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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 20.11.2008
Aktenzeichen: 7 Sa 857/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 253
BGB § 823
1. Ein "Mobbing"-Verhalten, das geeignet sein soll, Schadensersatzpflichten auszulösen, ist abzugrenzen von sozialadäquaten arbeitsalltäglichen Konfliktsituationen. Kennzeichen für ein schadensersatzbewehrtes "Mobbing" ist dabei ein systematisches Verhalten des oder der Schädiger, bei dem eine bestimmte Person fortgesetzt, bewusst und zielgerichtet angefeindet oder schikaniert wird.

2. Zur Abgrenzung im Einzelfall.


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 15.05.2008 in Sachen 3 Ca 287/08 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger macht gegen die Beklagten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wegen "Mobbings" geltend.

Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 3. Kammer des Arbeitsgerichts Bonn dazu bewogen haben, die Klage abzuweisen, wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 15.05.2008 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 15.07.2008 sowie die Entscheidungsgründe dieses Urteils Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 12.06.2008 zugestellt. Er hat hiergegen am 10.07.2008 Berufung einlegen und diese - nach Verlängerung der Frist bis zum 02.09.2008 - am 01.09.2008 begründen lassen.

Der Kläger stellt in seiner Berufungsbegründung nochmals die Vorfälle vom 01.10., 09.10., 11.11. und 13.11.2006 sowie vom 19.02., 23.02., 10.09., 11.09., 14.09. und 01.10.2007 dar, die er als "Mobbinghandlungen" bewertet und bei denen es sich ihm zufolge nur um Beispielsfälle aus der Zeit ab dem 01.10.2006 handele. Die Vorfälle verdeutlichten, dass der Beklagte zu 1) ihn, den Kläger, in systematischer Weise fortgesetzt beleidigt, schikaniert und diskriminiert habe. Bezeichnenderweise habe der Beklagte zu 1) bereits im Oktober 2004 anlässlich eines Bescheides des Arbeitsamtes, mit welchem der Kläger einem Schwerbehindertem gleichgestellt worden war, geäußert: "Ich mach dich so fertig, dass du von selber gehst!".

Aufgrund des Mobbingsverhaltens leide er, der Kläger, unter einer andauernden schweren psychischen Störung und einer negativen Persönlichkeitsveränderung.

Auch die Beklagte zu 2) hafte auf Schadensersatz und Schmerzensgeld da sie sich nicht schützend vor ihn gestellt habe. So habe er, der Kläger, den Geschäftsführer C L bereits im Oktober 2003 und nochmals im Sommer 2006 darauf hingewiesen, dass er von dem Beklagten zu 1) gemobbt werde. Im Sommer 2006 habe der Geschäftsführer ihm versprochen, den Beklagten zu 1) "hinauszuschmeißen", ohne dass jedoch etwas geschehen sei. Die Reaktion der Beklagten zu 2) auf das Anwaltsschreiben vom 25.09.2007 zeige überdies, dass die Beklagte zu 2) die gegen den Beklagten zu 1) gerichteten konkreten Vorwürfe pauschal zurückgewiesen habe, ohne überhaupt mit dem urlaubsabwesenden Beklagten zu 1) gesprochen zu haben. Sie habe ihn, den Kläger, somit als Lügner dargestellt.

Wegen der Einzelheiten der vom Kläger dargestellten Mobbingvorfälle wird auf Seite 2 - 4 der Berufungsbegründungsschrift vom 01.09.2008 Bezug genommen.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr,

1. die Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Bonn vom 15.05.2008, Az. 3 Ca 287/08, als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger Schadensersatz in Höhe von 20.000,00 € zu zahlen;

2. die Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Bonn vom 15.05.2008, Az. 3 Ca 287/08, als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes, der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld zu zahlen.

