Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 14.11.2007
Aktenzeichen: 7 Sa 611/07
Rechtsgebiete: BetrAVG


Vorschriften:

BetrAVG § 6
BetrAVG § 7
Ein Arbeitnehmer, der wegen des Bezuges eines Unfallruhegehaltes aus einem vorangegangenem Beamtenverhältnis nicht der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterlag, hat gegen den PSV als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung keinen Anspruch gemäß § 6 BetrAVG auf vorgezogene Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, auch wenn sein früherer Arbeitgeber - ohne dass die Versorgungsrichtlinien dies vorgesehen hätten - innerhalb der letzten 23 Monate vor Insolvenzeröffnung solche Leistungen tatsächlich erbracht hatte.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 08.03.2007 in Sachen 6 Ca 1740/06 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung einer vorgezogenen Betriebsrente hat.

Der am 27.05.1943 geborene Kläger war zunächst als Beamter im Polizeidienst des Landes Nordrhein-Westfalen beschäftigt. Aufgrund dauernder Dienstunfähigkeit infolge eines Dienstunfalles schied er im Jahre 1975 aus dem Dienstverhältnis aus. Er erhält seitdem vom Land Nordrhein-Westfalen ein sogenanntes Unfallruhegehalt.

Vom 10.03.1975 bis zum 28.02.2002 war der Kläger als Arbeitnehmer bei der D N -W AG (später DNICK-Ltd.) beschäftigt. Im Hinblick auf das an ihn gezahlte Ruhegehalt aus dem vorangegangenen Beamtenverhältnis unterlag das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der N -W AG nicht der Rentenversicherungspflicht. Das Arbeitsverhältnis zur D N -W AG endete aufgrund einer außerordentlichen betriebsbedingten arbeitgeberseitigen Kündigung mit sozialer Auslauffrist vom 25.07.2001. Der Kläger erhielt eine Sozialplanabfindung, wegen deren Berechnung auf Bl. 157 d. A. verwiesen wird.

Der Kläger ist mit einem GdB von 50 % als schwerbehinderter Mensch anerkannt.

Die D N -W AG hatte dem Kläger die Zusage einer betrieblichen Altersversorgung auf der Grundlage ihrer allgemeinen Versorgungsrichtlinien, gültig ab 01. September 1975, erteilt. § 1 Abs.1 S.2 dieser Versorgungsrichtlinien bestimmt:

Als Altersgrenze gilt für Männer die Vollendung des 65., für Frauen die Vollendung des 60.Lebensjahres."

§ 1 Abs. 4 der Versorgungsrichtlinien lautet wie folgt:

"Nimmt ein Versorgungsberechtigter die flexible Altersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch, wird die betriebliche Altersrente auf Antrag bereits vor Vollendung des 65./60. Lebensjahres gezahlt. Die Rentenzahlung beginnt im Monat nach Eingang des Antrages, frühestens jedoch mit Beginn der Zahlung des Altersruhegeldes der gesetzlichen Rentenversicherung. Entfallen die Voraussetzungen zum Bezug des Altersruhegeldes vor Vollendung des 65./60. Lebensjahres, wird die Zahlung der Firmenrente wieder eingestellt. Zum Ausgleich der längeren Rentenzahldauer wird die Höhe der Rente gekürzt. Die Kürzung beträgt 0,5 % für jeden Monat des Rentenbezuges vor Vollendung des 65./60. Lebensjahres." (vgl. Bl. 168 f. d. A.).

Am 27.05.2003 vollendete der Kläger sein 60. Lebensjahr. Auf seinen Antrag von diesem Tage hin (Bl. 6 d. A.) zahlte die D N -W AG an den Kläger ab dem 01.06.2003 eine betriebliche Altersrente von 160,50 € brutto.

Am 29.04.2005 wurde über die DNICK Ltd. in Großbritannien ein Insolvenzverfahren im Sinne von Artikel 1 Abs. 1 EUInsVO eröffnet. Der Beklagte erkennt die Eröffnung eines solchen Verfahrens als Sicherungsfall im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG an.

Das Ansinnen des Klägers, im Hinblick auf den Insolvenzfall die Betriebsrentenzahlungen ab Mai 2005 fortzuführen, lehnte der Beklagte jedoch mit der Begründung ab, dass dem Kläger kein Anspruch auf Bezug von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung vor Vollendung des 65. Lebensjahres zustehe.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn rückständige betriebliche Rente für die Zeit von Mai 2005 bis einschließlich März 2006 in Höhe von 1.765,50 € zu zahlen;

2. den Beklagten zu verurteilen, ihm laufende monatliche Rente zu zahlen in Höhe von € 160,50 bzw. nach den gesetzlichen Bestimmungen über die betriebliche Altersversorgung ab April 2006.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 08.03.2007 hat die 6. Kammer des Arbeitsgerichts Köln die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 08.03.2007 wird Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 14.05.2007 zugestellt. Er hat hiergegen am 01.06./06.06.2007 Berufung eingelegt und diese am 01.06. und 15.06.2007 begründet.

