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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 09.07.2009
Aktenzeichen: 7 Ta 220/08
Rechtsgebiete: ArbGG, GVG, StPO, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 2 Abs. 3
GVG § 17
GVG § 17 a
StPO § 153 a
BGB § 421
BGB § 823
BGB § 840
1. Ein Arbeitgeber kann in einer Zusammenhangsklage nach § 2 Abs. 3 ArbGG in ein und demselben Prozess vor dem Arbeitsgericht einen Arbeitnehmer und einen unternehmensfremden Dritten auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, wenn er gegen beide aufgrund konkreter, aussagefähiger Anhaltspunkte tatsächlicher Art den Vorwurf erhebt, ihn in gemeinschaftlichem Zusammenwirken vorsätzlich kriminell geschädigt zu haben, und die Schädigungshandlung auf Seiten des Arbeitnehmers in einem inneren Bezug zum Arbeitsverhältnis steht.

2. Dagegen sind die Voraussetzungen einer Zusammenhangsklage nicht erfüllt, wenn dem Arbeitnehmer lediglich vorgeworfen wird, durch arbeitsvertragliche Schlechtleistung unbeabsichtigt die Schädigung durch den unternehmensfremden Dritten ermöglich zu haben.


Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hin wird der Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 06.06.2008 aufgehoben:

Es wird festgestellt, dass die Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte unter dem Gesichtspunkt der Zusammenhangsklage auch für die Klage gegen den Beklagten zu 2) gegeben ist, so dass es bei der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Aachen verbleibt.

Gründe:

I. Die Klägerin vergab im Jahre 2000 an das Ingenieurbüro des Beklagten zu 2) Werkaufträge in einem Gesamtvolumen von 500.000,00 DM. Der Beklagte zu 1) war als Arbeitnehmer der Klägerin in der Folgezeit damit befasst, die Einzelrechnungen des Beklagten zu 2) fachlich und rechnerisch zu prüfen. Die Klägerin wirft dem Beklagten zu 2) vor, zwar im Zeitraum Juli 2000 bis Mai 2003 Einzelrechnungen über eine Gesamtsumme von 499.814,00 DM erstellt, hierfür aber nur Leistungen im Werte eines Bruchteiles dieses Betrages tatsächlich erbracht zu haben. Nachdem die Klägerin ihren Schaden ursprünglich mit 380.951,40 DM (umgerechnet 194.777,35 €) beziffert hatte, hat sie im Kammertermin vom 06.06.2008 den Antrag gestellt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilten, an sie einen Betrag in Höhe von 93.689,11 € nebst Zinsen zu zahlen. Beide Beklagten beantragten im Termin vom 06.06.2008, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin wirft dem Beklagten zu 2) vor, sie vorsätzlich durch überhöhte Rechnungsstellungen geschädigt zu haben. Dabei habe der Beklagte zu 2) entgegen den eindeutigen vertraglichen Regelungen durchgängig nicht prüffähige Abrechnungsunterlagen erstellt. Gleichwohl habe der Beklagte zu 1) die Einzelrechnungen fortlaufend als "fachlich und rechnerisch geprüft und festgestellt" frei gegeben. Dies lasse nur den Schluss zu, dass der Beklagte zu 2) gewusst habe, dass er mit keiner Kontrolle durch den Beklagten zu 1) rechnen müsse. Demnach hätten die beiden Beklagten sie, die Klägerin, in kollusivem Zusammenwirken zur Erfüllung unbegründeter Forderungen veranlasst. Die Klägerin will daher beide Beklagte insbesondere aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 266, 263 StGB gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Aus der Gesamtschuldnerschaft leitet die Klägerin die Zusammenhangszuständigkeit des Arbeitsgerichts gemäß § 2 Abs. 3 ArbGG für die Klage gegen den Beklagten zu 2) ab.

In dem Strafverfahren Amtsgericht Düren 13 LS 602 JS 1914/04 - 83/07 wurde gegen beide Beklagte gemeinschaftlich Anklage erhoben und eine Hauptverhandlung wegen des Vorwurfs der Untreue durchgeführt. Nach erfolgter Beweisaufnahme hat das Amtsgericht Düren mit Beschluss vom 21.2.2008 das Strafverfahren gegen beide Beklagten mit deren Einverständnis gemäß § 153 a StPO gegen Zahlung einer Geldbuße in Höhe von je 5.000,00 € eingestellt.

