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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 06.12.2006
Aktenzeichen: 7 Sa 989/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 611

Entscheidung wurde am 14.07.2007 korrigiert: das Datum der Entscheidung muß statt "06.12.2006" richtig "06.12.2006"
1. Wird eine Gratifikation arbeitsvertraglich zugesagt, jedoch unter einen wirksam vereinbarten Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt, so hindert dies zwar grundsätzlich das Entstehen eines entsprechenden Rechtsanspruchs auch für den bereits laufenden Bezugszeitraum.

2. Es spricht jedoch viel dafür, dass der Arbeitgeber von dem Freiwilligkeitsvorbehalt nicht einfach durch schlichte Nichtleistung Gebrauch machen kann, sondern verpflichtet ist, den Arbeitnehmer angemessene Zeit vor dem vereinbarten Fälligkeitstermin darauf hinzuweisen, dass er die vertraglich avisierte Leistung "diesmal nicht" oder jedenfalls nicht in der avisierten Höhe erhalten werde.


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 04.05.2006 in Sachen 3 Ca 123/06 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Zahlung eines "13. Monatsgehalts" für das Jahr 2005.

Die Beklagte betreibt eine Steuerberatungsgesellschaft. Der Kläger war vom 10.07.2000 bis zum 31.01.2006 bei der Beklagten als Steuerfachangestellter beschäftigt. Sein monatliches Gehalt betrug zuletzt 2.184,00 € brutto. Bis zum Ausscheiden des Klägers beschäftigte die Beklagte vier Mitarbeiter einschließlich einer Auszubildenden. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete aufgrund einer ordentlichen, fristgerechten arbeitgeberseitigen Kündigung vom 25.11.2005, die nicht aus verhaltensbedingten Gründen ausgesprochen wurde.

§ 5 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 10.07.2000 hat folgenden Wortlaut:

"Gehalt/Gratifikation

1. Der Arbeitnehmer erhält ein 13. Monatsgehalt, zahlbar im November eines jeden Jahres. Voraussetzung für die Zahlung des 13. Monatsgehaltes ist das Bestehen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses am 01.11. eines jeden Jahres. Im Ein- und Austrittsjahr wird das 13. Gehalt zeitanteilig entsprechend der Anzahl der vollen Beschäftigungsmonate (jeweils 1/12) gezahlt. Die Zahlung des 13. Gehaltes ist darüber hinaus davon abhängig, dass der Arbeitnehmer in laufendem Vergütungsbezug steht.

Für die Zeiten, in denen der Arbeitnehmer aus welchen rechtlichen Gründen auch immer keine Vergütung erhält, entfällt der Anspruch auf Zahlung eines 13. Gehaltes oder vermindert sich zeitanteilig entsprechend.

(2) Der Arbeitnehmer erkennt an, dass das 13. Gehalt freiwillig gezahlt wird und hierauf auch nach wiederholter Zahlung kein Rechtsanspruch besteht.

(3) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dass 13. Gehalt zurückzuzahlen, wenn er aufgrund eigener Kündigung oder aufgrund außerordentlicher oder verhaltensbedingter Kündigung aus einem von ihm zu vertretenden Grund bis zum 31.03. des auf die Auszahlung folgenden Kalenderjahres ausscheidet. Die Rückzahlungsverpflichtung gilt entsprechend, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb des vorgenannten Zeitraumes durch Aufhebungsvertrag aus Anlass eines bestehenden Kündigungsgrundes nach Maßgabe des Satzes 1 beendet wird." (vgl. Bl. 4/5 d. A.).

§ 8 des Arbeitsvertrages des Klägers, welcher Urlaubsfragen regelt, enthält folgenden nachträglichen handschriftlichen Zusatz:

"Es wird ein 14. Gehalt als Urlaubsgeld in den Monaten Juni oder Juli gezahlt. Voraussetzungen wie § 5."

Auf den vollständigen Inhalt des Arbeitsvertrages wird ergänzend Bezug genommen (Bl. 3 - 8 d. A.).

Die weitere Mitarbeiterin M verfügte über einen gleichlautenden Arbeitsvertrag wie der Kläger.

Bis zum Jahre 2004 einschließlich erhielt der Kläger jeweils das "13. Monatsgehalt" im Sinne von § 5 Abs. 1. Darüber hinaus erhielt er in den Kalenderjahren 2003 und 2004 ein 14. Gehalt als Urlaubsgeld entsprechend § 8 des Arbeitsvertrages.