Der Kläger und Berufungskläger vertritt die Ansicht, dass § 6 BetrAVG zu seinen Gunsten entsprechend anzuwenden sei. Es sei zwar richtig, dass er keine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehe. Der Bezug des öffentlichrechtlichen Ruhegehalts aufgrund seines früheren Beamtenstatutes sei dem jedoch sachlich gleichzusetzen. Dies gebiete der allgemeine Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Die Interessenlage sei gleich. Auch er, der Kläger, habe letztlich sein Arbeitsverhältnis im Zuge einer "faktischen Aufhebungsvereinbarung" freiwillig aufgegeben.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 08.03.2007, 6 Ca 1740/06, abzuändern und

1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger rückständige betriebliche Rente für die Zeit von Mai 2005 bis einschließlich März 2006 in Höhe von 1.765,50 € brutto zu zahlen;

2. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger laufende monatliche Rente zu zahlen in Höhe von 160,50 € über die betriebliche Altersversorgung ab April 2006.

Der Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil im Einzelnen mit rechtlichen Erwägungen. Er führt aus, dass dem Kläger schon nach den Allgemeinen Versorgungsrichtlinien der V D N -Werke keine vorgezogene Betriebsrente ab Vollendung des 60. Lebensjahres zugestanden habe. Auch habe es der ehemalige Arbeitgeber entgegen den Allgemeinen Versorgungsrichtlinien unterlassen, den versicherungsmathematischen Abschlag vorzunehmen, der für den Fall eines Anspruchs auf vorgezogene Betriebsrente vorgesehen sei.

Jedenfalls begründe sich für ihn, den Beklagten, eine Leistungspflicht ausschließlich aus gesetzlichen Vorschriften. Die Voraussetzungen des § 6 BetrAVG seien aber weder ihrem Wortlaut, noch ihrer systematischen Stellung und ihrem Sinn und Zweck entsprechend erfüllt.

Selbst wenn man die tatsächliche Aufnahme der vorgezogenen Betriebsrentenzahlungen durch den ehemaligen Arbeitgeber ab Juni 2003 wider Erwarten als konkludente bewusste Verbesserung der ursprünglichen Versorgungszusage anzusehen hätte, wäre er, der Beklagte, daran wegen eines darin nach Maßgabe des § 7 Abs. 5 BetrAVG zu vermutenden Versicherungsmissbrauchs nicht gebunden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründungsschrift, der Berufungserwiderungsschrift und die sonstigen von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst ihren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde nach Maßgabe des § 66 Abs. 1 ArbGG fristgerecht eingelegt und begründet.

II. Die Berufung des Klägers musste jedoch erfolglos bleiben. Das Arbeitsgericht Köln hat den Rechtsstreit richtig entschieden und seine Entscheidung zutreffend begründet. Aus der Sicht der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ist zusammenfassend und ergänzend das Folgende auszuführen:

1. Ein Anspruch des Klägers darauf, dass ihm aus der Versorgungszusage der D N l-W AG bereits vor Vollendung des 65. Lebensjahres vorgezogene Leistungen der betrieblichen Altersversorgung gewährt würden, besteht weder nach § 6 BetrAVG noch bestand ein solcher Anspruch nach § 1 Abs. 4 der Allgemeinen Versorgungsrichtlinien seiner ehemaligen Arbeitgeberin.

a. Gemäß § 6 Satz 1 BetrAVG besteht ein Anspruch eines Arbeitnehmers, der, wie unstreitig der Kläger, über eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft verfügt, auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung vor Vollendung des 65. Lebensjahres nur dann, wenn er vor diesem Zeitpunkt die Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung als Vollrente in Anspruch nimmt.

b. § 1 Abs. 4 der Allgemeinen Versorgungsrichtlinien der V D N -W geht hierüber nicht hinaus. Die enge Verknüpfung des Anspruchs auf Bezug vorgezogener Betriebsrentenleistungen mit der Inanspruchnahme einer Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zeigt sich sowohl in § 6 BetrAVG wie auch in § 1 Abs. 4 der Allgemeinen Versorgungsrichtlinien darin, dass die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung dann wieder wegfallen, wenn die Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zwar zunächst gewährt wurde, dann aber ihrerseits wegfällt oder auf einen Teilbetrag beschränkt wird.

c. Was die ehemalige Arbeitgeberin des Klägers dazu bewogen hat, bereits im Juni 2003 vorgezogene Leistungen der betrieblichen Altersversorgung vorzunehmen, lässt sich weder anhand der zu den Akten gereichten Unterlagen, noch anhand des sonstigen Sachvortrages der Parteien nachvollziehen, ist für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits aber auch letztlich nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Die Annahme liegt nahe, dass die ehemalige Arbeitgeberin versehentlich nicht beachtet hat, dass bei dem Kläger aufgrund seines früheren Beamtenverhältnisses eine vergleichsweise seltene Ausnahmekonstellation bestanden hat und der Kläger mit Vollendung seines 60. Lebensjahres gerade nicht - wie viele andere schwerbehinderte Arbeitnehmer - in die vorgezogene gesetzliche Altersrente nach Maßgabe der Vorschriften des SGB VI gewechselt ist, oder aber dass die ehemalige Arbeitgeberin einem sonstigen Rechtsirrtum unterlegen ist.

