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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 08.01.2003
Aktenzeichen: 7 Sa 852/02
Rechtsgebiete: BBiG, BGB


Vorschriften:

BBiG § 6
BBiG § 15
BGB § 626
1) § 15 Abs. 3 BBiG verlangt, dass das Kündigungsschreiben selbst oder ihm beigefügte AnlAgen konkret und nachvollziehbar Tatsachen darstellen, auf die der Kündigende seinen Beendigungswillen stützt.

2) An die Kündigungsrelevanz vertragswidriger Verhaltensweisen eines Auszubildenden sind deshalb strengere Anforderungen zu stellen als bei erwachsenen Arbeitnehmern, weil es sich bei den Auszubildenden regelmäßig um ältere Jugendliche und Heranwachsende handelt, deren geistige, charakterliche und körperliche Entwicklung noch nicht abge-schlossen ist und es nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 BBiG gerade auch zu den Aufgaben des Aus-bilders gehört, den Auszubildenden charakterlich zu fördern.


LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 7 Sa 852/02

Verkündet am: 08.01.2003

In dem Rechtsstreit

hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 08.01.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Czinczoll als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Zerlett und Wollersheim

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 24.04.2002 in Sachen 5 Ca 3620/01 EU wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

(von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen)

Auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 24.04.2002 wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die gemäß § 64 Abs. 2 b) und c) ArbGG statthafte Berufung wurde gemäß § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG fristgerecht eingelegt und begründet. Die Berufung ist mithin zulässig.

II. Die Berufung des Beklagten ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat, wie bereits zuvor der Schlichtungsausschuss der IHK zu Aachen, die streitgegenständliche fristlose Kündigung des Ausbildungsverhältnisses der Parteien durch den Beklagten vom 28.09.2001 zurecht für rechtsunwirksam erklärt.

1. Die Kündigung ist bereits gemäß § 15 Abs. 3 BBiG formnichtig.

a. Gemäß § 15 Abs. 3 BBiG bedarf die Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses zwingend der Schriftform, wobei auch die Kündigungsgründe schriftlich angegeben werden müssen. Die Einhaltung der Erfordernisse des § 15 Abs. 3 BBiG ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die außerordentliche arbeitgeberseitige Kündigung. Die Angabe der Kündigungsgründe im Sinne des Gesetzes setzt voraus, dass das Kündigungsschreiben selbst oder ihm beigefügte Anlagen konkret und nachvollziehbar Tatsachen darstellen, auf die der Kündigende seinen Beendigungswillen stützt (LAG Baden Württemberg EzB § 15 Abs. 2 Nr. 1 BBiG Nr. 72; Leinemann/Taubert, Berufsbildungsgesetz, § 15 Rdnr.127; BAG AP Nr. 4 zu § 15 BBiG). In einem späteren Rechtsstreit um die Wirksamkeit der Kündigung kann sich der Arbeitgeber regelmäßig nur auf solche Gründe berufen, die er in formwirksamer Weise im Kündigungsschreiben mitgeteilt hat.

b. Dem gesetzlichen Erfordernis des § 15 Abs. 3 BBiG nach schriftlicher Angabe der Kündigungsgründe wird das Kündigungsschreiben des Beklagten vom 28.09.2001 nicht gerecht. Dem Kündigungsschreiben lassen sich folgende vier Kündigungsmotive entnehmen:

a) "die von Ihnen deutlich demonstrierte Interessenlosigkeit";

b) "die fehlenden Bemühungen um die Erreichung des Ausbildungsziels";

c) "vermittelte Kenntnisse und Fertigkeiten werden von von Ihnen mit Nichtwissen bestritten";

d) "die Kommunikation des Unternehmens mit der Umwelt" wird von Ihnen "regelmäßig sabotiert".

Bei den unter a) und b) angeführten, lediglich schlagwortartig mitgeteilten Kündigungsgründen handelt es sich um reine Werturteile und Schlussfolgerungen ohne die Angabe einer konkreten Tatsachengrundlage. Eine derartige Begründung genügt den Anforderungen des § 15 Abs. 3 BBiG nicht (LAG Baden Württemberg LAGE § 15 BBiG Nr. 6; Leinemann/Taubert, a.a.O. Rdnr. 128; Däubler in Kittner/Däubler/Zwanziger § 15 BBiG Rdnr. 45). Die Aussage unter c) ist in ihrer Formulierung mißlungen. Was der Beklagte damit inhaltlich zum Ausdruck bringen wollte, erschließt sich dem objektiven Leser nicht.