Auch im Jahre 2005 zahlte die Beklagte im Sommer an den Kläger ein zusätzliches Gehalt als Urlaubsgeld. Ein weiteres zusätzliches Gehalt zahlte die Beklagte im Kalenderjahr 2005 jedoch nicht.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe auch für das Kalenderjahr 2005 ein "13. Monatagehalt" im Sinne von § 5 Abs. 1 seines Arbeitsvertrages zu, welches im November 2005 hätte gezahlt werden müssen, aber ohne vorherige Ankündigung nicht gezahlt worden sei. Der Kläger vertritt die Auffassung, dass es sich bei der in § 5 des Arbeitsvertrages geregelten Leistung um ein echtes 13. Monatsgehalt handele, dessen Zweck darin bestanden habe, die Arbeitsleistung, die er, der Kläger, im Jahre 2005 bereits erbracht habe, zusätzlich zu vergüten. Dies ergebe sich nicht nur aus der ausdrücklichen Bezeichnung als "13. Monatsgehalt", sondern insbesondere auch daraus, dass die Leistung im Ein- und Austrittsjahr zeitanteilig entsprechend der Anzahl der vollen Beschäftigungsmonate gezahlt worden sei und besonders sinnfällig daraus, dass bei der Berechnung der Höhe des Anspruchs Zeiten, in denen der Arbeitnehmer nicht in laufendem Vergütungsbezug gestanden habe, auszunehmen gewesen sein. Da es sich um eine zusätzliche Vergütung für erbrachte Arbeitsleistungen handele, sei der in § 5 Abs. 2 des Arbeitsvertrages aufgenommene Freiwilligkeitsvorbehalt hinfällig. § 5 Abs. 2 des Arbeitsvertrages halte auch einer AGB-Kontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 und § 308 Ziff. 4 BGB nicht Stand.

Der Kläger hat beantragt,

Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.184,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

Die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat geltend gemacht, sie habe für das Jahr 2005 in Anbetracht einer negativen wirtschaftlichen Entwicklung an keinen ihrer Arbeitnehmer ein 13. Gehalt als Weihnachtsgeld gezahlt. Sie habe dementsprechend von ihrem Freiwilligkeitsvorbehalt Gebrauch gemacht. Dieser sei nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtssprechung des BAG auch wirksam und verhindere bereits das Entstehen des Anspruchs und eröffne ihm, dem Arbeitgeber, die Möglichkeit, in jedem Kalenderjahr von neuem zu entscheiden, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Leistung erbracht werden solle.

Die Beklagte hat in Abrede gestellt, dass es sich bei § 5 Abs. 2 des Arbeitsvertrages um eine allgemeine Geschäftsbedingung gehandelt habe; denn bei dieser lediglich in den Verträgen des Klägers und der Mitarbeiterin M verwendeten Klausel handele es sich um auf die beiden Einzelfälle abgestimmte Vereinbarungen. Im Übrigen halte die Klausel auch einer AGB-Kontrolle Stand.

Des weiteren hat die Beklagte erstinstanzlich behauptet, das sogenannte 13. Monatsgehalt sei bereits Gegenstand einer Betriebsversammlung gewesen, die am 03.01.2005 auch unter Beteiligung des Klägers stattgefunden habe. Im Rahmen dieser Betriebsversammlung habe der Geschäftsführer angekündigt, dass aufgrund der rückläufigen Geschäftsentwicklung im Jahre 2005 anders als in den beiden Jahren zuvor nur ein zusätzliches Gehalt, nicht aber ein 13. und ein 14. Monatsgehalt gezahlt werden würden. Der Geschäftsführer habe dem Kläger und der Mitarbeiterin M freigestellt, ob sie das 13. Gehalt im Juni als Urlaubsgeld oder im November als Weihnachtsgeld gezahlt haben wollten oder ob sie zu beiden Terminen jeweils ein halbes Gehalt zu erhalten wünschten. Der Kläger habe sein Missfallen an dieser unternehmerischen Entscheidung zum Ausdruck gebracht, sich jedoch für die Auszahlung eines zusätzlichen Gehaltes als Urlaubsgeld entschieden. Frau M habe dagegen gewünscht, dass 13. Gehalt im Jahre 2005 als Weihnachtsgeld zu bekommen.