Die Beklagten und Berufungsbeklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten treten auf Seite 2 - 4 ihrer Berufungserwiderung vom 06.10.2008 den Schilderungen des Klägers zu den einzelnen von diesem als Mobbing bewerteten Vorfällen entgegen. Sie bestreiten, dass der Beklagte zu 1) sich bei diesen Vorfällen in der vom Kläger zitierten Art und Weise verächtlich, herablassend oder unsachlich geäußert habe. Auch habe er den Kläger nicht angebrüllt. Zu bedenken sei auch, dass in der Backstube aufgrund der dort betriebenen Maschinen ein hoher Lärmpegel herrsche, der bisweilen einen lauteren Gesprächston erfordere. Darüber hinaus gehe es in einer Backstube wie in den meisten Handwerksbetrieben im Einzelfall auch schon einmal etwas derber und heftiger zu, ohne dass es sich dabei um Verhaltensweisen handele, die die Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung eines Mitarbeiters bezweckten. Zutreffend sei, dass der Beklagte zu 1) am 11.11.2006, 13.11.2006, 19.02. und 23.02.2007 sowie am 11.09.2007 aus gegebenem Anlass die Arbeitsleistung des Klägers kritisiert habe bzw. ihn aufgefordert habe, seiner Arbeit nachzugehen, dies jedoch stets in sachlichem Ton. Selbst wenn, so die Beklagten, der Beklagte zu 1) im Einzelfall, was bestritten werde, das Gebot des höflichen und respektvollen Umgangs miteinander verletzt haben sollte, liege keine zielgerichtete Schikane des Klägers und kein "Mobbing" vor.

Die Beklagten bestreiten die vom Kläger behauptete gesundheitliche Beeinträchtigung. Sofern sie bestehen sollte, sei sie jedenfalls nicht auf die Situation am Arbeitsplatz und die vom Kläger geschilderten Vorfälle zurückzuführen.

Die Beklagte zu 2) macht geltend, sie habe in der Vergangenheit erhebliche Rücksicht auf die privaten Probleme des Klägers genommen, jedoch dränge sich der Eindruck auf, dass der Kläger entweder gesundheitlich nicht mehr in der Lage oder nicht mehr gewillt sei, die vom ihm geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. So habe der Kläger selbst im Rahmen eines Gesprächs mit dem Beklagten zu 1) darauf hingewiesen, dass er sich den Anforderungen am Arbeitsplatz nicht mehr gewachsen fühle. Die Beklagte zu 2) bestreitet, dass der Kläger im Oktober 2003 oder im Sommer 2006 mit dem Geschäftsführer C L über ein "Mobbing" seitens des Beklagten zu 1) gesprochen habe.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 15.05.2008 ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

II. Das Arbeitsgericht Bonn hat die Klage jedoch im Ergebnis zu Recht und mit im Kern zutreffender Begründung abgewiesen. Der Kläger hat nach Lage der Dinge keinen Anspruch auf Schadensersatz und/oder Schmerzensgeld gegen den Beklagten zu 1) und/oder die Beklagte zu 2). Anknüpfend an die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils ist aus der Sicht der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht, in welcher das Gericht den Parteien ausführlich Gelegenheit gegeben hat, mündlich zur Sache Stellung zu nehmen, zusammenfassend und ergänzend das Folgende auszuführen:

1. Der Kläger nimmt die Beklagten wegen Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch. Er wirft dem Beklagten zu 1) vor, ihn fortgesetzt und systematisch gemobbt zu haben. Der Beklagten zu 2) wirft er vor, ihn nicht, wie geboten vor den Mobbinghandlungen des Beklagten zu 1) in Schutz genommen zu haben.

a. "Mobbing" ist kein Rechtsbegriff und erst recht keine Anspruchsgrundlage (BAG, NZA 2007, 1154 ff.; ErfK/Preis, 7. Aufl., § 611 Rn. 768 a; Küttner/Reinecke, Personalbuch 2008, Stichwort Mobbing Rn. 1), sondern ein volkstümlich gewordener Sprachbegriff, mit dem eine Vielzahl unterschiedlicher Konfliktsituationen am Arbeitsplatz beschrieben wird, welche von mindestens einem der Betroffenen als gegen seine Person gerichtet und schikanös empfunden wird.

