Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 16.01.2008
Aktenzeichen: 7 SaGa 15/07
Rechtsgebiete: BGB, SGB IX


Vorschriften:

BGB § 315 Abs. 1
SGB IX § 81 Abs. 4
1. Hat der eigene Dienstarzt des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer aus in dessen Behinderung liegenden Gründen untersagt, dienstliche Kraftfahrzeuge zu führen, so muss der Arbeitgeber davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer auch den täglichen Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte nicht als Autofahrer zurücklegen kann.

2. Es widerspricht billigem Ermessen i. S. v. § 315 Abs. 1 BGB und verstößt gegen § 81 Abs. 4 Ziff. 4 SGB IX, einen aufgrund seiner Behinderung in der Bewegungsfähigkeit eingeschränkten Postzusteller in einen Zustellbezirk zu versetzen, den dieser unter Benutzung eines Fahrrades und öffentlicher Verkehrsmittel nur mit einem Zeitaufwand von 1,5 (montags - freitags) bis 2 (samstags) Stunden für die einfache Wegstrecke erreichen kann.


Tenor:

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 13.07.2007 in Sachen 2 Ga 40/07 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch darum, ob die Verfügungsbeklagte berechtigt war und ist, den Verfügungskläger als Postzusteller bei ihrem Zustellstützpunkt in B N einzusetzen.

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die zweite Kammer des Arbeitsgerichts Bonn dazu bewogen haben, der Verfügungsbeklagten zu untersagen, den Verfügungskläger ab dem 10.07.2007 als Postzusteller vom Zustellstützpunkt B N ausgehend einzusetzen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 22. August 2007 Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts vom 13.07.2007 wurde der Verfügungsbeklagten am 07.09.2007 zugestellt. Sie hat hiergegen am 25.09.2007 Berufung eingelegt und diese am 07.11.2007 begründen lassen.

Die Verfügungsbeklagte meint, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht die Auffassung vertreten, dass die Versetzung des Klägers nach B N entgegen § 315 Abs. 1 BGB nicht billigem Ermessen entsprochen habe. Anlass für die Versetzung sei der Wunsch des Klägers gewesen, aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkung die Zuweisung eines Bezirks mit weniger Arbeitsanfall zu erhalten. Insbesondere habe er angeregt, in einem Wohngebiet eingesetzt zu werden, also in einem Bezirk, in dem weniger förmliche Zustellungen durchzuführen seien als in der B City, wo überproportional viele Firmen, Steuerberater, Büros und Anwaltskanzleien ansässig seien. In dem Bezirk in B N fielen um ca. 60 % weniger solcher förmlicher Zustellungen an.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei der Zustellstützpunkt B N für den Kläger von seinem Wohnort in W -N auch auf zumutbare Art und Weise pünktlich zum Schichtbeginn um 7.00 Uhr morgens zu erreichen. Für die Werktage von Montag - Freitag sei dies unstreitig. Es gelte aber auch für Samstage. Der Kläger könne nämlich um 5.02 Uhr den Bus nehmen und so rechtzeitig die Zugverbindung erreichen, die um 6.22 Uhr in B N ankomme. Der Weg bis zur Bushaltestelle betrage nur ca. 2 km. Diesen könne der Kläger zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen. Letzteres biete sich an, da der Kläger in der Vergangenheit seine Zustellungen ohnehin mittels eines Dienstfahrrads vorgenommen habe. Für eine so kurze Strecke sei es aber auch sogar möglich, ein Auto zu benutzen, auch wenn der Kläger üblicherweise nicht Auto fahre. Die Beklagte behauptet, aus Fürsorgegründen sei es ihr nicht möglich, den Kläger an Zustellstützpunkten einzusetzen, wo keine Einsatzleitung vor Ort sei. Im Bereich B G /M gebe es jedoch vor Ort keine solche Einsatzleitung.

Die Verfügungsbeklagte wiederholt ihre bereits erstinstanzlich geäußerte Auffassung, dass in rechtlicher Hinsicht von einer Zustimmung des Betriebsrats zu einer unbefristeten Versetzung des Klägers nach B N auszugehen sei. Soweit der Betriebsrat seine Zustimmung auf 3 Monate begrenzt habe, sei dies rechtlich unbeachtlich, da er hierfür keinerlei Begründung abgegeben habe. Sie, die Verfügungsbeklagte, habe daher weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis an der Klärung, ob sie berechtigt sei, den Kläger in B N einzusetzen.

