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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 15.01.2003
Aktenzeichen: 7 Sa 887/02
Rechtsgebiete: BGB, GG


Vorschriften:

BGB § 280
BGB § 313
BGB § 611
GG Art. 3
Entscheidet sich ein Arbeitnehmer bei seiner Einstellung dafür, statt eines Zuschusses des Arbeitgebers zu einer freiwilligen Krankenversicherung - und eines damit verbundenen verminderten Netto-Einkommens - während seines aktiven Dienstverhältnisses unmittelbare Beihilfeleistungen des Arbeitgebers im Krankheitsfall in Anspruch zu nehmen, weil er annimmt, vor dem Eintritt ins Rentenalter noch die Voraussetzungen für eine Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung herbeiführen zu können, so fällt der spätere Wegfall dieser letztgenannten Möglichkeit aufgrund einer Änderung sozialrechtlicher Vorschriften in seinen alleinigen Risikobereich.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 7 Sa 887/02

Verkündet am: 15.01.2003

In dem Rechtsstreit

hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 15.01.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Czinczoll als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Alfter und Schergel

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 14.03.2002 in Sachen 3 Ca 1145/01 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger von dem Beklagten als seinem Arbeitgeber auch nach dem bevorstehenden Eintritt in den Ruhestand Beihilfeleistungen im Krankheitsfall beanspruchen kann.

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, den erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträgen und den Gründen, die das Arbeitsgericht Aachen dazu bewogen haben, die Klage abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 14.03.2002 Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 29.07.2002 zugestellt. Er hat hiergegen am 27.08.2002 Berufung einlegen und diese am 23.09.2002 begründen lassen.

Der Kläger bleibt bei seiner Auffassung, dass das beklagte Bistum verpflichtet sei, ihm auch nach seinem Eintritt in den Ruhestand weiter Beihilfeleistungen im Krankheitsfall zu gewähren, da anders, als bei seinem Eintritt in das Arbeitsverhältnis zum Beklagten im Jahre 1985 vorausgesehen, aufgrund der sogenannten BlümŽschen Sozialrechtsreformen im Jahre 1989 ein Eintritt in die gesetzliche Krankenversicherung jetzt nicht mehr möglich sei. Das beklagte Bistum habe insoweit eine allgemeine Regelung getroffen, als die am Katechetischen Institut beschäftigten Dozenten alle einen beamtenähnlich ausgestalteten Anstellungsvertrag erhalten hätten, aufgrund dessen sie auch im Altersruhestand weiter Beilhilfeleistungen im Krankheitsfall erhielten. Solche allgemeinen Regelungen gälten gemäß § 2 seines Anstellungsvertrages auch für ihn. Zudem verstoße das beklagte Bistum gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da er, der Kläger, von seinen arbeitsvertraglichen Aufgaben her mit den Dozenten am Katechetischen Institut ohne weiteres vergleichbar sei.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Aachen - 3 Ca 1145/01 - vom 14.03.2002 festzustellen, dass das beklagte Bistum verpflichtet ist, dem Kläger auch nach Eintritt des Rentenalters Anspruch auf Leistungen der Beihilfe zu gewähren.

Das beklagte Bistum beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Das beklagte Bistum bezweifelt bereits die Zulässigkeit des klägerischen Feststellungsbegehrens zum jetzigen Zeitpunkt. Des weiteren verteidigt es das arbeitsgerichtliche Urteil und wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Sachvortrag.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde gemäß § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG fristgerecht eingelegt und begründet.

II. Der Berufung des Klägers konnte jedoch kein Erfolg beschieden sein. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend und mit überzeugender Begründung erkannt, dass der Kläger nach seinem bevorstehenden Eintritt in den Ruhestand keine Beihilfeleistungen im Krankheitsfall mehr von dem Beklagten als seinem bisherigen Arbeitgeber beanspruchen kann. Aus der Sicht der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz sind für dieses Ergebnis zusammenfassend und ergänzend die folgenden Überlegungen ausschlaggebend:

1. In Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht geht die Berufungskammer zunächst im Gegensatz zum Beklagten davon aus, dass das Feststellungsbegehren des Klägers zulässig ist. Der Eintritt des Klägers in den Ruhestand steht unmittelbar bevor. Der Kläger wird am 25.04.2003 sein 65. Lebensjahr vollenden. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse daran, rechtzeitig vor Erreichen der Altersgrenze die notwendigen Vorsorgemaßnahmen für etwaige Krankheitsfälle im Alter zu treffen. Welche Maßnahmen hierbei von Nöten sind, hängt maßgeblich davon ab, wie die von ihm zur Entscheidung gestellte Streitfrage zu beantworten ist.