Die unter d) getroffene Aussage ist wiederum derart allgemein gehalten und vieldeutig, dass sie dem für § 15 Abs. 3 BBiG geltenden Konkretisierungsgebot nicht gerecht wird. Dass der Beklagte damit wohl meinte, wie er im Prozess - wenn auch unsubstantiiert - erläutert hat, dass der Kläger "regelmäßig" vergessen habe, bei der Entgegennahme von Kundenanrufen den Namen des Kunden und/oder die Rückruftelefonnummer zu erfassen, ist für den unbefangenen Leser des Kündigungsschreibens eine nicht gerade naheliegende Erklärung.

c. Auf Kündigungsgründe, die in dem Kündigungsschreiben nicht gemäß § 15 Abs. 3 BBiG ordnungsgemäß aufgeführt sind, kann sich der Beklagte in einem späteren Prozess um die Wirksamkeit der Kündigung nicht mehr stützen.

2. Erst recht kann der Beklagte sich, wie sich bereits aus allgemeinen zivil- und arbeitsrechtlichen Grundsätzen ergibt, nicht auf solche Kündigungsgründe stützen, die sich erst nach Ausspruch der Kündigung ereignet haben sollen.

3. Dem Arbeitsgericht ist auch uneingeschränkt darin beizupflichten, dass der Beklagte die Voraussetzungen eines wichtigen Grundes für eine außerordentliche Kündigung weder dargelegt noch unter Beweis gestellt hat.

a. Gemäß § 15 Abs. 2 Ziffer 1 BBiG kann ein Ausbildungsverhältnis nach der Probezeit vom Ausbilder nur noch außerordentlich gekündigt werden. Eine solche außerordentliche, fristlose Kündigung setzt einen "wichtigen Grund" voraus. Der Begriff des "wichtigen Grundes" ist mit demjenigen in § 626 Abs. 1 BGB bedeutungsgleich.

b. Bei der Prüfung der Kündigungsrelevanz vertragswidriger Verhaltensweisen eines Auszubildenden kann dabei jedoch nicht von denselben Maßstäben ausgegangen werden, die bei Arbeitsverhältnissen erwachsener Arbeitnehmer angelegt werden (Leinemann/Taubert, a.a.O. m.w.N.). Strengere Anforderungen als bei erwachsenen Arbeitnehmern sind auch deshalb gerechtfertigt, weil es sich bei Auszubildenden nicht selten - und so auch hier - um ältere Jugendliche und Heranwachsende handelt, deren geistige, charakterliche und körperliche Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist (LAG Baden-Württemberg NZW RR 1997, 288; Leinemann/Taubert a.a.O.). Dabei ist auch zu bedenken, dass es nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 BBiG auch zu den Aufgaben des Ausbilders gehört, den Auszubildenden charakterlich zu fördern. Die fristlose Kündigung darf daher nur das letzte Mittel zur Beendigung eines unrettbaren Berufsausbildungsverhältnisses sein (Leinemann/Taubert a.a.O.). Dabei gewinnt das Interesse des Auszubildenden an der Aufrechterhaltung des Ausbildungsverhältnisses mit fortschreitender Dauer der Ausbildung immer mehr an Gewicht (LAG Köln EzB § 15 Abs. 2 Nr. 1 BBiG Nr. 63; LAG Düsseldorf EzB § 15 Abs. 2 Nr. 1 BBiG Nr. 76; Leinemann/Taubert, a.a.O. Rdnr. 41 m.w.N.). Im Zeitpunkt der vorliegend zu beurteilenden Kündigung befand sich der Kläger bereits im dritten und letzten Ausbildungsjahr.

c. In der von ihm vorgelegten Argumentation beanstandet der Beklagte letztendlich das Leistungsverhalten des Klägers. In einem so späten Stadium des Ausbildungsverhältnisses wie hier kann das Leistungsverhalten aber allenfalls dann als wichtiger Grund für die Beendigung des Ausbildungsverhältnisses in Frage kommen, wenn es so katastrophal schlecht ist, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit ein erfolgreicher Abschluss der Ausbildung nicht mehr zu erwarten ist und gemessen daran die Mühewaltung des Ausbilders in keinem zumutbaren Verhältnis mehr zu den Bemühungen des Auszubildenden und dem zu erwartenden Mißerfolg der Ausbildung stehen. Von solchen Verhältnissen kann im vorliegenden Fall selbst nach dem Vorbringen des Beklagten auch nicht annähernd die Rede sein. Bezeichnender Weise hat sich in der mündlichen Verhandlung ergeben, dass der Kläger sogar trotz der vom Beklagten ausgesprochenen fristlosen Kündigung die Abschlussprüfung bestanden hat.

d. Unabhängig davon ist jedoch unabdingbare Voraussetzung jeder auf das Leistungsverhalten des Auszubildenden gestützten Kündigung, dass der Auszubildende zuvor abgemahnt wurde. Der Kläger hat hierzu zwar eine Abmahnung vom 28.05.2001 behauptet, der Beklagte indessen deren Zugang bestritten. Der Beklagte hat auch in der Berufungsinstanz keinerlei Beweismittel dafür angeboten, dass der Kläger tatsächlich abgemahnt wurde.

4. Die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 28.09.2001 ist daher aus diversen Gründen rechtsunwirksam.

III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 ZPO.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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