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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 18.12.2008
Aktenzeichen: 7 Sa 816/08
Rechtsgebiete: TV-Altersteilzeit


Vorschriften:

TV-Altersteilzeit
1. Ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes ist nicht dazu verpflichtet, einen Arbeitnehmer, der sich für den Abschluss eines Altersteilzeitvertrages interessiert, darüber zu beraten, welche Steuerklasse in diesem Fall für ihn am günstigsten wäre.

2. Dies gilt umso mehr, als der Rechtsprechung des BAG zu folgen ist, wonach sich ein Arbeitnehmer rechtsmissbräuchlich verhält, der einen Steuerklassenwechsel ausschließlich deshalb vornimmt, um von seinem Arbeitgeber während der Laufzeit eines Altersteilzeitvertrages höhere Aufstockungsleistungen zu erlangen (vgl. BAG v. 9.9.2003, AP Nr. 2 zu § 4 ATG).


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 16.05.2008 in Sachen 1 Ca 10826/07 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um einen vermeintlichen Schadensersatzanspruch des Klägers wegen Verletzung von Hinweis- bzw. Aufklärungspflichten bzw. wegen Ungleichbehandlung.

Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, die Klage abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 16.05.2008 Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 06.06.2008 zugestellt. Er hat hiergegen am 26.06.2008 Berufung einlegen und diese - nach Verlängerung der Frist bis zum 06.09.2008 - am 03.09.2008 begründen lassen.

Der Kläger hält an seiner Rechtsauffassung fest, wonach das beklagte Land verpflichtet gewesen sei, ihn im Vorfeld des Abschlusses des Altersteilzeitvertrages über die Relevanz der Steuerklasse für die Höhe des sog. Aufstockungsbetrages zu informieren und ihn über die Wahl der für ihn günstigsten Steuerklasse zu beraten. Das beklagte Land habe seine Fürsorgepflicht verletzt, indem es seiner Beratungspflicht nicht nachgekommen sei.

Der Kläger macht geltend, dass in seinem Fall eine Änderung der Lohnsteuerklasse aus Anlass des Abschlusses eines Altersteilzeitvertrages auch keinen Rechtsmissbrauch dargestellt hätte. Im übrigen habe ihm ein Mitarbeiter des L im Nachhinein erklärt, dass man vor Beantragung der Altersteilzeit die Steuerklasse in Steuerklasse 3 ändern solle und dann zwei Monate abwarten solle, danach "krähe kein Hahn mehr danach".

Wegen der weiteren Argumentation des Klägers wird auf die Einzelheiten der Berufungsbegründungsschrift vom 03.09.2008 verwiesen.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr,

das beklagte Land unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 16.05.2008, Aktenzeichen 1 Ca 10826/07, zu verurteilen, an den Kläger 2.150,05 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das beklagte Land verweist auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils, die es für durchweg zutreffend hält.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

II. Die Berufung des Klägers konnte jedoch keinen Erfolg haben. Die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Köln hat den Rechtsstreit zutreffend entschieden. Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung umfassend und rechtlich korrekt in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung begründet. Das Berufungsgericht nimmt auf die überzeugenden Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug. Aus der Sicht der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ist zusammenfassend noch das Folgende zu ergänzen:

1. Das beklagte Land hat gegenüber dem Kläger im Vorfeld des zum 01.06.2000 abgeschlossenen Altersteilzeitvertrages seine Fürsorgepflichten nicht verletzt.

a. Das beklagte Land hat dem Kläger auf dessen Wunsch mit Schreiben vom 28.03.2000 eine vorläufige und unverbindliche Information über die Höhe des sog. Mindestnettobetrages nach TV-ATZ zur Verfügung gestellt.

b. Eine darüberhinausgehende Pflicht, den Kläger über die für ihn günstigste Steuerklassenwahl zu beraten, traf das beklagte Land dagegen nicht.