b. Hierunter können auch Verhaltensweisen gehören, die bei objektiver Betrachtung darauf abzielen, Rechtsgüter des Betroffenen wie insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder die Gesundheit nachhaltig zu beeinträchtigen. Solche Verhaltensweisen können Schadensersatzansprüche auslösen, wenn sie materielle und/oder immaterielle Schäden verursachen. Da das allgemeine Persönlichkeitsrecht als Schutzrecht des Wert- und Achtungsanspruchs der Persönlichkeit eher dem ideellen Bereich zuzuordnen ist, kommen Ansprüche auf Ersatz materieller Schäden wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts allerdings nur ausnahmsweise in Betracht (BAG a. a. O.; BGHZ 143, 214).

c. Ein Schadensersatzanspruch wegen als "Mobbing" bezeichneten Verhaltens anderer (Arbeitskollegen, Vorgesetze, Arbeitgeber selbst) setzt daher die Darlegung und den Beweis aller Anspruchsmerkmale der allgemeinen Anspruchsgrundlage voraus. Da der Kläger sich von dem Beklagten zu 1) als seinem Vorgesetzten gemobbt fühlt, ihn mit dem Beklagten zu 1) aber keine vertraglichen Beziehungen verbinden, kommen gegenüber dem Beklagten zu 1) nur §§ 823 ff. BGB als Anspruchsgrundlage in Frage. Das anspruchsbegründende Verhalten des Beklagten zu 1) muss daher schuldhaft sein, wobei sich das Verschulden auch auf den Schadenseintritt zu beziehen hat (BAG, NZA 2002, 871; LAG Schleswig-Holstein, NZA 2006, 402; Küttner/Reinecke, Personalbuch 2008, Stichwort Mobbing Rn. 3).

d. Jeder Entschädigungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts setzt dabei allgemein voraus, dass die Verletzung schwerwiegend ist. Ob sie schwerwiegend ist, hängt von Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggrund sowie Grad des Verschuldens ab (BAG, NZA 2007, 1154 ff.; BAG, AP § 611 BGB Persönlichkeitsrecht Nr. 8; BGHZ 160, 298).

e. Verhaltensweisen Dritter, die von einem Betroffenen als Mobbing empfunden werden, sind, wenn sie zur Begründung von Schadensersatzansprüchen führen sollen, abzugrenzen von Arbeitsplatzkonflikten allgemeiner Art. Die arbeitsteilige Wirtschaft bringt es typischerweise mit sich, dass am Arbeitsplatz Menschen unterschiedlicher Persönlichkeitsstruktur einem intensiven sozialen Dauerkontakt ausgesetzt sind. Dies lässt es auf Dauer als nahezu unvermeidlich erscheinen, dass der Einzelne sporadisch und punktuell in soziale Konfliktsituationen hineingezogen wird. Derartige Erscheinungen sind als sozialadäquat anzusehen. Es bedarf somit der Abgrenzung solcher sozialadäquaten arbeitsalltäglichen Konfliktsituationen von einem "Mobbing"-Verhalten, dass geeignet ist Schadensersatzpflichten auszulösen.

f. Den zahlreichen von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Begriffsdefinitionen von "Mobbing" ist gemeinsam, dass sie keine rechtliche Subsumtionshilfe bieten (BAG, NZA 2007, 1154 ff.). Sie tragen "eher zur Verwirrung als zur Klarstellung" bei (Küttner/Reinecke, Personalbuch 2008, Stichwort Mobbing Rn. 1; Rieble/Klumpp FA 2002, 307; ArbG München, NZA-RR 2002, 123).

g. Die Rechtsprechung des BAG hat jedoch zutreffend und überzeugend herausgearbeitet, dass nur ein systematisches Verhalten des oder der Schädiger einen Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt des "Mobbing" begründen kann, bei dem eine bestimmte Person fortgesetzt, bewusst und zielgerichtet angefeindet oder schikaniert wird (BAG, NZA 1997, 781; BAG, NZA 2007, 1154 ff.).

h. Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegend zur Beurteilung anstehenden Sachverhalt ergibt sich, dass ein Schadensersatz- und/oder Schmerzensgeldanspruch des Klägers weder gegen den Beklagten zu 1), noch gegen die Beklagte zu 2) begründet ist:

