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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 23.03.2005
Aktenzeichen: 7 Ta 43/05
Rechtsgebiete: KSchG, ZPO


Vorschriften:

KSchG § 4
KSchG § 5
ZPO § 85
ZPO § 234
1. Ein Anwalt darf sich darauf verlassen, dass eine am fünften Tag vor Ablauf der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG in Bad Münstereifel zur Post gegebene Kündigungsschutzklage spätestens am Tage des Fristablaufs beim Arbeitsgericht in Köln eingeht.

2. Eine Pflicht, sich bei Gericht nach dem rechtzeitigen Eingang der Klageschrift zu erkundigen, ist nur anzunehmen, wenn die Klage so knapp vor Fristablauf abgesandt wird, dass der rechtzeitige Eingang nicht mehr ohne weiteres unterstellt werden kann oder wenn aus anderen Gründen konkrete Zweifel am rechtzeitigen Eingang der Klage angebracht sind.

3. Geht eine rechtzeitig abgesandte Kündigungsschutzklage gleichwohl verspätet beim Arbeitsgericht ein, so ist das "Hindernis" i.S.v. § 5 III 1 KSchG spätestens dann behoben, wenn das Arbeitsgericht dem Anwalt zusammen mit der Ladung zum Gerichtstermin den Zeitpunkt des Eingangs der Klage bei Gericht mitteilt. Dies gilt auch dann, wenn das Arbeitsgericht dabei nicht besonders darauf hinweist, dass die Klage gemäß §§ 4, 5 KSchG verspätet ist.


Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hin werden der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 01.10.2004 über die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage und der Nichtabhilfebeschluss vom 07.01.2005 aufgehoben:

Der Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage wird kostenpflichtig als unzulässig verworfen.