2. Selbst wenn aber die ehemalige Arbeitgeberin den Kläger durch Aufnahme der Betriebsrentenzahlungen im Juni 2003 gegenüber § 1 Abs. 4 ihrer eigenen Allgemeinen Versorgungsrichtlinien bewusst besser stellen wollte und in der Aufnahme der Zahlungen somit eine bewusste und gewollte konkludente Verbesserung der Versorgungszusage zu sehen wäre, wäre der Beklagte als Institution der gesetzlichen Insolvenzsicherung hieran nicht gebunden; denn die Aufnahme der Betriebsrentenzahlungen an den Kläger erfolgte weniger als zwei Jahre vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die DNICK Ltd. Dieser zeitliche Zusammenhang löst die gesetzliche Annahme eines so genannten Versicherungsmissbrauchs im Sinne von § 7 Abs. 5 Satz 2 BetrAVG aus.

3. Entgegen der Ansicht des Klägers kommt zu seinen Gunsten auch keine entsprechende Anwendung von § 6 BetrAVG in Frage.

a. Der Wortlaut des § 6 BetrAVG ist eindeutig. Dort ist ausschließlich von einer "Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung...als Vollrente" die Rede und findet sich nicht einmal - wie etwa in § 5 Abs. 1 Nr. 3 ATG - die Öffnungsklausel, dass statt der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung auch "ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art" einen Anspruch auf eine vorzeitige Betriebsrente auslösen könnten.

b. Auch der Sinn und Zweck der Regelung (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, NZA 1991, 939 f.; LAG Köln vom 13.10.2006, 12 Sa 817/06) trifft auf den Fall des Klägers nicht zu. Der Kläger nimmt keine Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch, war niemals in diesem Sinne versicherungspflichtig und hat auch niemals entsprechende Beiträge bezahlt. Anstelle einer gesetzlichen Versicherungsrente bezieht der Kläger - und das bereits seit seinem 32. Lebensjahr - ein öffentlich-rechtliches Unfallruhegehalt. Der Anlass des Bezuges dieser öffentlich-rechtlichen Versorgungsleistung besteht gerade nicht in dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters, sondern darin, dass der Kläger während seiner aktiven Zeit als Polizeibeamter während der Erfüllung seiner Dienstpflichten einen Dienstunfall erlitten und aufgrund dessen dauernd als (Polizei-)Beamter dienstunfähig wurde.

c. Zwischen der öffentlich-rechtlichen Beamtenversorgung, welcher der Kläger unterliegt, und dem gesetzlichen Rentenversicherungsrecht, bestehen in jeder Hinsicht grundlegende Unterschiede. Wenn überhaupt, so könnte das vom Kläger bezogene öffentlich-rechtliche Unfallruhegehalt allenfalls mit einer Erwerbs-, bzw. Berufsunfähigkeitsrente im Sinne des SGB VI verglichen werden. Auch die Inanspruchnahme einer gesetzlichen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeitsrente löst den Anspruch auf vorgezogene Betriebsrentenleistungen nach § 6 BetrAVG aber gerade nicht aus.

d. Da der Kläger sich somit in einer grundlegend anderen Situation befindet, als derjenige Arbeitnehmer, der nach dem Wortlaut des § 6 BetrAVG dessen Voraussetzungen erfüllt, kommt auch keine Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes aus Artikel 3 Abs. 1 GG in Betracht. Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz verbietet es lediglich, gleiche Sachverhalte zum Nachteil des Betroffenen ungleich zu behandeln. Der Fall des Klägers unterscheidet sich aber gerade in wesentlicher Hinsicht von der Konstellation, für die der Gesetzgeber in § 6 BetrAVG den Anspruch auf vorgezogene Betriebsrentenleistungen vorgesehen hat.

e. Nur der Vollständigkeit halber sei schließlich angemerkt, dass die Behauptung des Klägers, er habe sich die Berechtigung des Bezuges einer betrieblichen Rente durch Zahlung eigener Beiträge erkauft, nicht nachvollzogen werden kann. Dafür, dass der Betriebsrentenanspruch des Klägers im Zusammenhang mit einer Art von "Entgeltumwandlung" gestanden hätte, ist aufgrund der zu den Akten gereichten Unterlagen nichts ersichtlich.

f. Ungeachtet dessen bleibt festzuhalten, dass auch nach der Rechtsauffassung des Beklagten dem Kläger mit Vollendung seines 65. Lebensjahres aufgrund der von ihm unstreitig erworbenen unverfallbaren Betriebsrentenanwartschaft Leistungen der betrieblichen Altersversorgung durch den Beklagten zustehen werden, früher jedoch nicht.

g. Bei alledem ist die Berufung nicht geeignet, das arbeitsgerichtliche Urteil vom 08.03.2007 im Ergebnis und/oder in der Begründung in Frage zu stellen.

III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 ZPO.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision liegt ersichtlich nicht vor.

Ende der Entscheidung

Zurück