aa. Ein Arbeitgeber ist nicht der Steuerberater seiner Arbeitnehmer. Lässt das Steuerrecht dem steuerpflichtigen Bürger steuerrelevante Gestaltungsmöglichkeiten, so stellt deren Wahrnehmung die ureigene Privatangelegenheit des Steuerpflichtigen dar. Hierauf hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen.

bb. In welcher Weise der steuerpflichtige Bürger von seinen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch macht, hängt typischerweise von einer Vielzahl von Faktoren ab, von denen ein mehr oder weniger großer Anteil mit dem Arbeitsverhältnis des Betroffenen nichts zu tun haben muss. Eine seriöse steuerliche Beratung müsste sich aber umfassend mit allen in Frage kommenden Faktoren auseinandersetzen. Ein Arbeitgeber, insbesondere ein solcher, der wie das beklagte Land viele tausend Mitarbeiter beschäftigt, wäre mit einer solchen Aufgabe überfordert. Unabhängig davon würde es sich in Anbetracht dessen, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer nur in arbeitsvertraglicher Hinsicht miteinander verbunden sind, um eine dem Charakter des Vertragsverhältnisses sachfremde Aufgabe handeln.

cc. Darüber hinaus verdeutlicht gerade auch der vorliegende Fall, dass die Art und Weise, wie steuerrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten wahrgenommen werden, auch von subjektiven Vorlieben des betroffenen Bürgers abhängt. So haben der Kläger und seine Ehegattin nach eigenem Bekunden auch zu Zeiten, in denen das Monatsverdienst des Klägers erheblich höher war als dasjenige seiner Ehegattin, bewusst die Steuerklassenkombination IV/IV gewählt. Zur Begründung hat der Kläger ausführen lassen, man habe es bevorzugt, einmal pro Jahr eine höhere Steuerrückzuzahlung zu erhalten, weil man der ansonsten - bei Wahl der Steuerklassenkombination III/V -bestehenden Gefahr habe entgehen wollen, dass die höheren monatlichen Nettobeträge bei den alltäglichen Ausgaben "mehr oder weniger versickern".

c. Der Kläger kann auch nicht damit gehört werden, dass ihn das beklagte Land zumindest ausdrücklich darauf hätte hinweisen müssen, dass die Wahl der Steuerklasse die Höhe des sog. Aufstockungsbetrages zu beeinflussen geeignet sei.

aa. Aus dem Auskunftsschreiben des L vom 28.03.2000 zu der Frage, welchen Mindestnettobetrag nach dem TV-ATZ der Kläger voraussichtlich zu erwarten haben werde, geht klar und deutlich hervor, dass es jeweils um die Monatsnettobeträge geht. Wörtlich führt das L aus: "Dieser Mindestnettobetrag beläuft sich in ihrem Fall unter Berücksichtigung eines regelmäßigen Vollzeitarbeitsentgelts von 7.503,17 DM auf monatlich 3.166,42 DM."

bb. Das L durfte davon ausgehen, dass auch dem Kläger bekannt war und ist, dass die Höhe des monatlichen Nettogehalts bei beiderseits berufstätigen Ehegatten u. a. von der Wahl der Steuerklasse abhängt.

cc. Den Irrtum des Klägers, dass es bei der Berechnung des sog. Aufstockungsbetrages zur Altersteilzeit auf das Jahresnettoeinkommen ankommen könnte, hat das beklagte Land nicht verursacht. In dem Auskunftsschreiben vom 28.03.2000 wird explizit nur auf die Monatsbeträge abgestellt.

d. Das beklagte Land traf im Falle des Klägers auch keine über das übliche Maß hinaus gesteigerten "Beratungspflichten".

aa. Insbesondere war es nicht das beklagte Land, das den Kläger zum Abschluss eines Altersteilzeitvertrages gedrängt hätte. Vielmehr ist der Kläger diesen Weg aus eigener Initiative gegangen. Welche Motive ihn dabei geleitet haben mögen, ist für die hier zu entscheidenden Rechtsfragen ohne jeden Belang.

bb. Das beklagte Land hat den Kläger auch nicht unter Zeitdruck gesetzt, in- dem es ihn darüber informiert hat, dass zum 01.07.2000 bestimmte Änderungen, die Krankenversicherungspflicht betreffend, eintreten würden. Welche Schlussfolgerungen der Kläger aus einer solchen Information zu ziehen dachte und gezogen hat, war ganz alleine ihm überlassen.

