVV Energie zum 01.07.1990 und mit der sich darauf beziehenden individuellen arbeitsvertraglichen Zusage gemäß Arbeitsvertrag vom 01.07.1991 erhielt der Kläger sodann die Zusage einer betrieblichen Zusatzversorgung mit kollektivarbeitsrechtlicher bzw. individualvertraglicher Rechtsqualität, wobei deren Inhalt entsprechend dem Inhalt des TVV Energie an die frühere Regelung der AO 54 anknüpfte.

Der TVV Energie wurde bereits bei der HEVAG praktiziert, wie sich aus § 2 Ziffer 5 des Übernahmevertrages zwischen der H und der A ergibt, und dort auch auf den Kläger angewandt, wie aus der Zusage der A im Arbeitsvertrag vom 01.07.1991 folgt, wonach "die bei der H erworbenen Rentenansprüche hiermit übernommen" werden, und ferner auch aus dem Schreiben der A vom 20.10.1998 über die Bestätigung der Ansprüche. Soweit in dem Klammerzusatz in § 2 Ziffer 5 des Vertrages zwischen der H und der A das Datum 09.10.1990 erscheint, ist dabei entsprechend der Tarifauskunft der I vom 10.08.2004 davon auszugehen, dass den Vertragspartnern dabei ein Schreibfehler unterlaufen ist und der TVV Energie vom 20.07.1990 gemeint ist.

4. Ungeachtet der Festlegung des Einigungsvertrages, dass das BetrAVG in dem Beitrittsgebiet erst zum 01.01.1992 in Kraft treten sollte, ist die dem Kläger auf der kollektivrechtlichen Basis des TVV Energie vom 20.07.1990 bzw. der individualarbeitsvertraglichen Basis der Arbeitsverträge vom 01.07. und 01.11.1991 erteilte betriebliche Zusatzrentenversorgungszusage gemäß § 7 Abs. 1 BetrAVG insolvenzgeschützt.

a. Dies folgt daraus, dass die Tarifvertragsparteien die kollektivrechtliche Basis der Versorgungszusage nach dem 01.01.1992 in einer Weise erneuert haben, die auch den strengen Kriterien der Rechtsprechung des BAG (z. B. NZA 1998, 1059 f.) gerecht wird.

aa. So haben der Arbeitgeberverband der energie- und versorgungswirtschaftlichen Unternehmen e. V. und die Industriegewerkschaft Bergbau und Energie durch tarifliche Vereinbarung vom 23.09.1992 (Bl. 257 d. A.) festgelegt, dass der Tarifvertrag über die tarifliche Zusatzrentenversorgung vom 20.07.1990 sowie die dazugehörige Protokollnotiz "als tariflich vereinbart durch die unterzeichnenden Tarifvertragsparteien gilt".

bb. Überdies haben die Tarifvertragsparteien unter dem 16.10.1992 mit dem Tarifvertrag über die Ablösung des Tarifvertrages über die betriebliche Zusatzrentenversorgung der Tarifgruppe Energie des AVEU (TVV Energie) vom 20.07.1990 und weiteren tariflichen Vereinbarungen vom 16.10.1992 ebenfalls ihren Rechtsbindungs- und Verpflichtungswillen insbesondere auch für solche auf dem TVV Energie vom 20.07.1990 beruhenden Anwartschaften erneuert (ebenso Höfer, BetrAVG, Kommentar, Allgemeiner rechtlicher Teil, Rdnr. 1505), bei denen die betroffenen Arbeitnehmer - wie auch der Kläger - am 31.12.1992 bereits die Wartezeit erfüllt hatten.

cc. Diese kollektivrechtlichen Erneuerungen der arbeitgeberseitigen Verpflichtungen aus dem TVV Energie vom 20.07.1990 schlagen auch auf die Ansprüche des Klägers nach Maßgabe dieses Tarifvertrages durch. Dies gilt auch dann, wenn man davon auszugehen hat, dass die Ansprüche des Klägers nicht unmittelbar kollektivarbeitsrechtlich, sondern erst durch die individualvertragliche Bezugnahme auf die tarifvertraglichen Rechte entstanden sind; denn wie aus § 2 Ziffer 5 des Übernahmevertrages zwischen der H und der A hervorgeht, sahen beide Unternehmen ihre Verpflichtungen gegenüber den Arbeitnehmern einschließlich des Klägers, betreffend die Anwartschaften über eine betriebliche Zusatzrentenversorgung, dem Regime des TVV Energie unterstellt. Sowohl der Arbeitsvertrag des Klägers mit der A vom 01.07.1991 wie auch derjenige vom 01.11.1991 nehmen explizit auf die Vereinbarungen zwischen H und A vom 12.06.1991 Bezug und erklären diese zur Grundlage des Arbeitsverhältnisses des Klägers.