Der Kläger hat diese Behauptungen der Beklagten bestritten und ausgeführt, dass es in der Betriebsversammlung vom 03.01.2005 um andere Themen gegangen sei. Von den zusätzlichen Gehältern sei keine Rede gewesen.

Mit Urteil vom 04.05.2006 hat die 3. Kammer des Arbeitsgerichts Bonn die Klage abgewiesen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils wird Bezug genommen. Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 07.08.2006 zugestellt. Er hat hiergegen am 29.08.2006 Berufung einlegen und diese am 28.09.2006 begründen lassen.

Der Kläger und Berufungskläger wiederholt und vertieft in Auseinandersetzung mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil seine erstinstanzliche Rechtsauffassung. Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bonn vom 04.05.2006, Aktenzeichen 3 Ca 123/06, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.184,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2005 zu zahlen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte hält das erstinstanzliche Urteil für richtig und tritt der Rechtsauffassung des Klägers unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtssprechung des BAG entgegen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Klägers gegen das arbeitsgerichtliche Urteil vom 04.05.2006 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde im Rahmen der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

II. Die Berufung des Klägers musste jedoch erfolglos bleiben. Auf der Grundlage der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung des BAG steht fest, dass der Kläger für das Kalenderjahr 2005 kein - weiteres - "13. Monatsgehalt" im Sinne von § 5 seines Arbeitsvertrages vom 10.07.2000 beanspruchen kann.

1. Sieht man zunächst einmal von dem in § 5 Abs. 2 des Arbeitsvertrages aufgenommenen Freiwilligkeitsvorbehalt ab, so erfüllt der Kläger allerdings die in § 5 Abs. 1 und § 5 Abs. 3 aufgenommenen Anspruchsvoraussetzungen für die Zahlung des "13. Monatsgehalts":

a. Der Kläger stand am 01.11.2005 noch in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zur Beklagten.

b. Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger sodann zwar Ende November zum 31.01. des Folgejahres gekündigt. Bei dieser arbeitgeberseitigen Kündigung handelte es sich jedoch weder um eine außerordentliche Kündigung noch um eine verhaltensbedingte Kündigung aus einem vom Kläger zu vertretenden Grund.

c. Die Beklagte hat auch nichts dazu vorgetragen, dass der Kläger im Laufe des Kalenderjahres 2005 ganz oder teilweise etwa nicht "in laufendem Vergütungsbezug" gestanden hätte.

2. Einem etwaigen Anspruch des Klägers auf Zahlung eines 13. Monatsgehaltes gemäß § 5 Abs. 1 des Arbeitsvertrages steht auch ein Erfüllungseinwand nicht entgegen.

a. Unstreitig hat die Beklagte an den Kläger im Juni 2005 zusätzlich zu dessen laufenden Gehaltsansprüchen ein weiteres Monatsgehalt gezahlt. Hierbei handelte es sich jedoch, wie schon aus dem Auszahlungszeitpunkt hervorgeht, um das zusätzliche Gehalt "als Urlaubsgeld", wie es in der Vertragsergänzung zu § 8 des Arbeitsvertrages angesprochen worden ist. Dies wird bereits durch den Auszahlungszeitpunkt im Juni 2005 nahegelegt, der dem in § 8 Satz 4 des Arbeitsvertrages vorgesehenen Auszahlungszeitpunkt des Urlaubsgeldes entspricht.

b. Die Zahlung eines zusätzlichen Gehaltes für 2005 als Urlaubsgeld gemäß § 8 Arbeitsvertrag wird aber auch durch den eigenen Sachvortrag der Beklagten bestätigt. Bekanntlich hatte diese dargelegt, sie habe dem Kläger auf der Betriebsversammlung vom 03.01.2005 zur Wahl gestellt, ob er für 2005 ein 13. Gehalt als Urlaubsgeld (also im Sinne von § 8 Arbeitsvertrag) oder ein 13. Gehalt als Weihnachtsgeld (also im Sinne von § 5 Arbeitsvertrag) haben wolle, und der Kläger habe sich für das Urlaubsgeld entschieden.

3. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung eines weiteren "13. Monatsgehalts", also eines solchen im Sinne von § 5 des Arbeitsvertrages, scheitert jedoch an dem in § 5 Abs. 2 aufgenommenen Freiwilligkeitsvorbehalt, wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat.

a. Der Wirksamkeit des Freiwilligkeitsvorbehalts steht entgegen der Auffassung des Klägers nicht entgegen, dass es sich bei der in § 5 des Arbeitsvertrages vorgesehenen Leistung um ein "echtes" 13. Monatsgehalt im Rechtssinne handeln würde. Dies ist nicht der Fall. Richtigerweise liegt vielmehr eine sogenannte Gratifikation mit Mischcharakter vor.

aa. Unter einem echten 13. Monatsgehalt versteht man arbeitsrechtlich eine zusätzliche Gegenleistung des Arbeitgebers, deren Zweck ausschließlich darin besteht, die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung über die monatlich geschuldeten Gehälter hinaus zusätzlich zu vergüten.

bb. Im Kontrast zu einem solchen "echten 13. Monatsgehalt" als zusätzliche Arbeitsvergütung steht die Gratifikation. Deren Sinn besteht typischer Weise darin, die bisherige Betriebstreue des Arbeitnehmers zu belohnen, ihn zu weiterer Betriebstreue zu motivieren, anlässlich des Weihnachtsfestes, eines besonderen Dienst- oder Firmenjubiläums o. ä. eine besondere soziale Wohltat zu erbringen etc..

cc. In der Praxis finden sich darüber hinaus auch vielfach Mischformen, bei denen zwar der Gratifikationscharakter im Vordergrund steht, der Umfang der in Aussicht gestellten Leistung aber auch ganz oder teilweise vom Umfang der erbrachten Arbeitsleistung abhängig gemacht wird. Hierbei handelt es sich um sogenannte Gratifikationen mit Mischcharakter.

dd. Um welche Art einer Sonderzahlung es sich im jeweiligen Einzelfall handelt, ergibt sich vorrangig aus den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen, von deren Vorliegen und Erfüllung die Leistung abhängig gemacht wird (z. B. BAG vom 21.05.2003, 10 AZR 408/02). Die Bezeichnung einer Leistung im Vertrag ist dabei für deren Rechtscharakter nicht ausschlaggebend, sondern allenfalls ein Indiz unter mehreren.

aaa.. Im vorliegenden Fall kann es schon deshalb nicht entscheidend auf die im Vertrag gewählte Bezeichnung der streitigen Sonderzahlung ankommen, weil der Wortlaut von § 5 des Arbeitsvertrages insoweit keine eindeutigen Rückschlüsse zulässt. Zwar ist bei der Regelung der Einzelheiten in § 5 Arbeitsvertrag stets von einem "13. Monatsgehalt" oder "13. Gehalt" die Rede. Andererseits lautet die Überschrift von § 5 aber "Gehalt/Gratifikation", obwohl in § 5 nichts anderes geregelt wird, als die Modalitäten der hier streitigen Sonderzahlung. Die Verwendung des Ausdrucks "13. Monatsgehalt" in § 5 erschöpft sich in ihrer Bedeutung somit darin, dass sie die Höhe der in Aussicht gestellten Sonderzahlung angibt, nämlich insofern, als es, abgesehen von den Ausnahmefällen des Ein- und Austrittsjahres oder des nicht lückenlosen Vergütungsbezuges, um ein zusätzliches volles Monatsgehalt geht.

bbb. Nach dem Inhalt der Einzelregelungen in § 5 Arbeitsvertrag handelt es sich jedoch um einen typischen Fall einer Gratifikation mit Mischcharakter.

Zwar ist dem Kläger einzuräumen, dass die Anwendung des Zwölftelungsprinzips für das Ein- und Austrittsjahr ebenso wie die Abhängigkeit der Zahlung davon, "dass der Arbeitnehmer im laufenden Vergütungsbezug steht" und Zeiten, "in denen der Arbeitnehmer aus welchen rechtlichen Gründen auch immer keine Vergütung erhält", für die Berechnung außer Betracht bleiben, einen unmittelbaren Bezug zu der vom Kläger tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung herstellt.

