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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 29.01.2003
Aktenzeichen: 7 TaBV 69/02
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 1
BetrVG § 4 Abs. 1
BetrVG § 19
1. Zur Abgrenzung des Merkmals der "eigenständigen Organisation" i. S. v. § 4 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG.

2. Für das Merkmal "räumlich weit entfernt" i. S. v. § 4 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG kommt es nicht auf starre km-Grenzen an, sondern darauf, ob nach den Umständen des Einzelfalls ein einheitlicher Betriebsrat die Belegschaftsmitglieder beider Betriebsstätten noch mit der notwendigen Intensität persönlich betreuen könnte.

3. Das Kriterium der "lebendigen Betriebsgemeinschaft" ist zu unbestimmt, um mehr als eine untergeordnete Hilfsfunktion bei der Subsumtion von § 4 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG spielen zu können. Insbesondere spricht das Fehlen einer "lebendigen Betriebsgemeinschaft" nicht dafür, dass zwei Betriebsstätten "räumlich weit" voneinander "entfernt" sind.

4. Zwei im Kölner Umland gelegene, ca. 24 km voneinander entfernte Betriebsstätten sind trotz schlechter Verbindung mit dem ÖPNV nicht "räumlich weit" voneinander "entfernt" i. S. v. § 4 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG, wenn die Fahrtdauer mit dem Pkw etwa 17 bis 18 Minuten beträgt und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Belegschaftsmitglieder im Regelfall auf den ÖPNV angewiesen sind.


LANDESARBEITSGERICHT KÖLN BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 7 TaBV 69/02

Verkündet am: 29.01.2003

In dem Beschlussverfahren

hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Anhörung vom 08.01.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Czinczoll als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Zerlett und Wollersheim

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners/Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 04.07.2002 in Sachen 8 BV 28/02 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die Anfechtung der Betriebsratswahl in der Niederlassung H vom 15.02.2002 durch die Arbeitgeberin.

Die antragstellende Arbeitgeberin ist ein Unternehmen auf dem Gebiet der Schwerlastlogistik. Sie verfügt über eine Vielzahl von Kränen und Autokränen bis hin zu 500 t - Großkränen. Die Zentrale des Unternehmens mit dem Sitz der Geschäftsleitung ist in B angesiedelt. Ferner unterhält das Unternehmen eine Niederlassung in H -B und eine weitere in D . Insgesamt werden ca. 150 Arbeitnehmer beschäftigt, davon 48 in der Niederlassung H , ca. 20 bis 30 in D und alle übrigen am Zentralsitz in B . Das Unternehmen ist aus den bis Anfang der 1990er Jahre selbständigen Firmen B mit Sitz in H -B und W mit Sitz in B hervorgegangen.

Die räumliche Entfernung zwischen den Betriebsstätten in B und H -B beträgt je nach Fahrtstrecke zwischen 23,2 und 24,8 km. Davon können ca. 17 km auf der Autobahn A 61 zurückgelegt werden. Die durchschnittliche Fahrtdauer zwischen den beiden Betriebsstätten beträgt mit dem Auto ca. 18 Minuten. Für die "schnellste" Verbindung mit dem ÖPNV werden 77 Minuten für die einfache Strecke benötigt.

Jeder Niederlassung steht ein Niederlassungsleiter vor. Die Befugnisse der Niederlassungsleiter sind in einer Geschäftsordnung geregelt, auf deren vollständigen Inhalt (Bl. 41 - 43 d. A.) Bezug genommen wird. Laut Präambel der Geschäftsordnung ist der Niederlassungsleiter "für den Geschäftsablauf im organisatorischen und fachlichen Bereich in seiner Niederlassung verantwortlich". Über die Kompetenzen des Niederlassungsleiters im Personalbereich heißt es in der Geschäftsordnung wie folgt:

"Einstellungen von gewerblichen Mitarbeitern können eigenständig, jedoch nach vorheriger Abstimmung mit der Geschäftsleitung innerhalb des für ihren Bereich gültigen Personalplans und Budgets sowie innerhalb des für ihren Bereich gültigen Vergütungsrahmens vorgenommen werden.

Einstellungen von Angestellten werden nur durch die Geschäftsführung vorgenommen. Die Niederlassungsleiter unterbreiten der Geschäftsführung entsprechende Vorschläge.

Entlassungen werden generell für gewerbliche Mitarbeiter sowie für Angestellte nur in Absprache mit der Geschäftsführung vorgenommen.

Abmahnungen sind genehmigungspflichtig."