Gründe: I. Der am 17.02.1977 geborene Kläger war seit dem 01.02.2003 bei der Beklagten als Projektleiter beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27.04.2004, dem Kläger zugegangen am 27.04.2004, fristgerecht aus betriebsbedingten Gründen zum 31.05.2004. Auf die Kündigung sind unstreitig die Regeln des Kündigungsschutzgesetzes anwendbar. Mit Anwaltsschriftsatz vom 14.05.2004 ließ der Kläger Kündigungsschutzklage erheben. Ausweislich des Poststempels wurde die Kündigungsschutzklage am Freitag, dem 14.05.2004 zur Post gegeben. Die Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG lief am Dienstag, den 18.05.2004 ab. Die Kündigungsschutzklage ging erst eine Woche nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist, nämlich am Dienstag, den 25.05.2004 beim Arbeitsgericht Köln ein. Am 04.06.2004 ging dem anwaltlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers die Ladung zum Gütetermin zu. Ihr waren ein Beschluss über die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Parteien zum Gütetermin sowie ein weiterer Beschluss über eine der beklagten Partei gesetzte Stellungnahmefrist beigefügt. Die Ladung zum Gütetermin enthielt die Mitteilung, dass die Klageschrift vom 14.05.2004 am 25.05.2004 beim Gericht eingegangen sei. In seiner Klageerwiderung, die dem Klägervertreter am 25.06.2004 zuging, griff der Prozessbevollmächtigte der Beklagten das Datum des Eingangs der Klage bei Gericht auf und wies darauf hin, dass damit die Klagefrist des § 4 KSchG nicht eingehalten worden sein dürfte. Daraufhin übergab der Prozessbevollmächtigte des Klägers in dem am 30.06.2004 stattfindenden Gütetermin seinen Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage. Diesem Antrag waren eidesstattliche Versicherungen der Büroangestellten T und W sowie des Prozessbevollmächtigten selbst beigefügt. In seiner eigenen eidesstattlichen Versicherung vom 30.06.2004 führt der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus, dass er vom verspäteten Eingang der Klage erst beim Lesen des Schriftsatzes des Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 25.06.2004 Kenntnis erlangt habe. Zwar sei auf der Ladung zum Gütetermin das Eingangsdatum der Klage mit dem 25.05.2004 angegeben gewesen, ihm, dem Prozessbevollmächtigten sei hierdurch jedoch nicht bewusst geworden, dass die Klage verspätet beim Arbeitsgericht eingegangen sei. In erster Linie begründete der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Antrag auf nachträgliche Klagezulassung damit, dass die Klage am 14.05.2004 so rechtzeitig auf den Postweg gegeben worden sei, dass bei üblichen Postlaufzeiten in jedem Fall mit einem rechtzeitigen Eingang bei Gericht bis spätestens 18.05.2004 habe gerechnet werden können. Mit Beschluss des Vorsitzenden der 18. Kammer des Arbeitsgerichts Köln vom 01.10.2004 ließ das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage nachträglich zu. Ohne auf die Zulässigkeit des Zulassungsantrags einzugehen, führte das Arbeitsgericht aus, dass der Klägervertreter sich darauf habe verlassen dürfen, dass seine am 14.05.2004 bei der Post eingelieferte Klageschrift spätestens am Dienstag, dem 18.05.2004 das Arbeitsgericht erreichen würde. Gegen diesen dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 19.10.2004 zugestellten Beschluss legte die Beklagte am 02.11.2004 sofortige Beschwerde ein. Diese begründete die Beklagte in erster Linie damit, dass dem Prozessbevollmächtigten des Klägers vorzuwerfen sei, dass er den rechtzeitigen Eingang seiner Klageschrift bei Gericht nicht kontrolliert habe. Im Rahmen seiner Erwiderung auf die sofortige Beschwerde ging der Prozessbevollmächtigte des Klägers auch nochmals auf die Ladung zum Gütetermin ein. Er führte hierzu mit Schriftsatz vom 11.11.2004 unter anderem aus: "Zwar ist in Ladung erwähnt, dass die Klageschrift vom 14.05.2004 am 25.05.2004 beim Gericht eingegangen ist. Beim Eingang der Ladung wurde vom Prozessbevollmächtigten jedoch nicht bemerkt, dass die Drei-Wochen-Frist nicht eingehalten worden war. Dies wurde beim Eingang der Ladung auch nicht überprüft, da die Ladung ohne Vorlage der Akte dem Mandanten zur Kenntnisnahme zugesandt wurde. Dies ist die übliche Verfahrensweise. ..." Sodann