Es ist auch zu erwarten, dass sich das beklagte Bistum einer für den Kläger günstigen Feststellungsentscheidung beugen würde, auch wenn sie formalrechtlich nicht der Zwangsvollstreckung zugänglich wäre.

2. Wie bereits das Arbeitsgericht ausgeführt hat, fehlt es jedoch für das Feststellungsbegehren des Klägers an einer rechtlichen Anspruchsgrundlage.

a. Der Anstellungsvertrag der Parteien begründet keine vertragliche Grundlage für einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Beihilfeleistungen im Krankheitsfall auch nach seinem Renteneintritt.

aa. Aus der Formulierung von § 4 Abs. 1 des Anstellungsvertrages der Parteien kann nicht entnommen werden, dass dem Kläger Beihilfeleistungen im Krankheitsfall auch nach Beendigung des aktiven Arbeitsverhältnisses zustehen sollten. An dieser Auslegung des Anstellungsvertrages kann auch deshalb kein Zweifel bestehen, weil der Kläger bei seiner Einstellung seitens des Beklagten ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass die Beihilfe mit dem Bezug der Rente ende. Dies hat der Kläger auch in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nochmals ausdrücklich unstreitig gestellt.

bb. Entgegen der Auffassung des Klägers kann auch aus § 2 S. 2 des Anstellungsvertrages nichts Gegenteiliges gefolgert werden. Eine - von den Bestimmungen des BAT abweichende - allgemeine Regelung zu Gunsten der Angestellten des Bistums, wonach diese auch nach ihrem Eintritt in den Rentenbezug weiter von ihrem ehemaligen Arbeitgeber Beihilfeleistungen im Krankheitsfalle erhielten, existiert nicht und ist in dieser Form auch vom Kläger selbst nicht behauptet worden. Der Kläger will vielmehr darauf hinaus, dass eine solche "allgemeine Regelung" darin bestehe, dass die am Katechetischen Institut beschäftigten Dozenten beamtenähnlich ausgestaltete Anstellungsverträge erhalten hätten, die es ihnen in der Tat ermöglichten, auch nach Eintritt in die Rente weiter vom beklagten Bistum Beihilfeleistungen im Krankheitsfall zu beziehen. Eine solche auf den Kreis der Dozenten des Katechetischen Instituts bezogene Handhabung stellt jedoch gerade keine allgemeine, grundsätzlich alle Angestellten des Bistums betreffende Regelung dar. Auch war und ist der Kläger selbst nicht als Dozent am Katechetischen Institut beschäftigt.

b. Auch aus dem Gesichtspunkt einer culpa in contrahendo oder aus einer positiven Vertragsverletzung im Sinne des jetzigen § 280 Abs. 1 BGB kann der Kläger den von ihm begehrten Anspruch nicht herleiten. Dabei kann zu Gunsten des Klägers als richtig unterstellt werden, dass ihm bei seiner Einstellung Mitarbeiter des Bistums erklärt bzw. bestätigt hätten, er könne, wenn er während des aktiven Anstellungsverhältnisses die Option der arbeitgeberseitigen Beihilfeleistungen wähle, rechtzeitig vor dem Eintritt ins Rentenalter die Voraussetzungen dafür herstellen, in die gesetzliche Krankenkasse aufgenommen zu werden. Schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers stellten solche Äußerungen aber kein dem Beklagten zurechenbares schuldhaftes Fehlverhalten dar, da sie im Jahre 1985, also im Zeitpunkt der Einstellung des Klägers, inhaltlich nicht unzutreffend waren.