In der Zentrale in B befindet sich eine einheitliche Personalabteilung für alle drei Niederlassungen. Hier werden die Personalakten aller Arbeitnehmer geführt. Auch die Lohnbuchhaltung für alle drei Niederlassungen einschließlich der Lohnabrechnungen erfolgt zentral von B aus. Die Urlaubsplanung wird faktisch von den Disponenten vor Ort durchgeführt. Einteilungen zu Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, die sich aus dem operativen Geschäft ergeben, nimmt der Niederlassungsleiter vor. Bei der überwiegenden Mehrzahl aller Arbeitnehmer sowohl in B wie auch in H handelt es sich um Kranführer bzw. Kraftfahrer. Die Niederlassung H verfügt über 33 Kräne in der Größenordnung bis 225 t, die Betriebsstätte B verfügt über Kräne bis zu 500 t. Aufträge, die den Einsatz von Großkränen über 225 t erfordern, werden daher nur von B aus ausgeführt. Ansonsten bedienen alle drei Niederlassungen ein bestimmtes ihnen zugeordnetes geografisches Segment. Kommt es in einer Niederlassung zu Kapazitätsengpässen, wird bei Bedarf auch überörtlich disponiert. In der Geschäftsordnung für Niederlassungsleiter heißt es hierzu: "Insbesondere sind Sie verpflichtet, bei der operativen Abwicklung von Aufträgen die Möglichkeiten zur Kostenoptimierung durch Einsatz anderer BREUER & WASEL-Niederlassungen konsequent zu nutzen". In der Niederlassung H sind zwei eigene Disponenten tätig. Neben einer Hauptwerkstatt in B befindet sich in der Niederlassung H eine eigene kleinere Werkstatt. Der Werkstattmeister fährt einmal täglich von B nach H .

In der Vergangenheit war nur beschränkt auf die Betriebsstätte B ein Betriebsrat gewählt worden. Nach Ablauf der letzten regulären Amtszeit wurde jedoch kein neuer Betriebsrat gewählt. Eine Abstimmung unter den B Beschäftigten ergab, dass in der Zentrale seinerzeit die Mehrheit der Belegschaft kein Interesse an der Wahl eines Betriebsrates hatte.

Am 25.01.2002 fand in den Räumlichkeiten der Niederlassung H eine Betriebsversammlung statt, in der ein Wahlvorstand für die Wahl eines Betriebsrats für die Niederlassung H gebildet wurde. Dieser führte am 15.02.2002 in der Niederlassung H eine Betriebsratswahl durch, bei der der Antragsgegner und Beteiligte zu 2) in sein Amt gewählt wurde.

Am 28.02.2002 ging der vorliegende Wahlanfechtungsantrag der Arbeitgeberin beim zuständigen Arbeitsgericht ein. Außerdem haben drei B Arbeitnehmer die Betriebsratswahl ebenfalls angefochten. Hierüber verhält sich das Verfahren Arbeitsgericht Köln 12 BV 31/02, welches im Hinblick auf das vorliegende Verfahren terminlos gestellt wurde.

Die Arbeitgeberin hat die Anfechtung der Betriebsratswahl damit begründet, dass die Niederlassung H keinen selbständigen Betrieb im Sinne von § 4 BetrVG darstelle, so dass eine separate Betriebsratswahl für diese Niederlassung nicht habe durchgeführt werden dürfen. Weder sei die Niederlassung H räumlich weit vom Hauptbetrieb in B entfernt, noch handele es sich um einen durch Aufgabengebiet und Organisation eigenständigen Betriebsteil. Nahezu allen wesentlichen Entscheidungen in personellen und sozialen Angelegenheiten würden nicht durch den Niederlassungsleiter, sondern durch die Geschäftsleitung in der Zentrale getroffen. Die Verkehrsverbindung zwischen den Betriebsstätten über die Straße sei ausgesprochen günstig, zumal der Großteil der Strecke über eine nicht staugefährdete Autobahn (A 61) zurückgelegt werden könne. Zwar gebe es keinen für bestimmte Uhrzeiten fest eingerichteten Pendelverkehr zwischen den beiden Betriebsstätten, aber neben dem Werkstattmeister führen täglich auch andere Fahrzeuge zwischen H und B hin und her, so dass bei Bedarf nur Mitfahrgelegenheiten abgesprochen werden müssten. Im übrigen stünden sowohl in H wie auch in B Fahrzeuge zur Verfügung, die auf entsprechende Anfrage genutzt werden könnten, um unproblematisch von H nach B und wieder zurückzukommen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Betriebsratswahl vom 15. Februar 2002 für unwirksam zu erklären.

Der Betriebsrat und Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Betriebsrat hat in erster Linie die Ansicht vertreten, dass die Niederlassung H deshalb als selbständiger Betrieb im Sinne von § 4 BetrVG anzusehen sei, weil die Entfernungen zwischen der Betriebsstätte in H -B von dem Hauptbetrieb in B räumlich weit entfernt sei. Maßgeblich sei auf den öffentlichen Personennahverkehr abzustellen. Hier seien die Verbindungen zwischen H und B ausgesprochen schlecht, da der ÖPNV im Großraum K sternförmig auf die Metropole K ausgerichtet sei, die Querverbindungen der Außenbereiche untereinander jedoch vernachlässigt seien. Es sei unzumutbar, die Arbeitnehmer in ihrem Kontakt zum Betriebsrat auf das Telefon oder sonstige technische Einrichtungen zu verweisen. Ein regelmäßiger Pendelverkehr bestehe nicht, und wenn der Wunsch nach Kontaktaufnahme mit einem an der jeweiligen anderen Betriebsstätte ansässigen Betriebsratsmitglied zunächst einen Antrag auf Bewilligung eines Dienstwagens erfordere, sei - abgesehen von der ungeklärten Versicherungsfrage - die notwendige Diskretion nicht mehr gewährleistet.

Zwischen den beiden Betriebsstätten in Bergheim und Hürth bestehe auch keine lebendige Betriebsgemeinschaft, zumal ein Personalaustausch kaum stattfinde.