machte das Arbeitsgericht mit Schreiben vom 17.12.2004 den Klägervertreter darauf aufmerksam, dass im Adressenfeld seiner Klageschrift vom 14.05.2004 eine falsche Postleitzahl des Arbeitsgerichts Köln angegeben worden sei (50696 statt richtig 50969). Daraufhin versicherte der Prozessbevollmächtigte des Klägers unter dem 23.12.2004 an Eides statt, dass die Klageschrift von seiner in Heimarbeit beschäftigten Mitarbeiterin B geschrieben worden sei und diese dabei aus einem fehlerhaften Musterschriftsatz eine falsche Postleitzahl des Arbeitsgerichts Köln übernommen habe, obwohl in dem Diktat der Klageschrift die richtige Postleitzahl abdiktiert worden sei. Mit Beschluss vom 07.01.2005 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde der Beklagten nicht abgeholfen. II. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage ist begründet. 1. Zwar teilt das Beschwerdegericht grundsätzlich die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass sich sowohl ein Kläger als auch sein Anwalt darauf verlassen können, dass eine am fünften Tag vor Ablauf der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG in B M zur Post gegebene Kündigungsschutzklage spätestens am Tage des Fristablaufs beim Arbeitsgericht in Köln eingeht. Auch im Bereich der Klageerhebung nach § 4 KSchG darf der Arbeitnehmer auf die regelmäßigen Postbeförderungszeiten vertrauen (BVerfG AP-Nr. 74 zu § 133 ZPO; BVerfG EzA Nr. 14 zu § 233 ZPO; BAG AP-Nr. 1 zu § 233 ZPO; Erfurter Kommentar/Ascheid § 5 KSchG Rz. 13). Auch dürfte die Rechtsauffassung der Beklagten, dass der Klägervertreter sich in jedem Fall auch ohne besonderen Anlass aktiv nach dem rechtzeitigen Eingang seiner Klageschrift bei Gericht hätte erkundigen müssen, als zu streng anzusehen sein. Eine solche aktive Erkundigungspflicht dürfte vielmehr nur anzunehmen sein, wenn die Klage so knapp vor Fristablauf abgesandt wird, dass der rechtzeitige Eingang nicht mehr ohne weiteres unterstellt werden kann oder wenn aus anderen Gründen konkrete Zweifel am rechtzeitigen Eingang der Klage angebracht sind. 2. Auch dürfte es einer nachträglichen Zulassung der Kündigungsschutzklage nicht entgegengestanden haben, dass der verspätete Zugang der Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht augenscheinlich auf einer unkorrekten Angabe der für das Arbeitsgericht Köln maßgeblichen Postleitzahl beruhte. Insoweit liegt nämlich, wie aus der eidesstattlichen Versicherung des Klägervertreters vom 23.12.2004 hervorgeht, lediglich ein Versehen einer Büroangestellten vor, wie es im Arbeitsalltag immer einmal vorkommen kann. Das Verschulden von Hilfspersonen des anwaltlichen Bevollmächtigten muss sich der Kläger jedoch nicht zurechnen lassen. § 85 Abs. 2 ZPO findet insoweit keine Anwendung (Erfurter Kommentar/Ascheid, § 5 KSchG Rz. 6). 3. Auf die vorgenannten Gesichtspunkte kommt es letztlich jedoch nicht entscheidend an; denn bereits der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage selbst war unzulässig, weil verfristet. a. Gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist der Antrag auf nachträgliche Zulassung nur innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig, das einem rechtzeitigen Eingang der Kündigungsschutzklage bei Gericht entgegengestanden hat. Ist die Klage bereits erhoben, jedoch aufgrund eines unbemerkt gebliebenen Versehens oder aufgrund sonstiger unbekannt gebliebener Umstände verspätet bei Gericht eingegangen, ist das Hindernis dann behoben, sobald der Kläger oder der von ihm beauftragte anwaltliche Prozessbevollmächtigte Kenntnis von dem verspäteten Klageeingang erhalten. Nach zutreffender und herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur steht es der positiven Kenntnis von der Versäumung der Klagefrist jedoch gleich, wenn der Arbeitnehmer oder sein Anwalt aufgrund konkreter Anhaltspunkte bei gehöriger Sorgfalt erkennen mussten, dass die Frist möglicherweise versäumt ist (LAG Köln LAGE Nr. 70 zu § 5 KSchG; LAG Hamm LAGE Nr. 81 zu § 5 KSchG; LAG Frankfurt vom 22.10.1999, - 2 Ta 487/99 -; LAG Hamm vom 08.07.1998, - 12 Ta 167/98 -; HWK/Pods, § 5 KSchG Rz. 11; Erfurter Kommentar/Ascheid, § 5 KSchG Rz. 25). b. Im vorliegenden Fall hätte der Prozessbevollmächtigte