Das Arbeitsgericht Aachen hat mit Beschluss vom 06.06.2008 das Verfahren gegen den Beklagten zu 2) von dem Ursprungsverfahren 5 Ca 6509/04 d abgetrennt, sich für das Verfahren gegen den Beklagten zu 2) für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit gegen den Beklagten zu 2) an das Landgericht Köln verwiesen. Zugleich hat es mit Urteil vom 06.06.2008 die Klage gegen den Beklagten zu 1) abgewiesen. Das Verfahren gegen den Beklagten zu 1) wurde zwischenzeitlich durch rechtskräftigen Vergleich in der Berufungsinstanz (LAG Köln, 6 Sa 852/08) beigelegt.

Mit der vorliegend zu beurteilenden sofortigen Beschwerde vom 01.07.2008, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 04.07.2008 die Abhilfe verweigert hat, wendet sich die Klägerin gegen den ihr am 20.06.2008 zugestellten Verweisungsbeschluss.

II. Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 06.06.2008 in der Fassung des Nichtabhilfe-Beschlusses vom 04.07.2008 ist begründet. Im Ergebnis ist vorliegend der Rechtsweg zum Arbeitsgericht auch für die gegen den Beklagten zu 2) gerichtete Klage der Klägerin eröffnet. Die Voraussetzungen einer so genannten Zusammenhangsklage im Sinne von § 2 Abs. 3 ArbGG liegen insoweit vor.

1. Die vorliegende Sachverhaltskonstellation ist dadurch gekennzeichnet, dass die Klägerin dem Beklagten zu 2) als einem unternehmensfremden Dritten vorwirft, sie in strafrechtlich relevanter, krimineller Weise vorsätzlich geschädigt zu haben, während sie dem Beklagten zu 1) als ihrem eigenen Arbeitnehmer vorwirft, durch Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten die Schädigung durch den Beklagten zu 2) ermöglicht zu haben. In einer solchen Konstellation kommt ein Schadensersatzanspruch der Arbeitgeberin gegen ihren Arbeitnehmer grundsätzlich unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten in Betracht:

a. So könnte die Arbeitgeberin unter Umständen einen Schadensersatzanspruch im Rahmen der allgemeinen Arbeitnehmerhaftung allein daraus herleiten wollen, dass der Arbeitnehmer durch schuldhafte Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Prüf- und Kontrollpflichten eine kriminelle Schädigung durch einen unternehmensfremden Dritten ermöglicht hat, ohne aber selbst an der kriminellen Schädigungstat beteiligt zu sein. Macht die Arbeitgeberin lediglich einen solchen Schadensersatzanspruch wegen arbeitsvertraglicher Schlechtleistung geltend, sind die Voraussetzungen für eine Zusammenhangsklage im Sinne von § 2 Abs. 3 ArbGG gegen den kriminellen Dritten als Fremdschädiger nicht erfüllt. In seinem solchen Fall fehlte es an dem in § 2 Abs. 3 ArbGG geforderten rechtlichen oder unmittelbar wirtschaftlichen Zusammenhang der Ansprüche aus Arbeitnehmerhaftung gegen den Arbeitnehmer einerseits, des Anspruches aus Delikt gegen den Fremdschädiger andererseits.

In einer solchen Fallkonstellation kann ein Zusammenhang auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Gesamtschuldnerschaft hergeleitet werden, da eine Gesamtschuldnerschaft nicht besteht. Vielmehr ist der Arbeitgeber, der seinen Arbeitnehmer in Anspruch nehmen will, weil er durch arbeitsvertragliche Schlechtleistung eine kriminelle Schädigung durch einen Dritten ermöglicht hat, aufgrund der arbeitsvertraglichen Treuepflicht gehalten, seine Ansprüche vorrangig gegen den eigentlichen Schädiger durchzusetzen, soweit dies nicht ausnahmsweise unmöglich ist, z. B. weil der Hauptschädiger unbekannt bleibt, oder unzumutbar ist, z. B. weil der Hauptschädiger vermögenslos ist. Treffen die allgemeine Arbeitnehmerhaftung und eine deliktische Haftung eines Dritten zusammen, steht es dem Arbeitgeber, wie in § 421 BGB vorausgesetzt, gerade nicht frei, die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil zu fordern. Vielmehr trifft für diese Fallkonstellation die Aussage des Arbeitsgerichts in seinem Verweisungsbeschluss vom 06.06.2008 zu, dass die beiden anspruchsbegründenden Lebenssachverhalte nur eine reine zufällige Verbindung zueinander haben, weil sie sich zufällig im gleichen Schaden auswirken.