c. Der Kläger kann von dem Beklagten die Weitergewährung von Beihilfeleistungen im Krankheitsfall nach Eintritt in den Rentenbezug auch nicht auf ein vermeintliches Recht zur Vertragsanpassung aufgrund eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage (jetzt § 313 BGB) stützen.

aa. Es mag zwar zutreffen, dass bei Abschluss des Arbeitsvertrages im Jahre 1985 beide Parteien die Möglichkeit vor Augen hatten, dass der Kläger auch dann, wenn er während des aktiven Arbeitsverhältnisses die Beihilfeleistungen des Beklagten in Anspruch nehmen würde, später noch rechtzeitig die Voraussetzungen dafür würde schaffen können, im Rentenalter Mitglied der gesetzlichen Krankenkasse zu sein.

bb. Die Gefahr, dass diese Möglichkeit durch eine spätere sozialrechtliche Gesetzesänderung verschlossen werden würde, fällt jedoch in den alleinigen vertraglichen Risikobereich des Klägers.

aaa. Dies folgt schon daraus, dass dem Kläger bei der Einstellung die freie Wahl eröffnet wurde, ob er krankenversichert sein und vom Beklagten lediglich einen Zuschuss zum Versicherungsbeitrag in Anspruch nehmen wollte, oder ob er stattdessen die Beihilfeleistungen des Beklagten im Krankheitsfall bevorzugte. Der Beklagte hatte keinerlei erkennbares eigenes Interesse daran, dass der Kläger sich für die letztere Möglichkeit entschied.

bbb. Dem Kläger wurde auch unmissverständlich klar gemacht, dass die Beihilfeleistungen nur während des aktiven Arbeitsverhältnisses gewährt werden sollten. Es war somit von vornherein die ureigene Sache des Klägers, für seine Krankenversicherung nach Ablauf des aktiven Arbeitsverhältnisses Sorge zu tragen. Da der Kläger im Zeitpunkt seiner Einstellung bei dem Beklagten noch mehr als 18 Jahre vom Erreichen des regulären Rentenalters entfernt war, war dabei auch die Möglichkeit des Eintritts sozialrechtlicher Gesetzesänderungen nicht völlig fernliegend.

ccc. Hätte der Kläger bei seiner Einstellung im Jahre 1985 die spätere sozialrechtliche Gesetzesentwicklung gekannt, so hätte er als Alternative zur Wahl der auf das aktive Beschäftigungsverhältnis begrenzten arbeitgeberseitigen Beihilfeleistungen nur den Zuschuss zu einer damals schon abzuschließenden Krankenversicherung wählen können. In diesem Fall hätte er jedoch während seines gesamten aktiven Arbeitsverhältnisses deutlich niedrigere monatliche Netto-Einkünfte in Kauf nehmen müssen. Gerade um dies zu vermeiden, hat sich der Kläger seinerzeit gegen einen Zuschuss zur Krankenversicherung und für die Beihilfevariante entschieden. Würde dem Kläger die jetzt von ihm gewünschte Vertragsanpassung in Form einer Weitergewährung der Krankheitsbeihilfe auch im Rentenalter gewährt, so würde er damit erheblich bessergestellt, als er in Anbetracht der sich 1985 bietenden Vertragsalternativen selbst bei voller Vorausschau der späteren sozialrechtlichen Gesetzesänderungen hätte stehen können.

ddd. Im übrigen hätte auch die aus der Sicht des Jahres 1985 angenommene Möglichkeit, rechtzeitig vor dem Erreichen des Rentenalters die Voraussetzungen für die Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung zu schaffen, die Inkaufnahme zusätzlicher Nachteile vorausgesetzt (zeitweise vermindertes Einkommen wegen verminderter Arbeitszeit; vorübergehende Arbeitslosigkeit o.ä.), die der Kläger jetzt de facto vermeiden konnte.

cc. Fällt somit das Risiko, das sich durch die sozialrechtlichen Gesetzesänderungen im Jahre 1989 in Bezug auf die Vorsorge des Klägers für seine Krankenversicherung im Rentenalter verwirklichte, in seinen eigenen vertraglichen Risikobereich, so kann er unter diesem Gesichtspunkt keinen Anspruch auf Vertragsanpassung gegenüber dem Beklagten geltend machen.

