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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 17.07.2002
Aktenzeichen: 7 Ta 116/02
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 12 Abs. 7
ZPO § 3
Stellt der noch keine sechs Monate beschäftigte Arbeitnehmer bewusst einen auf unbefristeten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichteten Kündigungsschutzantrag, etwa weil er sich auf § 102 Abs. 1 BetrVG oder auf § 242 BGB beruft, so ist als Streitwert der Regelwert des Vierteljahresverdienstes gemäß § 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG anzusetzen.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 7 Ta 116/02

In dem Beschwerdeverfahren

hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgericht Köln am 17.07.2002 - ohne mündliche Verhandlung - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Czinczoll

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägervertreters vom 18.10.2001 hin wird der Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 11.09.2001 in Sachen 3 Ca 4407/01 und 3 Ca 4408/01 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Streitwert für das Verfahren 3 Ca 4407/01 wird auf 406,05 € (=794,17 DM),

für das Verfahren 3 Ca 4408/01 auf 2.904,14 € (= 5.680,00 DM)

und für den Vergleich vom 23.07.2001 im Hinblick auf die Erledigung beider Verfahren auf 3.310,19 € (= 6.474,17 DM)

festgesetzt.

Gründe:

I. Die Beschwerde richtet sich dagegen, dass das Arbeitsgericht den Kündigungsschutzantrag zu 1) aus dem Verfahren 3 Ca 4408/01 nicht mit drei Monatseinkommen, sondern lediglich mit einem Monatseinkommen bewertet hat.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet.

1. Der Antrag zu 1) aus dem Kündigungsschutzverfahren 3 Ca 4408/01, welcher nicht von dem Beschwerdeführer selbst, sondern von den früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin formuliert und begründet wurde, lautet:

"Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 20.04.2001, zugegangen am 22.04.2001, nicht aufgelöst worden ist."

a. Maßgeblich für die Bemessung des Streitwerts ist allein der dem Gericht zur Entscheidung unterbreitete Gegenstand des Streites der Parteien, auf welchen sich das Rechtsschutzbegehren der klagenden Partei richtet. Der Streitgegenstand ergibt sich aus den Klageanträgen. Lässt deren Formulierung Zweifel hinsichtlich der Reichweite des Rechtsschutzbegehrens offen, so ist die Klagebegründung zur Auslegung der Klageanträge mit heranzuziehen.

b. Dagegen sind Gesichtspunkte wie die Erfolgsaussichten einer Klage für die Bemessung des Streitwertes regelmäßig irrelevant.

c. Speziell bei Kündigungsschutzprozessen ist zu beachten, dass diese auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den Zeitpunkt der Kündigung hinaus gerichtet, also vom Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung her betrachtet zukunftsbezogen sind. Deshalb ist es für die Bemessung des Streitwertes eines Kündigungsschutzantrages für sich betrachtet regelmäßig unerheblich, für welchen Zeitraum in der Vergangenheit das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung schon bestanden hat. Die Bestandsdauer eines Arbeitsverhältnisses in der Vergangenheit kann für die Streitwertbemessung jedoch dann mittelbar von Bedeutung sein, wenn das Rechtsschutzbegehren lediglich auf die Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist gerichtet ist, deren Länge wiederum regelmäßig von der Bestandsdauer abhängt.

d. Die Formulierung des vorliegenden Feststellungsantrages zu 1) lässt ein lediglich befristetes Rechtsschutzbegehren nicht erkennen. Vom Wortlaut her ist der Feststellungsantrag auf einen unbefristeten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den Kündigungszeitpunkt hinaus gerichtet. Dafür spricht auch, dass die Klägerin mit dem Antrag zu 3) einen sogenannten Weiterbeschäftigungsantrag gestellt hat. Ein solcher machte bei der im allgemeinen zu erwartenden Dauer eines Kündigungsschutzprozesses wenig Sinn, wenn von vorneherein nur die Einhaltung einer Kündigungsfrist begehrt würde.