Auf der anderen Seite findet sich in § 5 Abs. 1 Satz 2 des Arbeitsvertrages jedoch das für die Annahme einer Gratifikation charakteristische Stichtagsprinzip. Danach sollte der Kläger selbst dann, wenn er erst zum 31.10.2005 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden wäre und bis dahin an jedem Arbeitstag seine Arbeitsleistung erbracht gehabt hätte, keinerlei Anspruch auf die Sonderzahlung haben. Hinzu kommt die weitere für Gratifikationen charakteristische, in § 5 Abs. 3 geregelte Rückzahlungsklausel für den Fall, dass es aus vom Kläger zu vertretenden Gründen zu einer weiteren Betriebstreue über den 31.03. des Folgejahres hinaus nicht kommen würde.

b. Die Zulässigkeit eines Freiwilligkeitsvorbehalts bei Gratifikationen mit Mischcharakter ist allgemein anerkannt (z. B. BAG NZA 1996, 2147 f.; BAG vom 12.01.2000, 10 AZR 840/98; BAG vom 11.04.2000, 9 AZR 255/99).

c. Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei diesem Freiwilligkeitsvorbehalt auch nicht um eine unwirksame Leistungsänderungsklausel im Sinne von § 308 Nr. 4 BGB, so dass es auf die Frage, ob es sich bei den in § 5 des Arbeitsvertrages enthaltenen Regelungen überhaupt um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der § 305 ff. BGB handelt, nicht ankommt.

d. Die Formulierung des im § 5 Abs. 2 Arbeitsvertrag aufgenommenen Freiwilligkeitsvorbehalt begegnet auch keinem Bestimmtheitsbedenken. Sie kommt vielmehr den in der Literatur empfohlenen Musterbeispielen für eindeutige Formulierungen sehr nahe (vgl. z. B. Küttner/Kania, Personalbuch 2006, Stichwort Widerrufsvorbehalt/Freiwilligkeitsvorbehalt Rdnr. 11 am Ende).

e. Enthält eine Gratifikationszusage einen Freiwilligkeitsvorbehalt des Inhalts, dass Ansprüche für die Zukunft auch aus wiederholten Zahlungen nicht hergeleitet werden können, dann schließt dieser Vorbehalt nicht nur Ansprüche für die Zukunft, sondern auch für den laufenden Bezugszeitraum aus (BAG NZA 1996, 1028 f.; BAG vom 12.01.2000, 10 AZR 840/98; anders noch: BAG AP Nr. 86 zu § 611 BGB Gratifikation). Der Arbeitgeber ist aufgrund eines solchen Freiwilligkeitsvorbehalts jederzeit frei, erneut zu bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen er eine Gratifikation gewähren will (BAG a. a. O.).

f. Fraglich erscheint jedoch, ob und gegebenenfalls in welcher Weise der Arbeitgeber von einem wirksam vereinbarten Freiwilligkeitsvorbehalt für den Bezugszeitraum auch Gebrauch machen muss.

aa. Der Beklagten zufolge hat deren Geschäftsführer den Kläger und die übrigen Mitarbeiter bereits am 03.01.2005, also unmittelbar zu Beginn des hier streitigen Bezugszeitraums, des Kalenderjahres 2005, darauf aufmerksam gemacht, dass die Beklagte aufgrund einer verschlechterten wirtschaftlichen Entwicklung in diesem Kalenderjahr nur ein, nicht aber wie vertraglich unter Freiwilligkeitsvorbehalt in Aussicht gestellt, zwei zusätzliche Gehälter zahlen werde. Trifft diese vom Kläger bestrittene Behauptung der Beklagten zu, so hat die Beklagte zur Überzeugung des Berufungsgerichts zweifelsfrei rechtzeitig von ihrem Freiwilligkeitsvorbehalt in § 5 Abs. 2 des Arbeitsvertrages Gebrauch gemacht und kommt ein Anspruch des Klägers für das Kalenderjahr 2005 somit nicht in Frage.