Im übrigen könne auch die Eigenständigkeit des Aufgabenbereichs und der Organisation im Sinne von § 4 Abs.1 Ziff. 2 BetrVG bejaht werden. So habe der Niederlassungsleiter bei der Einstellung von gewerblichen Arbeitnehmern, in Urlaubs- und Arbeitszeitfragen mitbestimmungsrelevante Befugnisse.

Mit Beschluss vom 04.07.2002 hat das Arbeitsgericht dem Antrag der Arbeitgeberin stattgegeben und die Betriebsratswahl vom 15.02.2002 für unwirksam erklärt. Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen.

Der arbeitsgerichtliche Beschluss wurde dem Betriebsrat am 13.09.2002 zugestellt. Der Betriebsrat hat hiergegen am 27.09.2002 Beschwerde eingelegt und diese am 08.10.2002 begründen lassen.

Der Betriebsrat meint, das Arbeitsgericht habe die unter § 4 Abs. 1 Ziff. 1 und Ziff. 2 BetrVG für die Annahme eines betriebsratsfähigen selbständigen Betriebes maßgeblichen Kriterien fehlerhaft angewandt. Er wiederholt und vertieft insoweit unter Rückgriff auf ober- und höchstrichterliche Rechtsprechung seine erstinstanzliche Rechtsauffassung.

Der Betriebsrat und Beschwerdeführer beantragt,

den Antrag der Antragstellerin vom 28.02.2002 unter Aufhebung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Köln vom 04.07.2002 (8 BV 28/02) zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin und Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin verteidigt den arbeitsgerichtlichen Beschluss und bleibt bei ihrer Auffassung, dass separat für die Niederlassung H ein Betriebsrat nicht habe gewählt werden dürfen, da die Voraussetzungen des § 4 Abs.1 BetrVG sowohl hinsichtlich Ziffer 1 als auch hinsichtlich Ziffer 2 nicht erfüllt seien.

II. A. Die Beschwerde des erstinstanzlich unterlegenen Betriebsrats ist zulässig. Sie ist gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft und wurde gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG fristgerecht eingelegt und begründet.

B. In der Sache selbst konnte die Beschwerde des Betriebsrats jedoch keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht hat nach Auffassung der Beschwerdekammer dem Wahlanfechtungsantrag der Arbeitgeberin zurecht stattgegeben.

1. Die Arbeitgeberin ist gemäß § 19 Abs. 2 S. 1 BetrVG anfechtungsberechtigt. Sie hat die Anfechtung auch gemäß § 19 Abs. 2 S. 2 BetrVG fristgerecht beim Arbeitsgericht eingereicht.

2. Die Beschwerdekammer teilt auch die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass bei der in der Niederlassung H abgehaltenen Betriebsratswahl vom 15.02.2002 gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde. Bei der der Wahl vorangegangenen Entscheidung, separat für die Niederlassung H einen Betriebsrat zu wählen, wurden nämlich die Voraussetzungen des § 4 BetrVG über die Betriebsratsfähigkeit von Teilbetrieben verkannt. Eine separate Betriebsratswahl in der Niederlassung H hätte nach Ansicht der Beschwerdekammer nicht stattfinden dürfen.

a. Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei der Niederlassung H nicht etwa um einen selbständigen Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG handelt. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten letztlich auch kein Streit. Wie der Beschwerdeführer erstinstanzlich zutreffend unter Rückgriff auf die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung referiert hat, kommt es für die Beurteilung, ob eine Betriebsstätte ein Betrieb ist, maßgeblich darauf an, ob eine organisatorische Einheit vorliegt, in der materielle und immaterielle Betriebsmittel zusammengefasst sind, um einen arbeitstechnischen Zweck zu erreichen, wobei der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Ein selbständiger Betrieb liegt vor, wenn der Kern der Arbeitgeberfunktionen für die dort tätigen Mitarbeiter einem eigenständigen Leitungsapparat übertragen ist. Demgegenüber verfolgt ein Betriebsteil im Sinne von § 4 BetrVG Teilfunktionen des arbeitstechnischen Zweckes des Hauptbetriebes. Er ist insofern organisatorisch unselbständig, als ihm ein eigener Leitungsapparat fehlt, um in personellen oder sozialen Angelegenheiten wesentliche Entscheidungen selbständig treffen zu können. Dessen ungeachtet verfügen aber auch Betriebsteile über einen eigenen Arbeitnehmerstamm, eine eigene technische Ausrüstung und eine räumlich-funktionale Abgrenzbarkeit (vgl. zum Ganzen BAG AP Nr. 3, Nr. 4, Nr. 5 und Nr. 7 zu § 4 BetrVG 1972 und BAG AP Nr. 5 zu § 1 BetrVG 1972).

aa. Die arbeitstechnische Zwecksetzung der Niederlassung H nimmt an dem arbeitstechnischen Zweck des Hauptbetriebes der Arbeitgeberin teil. Hier wie dort wird das operative Geschäft im Bereich der Schwerlastlogistik verfolgt. Wenn auch einzelne Mitarbeiter der Niederlassung H in der Kundenbetreuung bestimmte überregionale Sonderfunktionen ausführen, so unterscheidet sich hinsichtlich der ganz überwiegenden Tätigkeit der Niederlassung deren operativer Einsatz von dem der Hauptniederlassung in B nur durch die unterschiedliche regionale Zuordnung der Kundenkreise. Soweit der Kraneinsatz von Einheiten über 225 t Größe gefragt ist, findet sogar eine Überschneidung statt, da derartige Großkräne nur von der Hauptniederlassung B aus disponiert werden, auch soweit sie im räumlichen Zuständigkeitsbereich der Niederlassung H eingesetzt werden müssen.