2. Einen mit dem Klageantrag zu 1) geltend gemachten Schadensersatzanspruch in Höhe von 20.000,00 € hat der Kläger schon nicht schlüssig dargelegt, ohne dass es darauf ankommt, ob die Voraussetzungen eines Mobbingverhaltens des Beklagten zu 1) vorliegen. Es fehlt insoweit an einer nachvollziehbaren Darlegung eines Schadens in entsprechender Höhe.

a. Vergleicht man die beiden Klageanträge miteinander, so bezieht sich der Klageantrag zu 2), welcher auf die Zahlung von Schmerzensgeld gerichtet ist, offenkundig auf die immateriellen Schäden, die dem Kläger durch das von ihm behauptete Verhalten der Beklagten entstanden sein sollen. Dem Klageantrag zu 1) kann neben dem Klageantrag zu 2) somit ein eigenständiger sinnvoller Inhalt nur beigemessen werden, wenn man davon ausgeht, dass er sich auf materielle Schäden bezieht.

b. Aus einer etwaigen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers kann ein Schadensersatz wegen materieller Schäden jedoch in der Regel nicht hergeleitet werden (BHGZ 143, 214; BAG, NZA 2007, 1154 ff.; LAG Rheinland-Pfalz vom 04.10.2005, 5 Sa 241/05).

c. Ein Anspruch auf Ersatz materieller Schäden käme somit allenfalls bei einer Verletzung des Rechts auf Körper, Leben und Gesundheit in Betracht.

aa. Tatsächlich hat der Kläger behauptet, aufgrund der Mobbinghandlungen des Beklagten zu 1) arbeitsunfähig erkrankt zu sein.

bb. Ob dabei der Kausalzusammenhang zwischen den vom Kläger behaupteten Handlungen des Beklagten zu 1) einerseits, seiner zur Arbeitsunfähigkeit führenden gesundheitlichen Beeinträchtigung andererseits hinreichend dargelegt ist, kann offen bleiben. Allein die vom Kläger hierfür vorgelegte sogenannte "Fachärztliche Bescheinigung zur Vorlage beim Arbeitsgericht" vom 13.11.2007 reicht hierfür jedenfalls ersichtlich nicht aus.

cc. Maßgeblich ist jedoch, dass der Kläger in keiner Weise weiter spezifiziert hat, welche materiellen Nachteile ihm durch die behauptete vom Beklagten zu 1) verursachte Gesundheitsbeeinträchtigung im Einzelnen entstanden sind.

3. Aber auch ein Entschädigungsanspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld wegen von den Beklagten zu vertretener immaterieller Schäden des Klägers liegt im Ergebnis nicht vor. Die Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 823 i. V. m. § 253 Abs. 2 BGB sind nicht erfüllt. Schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers in Verbindung mit den Erörterungen im Kammertermin vor dem Berufungsgericht kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte zu 1) den Kläger nicht nur fortgesetzt, sondern auch bewusst und zielgerichtet angefeindet oder schikaniert hat. Wie schon das Arbeitsgericht erkannt hat, fehlt es an der für ein schadensersatzbewehrtes Mobbingverhalten typischen Systematik schädigender Handlungen.

a. Betrachtet man die vom Kläger in der Berufungsinstanz erneut im Einzelnen aufgeführten sogenannten Mobbingvorfälle, so fällt auf, dass es nach der Darstellung des Klägers stets um verbale Entgleisungen des Beklagten zu 1) geht. Der Beklagte zu 1) soll den Kläger in verächtlichem Tonfall, unangemessen laut, unsachlich oder in einem in den Ohren zugleich anwesender anderer Arbeitskollegen herabwürdigenden Tonfall verbal attackiert haben.

b. Andere typische Formen eines Mobbingverhaltens werden vom Kläger dagegen nicht vorgebracht. So hat der Beklagte zu 1) dem Kläger zufolge zwar mehrfach angedroht, ihn mit minderwertigen, in seiner Stellung "unwürdigen" Tätigkeiten zu beschäftigen, der Kläger hat jedoch keinen einzigen konkreten Fall dargelegt, in dem der Beklagte zu 1) eine solche Drohung auch wahr gemacht hätte. Ebenso wenig ist erkennbar, dass der Beklagte zu 1) den Kläger in sonstiger Weise durch konkrete Arbeitsanweisungen schikaniert, von Gemeinschaftsaktivitäten ausgeschlossen oder ihm arbeitswichtige Informationen gezielt vorenthalten hätte.

