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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 27.02.2002
Aktenzeichen: 7 Sa 863/01
Rechtsgebiete: BAT, BetrVG, SchwbG, SGB IX, BGB


Vorschriften:

BAT § 24 Abs. 1
BetrVG § 78 S. 2
BetrVG § 37 Abs. 4
SchwbG § 26 Abs. 2
SGB IX § 96 Abs. 2
BGB § 134
Die Ausübung des Amtes einer Vertrauensfrau der Schwerbehinderten nach entsprechender Wahl durch die Belegschaft rechtfertigt nicht die Gewährung einer Zulage nach § 24 Abs. 1 BAT. Im Gegenteil verstößt die irrtümliche wie auch die bewußt tarifwidrige Zahlung einer solchen Zulage gegen das Begünstigungsverbot der §§ 26 Abs. 2 SchwbG, 96 Abs. 2 SGB IX und kann gemäß § 134 BGB nicht Vertragsinhalt werden.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 7 Sa 863/01

Verkündet am: 27.02.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 27.02.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Czinczoll als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Janowsky und Hilgers

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 25.01.2001, Az. 8 Ca 4441/00 d, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Weitergewährung einer Zulage gemäß § 24 Abs. 1 BAT in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Vergütungen der Gruppen IV b und IV a BAT.

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, den erstinstanzlich gestellten Anträgen und den Gründen, die das Arbeitsgericht dazu bewogen haben, die Klage abzuweisen, wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen, 8 Ca 4441/00 d, vom 25.01.2001 Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Klägerin am 26.06.2001 zugestellt. Sie hat hiergegen am 25.07.2001 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 17.09.2001 am 13.09.2001 begründet.

Die Klägerin hält weiterhin einen Anspruch auf Weitergewährung der Zulage gemäß § 24 Abs. 1 BAT für gegeben. Das Schreiben der Beklagten vom 24.04.1995 beinhalte eine eigenständige, vom Tarifvertrag losgelöste Vergütungszusage. Das Schreiben sei Ausdruck der der Beklagten obliegenden Verpflichtung, die Laufbahn der Klägerin fiktiv nachzuzeichnen und somit sicherzustellen, dass sie nicht als Folge der Ausübung von Ehrenämtern vergütungsrechtlich benachteiligt werde. Daran ändere auch die missverständliche Begründung zur Zulagengewährung in dem Schreiben vom 24.04.1995 nichts. Dass die Beklagte für die Laufbahnnachzeichnung der Klägerin zum Mittel der Zulagengewährung gegriffen habe, sei nicht unzulässig. Die Beklagte sei bei der Zulagengewährung keinem Irrtum unterlegen. Bei betriebsüblicher Entwicklung wäre sie, die Klägerin, als "sonstige Angestellte" im Sinne der tariflichen Eingruppierungsmerkmale in die Vergütungsgruppe IV a BAT aufgestiegen. Zwar lasse sich naturgemäß keine letzte Gewissheit über die fiktive berufliche Entwicklung gewinnen. Jedoch habe die Beklagte keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit der bisherigen Regelung ergeben solle.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt nunmehr,

das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 25.01.2001, Zugang vom 26.06.2001 und Aktenzeichen 8 Ca 4441/00 d, abzuändern und nach dem Schlussantrag der ersten Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das am 25.01.2001 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Aachen, 8 Ca 4441/00 d, zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und wiederholt ihre erstinstanzliche Rechtsauffassung. Sie macht geltend, das Schreiben der Beklagten vom 24.05.1995 enthalte ersichtlich keine tarifunabhängige vertragliche Zusage einer persönlichen Zulage, sondern nehme lediglich deklaratorisch auf § 24 Abs. 1 BAT Bezug. Sowohl aus dem Inhalt dieses Schreibens wie auch aus dem internen Vermerk vom 11.04.1995 gehe hervor, dass die Klägerin die Zulage ausschließlich auf Grund ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit als Vertrauensfrau der Schwerbehinderten habe erhalten sollen.