bb. Die Niederlassung H verfügt zwar über einen eigenen Niederlassungsleiter. Damit ist aber nicht das Merkmal der einheitlichen eigenständigen Leitungsstruktur erfüllt, die für die Annahme eines selbständigen Betriebs im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG erforderlich ist. Der Niederlassungsleiter ist ausweislich der Geschäftsordnung für den Geschäftsablauf im organisatorischen und fachlichen Bereich seiner Niederlassung verantwortlich. Das operative Tagesgeschäft ist somit die Kernaufgabe der Niederlassungsleitung. Schon auf diesem Gebiet verfügt der Niederlassungsleiter aber nur über einen sehr eingeschränkten Handlungsspielraum. So darf er Aufträge nur bis zu 10.000,00 DM eigenständig abschließen und muss Aufträge mit einem höheren Volumen mit der Geschäftsleitung abstimmen. Preisnachlässe darf er nur im Rahmen der gültigen Preislisten gewähren. Investitionen im Fuhrparkbereich dürfen nur in Absprache mit der Geschäftsführung und der Fuhrparkleitung vorgenommen werden. Einzelkäufe dürfen nur im Bereich bis zu 1.000,00 DM eigenständig vorgenommen werden und selbst Reparaturen, deren Kosten über 1.000,00 DM liegen, müssen grundsätzlich mit dem Werkstattleiter abgestimmt werden.

cc. Schon angesichts des in diesen Regeln zum Ausdruck kommenden stark bestimmenden Einflusses, den die in B ansässige Geschäftsleitung selbst auf das operative Geschäft der Niederlassung ausübt, kann von einem selbständigen Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG keine Rede sein. Weitere in der Organisationsstruktur des von der Arbeitgeberin betriebenen Unternehmens angelegte Überschneidungen zwischen den einzelnen Niederlassungen bei der Wahrnehmung des einheitlichen arbeitstechnischen Zweckes ergeben sich im übrigen sinnfällig auch aus der in Ziffer 1.2.1 Abs. 2 der Geschäftsleitung festgelegten Regel, wonach die Niederlassungsleiter verpflichtet sind, "bei der operativen Abwicklung von Aufträgen die Möglichkeiten zur Kostenoptimierung durch Einsatz anderer B -Niederlassungen konsequent zu nutzen". Bei der Niederlassung H handelt es sich bei alledem somit nur um einen "Betriebsteil" im Sinne von § 4 Abs. 1 BetrVG.

b. Die Niederlassung H bildet aber auch keinen "durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständigen" Betriebsteil im Sinne von § 4 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung überschneiden sich die Abgrenzungskriterien, die für § 4 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG als maßgeblich angesehen werden, mit denen, die auch bei der Definition des selbständigen Betriebes im Sinne von § 1 Abs. 1 BetrVG verwendet werden. In Zweifelsfällen ist auch bei § 4 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG das Augenmerk darauf zu legen, ob der Betriebsteil eine eigene Leitungsstruktur besitzt und welche Kompetenzen innerhalb dieser Leitungsstruktur des Betriebsteils ausgeübt werden können (BAG AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972).

aa. Im vorliegenden Fall bestehen schon Zweifel daran, ob die Niederlassung H überhaupt über einen eigenen Aufgabenbereich im Sinne von § 4 Abs.1 Ziff. 2 BetrVG verfügt. Dabei ist zu beachten, dass im Rahmen des § 4 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG die Voraussetzungen des eigenständigen Aufgabenbereichs und der eigenständigen Organisation kumulativ vorliegen müssen. Sieht man einmal davon ab, dass einzelne, aufgrund ihrer geringen Zahl zu vernachlässigende Arbeitnehmer der Niederlassung H bestimmte Sonderaufgaben wahrnehmen, so führt der ganz überwiegende Teil der Mitarbeiter der Niederlassung die gleichen Aufgaben im Bereich der Schwerlastlogistik aus, wie der ganz überwiegende Teil der Mitarbeiter in B . Es findet lediglich eine Gebietsaufteilung statt, die aber auch durch Überschneidungen in beiden Richtungen - sei es aufgrund von Notwendigkeiten der Kostenoptimierung im Sinne von Ziffer 1.2.1 der Geschäftsordnung für Niederlassungsleiter, sei es aufgrund der Notwendigkeit des Einsatzes von Großkränen - durchbrochen werden. Es fragt sich, ob in einem solchen Fall noch von "eigenständigen Aufgabenbereichen" im Sinne von § 4 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG gesprochen werden kann.

bb. Letztlich kann diese Frage jedoch dahinstehen, da es jedenfalls an einer "eigenständigen Organisation" des H Betriebsteils im Sinne von § 4 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG fehlt.