b. Selbst wenn man jedoch der Auffassung nicht folgen wollte, dass bereits die kollektivrechtliche Erneuerung der Verpflichtungen aus dem TVV Energie vom 20.07.1990 nach dem 01.01.1992 dazu führt, dass auf die entsprechenden Ansprüche des Klägers das BetrAVG einschließlich dessen § 7 Abs. 1 Anwendung findet, so folgt letzteres doch in der vorliegenden Fallkonstellation auch aus einer nach Auffassung des Berufungsgerichts hinreichenden individualvertraglichen Erneuerung der Versorgungszusage.

aa. Ist die individualvertragliche Rentenzusage wie hier in einem Arbeitsvertrag enthalten, der nach der Wiedervereinigung, aber vor dem 1.Januar 1992 abgeschlossen wurde, so sind an die Erneuerung einer solchen Zusage nach dem 01.01.1992 weniger strenge Anforderungen zu stellen, als dies der bisherigen BAG-Rechtsprechung entspricht. Das Berufungsgericht folgt insoweit der Auffassung von Höfer (BetrAVG, Kommentar, Allgemeiner rechtlicher Teil, Rdnr. 1506), welcher zu Recht darauf hinweist, dass bei derartigen Versorgungszusagen nicht davon ausgegangen werden könne, dass dem Arbeitgeber die daraus entstehenden Lasten und ihr Umfang unbekannt gewesen seien. Gerade vor derartigen unwägbaren Risiken wollte der Einigungsvertrag jedoch die Unternehmen schützen, die Rechtsnachfolger der früheren DDR-Wirtschaft werden würden. Bereits als der zuständige Arbeitgeberverband den TVV Energie vom 20.07.1990 vereinbarte, hatte er konkrete Vorstellungen darüber entwickelt, welche Versorgungslasten aus den Regelungen dieses Tarifvertrages auf seine Mitgliedsunternehmen zukommen könnten. Erst recht muss dies für die A gelten, als sie die Übernahmevereinbarung mit der H vom 12.06.1991 abschloss und darin ausdrücklich die Anwartschaften über die betriebliche Zusatzrentenversorgung aus dem TVV Energie übernahm und sich diese Verpflichtung zu eigen machte, indem sie zugleich zusagte, diese Anwartschaften auf weitere Sicht in ihr eigenes System der Versorgungsleistungen zu integrieren.

bb. Diese Gesichtspunkte rechtfertigen es, in solchen Fällen schon eine einfache Bestätigung nach dem 01.01.1992 genügen zu lassen, um eine solche Zusage den Regeln des Betriebsrentengesetzes zu unterwerfen.

Solche Bestätigungen sind hier darin zu sehen, dass die A anlässlich der verschiedenen Vergütungserhöhungen im Jahre 1992 und 1993 jeweils ausdrücklich festhielt, dass "die übrigen Bedingungen des Anstellungsvertrages sowie evtl. bestehender Nachträge keine Änderung" erfahren. Die Bestätigung liegt ferner in der tatsächlichen Aufnahme der Rentenzahlungen zum Dezember 1997 (vgl. auch Höfer a. a. O.) und in dem Bestätigungsschreiben vom 20.10.1998. Nicht zuletzt kann die Bestätigung aber auch in dem unstreitigen Umstand gesehen werden, dass die A bezogen auf die von ihr angenommenen Betriebsrentenverpflichtungen - auch gegenüber dem Kläger -, kontinuierlich entsprechende Beitragszahlungen an den Beklagten geleistet hat. Hierzu hätte ihrerseits kein Anlass bestanden, wenn sie nicht selbst von der Geltung des Betriebsrentengesetzes ausgegangen wäre.

5. Aus den genannten Gründen hält es das Berufungsgericht für geboten, auf die Berufung des Klägers hin das die Klage abweisende arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern und dem Klagebegehren stattzugeben.

III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts war gemäß 72 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ArbGG die Revision zuzulassen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil kann von

Revision

eingelegt werden.



Ende der Entscheidung

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