c. Bei den vom Kläger behaupteten verbalen Entgleisungen des Beklagten zu 1) fällt wiederum auf, dass nach der eigenen Darstellung des Klägers in mindestens 7 von 11 Fällen das Arbeitsverhalten des Klägers Gegenstand der Äußerungen des Beklagten zu 1) war, sei es, dass der Beklagte zu 1) Arbeitsergebnisse beanstandete (angebrannte Puddingteilchen) oder vermeintlichen Anlass hatte, den Kläger zu schnellerem Arbeiten anzustacheln.

d. Entgleisungen, die sich auf die rein verbale Ebene beschränken, werden zwar tendenziell als weniger gravierend empfunden als handfeste Schikanen anderer Art. Gleichwohl erscheint es nicht ausgeschlossen, dass auch eine permanente Abfolge verbaler Attacken eine zur Schadensersatzverpflichtung führende Rechtsgutverletzung darstellen kann.

e. In den vom Kläger geschilderten Vorfällen wurde, auch wenn man die Darstellung der Vorfälle durch den Kläger im Wesentlichen als richtig unterstellt, seitens des Beklagten zu 1) jedoch die Grenze vom sozialadäquaten Arbeitsplatzkonflikt zu einem Mobbingverhalten noch nicht überschritten.

aa. Hierfür fehlt es nämlich zur Überzeugung des Berufungsgerichts an einem bewussten und systematischen Schädigungsverhalten des Beklagten zu 1).

bb. Zwar könnte die Behauptung des Klägers, anlässlich des Erlasses des Gleichstellungsbescheides habe ihm der Beklagte zu 1) im Oktober 2004 erklärt, "Ich mache dich so fertig, dass du von selber gehst", auf das Gegenteil hindeuten. Andererseits hat der Kläger selbst jedoch in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht in sachlicher Übereinstimmung mit dem Beklagten zu 1) geschildert, dass es nach einer von ihm absolvierten Therapiemaßnahme im Jahr 2005 zu einer längeren Aussprache zwischen ihm und dem Beklagten zu 1) gekommen sei, die der Kläger ausdrücklich mit dem Begriff "freundschaftlich" charakterisiert hat. Ergebnis der Aussprache sei das gemeinsame Ziel gewesen "neu anzufangen". Der Beklagte zu 1) hat ergänzt, dass es im Anschluss an dieses Gespräch über lange Zeit keine Probleme zwischen den Parteien gegeben habe.

cc. Des Weiteren hat der Beklagte zu 1) aber, vom Kläger bestätigt, auch ausgeführt, dass es im Betrieb der Beklagten zu 2) in den letzten Jahren aufgrund einer Verringerung der Personalstärke zu einer erheblichen Arbeitsverdichtung gekommen sei, die erhöhte Belastungen für die vorhandenen Arbeitskräfte mit sich gebracht hätten. Dabei habe auch er, der Beklagte zu 1), sich "irgendwie auch unter Druck" gefühlt, da er als Backstubenleiter für die Aufrechterhaltung eines reibungslosen Betriebes verantwortlich sei.

dd. Auf der anderen Seite liegt es auf der Hand, dass ein gestiegener Arbeitsdruck gerade auch ältere Arbeitnehmer belastet, insbesondere wenn sie gesundheitlich vorgeschädigt sind. Um einen solchen älteren Arbeitnehmer mit gesundheitlichen Vorschädigungen handelt es sich auch beim hiesigen Kläger: Der Kläger stand im Jahre 2007 in seinem 55. Lebensjahr. Der Kläger ist seit dem 19.03.2007 mit einem Grad der Behinderung von 70 % als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Bei ihm liegen ausweislich des Anerkennungsbescheides folgende gesundheitliche Beeinträchtigungen vor: 1. Seelische Störungen; 2. Anerkanntes SVG-Leiden; 3. Abhängigkeitserkrankung; 4. Collitis ulcerosa, Asthma bronchiale; 5. Degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Lumbalsyndrom, Chondropathia patellae.

