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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 21.05.2003
Aktenzeichen: 7 Ta 4/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 115
ZPO § 115 Abs. 1 Ziff. 3
1. Ob es einen Grundsatz gibt, dass Darlehensraten im Rahmen des § 115 ZPO stets nur zu 50 % als besondere Belastung anerkannt werden können, bleibt dahingestellt. Ein solcher Grundsatz gilt jedenfalls nicht, wenn es sich um ein Darlehen zum Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums handelt. Solche Darlehensverpflichtungen sind wie Wohnkosten zu behandeln (vgl. § 115 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO).

2. Erfüllt eine Partei, ohne hierzu gesetzlich verpflichtet zu sein, die laufenden Unterhaltsverpflichtungen des selbst nicht leistungsfähigen Ehegatten gegenüber dessen Kindern aus einer früheren Ehe, so können die dafür aufgewandten Beträge in vollem Umfang als besondere Belastung anerkannt werden.


Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hin wird der Prozesskostenhilfe-Beschluss des Arbeitsgerichts Köln - 17 Ca 9085/02 - vom 25.11.2002 - abgeändert:

Der Klägerin wird - bei ansonsten gleichbleibenden Bedingungen - Prozesskostenhilfe mit der Maßgabe bewilligt, dass sie aufgrund ihrer glaubhaft gemachten derzeitigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse derzeit keinen eigenen Beitrag zu den Kosten zu leisten hat.

Gründe:

Das Arbeitsgericht hat in seinem Prozesskostenhilfe-Beschluss vom 25.11.2002 der Klägerin Prozesskostenhilfe mit der Maßgabe bewilligt, dass sie zu den Kosten mit monatlichen Raten von 95,00 EUR beizutragen habe. Bei dieser Entscheidung ist das Arbeitsgericht jedoch von einem falschen monatlichen Nettoeinkommen der Klägerin ausgegangen. Das Arbeitsgericht hat seiner Berechnung ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 3.021,00 EUR zugrunde gelegt. Nach der zutreffenden Berechnung der Bezirksrevision in ihrer Stellungnahme vom 16.01.2003 (PKH-Heft Bl. 85) ist jedoch lediglich von einem laufenden Monatseinkommen in Höhe von 2.436,73 EUR auszugehen. Das Kindergeld für das leibliche Kind der Klägerin sowie das Erziehungsgeld des Ehegatten sind dabei bereits berücksichtigt. Hätte das Arbeitsgericht seinem Prozesskostenhilfe-Beschluss das zutreffende Monatseinkommen der Klägerin zugrunde gelegt, wäre es bei ansonsten gleichbleibender Berechnungsmethode zur Bewilligung ratenfreier Prozesskostenhilfe gelangt.

Nach der von der Bezirksrevision in ihrer Stellungnahme vom 16.01.2003 angewandten Berechnungsmethode wäre der Klägerin jedoch auch bei Zugrundelegung des Monatseinkommens von 2.436,73 EUR eine Ratenzahlungsverpflichtung aufzuerlegen.

Dies beruht darauf, dass die Bezirksrevision nur 25 % der von der Klägerin in ihrer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angegebenen Darlehensverpflichtungen als anrechnungsfähige Belastung anerkennen will. Die Bezirksrevision gelangt zu dieser Auffassung, weil sie zum einen feststellt, dass die Darlehensverpflichtungen die Klägerin nicht allein, sondern gemeinsam mit ihrem Ehemann treffen, zum anderen dadurch, dass Darlehensverpflichtungen grundsätzlich nur zu 50 % anerkannt werden könnten.

Der Auffassung der Bezirksrevision kann im vorliegenden Fall nicht gefolgt werden.

Es trifft zwar zu, dass die von der Klägerin angegebenen Darlehensverpflichtungen nicht nur sie allein, sondern auch ihren Ehemann treffen. Die Klägerin hat allerdings durch ihre Unterschrift unter die handschriftlich ausgefüllte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse als wahr versichert, dass sie derzeit de facto die Darlehensraten alleine trägt. Dies findet seine logische Erklärung darin, dass der Ehegatte der Klägerin bis auf ein Erziehungsgeld in Höhe von 46,00 EUR netto derzeit über keinerlei eigenes Einkommen verfügt.