bb. Andernfalls begegnete es jedoch erheblichen Bedenken seitens des Berufungsgerichts, ob sich die Beklagte für das Kalenderjahr 2005 auch dann mit Erfolg auf den ansonsten wirksam vereinbarten Freiwilligkeitsvorbehalt berufen könnte, wenn sie die Nichtzahlung des in § 5 Abs. 1 des Arbeitsvertrages für den November eines jeden Jahres vorgesehenen 13. Monatsgehalts vorher in keiner Weise und zu keinem Zeitpunkt angekündigt und die Ausübung des Freiwilligkeitsvorbehalts letztlich nur in der Nichtzahlung der Leistung als solcher bestanden hätte. Nach Überzeugung des Berufungsgerichts spricht vieles dafür, dass der Arbeitgeber aufgrund der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht zur Rücksichtnahme auf den anderen Vertragsteil verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer gegenüber angemessene Zeit vor der vereinbarten Fälligkeit der unter Freiwilligkeitsvorbehalt stehenden Sonderleistung anzukündigen, dass für diesen Bezugszeitraum eine Zahlung nicht oder nicht in der erwarteten Höhe erfolgen werde.

aaa. Auch der Arbeitnehmer, dem eine bestimmte arbeitsvertragliche Leistung ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit zugesagt wird, verdient insoweit in gewissem Umfang Vertrauensschutz. Es trifft zwar zu, dass der Arbeitnehmer, dem eine bestimmte Leistung ausdrücklich nur unter Freiwilligkeitsvorbehalt zugesagt wird, nicht damit rechnen kann, dass er diese Leistung für die gesamte Vertragsdauer und für jeden in Betracht kommenden Bezugszeitraum und stets in gleichbleibender Höhe auch erhalten werde. Jedoch wäre die Aufnahme einer, wenn auch unter Freiwilligkeitsvorbehalt stehenden, Zusage in den Arbeitsvertragstext als solche überhaupt sinnlos, wenn der Arbeitgeber durch das In-Aussicht-Stellen einer solchen, wenn auch freiwilligen, Leistung nicht einen Anreiz dafür schaffen wollte, dass der Arbeitnehmer sich überhaupt auf den Arbeitsvertrag einlässt und sich dem Arbeitgeber mit zukünftiger Betriebstreue gewogen zeigt. Auch ohne eine entsprechende Vertragsklausel wäre der Arbeitgeber nämlich nicht gehindert, dem Arbeitnehmer jederzeit spontan freiwillige Zusatzleistungen zukommen zu lassen.

bbb. Auch die unter Freiwilligkeitsvorbehalt stehende Zusage einer Sonderleistung bewirkt somit in rein tatsächlicher Hinsicht, dass sich ein entsprechender Erwartungshorizont bei dem Arbeitnehmer aufbaut und dieser zumindest für den Normalfall und in "gewöhnlichen Zeiten" auch mit dem Erhalt der Leistung rechnet. Die mit dieser tatsächlichen Erwartungshaltung einhergehende Einstellung des Arbeitnehmers ist im Zweifel auch vom Arbeitgeber beabsichtigt.

ccc. Dies gilt um so mehr, wenn in der tatsächlichen Vertragspraxis die Leistung dann auch ungeachtet des Freiwilligkeitsvorbehaltes über längere Zeiträume anstandslos erbracht wird.

cc. Dieser Ausgangslage ist zumindest durch einen eingeschränkten Minimalvertrauensschutz Rechnung zu tragen. Dieser erfordert es, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer so rechtzeitig darauf hinweist, dass er die unter Freiwilligkeitsvorbehalt stehende Leistung dieses Mal nicht erhalten werde, dass der Arbeitnehmer sich in seinen persönlichen Dispositionen noch darauf einstellen kann. Das berechtigte Interesse des Arbeitgebers, sich mit der Zusage bestimmter Leistungen nicht generell und für alle Zeiten binden zu müssen, wird durch eine solche Ankündigungspflicht auch nicht unzumutbar eingeschränkt.

dd. Stünde die Leistung statt unter einem Freiwilligkeitsvorbehalt - bei anderer vertraglicher Formulierung - unter einem sogenannten Widerrufsvorbehalt, ist ohnehin anerkannt, dass ein wirksamer Widerruf nur für die Zukunft erfolgen kann (BAG AP § 611 BGB Gratifikation Nr.75; LAG Düsseldorf BB 1974, 231). In der Laiensphäre kann die feinsinnige Unterscheidung zwischen Widerrufsvorbehalt und Freiwilligkeitsvorbehalt jedoch vielfach ohnehin nicht korrekt nachvollzogen werden (ebenso: Kania DB 1998, 2419; HWK-Thüsing, § 611 BGB Rdnr.509), wie auch der Umstand zeigt, dass in der Praxis vielfache Überschneidungen in den entsprechenden Vertragsformulierungen vorkommen.