Soweit es, wie oben angesprochen, auch hier wesentlich auf Struktur und Kompetenz der in der Niederlassung wahrgenommenen Leitungsfunktionen ankommt, ist nunmehr der Schwerpunkt der Betrachtung aufgrund von Sinn und Zweck des Gesetzes doch verstärkt auf die Frage zu richten, inwieweit die Niederlassungsleitung aufgrund ihrer Funktion und Kompetenz gerade als Ansprech- und Verhandlungspartner eines Betriebsrats auf dem Gebiet der sozialen und personellen Mitbestimmung und der sonstigen betriebsverfassungsrechtlich festgeschriebenen Aufgabenbereiche der Belegschaftsvertretung infrage kommt. § 4 BetrVG soll einerseits gewährleisten, dass die Betriebsratsarbeit belegschaftsnah durchgeführt werden kann und dass diejenigen, die "zusammengehören", auch zusammen vertreten werden. Auf der anderen Seite will § 4 BetrVG aber auch gewährleisten, dass der Betriebsrat dort angesiedelt ist, wo die betriebsverfassungsrechtlich relevanten Entscheidungen getroffen werden, weil ansonsten eine effektive Wahrnehmung der ihm durch das Betriebsverfassungsgesetz zugewiesenen Aufgaben nicht möglich wäre.

cc. In Anbetracht dieser Kriterien ist vorliegend festzustellen, dass der Niederlassungsleiter kaum über nennenswerte Kompetenzen verfügt, die ihn zu einem maßgeblichen Ansprechpartner des Betriebsrats machen könnten. In personeller Hinsicht kann der Niederlassungsleiter zwar bei der Einstellung gewerblicher Arbeitnehmer im Einzelfall Auswahlentscheidungen treffen, dies aber nur "nach vorheriger Abstimmung mit der Geschäftsleitung innerhalb des für ihren Bereich gültigen Personalplans und Budgets sowie innerhalb des für ihren Bereich gültigen Vergütungsrahmens". Über die Einstellung von Angestellten und über die Entlassung bei sämtlichen Mitarbeitern kann der Niederlassungsleiter jedoch keine eigene Entscheidung treffen. Wie stark die Kompetenzen des Niederlassungsleiter selbst in personellen Alltagsfragen beschnitten sind, zeigt sich sinnfällig daran, dass selbst Abmahnungen durch die Geschäftsleitung genehmigt werden müssen.

dd. In den sozialen Angelegenheiten nach §§ 87 ff. BetrVG bestehen zwar unbestritten gewisse Kompetenzen des Niederlassungsleiters in Fragen der Festlegung der täglichen Arbeitszeit, die für die Mitbestimmungsrechte des § 87 Abs. 1 Ziff. 2 und 3 BetrVG von Bedeutung sind. Schon die Urlaubsplanung wird in der Niederlassung zwar "faktisch" vorgenommen, ist jedoch formalrechtlich in der Personalabteilung angesiedelt. In der überwiegenden Mehrzahl auch der sozialen Angelegenheiten im Sinne von §§ 87 ff. BetrVG, insbesondere in allen Fragen, die nicht mit dem unmittelbaren operativen Tagesgeschäft zusammenhängen, ist eine Entscheidungskompetenz des Niederlassungsleiters nicht ersichtlich und verbleibt es somit bei der unmittelbaren Kompetenz der in B ansässigen Geschäftsleitung und der dieser nachgeordneten Personalabteilung. Insbesondere entnimmt die Beschwerdekammer Ziffer 1.2.5 der Geschäftsordnung, dass der Niederlassungsleiter nicht befugt wäre, eigenständig rechtsverbindliche Vereinbarungen mit dem Betriebsrat abzuschließen, geschweige denn eine Betriebsvereinbarung zu unterzeichnen.

In der ganz überwiegenden Mehrzahl aller personellen und sozialen Angelegenheiten des Betriebsverfassungsrechts wäre somit nicht der Niederlassungsleiter, sondern die in B ansässige Geschäftsleitung der maßgebliche Ansprechpartner für einen Niederlassungsbetriebsrat. Die Kriterien des § 4 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG sind somit nicht erfüllt. Aus organisatorischer Sicht erschiene es vielmehr eher kontraproduktiv, die in der H Niederlassung anfallenden Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte von einem eigenen Niederlassungsbetriebsrat statt von einem am Sitz der Geschäftsleitung angesiedelten zentralen Betriebsrat wahrnehmen zu lassen.

c. Ein anderes Ergebnis könnte sich gesetzlich somit nur dann rechtfertigen lassen, wenn die Niederlassung H vom Hauptbetrieb in B "räumlich weit entfernt" wäre im Sinne von § 4 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG. Dies ist nach Auffassung der Beschwerdekammer jedoch nicht der Fall.

aa. Durch die in § 4 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG enthaltene Regelung trägt der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, dass es Fälle geben kann, in denen das Prinzip der organisatorischen Nähe des Betriebsrats zu den Entscheidungsträgern in personellen und sozialen Angelegenheiten auf Arbeitgeberseite hinter anderen Kriterien zurücktreten muss. Dies ist dann der Fall, wenn die Ansiedlung des für eine Niederlassung zuständigen Betriebsrats am Sitz des Hauptbetriebes dazu führen würde, dass der Betriebsrat die Belegschaft der Niederlassung nicht mehr mit der nach den Vorstellungen des Gesetzes notwendigen Intensität persönlich betreuen könnte. Dabei geht die Rechtsprechung davon aus, dass trotz der Möglichkeiten telefonischer Kontaktnahme auch die Möglichkeit persönlicher Kontaktnahme gegeben sein muss und nicht lediglich unter äußerlich erschwerten Bedingungen wahrgenommen werden kann (BAG vom 21.06.1995, 2 AZR 783/94; BAG AP Nr. 2 zu § 4 BetrVG 1972; LAG Köln vom 20.11.1998, 11 TaBV 6/98).