ee. Aus alledem ergibt sich zur Überzeugung des Berufungsgerichts folgendes Gesamtbild: Auch wenn man die Einzelfallschilderungen des Klägers aus der Berufungsbegründungsschrift als in ihrem Kern im Wesentlichen zutreffend unterstellt, hätte der Beklagte zu 1) damit in Anbetracht der Umstände des vorliegenden Einzelfalls mit seinen Entgleisungen die Schwelle vom sozialadäquaten Arbeitsplatzkonflikt zu einer durch systematische Anfeindungen gekennzeichneten bewussten Rechtsgutsverletzung (noch) nicht überschritten. Vielmehr handelte es sich bei seinen Entgleisungen - die Behauptungen des Klägers einmal als richtig unterstellt - teilweise um unreflektierte und mehr oder weniger gedankenlose Unmutsäußerungen (Vorfälle vom 09.10.2006, 23.02., 10.09. und 14.09.2007) oder um in Form und Anlass überzogene oder fehlgeleitete Versuche, das Arbeitsverhalten des Klägers zu verbessern bzw. ihn zu einer höheren Arbeitsgeschwindigkeit anzutreiben (die übrigen Vorfälle). Nach Lage der Dinge wäre das Verhalten des Beklagten zu 1), immer unterstellt, die Vorfälle hätten sich tatsächlich so abgespielt, wie vom Kläger behauptet, eher als Ausdruck partieller Überforderung in seiner Rolle als Vorgesetzter und Backstubenleiter zu werten als als bewusster und systematischer Versuch, den Kläger als Persönlichkeit "fertig zu machen".

ff. Erst recht fehlt es auch nach dem Sachvortrag des Klägers an belastbaren Anhaltspunkten dafür, dass es der Beklagte zu 1) bewusst darauf angelegt haben könnte, den Kläger in seiner Gesundheit zu schaden.

gg. Spiegelbildlich stellen sich dann auch die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers, soweit sie nach dessen Behauptung durch den Arbeitsplatzkonflikt verursacht werden, ebenfalls eher als Zeichen individueller Überforderung durch die Arbeitsplatzsituation dar als als Folge bewusster Verletzungshandlungen durch den Beklagten zu 1). Dabei ist auch zu bedenken, dass aufgrund des Umstands, dass der Kläger selbst auch über einen Meistertitel im Bäckerhandwerk verfügt, die an ihn gestellten Anforderungen nicht nur in den Augen des Beklagten zu 1), sondern auch in seinen eigenen Augen noch höher geschraubt sind als bei einem "einfachen" Bäckergesellen.

hh. Der Beklagte zu 1) hat somit die tatbestandlichen Voraussetzungen eines eine Entschädigungspflicht auslösenden Mobbingverhaltens nicht verwirklicht.

4. Fehlt es aber an einem eine Schadensersatzpflicht auslösenden Verhalten des Beklagten zu 1), so scheidet auch ein Anspruch gegen die Beklagte zu 2) aus; denn dieser wird vom Kläger gerade damit begründet, dass die Beklagte zu 2) gegen ein schadensersatzpflichtiges Verhalten des Beklagten zu 1) nicht in gehöriger Weise eingeschritten sei.

a. Zwar trägt die Beklagte die organisatorische Letztverantwortung für die Arbeitssituation in ihrem Betrieb und damit auch für den objektiven Grad der Belastung, dem die einzelnen Arbeitnehmer an ihrem Arbeitsplatz ausgesetzt sind.

b. Auch wenn der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt Anzeichen für eine zumindest partielle Überlastungssituation der beteiligten Arbeitnehmer - des Klägers und des Beklagten zu 1) - erkennen lässt, führt dies (noch) nicht zu einer Schadensersatz- oder Entschädigungspflicht der Beklagten zu 2) gegenüber dem Kläger; denn eine bewusste und zielgerichtete rechtsgutsverletzende Schädigung kann der Beklagten nicht unterstellt werden.

Bei alledem musste die Berufung des Klägers erfolglos bleiben.

III. Die Kostenentscheidung folgt § 97 Abs. 1 ZPO.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor.

Ende der Entscheidung

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