2. Zu Unrecht hat sich der Kläger erstinstanzlich schließlich auch auf den Gesichtspunkt der Ungleichbehandlung berufen.

a. Zwar hat der Kläger in der Berufungsinstanz die erstinstanzlich aufgestellte Behauptung, Mitarbeiter des L hätten Kollegen von ihm dazu geraten, ca. 2 Monate vor Beginn der beabsichtigten Altersteilzeit die Steuerklasse zu wechseln, dann "krähe später kein Hahn mehr danach", in dieser Form nicht mehr wiederholt. Das vom Kläger behauptete Zitat zeigt jedoch mit aller Deutlichkeit, dass der Mitarbeiter, der einen solchen Rat erteilt hätte, sich genau bewusst war, dass er damit unter Umständen zu einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten anstiftet.

b. Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 09.09.2003 (AP Nr. 2 zu § 4 ATG) in aller Deutlichkeit klargestellt, dass ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorliegt, wenn ein Arbeitnehmer im Vorfeld des Abschlusses eines Altersteilzeitvertrages die Änderung seiner Lohnsteuerklasse nur deshalb vornimmt, um die Aufstockungsleistungen des Arbeitgebers zu erhöhen (a. a. O. Leitsatz 3 Satz 1 und Gründe). Es kann nicht ernsthaft eine Rechtspflicht konstituiert werden, dass Mitarbeiter des beklagten Landes an Altersteilzeitinteressenten Ratschläge zu erteilen hätten, deren Verwirklichung je nach Lage des Falles einen Rechtsmissbrauch mit der Folge eines finanziellen Schadens des beklagten Landes bedeuten könnte.

c. Nach seinem eigenen Bekunden hätte der Kläger seinerzeit - bei entsprechender Beratung durch das L - den Lohnsteuerklassenwechsel ausschließlich deshalb vorgenommen, um in den Genuss eines erhöhten Aufstockungsbetrages zu gelangen; denn unabhängig von der unterschiedlichen Verdiensthöhe des Klägers und seiner Ehefrau hatte der Kläger in der Vergangenheit stets die Wahl der Steuerklasse IV bevorzugt.

d. Abgesehen davon hat der Kläger nähere Angaben zum Verhältnis der eigenen Verdiensthöhe zu derjenigen seiner Ehefrau nur für die Zeit vor Beantragung der Altersteilzeit gemacht. Wenn der Kläger jedoch darauf hinauswollte, dass seinerzeit ein Lohnsteuerklassenwechsel nicht nur wegen des Antrags auf Altersteilzeit, sondern auch wegen der Verdienstdiskrepanz zwischen ihm und seiner Ehefrau angezeigt gewesen wäre, hätte er jedoch sein eigenes zu versteuerndes Einkommen nach dem Altersteilzeitvertrag in das Verhältnis zur Höhe des Einkommens seiner Ehefrau setzen müssen. Hierüber fehlen konkrete Angaben für den streitgegenständlichen Anspruchszeitraum (01.01.2004 - 30.11.2006). Das beklagte Land hat allerdings bereits erstinstanzlich unter Angabe konkreter Zahlen dargelegt, dass die Ehefrau des Klägers jedenfalls in den Jahren 2005 und 2006 sogar ein höheres versteuerbares Jahreseinkommen zu verzeichnen hatte als der Kläger selbst (!).

3. Rechtliche Gesichtspunkte, die die vom Kläger postulierte Schadensersatzpflicht des beklagten Landes vorliegend begründen könnten, sind somit auch in der Berufungsinstanz nicht ersichtlich geworden.

III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor.

Ende der Entscheidung

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