b. Anders liegt der Fall jedoch, wenn die Arbeitgeberin ihrem Arbeitnehmer vorwirft, sie in vorsätzlichem kriminellem Zusammenwirken mit einem unternehmensfremden Dritten in strafrechtlich relevanter Weise geschädigt zu haben. Gegenüber einem solchen Vorwurf kämen Haftungsprivilegien, wie sie im Rahmen der allgemeinen Arbeitnehmerhaftung in Frage kommen, von vorneherein nicht in Betracht und es läge Gesamtschuldnerschaft gemäß § 840 Abs. 1 BGB vor. Geht es um den Vorwurf, dass ein Arbeitnehmer gemeinschaftlich mit einem unternehmensfremden Dritten den Arbeitgeber durch eine Straftat geschädigt hat, ist der rechtliche und unmittelbar wirtschaftliche Zusammenhang im Sinne von § 2 Abs. 3 ArbGG zu bejahen (LAG Köln vom 19.07.2006, 9 Ta 228/06).

2. Allerdings reicht auch in einem solchen Fall nicht die bloße gegebenenfalls ins Blaue hinein aufgestellte spekulative Behauptung aus, der Arbeitnehmer müsse in vorsätzlichem, deliktischem, kollusiven Zusammenwirken mit dem Dritten gehandelt haben. Zu fordern ist vielmehr, dass für ein deliktisches Zusammenwirken des Arbeitnehmers mit dem Drittschädiger zumindest konkrete, aussagefähige Anhaltspunkte tatsächlicher Art vorgetragen werden. Es muss nämlich der Gefahr entgegengewirkt werden, dass eine Klagepartei dadurch, dass sie rein spekulative Prozessbehauptungen aufstellt, den Rechtsstreit seinem gesetzlichen Richter entziehen kann, um dadurch Kostenvorteile oder sonstige taktische Verfahrensvorteile für sich zu erreichen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob es der Klägerin gelungen ist, im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Verfahrens hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ein kriminelles kollusives Zusammenwirken der beiden Beklagten vorzutragen. Jedenfalls kann die Klägerin nämlich darauf verweisen, dass die zuständige Staatsanwaltschaft zum Abschluss des gegen beide Beklagte eingeleiteten Ermittlungsverfahrens gegen beide Beklagte gemeinschaftlich Anklage erhoben und das Schöffengericht beim Amtsgericht Düren auch gegen beide Beklagte gemeinschaftlich wegen des Vorwurfs der Untreue eine Hauptverhandlung durchgeführt hat. Bejahen selbst die staatlichen Strafverfolgungsbehörden einen entsprechenden Verdacht sogar in einer ihnen für die Anklageerhebung ausreichend erscheinenden Intensität, kann davon, dass sich die Klägerin durch die Rechtsbehauptung eines deliktischen Anspruchs auf krimineller Grundlage lediglich einen bestimmten Rechtsweg habe erschleichen wollen, keine Rede sein.

3. An der Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges für die Klage gegen den Beklagten zu 2) ändert auch der Umstand nichts, dass die Klage gegen den Beklagten zu 1) zwischenzeitlich aufgrund des in der Berufungsinstanz geschlossenen Vergleichs rechtskräftig beendet ist. Dies folgt aus § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG (so genannte perpetuatio fori). Maßgeblicher Zeitpunkt für den Eintritt der Rechtswegbeständigkeit einer Zusammenhangsklage ist dabei nach der Rechtsprechung des BAG und der herrschenden Meinung in der Literatur der Zeitpunkt, in dem der Beklagte beginnt, zur Hauptsache zu verhandeln (BAG vom 15.08.1975, 5 AZR 217/75; BAG vom 29.11.2006, 5 AZB 47/06; GK-ArbGG/Wenzel, § 2 Rn. 209; Schwab/Weth/Walker, ArbGG, § 2 Rn. 185). Der Beklagte zu 2 ) hat in der Sitzung vom 06.06.2008 vor dem Arbeitsgericht Aachen zur Hauptsache verhandelt, indem er Klageabweisung beantragt hat. Die Erledigung des Rechtsstreits gegen den Beklagten zu 1) ist erst geraume Zeit nach diesem Zeitpunkt eingetreten.

4. Es verbleibt daher auch für die gegen den Beklagten zu 2) gerichtete Klage bei der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Aachen, wobei letztere aus § 32 ZPO herzuleiten ist.

5. Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht zugelassen.

Ende der Entscheidung

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