Die Verfügungsbeklagte und Berufungsklägerin beantragt nunmehr,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 22. August 2007, 2 Ga 40/07, abzuändern, den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 13. Juli 2007, 2 Ga 40/07, aufzuheben und die Verfügungsklage abzuweisen.

Der Verfügungskläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung der Verfügungsbeklagten zurückzuweisen.

Der Verfügungskläger und Berufungsbeklagte bezweifelt bereits, ob der Verfügungsbeklagten und Berufungsklägerin für die Durchführung der Berufung noch ein Rechtsschutzbedürfnis zukomme, da die Versetzung seinerzeit auf 3 Monate befristet und im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung von dem Berufungsgericht bereits aufgehoben worden sei.

Im Übrigen verteidigt er das arbeitsgerichtliche Urteil und führt aus, dass die Versetzung nach B N nicht nur gegen § 315 Abs. 1 BGB, sondern auch gegen § 81 Abs. 4 Ziffer 4 SGB IX und gegen §§ 2 Abs. 1 Ziffer 2, 1, 3 Abs. 1 a AGG verstoße. Die Maßnahme habe diskriminierenden Charakter. Seit er, der Verfügungskläger, im Mai 2005 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt worden sei, erfahre er eine Vielzahl von "Sonderbehandlungen" in Form von Abmahnungen, Auflösungsangeboten, Versetzungen. Zustellgebiete, in denen nicht so viele förmliche Zustellungen wie in der B City anfielen, insbesondere Zustellbezirke in Wohngebieten, gebe es in großer Fülle in B -B G , B -M , B -Stadt oder dem näheren B Umland. Allein im Stadtgebiet B -B G existierten 34 - 40 Zustellbezirke. Es sei unerfindlich, warum ausgerechnet für ihn, den Kläger, ein Einsatz in zumutbarer Wohnortnähe nicht möglich sein solle.

Auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründungsschrift, der Berufungserwiderungsschrift sowie des weiteren Schriftsatzes der Berufungsklägerin von 08.01.2008 mit ihren jeweiligen Anlagen wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Verfügungsbeklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft und wurde nach Maßgabe des § 66 Abs. 1 ArbGG fristgerecht eingelegt und begründet.

II. Die Berufung der Verfügungsbeklagten konnte jedoch keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit richtig entschieden und sein Urteil vom 13.07.2007 nachvollziehbar und überzeugend begründet. Aus der Sicht der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gilt zusammenfassend und ergänzend das Folgende:

A. Vorab ist festzustellen, dass die Verfügungsklage weiterhin als zulässig anzusehen ist, obwohl die Versetzungsmaßnahme vom 10.07.2007 zunächst nur für einen befristeten Zeitraum von 3 Monaten ausgesprochen wurde und dieser Dreimonatszeitraum zwischenzeitlich abgelaufen ist.

Die Beklagte hat in ihrer Berufungsbegründung vom 07.11.2007, also zu einem Zeitpunkt nach Ablauf des ursprünglichen Befristungszeitraums, nochmals ausdrücklich betont, dass aus Rechtsgründen "die Zustimmung des Betriebsrats zu einer unbefristeten Versetzung des Klägers nach B N - und damit auch zum aktuellen Zeitpunkt [Hervorhebung nur hier] - als erteilt" gelte. Daraus, dass sich die Verfügungsbeklagte in der Berufungsinstanz - ohne dass die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils hierfür einen Anlass geboten hätten - ausführlich und ausdrücklich mit diesem Gesichtspunkt beschäftigt hat, muss geschlossen werden, dass sie sich weiterhin jederzeit für berechtigt hält, den Verfügungskläger auch jetzt und in Zukunft - ohne erneute Beteiligung des Betriebsrats - in B N einzusetzen, und zwar sogar für unbestimmte Zeit.

Auch wenn der Kläger somit im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht unter dem Eindruck des Ergebnisses des erstinstanzlichen Urteils nicht in B N , sondern wie bereits früher einmal in B -E eingesetzt wurde, besteht doch in Anbetracht der von der Verfügungsbeklagten geäußerten Rechtsauffassung derzeit noch die jederzeitige "Gefahr" einer Wiederholung und Wiederinkraftsetzung der Versetzung vom 10.07.2007.

Daraus resultiert letztlich für beide Parteien das fortbestehende Rechtsschutzbedürfnis an einer rechtskräftigen Entscheidung des vorliegenden Verfügungsrechtsstreits in der Berufungsinstanz.