bb. Die objektive räumliche Entfernung zwischen den Betriebsstätten in Hürth und Bergheim beträgt je nach gewählter Wegstrecke zwischen 23,1 und 24,8 km. Wie aus dem soeben skizzierten Sinn und Zweck von § 4 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG hervorgeht, kann jedoch bei der Subsumtion des gesetzlichen Merkmals "räumlich weit entfernt" nicht einfach auf starre Kilometer-Grenzen abgestellt werden. Dies wird auch in der bereits vom Arbeitsgericht angesprochenen Kasuistik in der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung deutlich und kommt besonders eindrucksvoll darin zum Ausdruck, dass das Bundesarbeitsgericht in zwei verschiedenen Fällen, in denen die zu beurteilenden Betriebsteile mit 22 km exakt gleich weit auseinander lagen, aufgrund der unterschiedlichen sonstigen äußeren Gegebenheiten einmal das Merkmal "räumlich weit entfernt" bejaht (BAG vom 21.06.1995, 2 AZR 783/94), ein anderes Mal indessen verneint hat (BAG AP Nr. 4 zu § 4 BetrVG 1972). Aufgrund des Sinns und Zwecks von § 4 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG muss dieser nach den Gesamtumständen des Einzelfalls differenzierenden Rechtsprechung gefolgt werden, auch wenn dadurch das Ziel, Rechtssicherheit zu erreichen, in den Hindergrund tritt. Die Möglichkeit, im Interesse der Rechtssicherheit eine feste Kilometergrenze einzuführen, müsste letztlich dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben, der hiervon aber offenbar im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit Abstand genommen hat.

cc. Die Beschwerdekammer vermag sich daher auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht anzuschließen (a. A.: LAG Köln vom 20.11.1998, 11 TaBV 8/98): Das Bundesverwaltungsgericht nimmt eine Vermutungswirkung für räumlich weite Entfernung im Sinne von § 6 Abs. 3 BPersVG an, wenn die starre Grenze von 20 km überschritten ist und sich die zu beurteilenden Dienststellenteile in verschiedenen Dienstorten befinden (BVerwG NVwZ-RR 1992, 199 ff.). Diese Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts kann schon deshalb nicht ohne weiteres auf § 4 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG übertragen werden, weil sie vor dem Hintergrund der spezifischen Strukturen und Verhältnisse des öffentlichen Dienstes aufgestellt wurde. Aber auch die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellte zusätzliche Voraussetzung, dass die zu beurteilenden Dienststellenteile in verschiedenen Dienstorten gelegen sein müssen, erweist die Ansicht nach Auffassung der Beschwerdekammer als wenig sinnvoll. Es entspricht nämlich der allgemeinen praktischen Lebenserfahrung, dass für die Bewältigung einer Strecke von 20 km innerhalb einer Großstadt wie Köln, Hamburg oder München in der Regel wesentlich mehr Zeit benötigt wird als für die gleiche Strecke zwischen zwei selbständigen Orten im ländlichen Bereich.

dd. Wie die beiden oben zitierten unterschiedlichen BAG-Entscheidungen in den "22 km-Fällen" zeigen, kommt es für das Ergebnis in erster Linie darauf an, wie die wechselseitige Erreichbarkeit der beiden Betriebsstätten untereinander einzuschätzen ist. Dabei besteht im vorliegenden Fall die Besonderheit, dass je nach dem benutzten Verkehrsmittel krasse Unterschiede bei dem erforderlichen Zeitaufwand bestehen. Wird der Weg zwischen den beiden Betriebsstätten mit dem Auto zurückgelegt, so erscheint die Erreichbarkeit der jeweils anderen Betriebsstätte in zeitlicher Hinsicht günstig. Der durchschnittlich benötigte Zeitaufwand für die zeitlich kürzeste Verbindung beträgt je nach verwendetem Routenplaner etwa 17 bis 18 Minuten, wobei ein großer Teil der Strecke auf einer erfahrungsgemäß nicht überdurchschnittlich staugefährdeten Bundesautobahn (A 61) zurückgelegt werden kann. Will man den Weg zwischen den beiden Betriebsstätten dagegen mit dem ÖPNV zurücklegen, benötigt man für die einfache Strecke im günstigsten Fall über 70 Minuten, also weit mehr als den vierfachen Zeitaufwand.