des Klägers bei Aufbietung der ihm zumutbaren Sorgfalt bei Eingang der Ladung zum Gütetermin erkennen können und müssen, dass seine Kündigungsschutzklage vom 14.05.2004 die Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG nicht gewahrt hatte. In der Ladung hat das Arbeitsgericht nämlich unstreitig darauf hingewiesen, dass die Klage vom 14.05.2004 am 25.05.2004 bei Gericht eingegangen war. Diese Mitteilung des Klageeingangs durch das Gericht dient gerade dazu, die Parteien und/oder ihren anwaltlichen Vertreter in die Lage zu versetzen nachzuvollziehen, ob etwaige durch die Einreichung der Klage bei Gericht zu wahrende Fristen eingehalten wurden oder nicht. Nimmt die Partei oder der Prozessbevollmächtigte die ihm auf diese Weise dargebotene Möglichkeit einer Überprüfung der Einhaltung der Klagefrist nicht wahr, so handelt er auf eigene Gefahr und kann sich später nicht darauf berufen, dass er den Umstand, dass seine Klage verspätet bei Gericht eingegangen ist, nicht früher hätte erkennen können. c. Dies gilt im vorliegenden Fall um so mehr, als schon der bloße Vergleich des Datums der Klageschrift einerseits und des mitgeteilten Datums ihres Einganges bei Gericht andererseits geeignet war, das Augenmerk auf mögliche Unregelmäßigkeiten beim Postlauf zu richten. Dementsprechend haben in nahezu identischen Fallkonstellationen sowohl das LAG Hamm (Beschluss vom 08.07.1998, - 12 Ta 167/98 -) als auch das LAG Frankfurt (Beschluss vom 20.10.1999, - 2 Ta 487/99 -) Anträge auf nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage wegen Versäumung der Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG als unzulässig verworfen. Das Beschwerdegericht schließt sich diesen überzeugenden Entscheidungen an. d. Die Versäumung der Antragsfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG beruht dabei auch auf einen eigenen Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers und ist daher gemäß § 85 Abs. 2 ZPO auch der Partei zuzurechnen. Unabhängig von der streitigen Frage, inwieweit § 85 Abs. 2 ZPO im Rahmen des § 5 KSchG ansonsten Anwendung findet, ist nach ganz herrschender und zutreffender Auffassung jedenfalls bei der Versäumung der Antragsfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG eine solche Zurechnung geboten, weil es sich insoweit um eine dem § 234 ZPO entsprechende prozessuale Frist handelt (LAG Hamm EzA Nr. 7 und Nr. 8 zu § 5 KSchG; LAG Hamm LAGE Nr. 76 zu § 5 KSchG; LAG Frankfurt AuR 1984, 89; LAG Köln LAGE Nr. 70 zu § 5 KSchG; LAG Düsseldorf NZA 1986, 404; LAG Düsseldorf ZIP 1996, 191; HWK/Pods, § 5 KSchG Rz. 31; a. A.: KR/Friedrich § 5 KSchG Rz. 112). Auch die gerichtliche Eingangsbestätigung einer Rechtsmittelschrift löst nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Obliegenheit zur Fristüberprüfung aus (BGH NJW 1992, 2098; BGH VersR 1982, 971; vgl. ferner BFH NJW 1989, 2423). e. Zwar hätte der Prozessbevollmächtigte die Überprüfung der Klagefrist aufgrund der in der Ladung zum Gütetermin enthaltenen Eingangsbestätigung auch einem entsprechend instruierten zuverlässigen Büropersonal übertragen können. Auch dies hat der Klägervertreter jedoch nicht getan, wie aus seiner eigenen Einlassung hervorgeht, wonach in seiner Kanzlei die Weiterleitung der Ladung an den Mandanten ohne Vorlage der Akte die übliche Verfahrensweise darstellte. Insofern trifft den Klägervertreter das Verschulden, aus Anlass der gerichtlichen Klageeingangsbestätigung weder selbst die Rechtzeitigkeit des Klageeingangs überprüft zu haben, noch entsprechende organisatorische Vorkehrungen getroffen zu haben, dass eine solche Überprüfung durch sein Personal vorgenommen wird. f. War das Hindernis im Sinne von § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG somit im Zeitpunkt des Eingangs der Güteladung beim Klägervertreter am 04.06.2004 behoben, hätte der Antrag auf nachträgliche Zulassung spätestens bis zum 18.06.2004 gestellt werden müssen. Da er erst am 30.06.2004 gestellt wurde, ist und bleibt er unzulässig. 4. Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist in Verfahren nach § 5 KSchG nicht statthaft (BAG vom 20.08.2002, AP Nr. 14 zu § 5 KSchG 1969).

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