Über das Vorliegen der Voraussetzungen von § 24 Abs. 1 BAT habe sie, die Beklagte. sich indessen geirrt. Die Voraussetzungen für eine persönliche Zulage nach § 24 Abs. 1 BAT lägen nicht vor. Die Ausübung des Amtes der Vertrauensfrau der Schwerbehinderten sei ein Wahlamt, was schon nicht durch den Arbeitgeber "übertragen" werden könne. Auch verstoße die Gewährung einer Zulage mit der gegebenen Begründung gegen das Begünstigungsverbot des § 26 Abs. 2 SchwbG. Schließlich könne die Zahlung einer Vergütung nach Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 b BAT Teil II L II schon deshalb nicht mit einer fiktiven beruflichen Entwicklung der Klägerin begründet werden, da es der Klägerin an entsprechenden Qualifikationsvoraussetzungen fehle. Eine derartige Eingruppierung komme nur für Sicherheitsingenieure mit abgeschlossenem Fachhochschulstudium in Betracht, über welches die Klägerin nicht verfüge. In Vergütungsgruppe IV a Teil II L II BAT sei auch nicht eine Gleichstellung "sonstiger Angestellter" vorgesehen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG a. F. fristgerecht eingelegt und begründet.

II. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Ein Anspruch der Klägerin auf Weitergewährung der ihr von Mai 1995 bis Februar 1996 gezahlten Zulage nach § 24 Abs. 1 BAT besteht nicht. Den tragenden Überlegungen, mit denen das Arbeitsgericht seine Entscheidung begründet hat, ist beizutreten. Aus der Sicht des Berufungsverfahrens sind folgende wesentliche Gesichtspunkt nochmals zusammenzufassen:

1. Die Beklagte hat der Klägerin seinerzeit keine tarifunabhängige vertragliche Zusage auf Zahlung einer persönlichen Zulage machen, sondern einen vermeintlich aus § 24 Abs. 1 BAT folgenden Anspruch der Klägerin erfüllen wollen. Dieses ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut des Schreibens an die Klägerin vom 24.04.1995, sondern auch und insbesondere aus dem internen Vermerk der Personal- und Verwaltungsabteilung der Beklagten vom 11.04.1995, in welchem die Gewährung der fraglichen Zulage vorgeschlagen und ausführlich begründet wird. Bezeichnenderweise wurde dabei auch die Höhe der Zulage nach § 24 Abs. 3 BAT bemessen.

2. Die Klägerin erfüllte und erfüllt jedoch nicht die Voraussetzungen, unter denen nach § 24 Abs. 1 BAT eine persönliche Differenzzulage beansprucht werden kann. § 24 Abs. 1 BAT setzt nämlich u. a. voraus, dass dem Angestellten "vorübergehend eine andere Tätigkeit ... übertragen" wird, "die den Tätigkeitsmerkmalen einer höheren als seiner Vergütungsgruppe entspricht ...". a. Die Beklagte hat die Gewährung der Zulage nach § 24 Abs. 1 BAT sowohl in ihrem internen Vermerk vom 11.04.1995 wie auch in dem Schreiben an die Klägerin selbst vom 24.04.1995 ausführlich und ausschließlich mit den Aufgaben begründet, die der Klägerin mit der Wahl zur Vertrauensfrau der Schwerbehinderten Ende 1994 in Ausübung dieses neuen Amtes zugefallen sind. Der interne Begründungsvermerk und das Schreiben an die Klägerin enthalten demgegenüber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte mit der Gewährung der Zulage in Wirklichkeit nur eine fiktiv anzunehmende, allgemeine betriebsübliche berufliche Entwicklung der Klägerin in ihrem arbeitsvertraglichen Tätigkeitsgebiet als chemisch-technische Assistentin habe nachzeichnen wollen. Soweit im Einleitungsteil des Vermerks vom 11.04.1995 das Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG zitiert wird, steht dies ersichtlich nur im Kontext mit der an dieser Stelle geschilderten Höhergruppierung der Klägerin von Vergütungsgruppe V c in Vergütungsgruppe V b im September 1982.