ee. In der Entscheidung vom 17.02.1983 (AP Nr. 4 zu § 4 BetrVG 1972) hat das BAG es ausreichen lassen, dass die beiden Betriebsteile in einem verkehrsmäßig gut erschlossenen Gebiet lagen und mit dem Pkw über ein gut ausgebautes Straßennetz in ca. 25 Minuten zu erreichen waren, um das Merkmal "räumlich weit entfernt" zu verneinen. Ebenso hat das LAG Hamburg in einem Fall entschieden, bei dem die Entfernung zwischen den Betriebsstätten ebenfalls 22 Kilometer betrug und die Fahrzeit mit dem Pkw in 20 Minuten zurückzulegen war (BB 1983, 1095 ff.). Einen Unterschied zu dem Sachverhalt, den das BAG in seiner Entscheidung vom 21.06.1995 (a. a. O.) zu beurteilen hatte, sieht das BAG trotz gleicher Kilometer-Entfernung und etwa gleich guter Erreichbarkeit per Pkw darin, dass in dem vom LAG Hamburg entschiedenen Fall zwischen den dortigen Betriebsstätten eine regelmäßige Busverbindung nach Schichtende eingerichtet gewesen sei. Dabei hat das BAG in dem Fall vom 21.06.1995 auf die spezifische Zusammensetzung der Belegschaft abgestellt, die zum größten Teil aus teilzeitbeschäftigten Näherinnen und Legerinnen bestand, bei deren geringem Einkommen nicht unterstellt werden könnte, dass sie über eigene Fahrzeuge verfügten. Auch hat das BAG darauf abgestellt, dass nicht vorgetragen gewesen sei, dass dem Betriebsrat ein eigenes Fahrzeug zur Verfügung gestanden hätte.

ff. Stellt man im vorliegenden Fall ausschließlich auf die wechselseitige Erreichbarkeit der beiden Betriebsstätten in H und in B mit öffentlichen Verkehrsmitteln ab, so könnte die Annahme zweier "räumlich weit entfernter" Betriebsstätten wohl nicht verneint werden. Müsste bei Aufsuchen des jeweils anderen Betriebsteils im günstigsten Fall ein Zeitaufwand von über 70 Minuten für die einfache Strecke einkalkuliert werden, so wäre die Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Niederlassungsbelegschaft in der Tat dermaßen erschwert, dass das Kriterium der organisatorischen Zweckmäßigkeit, den Betriebsrat räumlich bei den arbeitgeberseitigen Entscheidungsträgern anzusiedeln, zurücktreten müsste.

gg. Eine solche Betrachtungsweise erscheint der Beschwerdekammer im vorliegenden Fall jedoch nicht sachgerecht. Im Ausgangspunkt ist zu bedenken, dass sich die Gepflogenheiten in der Arbeitswelt kontinuierlich entsprechend dem allgemeinen technischen Fortschritt verändern und weiterentwickeln. Die räumliche Flexibilität der Arbeitnehmer nimmt zu. Die Belegschaft der Niederlassung H besteht bis auf einige wenige Angestellte nahezu ausschließlich aus Kranführern bzw. Berufskraftfahrern. Anders als in dem vom BAG in der Entscheidung vom 21.06.1995 zu beurteilenden Fall bestehen aufgrund der Zusammensetzung der Belegschaft keine Bedenken gegen die Vermutung, dass der ganz überwiegenden Anzahl von Arbeitnehmern ein Pkw zur Verfügung steht. Auch was den Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte angeht, wird sich ein Arbeitnehmer in der Regel für die Benutzung eines Pkws entscheiden, wenn der bei der Benutzung des ÖPNV erforderliche Zeitaufwand in einem derart krassen Missverhältnis zu dem Zeitaufwand für die Benutzung eines Pkws steht, wie das vorliegend der Fall ist. Auch für den Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte erscheint ein Zeitaufwand von 17 bis 18 Minuten mit dem Pkw, wie er hier für die Verbindung zwischen den beiden in Rede stehenden Betriebsstätten erforderlich ist, eher unter- als überdurchschnittlich. So wohnen beispielsweise zwei der drei Mitglieder des Beteiligten zu 2), nämlich der in B ansässige Herr G und der in L ansässige Herr K an Orten, die von ihrer Arbeitsstätte in H wesentlich weiter entfernt sind als der Hauptbetrieb in B und bei denen der erforderliche Zeitaufwand für eine Fahrt mit dem Pkw wesentlich höher ist.

hh. Zwar ist im vorliegenden Fall zwischen den Betriebsstätten H und B kein regelmäßiger Pendelverkehr von Seiten des Arbeitgebers eingerichtet. Allerdings erfolgte der in dem Fall des LAG Hamburg (a. a. O.) eingerichtete Pendelverkehr jeweils erst nach Dienstschluss, so dass sich schon von daher die Frage stellt, ob darin wirklich eine entscheidungserhebliche Besonderheit zu sehen ist. Vorliegend legt dagegen der Werkstattmeister unstreitig einmal täglich mindestens die Strecke B H zurück. Darüber hinaus hat die Arbeitgeberin angeboten, dass auf Anfrage bei entsprechendem Bedarf jeweils auch ein Dienstfahrzeug zur Verfügung gestellt werden könnte. Die vom Betriebsrat hiergegen erhobenen Bedenken, dass in diesem Fall die persönliche Kontaktaufnahme zwischen Arbeitnehmer und Betriebsratsmitglied nicht mit der erforderlichen Diskretion erfolgen könnte, könnten dadurch ausgeräumt werden, dass sich nicht der Arbeitnehmer zu dem Betriebsratsmitglied begibt, sondern umgekehrt.

