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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 18.02.2009
Aktenzeichen: 7 Ta 381/08
Rechtsgebiete: ZPO, GVG, ArbGG


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 118
ZPO § 253
GVG § 17 a
ArbGG § 2
ArbGG § 48
1. Bei gleichzeitiger Einreichung von PKH-Gesuch und Klage wird neben dem PKH-Verfahren auch der Rechtsstreit als solcher anhängig, falls nicht der Antragsteller eindeutig klarstellt, dass er den Klageantrag nur bedingt für den Fall der PKH-Bewilligung stellen will.

2. Zur Abgrenzung dieser beiden Varianten im Einzelfall.

3. War ein Arbeitnehmer neben seinem Arbeitsverhältnis für das Arbeitgeberunternehmen zugleich auch als freier Mitarbeiter beschäftigt und macht er in ein und derselben Klage Ansprüche aus beiden Rechtsverhältnissen geltend, liegt regelmäßig eine Zusammenhangsklage i. S. v. § 2 Abs. 3 ArbGG vor.


Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 16.09.2008 hin wird der Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 05.09.2008 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass auch für den angekündigten Klageantrag zu 6) der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben ist.

Gründe:

I. Mit einem als "Klage" überschriebenen und anwaltlich unterzeichneten sechsseitigen Schriftsatz vom 28.07.2008 bestellt sich der fragliche Anwalt zum Prozessbevollmächtigten des Klägers, "überreicht zunächst" eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Mandanten "mit dem Antrag: dem Kläger ratenfreie Prozesskostenhilfe für das vorliegende Verfahren unter meiner Beiordnung zu bewilligen", und fährt fort: "in der Sache werde ich sodann beantragen:". Es folgen sechs ausformulierte Klageanträge.

Die Anträge zu 1) bis 5) beziehen sich auf die Erteilung von Abrechnungen sowie Restzahlungen aus einem zwischen den Parteien bestehenden, zwischenzeitlich beendeten Arbeitsverhältnis. Der Zahlungsantrag zu 6) wird wie folgt begründet: Im Rahmen eines von der Beklagten zu bearbeitenden Projekts seien sogenannte Revisionszeichnungen zu erstellen gewesen. Da er, der Kläger, auch CAD-Konstrukteur sei und privat über eine entsprechende technische Ausstattung verfüge, seien die Arbeitsvertragsparteien überein gekommen, dass der Kläger die Zeichnungen erstellen solle. Dies sei außerhalb der regulären Arbeitszeit auch geschehen. Im Hinblick auf die geleisteten Arbeitszeiten sei vereinbart gewesen, dass die Beklagte für die dem Kläger gestattete Privatnutzung eines Firmenfahrzeugs die sogenannte 1 %-Regelung nicht anwende. Nachdem jedoch die Beklagte im Rahmen der vorgerichtlichen Korrespondenz die Auffassung vertreten habe, eine Vergütung für die geleisteten Arbeiten sei nicht vereinbart gewesen, im Übrigen sei der Kläger als Arbeitnehmer verpflichtet gewesen, die Projekte seines Arbeitgebers zu begleiten und die notwendigen Unterlagen zu erstellen, schulde die Beklagte die für derartige Leistungen eines CAD-Konstrukteurs übliche Vergütung in Form von Honoraren auf der Grundlage der HOAI. Außerdem sei er, der Kläger, es gewesen, der der Beklagten die fraglichen Projektaufträge mit einem Umsatzvolumen von 339.800,00 € vermittelt habe. Hierfür sei ihm seitens der Beklagten auch "die übliche Provision" mündlich zugesichert worden.

Der Schriftsatz an das Arbeitsgericht vom 28.07.2008 endet mit dem Satz: "Nachdem die Beklagtenseite im Rahmen der geführten vorgerichtlichen Korrespondenz lediglich die Arbeitspapiere zur Verfügung gestellt hat und eine Überzahlung von Arbeitslohn in Höhe von 305,38 € behauptet hat ..., ist nunmehr Klage geboten".