b. Gegen die Auffassung der Klägerin, die Beklagte habe - entgegen deren eigener ausführlicher Begründung in den Schreiben vom 11.04. und 24.04.1995 - in Wirklichkeit nur ihrer fiktiven beruflichen Entwicklung Rechnung tragen wollen, spricht schließlich vollends die Tatsache, dass ausweislich des Schreibens an die Klägerin vom 24.04.1995 die Zulage ausdrücklich nur befristet "für die Dauer der Tätigkeit als Vertrauensfrau der Schwerbehinderten" gewährt worden ist. Hierin kommt zum einen wiederum unmissverständlich der Zusammenhang der Zulagengewährung mit der Wahl der Klägerin zur Vertrauensfrau der Schwerbehinderten zum Ausdruck. Zum anderen macht bei einer gewollten Nachzeichnung einer fiktiven beruflichen Entwicklung im quasi-öffentlichen Dienst die Gewährung einer nur befristeten Zulage keinen Sinn, sondern es wäre dann im allgemeinen nur eine unbefristete Höhergruppierung in Betracht gekommen.

c. Die Wahl in das Amt einer Vertrauensfrau der Schwerbehinderten und die Ausübung der mit diesem Amt verbundenen Tätigkeiten rechtfertigt jedoch gerade nicht die Gewährung einer persönlichen Zulage gemäß § 24 Abs. 1 BAT: Die Tätigkeit als Vertrauensfrau der Schwerbehinderten ist nämlich nicht Gegenstand der Leistungspflichten aus dem Arbeitsvertragsverhältnis zwischen Klägerin und Beklagter und kann der Klägerin nicht von der Beklagten "übertragen" werden. Vielmehr handelt es sich um die Ausübung eines durch Wahl der Belegschaft übertragenen betriebsverfassungsrechtlichen Ehrenamtes, wie aus § 26 Abs. 1 SchwbG a. F. und ebenso aus § 96 Abs. 1 SGB IX hervorgeht. Handelte es sich bei der Tätigkeit als Vertrauensfrau der Schwerbehinderten um eine Leistung im Rahmen des arbeitsvertraglichen Austauschverhältnisses von Rechten und Pflichten, so folgte daraus z. B. konsequenterweise auch, dass die Klägerin in ihrer Amtsausführung dem arbeitgeberseitigen Direktionsrecht unterläge und dem Arbeitgeber weisungsunterworfen wäre, was mit der Funktion eines solchen Amtes ersichtlich nicht vereinbar ist.

3. Unabhängig davon, dass die Anspruchsvoraussetzungen des § 24 Abs. 1 BAT schon nicht erfüllt sind, verstieße die Gewährung einer Zulage, mit der die Erfüllung der Aufgaben einer Vertrauensfrau der Schwerbehinderten honoriert werden sollte, gegen das Unentgeltlichkeitsgebot in § 26 Abs. 1 SchwbG a. F., bzw. § 96 Abs. 1 SGB IX. Aus diesem Grunde kommt es auch letztlich nicht darauf an, ob die Beklagte bei der Gewährung der Zulage einem Rechtsirrtum über die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 BAT unterlegen war oder ob die Beklagte die Klägerin, wie diese, wenn auch ohne plausible Begründung, behauptet, bewusst und tarifunabhängig mit der Zulage besserstellen wollte. Auch und gerade im letzteren Fall verstieße die Zulagengewährung nämlich gegen das Begünstigungsverbot des § 26 Abs. 2 SchwbG a. F., bzw. § 956 Abs. 2 SGB IX, wonach die Vertrauensfrau der Schwerbehinderten wegen ihres Amtes nicht begünstigt werden darf. Eine entsprechende vertragliche Vereinbarung wäre gemäß § 134 BGB nichtig.