B. Die von der Verfügungsbeklagten zum 10.07.2007 vorgenommene Versetzung des Klägers zum Zustellstützpunkt B N war rechtswidrig. Sie verstößt gegen § 315 Abs. 1 BGB. Ebenso wenig ist sie mit den aus § 81 Abs. 4 Ziffer 4 SGB IX folgenden Verpflichtungen der Verfügungsbeklagten gegenüber einem einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellten Arbeitnehmer in Einklang zu bringen.

1. Grundsätzlich unterliegt die Zuweisung eines bestimmten Arbeitsortes dem arbeitgeberseitigen Direktionsrecht. Dies gilt auch für den vorliegenden Fall, nachdem die Parteien, soweit ersichtlich, keine arbeitsvertraglich bindende Festlegung eines bestimmten Einsatzortes für die Arbeitsleistung des Klägers getroffen haben. Es war somit Sache der Verfügungsbeklagten als Arbeitgeberin, den Leistungsort für die arbeitsvertraglich zu verrichtenden Tätigkeiten zu bestimmen.

2. Kann bzw. soll eine Leistungspflicht durch eine der vertragsschließenden Parteien einseitig bestimmt werden, so ist, wie § 315 Abs. 1 BGB vorschreibt, im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu erfolgen hat. Die Beachtung billigen Ermessens bei der Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts setzt voraus, dass der Arbeitgeber bei der ihm zustehenden einseitigen Bestimmung der Leistung nicht nur seine eigenen wohlverstandenen betrieblichen Interessen zur Geltung bringt, sondern ebenso auch die für ihn erkennbare Interessenlage des Arbeitnehmers berücksichtigt und ihr, soweit mit den betrieblichen Interessen vereinbar, auch Rechnung trägt. Hieran hat es die Verfügungsbeklagte bei der Entscheidung, den Kläger nach B N zu versetzen, ersichtlich fehlen lassen.

a. Den äußeren Anlass für die Versetzung vom 10.07.2007 bildete allerdings die Anregung des Klägers gemäß Anwaltsschreiben vom 16.05.2007, ihn in einem Zustellbezirk einzusetzen, in dem nicht so viele förmliche Zustellungen anfallen wie in dem Zustellbezirk in der B City, in welchem der Kläger vor dem 10.07.2007 tätig war (vgl. Anwaltsschreiben vom 16.05.2007, Bl. 78 f. d. A.). Dass die Beklagte den Kläger somit zum 10.07.2007 überhaupt versetzt hat, war gemäß § 315 Abs. 1 BGB nicht zu beanstanden, sondern entsprach sogar dem ausdrücklichen Wunsch des Klägers.

b. Für die Verfügungsbeklagte war es jedoch offensichtlich und unzweifelhaft erkennbar, dass es nicht dem Interesse des in W -N wohnenden Verfügungsklägers entsprechen konnte, ihn von einem Zustellbezirk in der B City nach B N zu versetzen.

aa. Jeder Arbeitnehmer hat ein für jedermann offenkundiges Interesse daran, dass sein täglicher Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte mit möglichst geringen Belastungen verbunden ist und einen zeitlich zumutbaren Umfang nicht überschreitet. Ungeachtet der Frage, wie der Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte im Einzelnen zurückgelegt werden kann, verursacht der Weg zur Arbeit tendenziell um so größere Belastungen, desto mehr Zeit er in Anspruch nimmt. Die Zeit, die ein vollbeschäftigter Arbeitnehmer für den Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück aufwenden muss, geht von der ihm zur persönlichen Lebensgestaltung und auch zur Erholung zur Verfügung stehenden Zeit verloren und stellt mit aufsteigender Tendenz eine beträchtliche Beeinträchtigung der persönlichen Lebensqualität dar.

bb. Diese für jedermann auf der Hand liegenden Überlegungen gelten erst recht für einen einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellten Arbeitnehmer, zumal dann, wenn die Behinderung gerade darauf beruht, dass der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt ist.

cc. Um einen solchen Arbeitnehmer handelt es sich bei dem Verfügungskläger. Dies war der Verfügungsbeklagten auch aus erster Hand genau bekannt; denn ihr eigener Dienstarzt hatte die Feststellung getroffen, dass es dem Kläger aus in seiner Behinderung liegenden Gründen untersagt werden musste, dienstliche Kraftfahrzeuge zu führen. Der Beklagten musste es somit bewusst sein, dass der Kläger auch für den Weg von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte im Regelfall darauf angewiesen war, sich fremder Transportmittel zu bedienen, d. h. im Normalfall öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch zu nehmen. Die Verfügungsbeklagte verhielte sich in hohem Maße widersprüchlich, wenn sie dem Kläger einerseits aus gesundheitlichen Gründen das Führen dienstlicher Kraftfahrzeuge untersagt, andererseits aber unterstellt, es sei ihm ohne Weiteres möglich, den Weg von der Wohnung zur Arbeit oder aber Teile hiervon regelmäßig als Autofahrer zurückzulegen.