Das Arbeitsgericht hat diesen Schriftsatz als Klageerhebung verstanden, ihn an die Gegenseite zugestellt und Gütetermin anberaumt, an welchem die Vertreter beider Parteien teilgenommen haben. Die Güteverhandlung blieb ergebnislos und endete mit der gerichtlichen Auflage an den Kläger, zu der Frage der sachlichen Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Stellung zu nehmen.

Am 29.08.2008 beraumte das Arbeitsgericht sodann Kammertermin an und fasste am 05.09.2008 den Beschluss, den Rechtsstreit über den Antrag zu 6) - den der Kläger zwischenzeitlich in der Höhe reduziert hatte - von dem übrigen Rechtsstreit abzutrennen und an das Landgericht Aachen zu verweisen. Auf den Inhalt des Beschlusses vom 05.09.2008 wird Bezug genommen.

Nach Zustellung dieses Beschlusses monierte der Kläger erstmals mit Schriftsatz vom 16.09.2008, das Gericht habe "übersehen, dass sich das Verfahren gemäß § 118 ZPO über den gestellten Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe für den Kläger befindet und demzufolge eine Klage überhaupt noch nicht anhängig ist". Das Arbeitsgericht wertete die Eingabe des Klägers im Schriftsatz vom 16.09.2008 mit dessen nachträglicher Billigung als sofortige Beschwerde gegen den Abtrennungs- und Verweisungsbeschluss vom 05.09.2008.

Mit Beschluss vom 17.08.2008 hat das Arbeitsgericht sodann für einen Teil des Antrags zu 1) aus dem Schriftsatz vom 28.07.2008 sowie für die dortigen Anträge zu 2) bis 5) Prozesskostenhilfe bewilligt, hinsichtlich des Antrags zu 6) die Bewilligung der Prozesskostenhilfe jedoch mit der Begründung abgelehnt, insoweit sei der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet.

II. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 05.09.2008 ist zulässig und begründet.

1. Im Ausgangspunkt teilt das Beschwerdegericht allerdings die Überzeugung des Arbeitsgerichts, dass der Kläger mit Schriftsatz vom 28.07.2008 bereits eine unbedingte Klage erhoben und nicht lediglich zunächst nur einen Prozesskostenhilfeantrag gestellt hat.

a. Bei gleichzeitiger Einreichung von PKH-Gesuch und Klage wird neben dem PKH-Verfahren auch der Rechtsstreit als solcher anhängig, falls nicht der Antragsteller eindeutig klarstellt, dass er den Klageantrag nur bedingt für den Fall der PKH-Bewilligung stellen will (BGH, NJW 1952, 515; BGH FamRZ 1996, 1142 f.; BGH, MDR 2007, 1388 f.; OLG Köln, MDR 2006, 112; Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 117 Rn. 7).

b. Lediglich die Verwendung des Wörtchens "sodann" auf Seite 2 oben des Schriftsatz vom 28.07.2008 reicht nicht aus, um dem objektiven Leser zu verdeutlichen, dass der Verfasser des Schriftsatzes lediglich einen Prozesskostenhilfeantrag stellen, aber noch keine Klage erheben wollte. Ansonsten stehen nämlich der Prozesskostenhilfeantrag und die im Einzelnen sorgfältig ausformulierten Sachanträge unverbunden nebeneinander.

c. Für den Willen des Schriftsatzverfassers zur unbedingten Klageerhebung sprechen ferner die Verwendung der Überschrift "Klage", die ausführliche Klagebegründung, in der im Klartext mit keinem Wort darauf eingegangen wird, dass die Klage nur für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe erhoben werden soll, die Formulierung in dem PKH-Antrag, es werde Prozesskostenhilfe "für das vorliegende Verfahren" beantragt, die Formulierung im Schlusssatz auf Seite 6, es sei "nunmehr Klage geboten", wie auch der Umstand, dass der gesamte Schriftsatz anders als etwa bei bloßen Klageentwürfen auch anwaltlich unterschrieben wurde.

d. An dem Willen zur unbedingten Klageerhebung konnte das Arbeitsgericht letztlich auch deshalb keine Zweifel haben, weil der anwaltliche Klägervertreter rügelos an der vom Arbeitsgericht anberaumten Güteverhandlung teilgenommen hat, wobei das Gericht auch ausdrücklich zur Güteverhandlung geladen hatte, und die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung im Rahmen eines Prozesskostenhilfe- prüfungsverfahrens in der Praxis völlig unüblich ist.