Die übrigen Voraussetzungen eines Anspruchs wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage brauchen somit nicht vertieft zu werden.

d. Schließlich ist den zutreffenden Erwägungen des Arbeitsgerichts auch insoweit beizutreten, als der Kläger den von ihm begehrten Anspruch auch nicht aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz herleiten kann. Gewährt der Arbeitgeber nach bestimmten abstrakt definierten Kriterien Leistungen an bestimmte Arbeitnehmergruppen, so verbietet ihm der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, einzelne Arbeitnehmer von diesen Leistungen willkürlich auszuschließen, obwohl auch sie der begünstigten Arbeitnehmergruppe zugehören und die abstrakt definierten Leistungsvoraussetzungen erfüllen. Andererseits gebietet es der Gleichbehandlungsgrundsatz jedoch nicht, einzelnen Arbeitnehmern individuell gewährte Begünstigungen auch auf Dritte auszudehnen.

Der Kläger sieht den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz dadurch zu seinem Nachteil als verletzt an, weil das beklagte Bistum im Jahre 1993 bei drei am Katechetischen Institut beschäftigten Dozenten deren an den BAT angelehnte Arbeitsverträge in beamtenähnliche Anstellungsverträge umgewandelt habe mit der Folge, dass für diese Mitarbeiter die Beihilfeleistungen im Krankheitsfall auch nach den Renteneintritt weiter gezahlt werden.

aa. Um eine gegenüber dem Kläger rechtswidrige Ungleichbehandlung in Bezug auf die Beihilfegewährung im Rentenfall handelt es sich hier aber schon deshalb nicht, weil die Vertragsumstellung nicht lediglich als einseitige Besserstellung bezeichnet werden kann, sondern eine umfassende strukturelle Vertragsumgestaltung beinhaltete, die neben dem Vorteil einer Weitergewährung der Beihilfe im Rentenfall auch erhebliche Nachteile mit sich brachte wie den Wegfall der Zusatzversorgung aus der kirchlichen Zusatzversorgungskasse, den Wegfall der Zuschüsse der BfA für die Krankenversicherung und die volle Versteuerung der Pensionen. Die diesen Nachteilen der vertraglichen Strukturänderung spiegelbildlich entsprechenden Vorteile sind dem Kläger erhalten geblieben.

bb. Zum andern kann der Personenkreis, mit dem der Kläger gleichbehandelt werden will, abstrakt als Gruppe der Dozenten am Katechetischen Institut definiert werden. Der Kläger gehört nicht zu diesem Personenkreis. Er ist unstreitig nicht als Dozent am Katechetischen Institut beschäftigt. Er ist mit diesem Personenkreis aber auch nicht vergleichbar. Die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit als Regionalleiter beinhaltet schwerpunktmäßig keine Dozententätigkeit. Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt und begründet. Daran ändern auch die ergänzenden Ausführungen des Klägers in der Berufungsinstanz nichts. Der Schwerpunkt der Arbeitsaufgabe des Klägers als Regionalleiter besteht nicht in der Lehre oder der Ausbildung, sondern in der übergeordneten konzeptionellen, koordinierenden und strukturierenden Durchführung pastoraler Aufgaben. Auch angesichts der ergänzenden Ausführungen des Klägers in der Berufungsinstanz können die diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsgerichts in jeder Hinsicht als zutreffend angesehen werden.

cc. Die vom Kläger nebenher ausgeübte Dozententätigkeit für die Universität Oldenburg hat mit dem Kerninhalt des vorliegend zu beurteilenden Arbeitsverhältnisses ersichtlich nichts zu tun.

3. Es bleibt somit dabei, dass für das Begehren des Klägers eine Anspruchsgrundlage nicht gegeben ist.

III. Die Kosten der Berufungsinstanz fallen gemäß § 97 ZPO dem Kläger zur Last.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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