ii. Nicht zu Unrecht hat das Arbeitsgericht darüber hinaus auch auf die mit der fortschreitenden Entwicklung immer besser werden technischen Kommunikationsmöglichkeiten hingewiesen. Selbst seit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21.06.1995 ist die Entwicklung des Telekommunikationswesens, aber auch des elektronischen Kommunikationsverkehrs geradezu stürmisch weitergegangen. Dabei teilt die Beschwerdekammer durchaus die Auffassung, dass es in betriebsverfassungsrechtlicher Hinsicht nicht ausreicht, Arbeitnehmer und Betriebsratsmitglieder auf rein technische Kommunikationswege zu verweisen. Die Notwendigkeit zeitnahen persönlichen Kontakts bei problematischen Situationen, die den Aufgabenbereich des Betriebsrats berühren, ist nicht von der Hand zu weisen. "Zeitnah" bedeutet allerdings nicht, dass immer und überall sofort die persönliche Kontaktaufnahme zwischen jedem beliebigen Belegschaftsmitglied und jedem beliebigen Betriebsratsmitglied gewährleistet sein muss. Für einen "ersten Zugriff" reicht es vielmehr aus, dass es im Gegensatz zu früher heute in Anbetracht der Verbreitung von Mobiltelefonen tatsächlich nahezu jederzeit und nahezu überall möglich ist, zunächst telefonisch miteinander in Kontakt zu treten.

kk. In Anbetracht der geschilderten Umstände des vorliegenden Einzelfalls gelangt die Beschwerdekammer mit dem Arbeitsgericht zu der Auffassung, dass die räumliche Entfernung zwischen der Niederlassung H und dem Hauptbetrieb in B kein Hindernis dafür darstellt, dass die H Belegschaft von einem in B ansässigen Betriebsrat so intensiv betreut werden könnte, wie dies nach den Vorstellungen des Betriebsverfassungsgesetzes erforderlich ist.

d. Zu Unrecht wendet der Betriebsrat schließlich dagegen ein, dass es zwischen der Belegschaft der Niederlassung H und der Belegschaft des Hauptbetriebes in B an einer lebendigen Betriebsgemeinschaft fehle.

aa. Nach Auffassung der Beschwerdekammer ist das Kriterium der "lebendigen Betriebsgemeinschaft" schon zu unbestimmt, als dass ihm mehr als eine untergeordnete Hilfsfunktion bei der Beurteilung der Betriebsratsfähigkeit einer Betriebsstätte zukommen könnte.

bb. Darüber hinaus hat die Beschwerdekammer erhebliche Bedenken, dieses Merkmal zur näheren Bestimmung des gesetzlichen Unterscheidungskriteriums der "räumlich weiten Entfernung" im Sinne von § 4 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG zu verwenden. Je nach Unternehmensgeschichte, Zusammensetzung der Belegschaft, aber auch persönlichen Sympathien und Antipathien konkret vorhandener Personen kann es ohne weiteres auch bei zwei Betriebsstätten, die sich auf gegenüberliegenden Straßenseiten befinden, an einer "lebendigen Betriebsgemeinschaft" fehlen, obwohl dann die Annahme einer "räumlich weiten Entfernung" nach dem Wortlaut des Gesetzes sicherlich nicht mehr verneint werden könnte.

cc. So mag das unbestrittene Bestehen einer "lebendigen Betriebsgemeinschaft" im Sinne von häufiger Personalfluktuation, häufigen gemeinsamen Feiern etc. in Zweifelsfällen aus teleologischer Sicht der Annahme einer "räumlich weiten Entfernung" im Sinne des Gesetzes tendenziell entgegenwirken. Im umgekehrten Sinne kann die Anwendung dieses Kriteriums aber kaum ausschlaggebend sein. Dies erschiene gerade auch in Unternehmen und Betrieben, die aus früheren anderen organisatorischen Einheiten neu zusammengesetzt worden sind, wenig sinnvoll zu sein. Gerade hier muss den Belegschaften und ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Vertretung auch die Gelegenheit gegeben werden, dass "zusammenwächst, was zusammengehört". Im vorliegenden Fall zeigt auch das ruhende weitere Anfechtungsverfahren Arbeitsgericht Köln - 12 BV 3/02 -, dass zumindest Teile der B Belegschaft lebhaften Anteil an dem Geschehen in der Niederlassung H nehmen.

3. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die hier vertretene Auffassung zwar dazu führt, dass die separate Wahl des Beteiligten zu 2) für die Niederlassung H für unwirksam zu erklären ist, dass dies aber keineswegs der gesetzgeberischen Grundkonzeption des Betriebsverfassungsgesetzes widerspricht, wonach möglichst alle Arbeitnehmer, die in Betrieben hinreichender Größe beschäftigt sind, durch einen Betriebsrat vertreten werden. Denjenigen Arbeitnehmern, die die Wahl des Beteiligten zu 2) initiiert haben, steht es jederzeit frei, auch die Initiative zur Wahl eines Betriebsrats gemeinsam für Hauptbetrieb und Niederlassung zu ergreifen, wobei an dieser Stelle auf die betriebsverfassungsrechtlich korrekte Stellung der weiteren Niederlassung in D mangels entsprechenden Streitgegenstands, aber auch in Ermangelung der hierfür notwendigen Informationen nicht eingegangen werden kann. Abgesehen davon spricht aber, wie das Arbeitsgericht ebenfalls bereits dargelegt hat, auch aus der Sicht der Belegschaftsinteressen einiges dafür, dass der Betriebsrat häufig das ihm anvertraute Gesamtinteresse der Arbeitnehmer umso nachhaltiger vertreten kann, je größer und einheitlicher er dem Arbeitgeber gegenübertreten kann (Däubler/Trümmer, BetrVG, 6. Aufl., § 4 Rz. 38).

C. Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit war für den unterlegenen Betriebsrat die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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