4. Die Klägerin kann die Weitergewährung der ihr im Zeitraum von Mai 1995 bis Februar 1996 gezahlten Zulage schließlich auch nicht mit der Begründung beanspruchen, dass sie gemäß § 26 Abs. 3 Satz 1 SchwbG, bzw. § 96 Abs. 3 Satz 1 SGB IX jeweils in Verbindung mit § 37 Abs. 4 BetrVG ein Recht darauf hätte, an der betriebsüblichen beruflichen Entwicklung hinsichtlich des Arbeitsentgelts teilzunehmen, und diese seit Mai 1995 oder jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe IV a BAT geböte.

a. Bereits das Arbeitsgericht hat darauf hingewiesen, dass diese Argumentation nicht zum Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens passt, welcher ausdrücklich in der Weitergewährung einer Zulage nach § 24 Abs. 1 BAT besteht. Ein Anspruch auf Teilnahme an der betriebsüblichen Entgeltentwicklung würde im Zweifel nur zu einer allgemeinen, auf die fiktive arbeitsvertragliche Tätigkeit einer chemisch-technischen Assistentin bezogenen Höhergruppierung führen können und müssen, nicht jedoch zu einem Anspruch auf Gewährung einer befristeten Zulage wegen vorübergehender Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit.

b. Zum anderen hat die Klägerin bei weitem nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass und warum sie bei der Annahme einer fiktiven betriebsüblichen beruflichen Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Gewährung der streitigen Zulage oder zumindest zum jetzigen Zeitpunkt ein Anspruch auf Eingruppierung in die Vergütungsgruppe IV a BAT hätte. Die Darlegungs- und Beweislast für einen Anspruch aus betriebsüblicher Entwicklung trägt dabei die Klägerin (Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 20. Auflage, § 37 Rz. 205). Vorliegend kommen auch keine Darlegungs- und/oder Beweiserleichterungen in Betracht, wie sie in den Fällen einer sog. korrigierenden Rückgruppierung unter Umständen geboten seien können. Es handelt sich im vorliegenden Fall nicht um die Konstellation einer auf einem Eingruppierungsirrtum beruhenden korrigierenden Rückgruppierung im engeren Sinne. Es steht kein Irrtum der Beklagten bei der Subsumtion einer arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit unter die Tätigkeitsmerkmale der Eingruppierungsregeln des Tarifvertrags in Rede. Vielmehr hat die Beklagte die allgemeinen Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 BAT verkannt und/oder verletzt, unter denen eine persönliche Zulage nach dieser Tarifvorschrift in Betracht kommt. Die Beklagte hat mit ihrem internen Aktenvermerk vom 11.04.1995 und dem Inhalt des Schreibens an die Klägerin vom 24.04.1995 hinreichend belegt, warum sie seinerzeit die streitige Zulage an die Klägerin gezahlt hat, nämlich um die Tätigkeit der Klägerin als Obfrau der Schwerbehinderten angemessen zu honorieren. Die Schlussfolgerung, dass die Zulage mit dieser Begründung nicht hätte gezahlt werden können und dürfen, ist eine rein rechtliche. Da die Zahlung der Zulage sogar gemäß § 26 Abs. 2 SchwbG a. F., bzw. § 96 Abs. 2 SGB IX in Verbindung mit § 134 BGB verboten ist, kommt es dabei, wie bereits ausgeführt, nicht einmal entscheidend darauf an, ob die Beklagte - wofür alles spricht - rechtsirrtümlich gehandelt hat oder sogar vorsätzlich.

5. Erfolgte die Zahlung der Zulage nach § 24 Abs. 1 BAT, ohne dass die rechtlichen Voraussetzungen dafür vorlagen, so war die Beklagte auch befugt, die Zahlung der Zulage wieder einzustellen.

III. Die Kosten der erfolglosen Berufung fallen gemäß § 97 Abs. 1 ZPO der Klägerin zur Last.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist nicht ersichtlich.

Gegen diese Entscheidung ist daher ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben. Auf den Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde wird vorsorglich hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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