e. Die Ausführungen des früheren Klägervertreters zur Begründung der Kündigungsschutzklage vom 04.05.2001 bestätigen den Eindruck, dass der Feststellungsantrag in der Tat bewusst auf eine unbefristete Fortdauer des Arbeitsverhältnisses gerichtet ist. Zwar wird in der Klagebegründung ausdrücklich eingeräumt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin im Zeitpunkt der Kündigung noch keine sechs Monate ununterbrochen bestanden habe, so dass das Kündigungsschutzgesetz auf dieses Arbeitsverhältnis noch keine Anwendung finde. Gleichwohl macht der frühere Klägervertreter in der Klagebegründung im nächsten Absatz ausdrücklich geltend, dass auch eine "eventuell im Wege der Umdeutung auszusprechende fristgerechte Kündigung" ungerechtfertigt sei. Weiter führt der frühere Klägervertreter aus, dass die Kündigung im Sinne des § 242 BGB ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam sei. Dieser Vortrag ist offenbar gerade im Hinblick auf die fehlende Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes erfolgt. Darüber hinaus wird in der Klagebegründung ausdrücklich mit Nichtwissen bestritten, dass der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß gehört worden ist. Auch dieser Gesichtspunkt könnte, wenn er sachlich zuträfe, trotz der noch nicht sechsmonatigen Bestandsdauer des Arbeitsverhältnisses zur völligen Unwirksamkeit der angegriffenen Kündigung führen.

f. Die Klagebegründung lässt somit kaum einen Zweifel, dass der Feststellungsantrag zu 1) bewusst unbeschränkt gestellt und nicht etwa auf die Dauer einer einzuhaltenden Kündigungsfrist beschränkt wurde. In diesem Fall ist aber gemäß § 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG ein dreifaches Monatsentgelt als Streitwert festzusetzen. Dabei schließt sich das Beschwerdegericht der herrschenden Meinung an, die in dem in § 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG als Streitwerthöchstgrenze vorgegebenen Vierteljahresverdienst bei unbeschränkten Kündigungsschutzanträgen zugleich den Regelstreitwert erblickt.

2. Der Weiterbeschäftigungsantrag zu 3) war, der neuesten Rechtsprechung der überwiegenden Zahl aller Kammern des Landesarbeitsgerichts folgend, mit einem weiteren Monatsgehalt anzusetzen.

3. Der Streitwert für das Kündigungsschutzverfahren 3 Ca 4408/01 entspricht also dem Wert von vier Monatseinkommen der Klägerin.

4. Nicht zu beanstanden ist indessen, dass das Arbeitsgericht sich bei der Bemessung der Höhe des zugrunde zu legenden Monatseinkommens nicht an dem bisherigen Durchschnittsverdienst der Klägerin orientiert hat, wie er aus den im Verfahren 3 Ca 4407/01 vorgelegten Lohnabrechnungen für die ersten drei Monate des Jahres 2001 hätte entnommen werden können, sondern dass das Arbeitsgericht auf das Monatseinkommen abgestellt hat, was sich errechnet, wenn die Klägerin die arbeitsvertraglich vereinbarte Sollstundenzahl von 20 pro Woche bei einem vereinbarten Stundenlohn von 16,50 DM brutto erbringt. In Anbetracht der kurzen Dauer des Arbeitsverhältnisses kann noch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der in den Monaten Januar bis März 2001 tatsächlich erzielte Verdienst der Klägerin über die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen hinausgehend auch in Zukunft das regelmäßige Verdienst sein werde.

Setzt man somit als arbeitsvertragliches Monatsverdienst einen Betrag von 1.420,00 DM (= 726,03 €) an, so ergibt sich ein Gesamtstreitwert für das Verfahren 3 Ca 4408/01 von 2.904,14 € (= 5.680,00 DM).

III. Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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