Zum anderen ist im vorliegenden Fall die Besonderheit zu beachten, dass die angegebenen Darlehensraten nicht auf einen sogenannten Konsumentenkredit zu zahlen sind, sondern der Finanzierung des Erwerbs eines selbst genutzten Eigenheims dienten. Die Darlehensraten stellen so gesehen zugleich Wohnkosten dar, die die Klägerin zumindest zum Teil im Zweifel in anderer Rechtsform, z. B. als Miete, auch sonst hätte aufwenden müssen, wenn sie kein Eigenheim erworben hätte. Jedenfalls in solchen Fällen verbietet sich nach Auffassung des Beschwerdegerichts eine schematische Kürzung der als Belastung anzuerkennenden Darlehnsraten auf 50 %.

Dies heißt andererseits nicht, dass nach Auffassung des Beschwerdegerichts Darlehenskosten, die zu Wohnzwecken aufgewandt werden, der Höhe nach grenzenlos anzuerkennen sind. So kann es - im Rahmen der Prozesskostenhilfe-Voraussetzungen - nicht zu Lasten der Allgemeinheit gehen, wenn sich Parteien, gemessen an ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit, in einem objektiv unvernünftigen Ausmaß überschuldet haben, um Wohneigentum zu erwerben. Deshalb können nach Auffassung des Beschwerdegerichts Darlehensraten, die dem Erwerb selbst genutzten Wohneigentums dienen, nur insoweit anerkannt werden, als sie zusammen mit den üblichen Wohnnebenkosten für Heizung etc 40 % des verfügbaren Nettofamilieneinkommens nicht übersteigen.

Vorliegend bliebe bei entsprechender Berechnungsweise nach Abzug der Freibeträge für Klägerin, Ehegatten und Kind sowie eines Arbeitnehmerpauschalabzugs in Höhe von 90,00 EUR und nach weiterem Abzug der Darlehensbelastungen in Höhe von 40 % des Nettoeinkommens ein anrechenbarer Betrag von 399,00 EUR übrig.

Gleichwohl ist eine Ratenzahlungsanordnung nicht geboten, da zu Gunsten der Klägerin berücksichtigt werden kann, dass sie - an Stelle ihres Ehegatten - den drei Stiefkindern N , L und P monatliche Unterhaltsleistungen in Höhe von je 186,00 EUR zahlt.

Die Klägerin ist hierzu zwar gesetzlich nicht verpflichtet. Es ist jedoch anzuerkennen, dass die Klägerin diese Zahlungen aufgrund einer von ihr empfundenen sittlichen Verpflichtung tatsächlich erbringt, weil sie durch diesen Akt innerfamiliärer Solidarität letztlich auch die Allgemeinheit entlastet.

Dementsprechend hat auch die Bezirksrevision unter zutreffendem Hinweis darauf, dass eine entsprechende zwingende gesetzliche Anordnung nicht besteht, ihren Beurteilungsspielraum dahingehend ausgeübt, dass sie befürwortet, einen Betrag in Höhe von 558,00 EUR als besondere Belastung der Klägerin insoweit anzuerkennen. Dem schließt sich das Beschwerdegericht aus den genannten Gründen an.

Das Beschwerdegericht verlässt sich dabei auf die Angaben der Klägerin in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 03.09.2002, in der die Klägerin durch ihre Unterschrift ausdrücklich als wahr versichert hat, dass sie die entsprechenden Unterhaltszahlungen an die Stiefkinder tatsächlich erbringt.

Vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin verpflichtet ist, etwaige zukünftige Verbesserungen ihrer persönlichen Einkommenslage - z. B. bei etwaiger Wiederaufnahme einer Berufstätigkeit durch ihren Ehemann - unverzüglich anzuzeigen.

Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben. Ein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegt nicht vor.



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