dd. Welcher Zeitaufwand einem Arbeitnehmer für den Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte billigerweise zugemutet werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Ein Zeitaufwand von mehr als 2 Stunden für die einfache Strecke überschreitet dabei jedoch im Regelfall die Grenze zur Unzumutbarkeit (zuletzt: LAG Hamm, Urteil vom 24.05.2007, 8 Sa 51/07). Dies gilt nach der zutreffenden Auffassung des LAG Hamm selbst dann, wenn es sich bei der mehr als 2 Stunden Wegezeit entfernt liegenden Arbeitsstätte um die einzige geeignete freie Stelle für den betroffenen Arbeitnehmer handeln würde (LAG Hamm a. a.O.).

ee. Wie die Parteien im Laufe des vorliegenden Rechtsstreits herausgearbeitet haben, benötigt der Kläger bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der von der Beklagten vorgegebenen Dienstantrittszeiten für den einfachen Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte in B N in der Zeit von Montag - Freitag mehr als 1 1/2 Stunden, samstags sogar mehr als 2 Stunden; denn nach der eigenen Darlegung der Verfügungsbeklagten müsste der Kläger, um bei Dienstbeginn um 7.00 Uhr samstags pünktlich in B N sein zu können, bereits um 5.02 Uhr mit dem Bus in B -M abfahren. Um die Bushaltestelle in B -M zu erreichen, müsste der Kläger zuvor aber noch einen 2 Kilometer langen Weg bewältigen, für den noch ein weiterer nicht unerheblicher Zeitraufwand anzusetzen ist, zumal er aus den oben bereits angesprochenen Gründen auch für diese Teilstrecke nicht auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs verwiesen werden kann. Selbst wenn er jedoch den 2 Kilometer langen Weg mit dem Fahrrad zur Bushaltestelle zurücklegen würde, läge denknotwendiger Weise zwischen dem Abgang zu Hause und dem Dienstbeginn in B N ein Zeitraum von mehr als 2 Stunden.

ff. Der Kläger hat auch regelmäßig am Samstag zu arbeiten, nämlich unstreitig an 5 von 6 aufeinander folgenden Samstagen.

gg. Schon weil der Kläger somit regelmäßig einmal die Woche, nämlich samstags, bei einem Einsatz am Zustellstützpunkt B N generell unzumutbare Wegezeiten aufwenden müsste, entspricht in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts Bonn die Versetzung vom 09.07.2007 nicht mehr billigem Ermessen im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB.

c. Zur Überzeugung des Berufungsgerichtes kommt es für die Feststellung, dass die streitige Versetzung des Verfügungsklägers nach B N nicht mehr billigem Ermessen im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB entspricht, aber nicht einmal entscheidend auf den besonders unzumutbaren Zeitaufwand an, den der Kläger immer samstags in Kauf nehmen müsste, um pünktlich von der Wohnung zur Arbeitsstätte zu gelangen. Vielmehr erweist sich die Versetzung des Klägers nach B N in Anbetracht der Gesamtumstände des vorliegenden Falles aufgrund der Missachtung der leicht nachvollziehbaren berechtigten Interessen insgesamt als unbillig.

aa. Bei der Bestimmung dessen, was gemäß § 315 Abs. 1 BGB billigem Ermessen entspricht, ist nämlich eine Abwägung zwischen den berechtigten Interessen des Arbeitgebers und den erkennbaren wichtigen Interessen des Arbeitnehmers vorzunehmen. Dabei kommt es wesentlich auch auf das Gewicht der beiderseitig sich gegenüberstehenden Interessen an. Eine direktionsrechtliche Maßnahme des Arbeitgebers ist somit nicht notwendig immer nur dann unbillig, wenn sie in Anbetracht der Interessenlage des Arbeitnehmers in einem absoluten Sinne unzumutbar erscheint. Eine Maßnahme des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts entspricht vielmehr auch dann nicht der Billigkeit, wenn sie gewichtige berechtigte Interessen des Arbeitnehmers verletzt, obwohl dem Arbeitgeber alternative Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden, die seine eigenen betrieblichen Interessen in gleicher Weise zu wahren geeignet wären, daneben aber auch dem Interesse des Arbeitnehmers entgegenkämen.