2. Zu Unrecht hat das Arbeitsgericht im Weiteren jedoch angenommen, für den in der Klage vom 28.07.2008 angekündigten und mit Schriftsatz vom 22.08.2008 der Höhe nach modifizierten Klageantrag zu 6) sei die Rechtswegzuständigkeit zu den Arbeitsgerichten nicht gegeben.

a. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Rechtswegzuständigkeit für den Klageantrag zu 6) sich nicht bereits unmittelbar aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 a) ArbGG ergibt. So handelte es sich zwar bei der Erstellung der CAD-Zeichnungen ebenso wie bei der Vermittlung des Projektauftrages G an die Beklagte als Arbeitgeberin zwar im Vergleich zu den vom Kläger geschuldeten arbeitsvertraglichen Pflichten um überobligatorische Leistungen. Der Kläger behauptet aber selbst nicht den Abschluss gesonderter Verträge über diese Leistungen, sondern legt dar, für die Auftragsvermittlung sei ihm eine Provision versprochen worden und die CAD-Arbeiten hätten dadurch entgolten werden sollen, dass ihm die im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses gestattete Privatnutzung seines Dienstwagens "abgabenfrei" zugute kommen sollte.

b. Unzweifelhaft folgt die Rechtswegzuständigkeit des Arbeitsgerichts auf den Klageantrag zu 6) aber jedenfalls aus § 2 Abs. 3 ArbGG.

aa. Auch wenn der Kläger arbeitsvertraglich weder zur Anfertigung von CAD-Zeichnungen noch zur Vermittlung von Projektaufträgen an die Beklagte verpflichtet gewesen sein mag, so steht die tatsächlich erfolgte Vermittlung des Projektauftrags an seine Arbeitgeberin und die Anfertigung der CAD-Zeichnungen im Rahmen der Projektbearbeitung für die Beklagte doch in engstem inneren Bezug zu der arbeitsvertraglichen Verbundenheit der Parteien. Die fraglichen Aktivitäten des Klägers, die dieser mit dem Klageantrag zu 6) gesondert vergütet haben möchte, spielen sich im unternehmerischen Aufgabenfeld der Arbeitgeberin ab und ohne die arbeitsvertragliche Verbundenheit wäre es im Zweifel niemals zu den entsprechenden Aktivitäten des Klägers gekommen.

bb. Wie eng der innere Zusammenhang in Wirklichkeit ist, wird vollends dadurch deutlich, dass sich die Beklagte gegenüber dem Klageantrag zu 6) u. a. gerade damit verteidigt, dass der Kläger "als Lüftungsbauer und Bauleiter gearbeitet und in diesem Rahmen die entsprechenden Tätigkeiten geschuldet" habe und dafür "immerhin sein Gehalt" erhalten habe.

cc. Der Fall, dass ein Arbeitnehmer neben seinem Arbeitsverhältnis für das Arbeitgeberunternehmen zugleich auch als freier Mitarbeiter tätig geworden ist und in ein und derselben Klage Ansprüche aus beiden Rechtsverhältnissen geltend macht, ist in der Rechtsprechung bereits ausdrücklich als Beispielsfall für eine Zusammenhangsklage i. S. v. § 2 Abs. 3 ArbGG anerkannt (LAG Köln, AP Nr. 37 zu § 2 ArbGG; Schwab/Weth, ArbGG, 2. Aufl., § 2 Rn. 190).

Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht zugelassen.

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