ee. Wenn somit schon an der Unterscheidung zwischen Widerrufsvorbehalt und Freiwilligkeitsvorbehalt festgehalten werden soll (kritisch z.B. Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung 1993, S.421; Hanau in Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 62 Rdnr.109; Küttner/Kania, Personalbuch 2006, Stichwort Widerrufsvorbehalt/Freiwilligkeitsvorbehalt Rdnr. 10) , so bedarf jedenfalls auch der Freiwilligkeitsvorbehalt einer an einem Mindestbestand von Vertrauensschutzgesichtspunkten ausgerichteten Ausübung in der Weise, dass eine beabsichtigte Nichtleistung für den laufenden Bezugszeitraum angemessene Zeit vor der vereinbarten Fälligkeit angekündigt wird.

ff. Dies wiederum spricht dafür, dass der vertraglich ausdrücklich zugesagte, wenn auch unter Freiwilligkeitsvorbehalt gestellte Leistungsanspruch dann auch zum vorgesehenen Fälligkeitszeitpunkt für den jeweiligen Bezugszeitraum rechtlich existent und durchsetzbar wird, wenn der Freiwilligkeitsvorbehalt nicht rechtzeitig vorher ausgeübt wurde.

gg. Dem kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass der Kläger des vorliegenden Verfahrens wenig schutzwürdig erscheint, da er auch im Jahre 2005 ein volles zusätzliches Monatsgehalt erhalten hat und es bei der streitigen Leistung letztlich um ein - im Arbeitsleben vergleichsweise eher selten zugesagtes - zweites zusätzliches Gehalt geht. Vertrauensschutzgesichtspunkte können nicht vom bloßem Umfang zugesagter freiwilliger Leistungen abhängig gemacht werden.

g. Aufgrund der vorstehend geschilderten Bedenken des Berufungsgerichts spricht somit viel dafür, dass es für die Entscheidung des vorliegenden Falles letztlich darauf ankommen wird, ob die Beklagte, wie von ihr behauptet, die Nichtzahlung des zusätzlichen Gehaltes als Weihnachtsgeld im November 2005 dem Kläger vorher angekündigt hatte, und zwar nach der Darstellung der Beklagten bereits Anfang Januar 2005.

h. Das Berufungsgericht sieht sich jedoch am Erlass eines entsprechenden Beweisbeschlusses durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gehindert, die offenbar davon ausgeht, dass ein vertraglich wirksam vereinbarter Freiwilligkeitsvorbehalt auch allein durch bloße Nichtleistung "ausgeübt" werden kann. Etwas anderes nimmt das Bundesarbeitsgericht nur an, wenn der Arbeitgeber zuvor durch aktive Handlungen oder Erklärungen den positiven Eindruck erweckt hat, trotz eines Freiwilligkeitsvorbehaltes werde im laufenden Jahr die Gratifikation gezahlt. Das Bundesarbeitsgericht führt aus: "Wenn es in einem Freiwilligkeitsvorbehalt heißt, dass Ansprüche für die Zukunft nicht bestehen, dann hat auch der Arbeitnehmer so lange keinen Anspruch auf eine Gratifikation, wie nicht der Arbeitgeber einen solchen durch Erklärungen oder Handlungen begründet oder dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf Gleichbehandlung erwächst. Nicht aber muss ein Anspruch erst durch Erklärungen des Arbeitgebers in Wegfall gebracht werden." (BAG vom 05.06.1996, - 10 AZR 883/95 - unter II.3)

i. Nach hier vertretener Ansicht liegt aber darin, dass es der Arbeitgeber unterlässt, rechtzeitig vor der festgelegten Fälligkeit anzukündigen, er werde die vertraglich avisierte freiwillige Leistung diesmal nicht oder nicht in der avisierten Höhe erbringen, ein Verhalten, das für den aktuellen Bezugszeitraum anspruchsbegründenden Charakter hat.

k. Auf der Grundlage der bisherigen Rechtssprechung des BAG steht demgegenüber jetzt schon fest, dass dem Kläger der von ihm geltend gemachte Anspruch für das Jahr 2005 nicht zusteht, ohne das es auf eine Beweisaufnahme ankäme.

III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 ZPO.

Gemäß 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG war die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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