bb. So liegt der Fall auch hier. Anders als in dem zuvor zitierten Fall des LAG Hamm hat die Verfügungsbeklagte des hiesigen Rechtsstreits erst- oder zweitinstanzlich auch nicht ansatzweise dargelegt, dass ihr zu einer Versetzung des Klägers an den Zustellstützpunkt B N keine Alternative zur Verfügung gestanden hätte, die der Wohnsituation des Klägers besser Rechnung getragen hätte und andererseits einen ebenso sinnvollen Arbeitseinsatz des Klägers ermöglicht hätte, wie dies in B N der Fall ist. Die Beklagte hat nicht einmal den Versuch unternommen darzulegen, warum sie den Kläger nicht alternativ auch an einen anderen Einsatzort im Großraum B hätte versetzen können, der für den Kläger von seinem Wohnort aus günstiger zu erreichen wäre als B N und an dem ebenfalls nicht in dem überdurchschnittlich hohem Maße förmliche Zustellungen anfallen, wie in dem Zustellbezirk in der B City, in dem der Kläger vor dem 10.07.2007 arbeitete.

cc. Allerdings erscheint die Annahme nahe liegend, dass der Beklagten eine solche Darlegung in Anbetracht der großen Vielzahl an Zustellbezirken, die sie in B -Stadt, in B -B G , in B -M und im sonstigen B Umland vorhält, auch gar nicht möglich gewesen wäre. Allein in B B G verfügt die Verfügungsbeklagte nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Verfügungsklägers über ca. 30 - 40 Zustellbezirke. Um dem Wunsch des Klägers entgegenzukommen, in einem Zustellbezirk eingesetzt zu werden, in dem nicht so viele förmliche Zustellungen vorzunehmen sind wie in B -City - ein Wunsch, der in Anbetracht des Vorwurfs der Verfügungsbeklagten, dass der Verfügungskläger gerade bei förmlichen Zustellungen überdurchschnittlich viele Fehler macht, letztlich auch ihrem eigenen Interesse entgegenkommt -, und gleichzeitig auch das betriebliche Interesse zu befriedigen, den Kläger möglichst sinnvoll einsetzen zu können, bedurfte es somit keineswegs einer Versetzung des Klägers nach B N .

dd. Nur am Rande sei angemerkt, dass die Verfügungsbeklagte in diesem Zusammenhang auch nicht damit gehört werden kann, es seien für einen Einsatz des Klägers von vorneherein die in B -B G oder M vorhandenen Zustellbezirke nicht in Frage gekommen. Dies begründet die Verfügungsbeklagte bekanntlich damit, dass bei diesen Zustellbezirken vor Ort keine Leitungskraft vorhanden sei. Diese Begründung ist nicht nachvollziehbar. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, was sie mit Fürsorgegesichtspunkten zu tun haben soll. Wenn bei dem Kläger notwendige fachliche Nachfragen auftauchen sollten, könnten diese auch fernmündlich, per Handy, erledigt werden.

Wie dem aber auch immer sei: Mit keinem Wort ist die Beklagte darauf eingegangen, dass es auch außerhalb von B -B G keinerlei für den Kläger geeignete Zustellstützpunkte mit Leitung vor Ort gegeben hätte, die für ihn besser zu erreichen waren als B N .

ee. Zu betonen bleibt, dass dem Interesse, den Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte mit möglichst geringem zeitlichem und sonstigem Aufwand zurücklegen zu können, bei einem einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellten Arbeitnehmer wie dem Kläger ein um so größeres Gewicht zukommt. Dies gilt um so mehr, als die Art der Behinderung den Kläger auch in seiner Fortbewegungsfähigkeit beeinträchtigt. Gerade ein in seiner Leistungsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen ohnehin eingeschränkter Arbeitnehmer muss um so mehr darauf achten, nicht auch schon bei dem Weg von und zur Arbeitsstätte überdurchschnittlichen zusätzlichen Belastungen ausgesetzt zu sein. Auch dieser Gesichtspunkt liegt für jedermann, also auch die Verfügungsbeklagte erkennbar auf der Hand.

ff. Auch die dem Kläger an den anderen Arbeitstagen außer Samstag zugemuteten Wegezeiten führen somit im vorliegenden Einzelfall zur Unbilligkeit der Versetzungsmaßnahme vom 10.07.2007, weil die Beklagte in keiner Weise dargelegt hat, dass ihr insoweit keine den Kläger schonende Alternative zur Verfügung gestanden hätte.

III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs.1 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist ungeachtet des Umstands, dass hierfür auch kein Grund im Sinne von § 72 Abs. 2 ArbGG vorläge, gemäß § 72 Abs. 4 ArbGG nicht gestattet.

Ende der Entscheidung

Zurück